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Das alte und das neue Yijing: Die Wandlungen des Buches der Wandlungen
Das alte und das neue Yijing: Die Wandlungen des Buches der Wandlungen
Das alte und das neue Yijing: Die Wandlungen des Buches der Wandlungen
eBook317 Seiten3 Stunden

Das alte und das neue Yijing: Die Wandlungen des Buches der Wandlungen

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Über dieses E-Book

Der sensationelle Grabfund von Mawangdui, einer kleinen Stadt im Süden Chinas, hat eine Version des Yijing ans Licht gebracht, die in das Jahr 168 v.chr. datiert und somit rund 1000 Jahre älter ist als die bisher bekannte früheste Ausgabe.Im vorliegenden Buch wird die neu gefundene mit der bislang bekannten, jüngeren Fassung verglichen. Denn neben der unterschiedlichen Darstellung und einer anderen Reihenfolge der 64 Hexagramme lassen auch die Schriftzeichen gravierende Abweichungen erkennen. Welche Bedeutung haben diese Unterschiede für die Interpretation des Buches der Wandlungen? Wird die Gültigkeit und Richtigkeit der bisher überlieferten Version in Frage gestellt? Und erfahren so die Fragen nach der Zukunft eine vollkommen andere Antwort?
SpracheDeutsch
HerausgeberDao.works
Erscheinungsdatum11. Jan. 2016
ISBN9783958494985
Das alte und das neue Yijing: Die Wandlungen des Buches der Wandlungen

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    Buchvorschau

    Das alte und das neue Yijing - Dominique Hertzer

    Inhaltsverzeichnis

    VORWORT

    VORWORT ZUR ZWEITEN ÜBERARBEITETEN AUFLAGE

    1. EINLEITUNG

    Unterscheidung von Wahrsagung und Weissagung

    Die Besonderheiten des Wahrsage­systems Yijing

    Die Textgeschichte des traditionellen Yijing

    2. DAS KULTURELLE UND HISTORISCHE UMFELD VON MAWANGDUI

    Der historische Hintergrund

    Die Grabbewohner

    Die Texte der Grabbibliothek

    3. DIE INHALTLICHEN UNTERSCHIEDE DES MAWANGDUI-YIJING IM VERGLEICH ZUR TRADITIONELLEN ÜBERLIEFERUNG

    Das Material

    Die Unterschiede im Text - Fehlschreibung, Lehnschreibung oder Andersschreibung?

    Forschungsstand und Arbeitshypothese

    Möglichkeiten und Grenzen eines Textvergleiches

    4. DIE FORMALEN UND GRAPHISCHEN UNTERSCHIEDE

    Die Yin- und Yang-Linie in Form des Zahlensymbols

    Die Zahl und ihre Verwendung in der Wahrsagung

    Verbindung von Zahl und Wahrsagung in China

    Bedeutung und Funktion der Zahl im Yijing

    Darstellung der Yin- und Yang-Linien auf Orakelknochen und Bro­nzei­nschriften

    Die Anordnung der 64 Hexagramme

    Ursprung und Symbolik der acht T­rigramme

    Entwicklung des Trigramms aus dem Hexagramm oder des Hexagramms aus dem Trigramm?

    Die Reihenfolge der 64 Hexagramme im Mawangdui-Yijing im Ver­gleich zu anderen überlieferten Anordnungsmöglichkeiten

    5. DIE INHALTLICHEN UNTERSCHIEDE

    Der Text des Mawangdui- Yijing— eine Fälschung?

    Die Wandlungen des Buches der Wandlungen

    6. LITERATUR

    Quellen in Chinesischer Sprache

    Sekundärliteratur in chinesischer Sprache

    Sekundärliteratur in westlichen Sprachen

    7. FAKSIMILIE AUS DEM ORIGINALTEXT

    8. ZUR AUTORIN

    Der sensationelle Grabfund von Mawangdui, einer kleinen Stadt im Süden Chinas, hat eine Version des Yijing –Buches der Wandlungen – ans Licht gebracht, die in das Jahr 168 v.Chr. datiert werden kann und somit um rund 1000 Jahre älter ist als die bisher bekannte früheste Ausgabe.

    In dem Band "Das Mawangdui Yijing. Text und Deutung hat Dominique Hertzer bereits die erste deutsche Übersetzung des Textes veröffentlicht. Im vorliegenden Band Das alte und das neue Yijing "vergleicht sie die neu gefundene mit der bislang bekannten Yijing-Fassung. mit dem Ziel, einen neuen Weg zum Verständnis des Yijing - im Sinne eines Werkes zur Bestimmung der Zukunft aus Vergangenheit und Gegenwart - aufzuzeigen. Ein wesentliches Anliegen des Buches ist es, einen Beitrag zur Grundlagenforschung desYijing zu leisten, der ebenso für das sinologische Fachpublikum Ausgangspunkt für weitere Forschungen sein kann wie er dem interessierten Laien einen neuen Blickwinkel für eigene Interpretationsmöglichkeiten eröffnen soll.

    Ausgehend von einer Einführung in das Yijing als Wahrsagebuch und philosophisches Werk werden die neuen Erkenntnisse und deren Folgen erörtert: Neben der unterschiedlichen Darstellung und einer anderen Reihenfolge der 64 Hexagramme lassen auch die Schriftzeichen in der Mawangdui-Version gravierende Abweichungen erkennen. Welche Bedeutung haben diese Unterschiede für die Interpretation des Buches der Wandlungen und somit für den einzelnen Leser? Wird die Gültigkeit und Richtigkeit der bisher überlieferten Version in Frage gestellt? Und erfahren so die Fragen nach der Zukunft eine vollkommen andere Antwort?

    Dieses Buch basiert auf der Promotion von Dominique Hertzer im Jahre 1993 über den Textfund des Yijing aus Mawangdui im Fach Sinologie. Der vorliegende Band ist eine zweite überarbeitete Auflage - die erste Auflage ist ursprünglich im Diederichs Verlag erschienen- , in die der gegenwärtige Forschungsstand zum Mawangdui-Yijing,verschiedene inhaltliche Aktualisierungen und nicht zuletzt zwanzig Jahre Erfahrung mit dem Yijing eingeflossen sind.

    Dominique Hertzer

    Das alte und das neue Yijing

    Die Wandlungen des Buches der Wandlungen

    Dao.works

    Die Darstellung auf dem Umschlag zeigt eine mythische Gottheit, die auf einem wilden Tier reitet. Es handelt sich um ein Detail der Bemalung eines Sarges aus dem Grab Nr.1 von Mawangdui. (Aus: Mawangdui Hanmu wewu, Hunan: Hunan chubanshe 1992, S.9)

    Die Deutsche Bibliothek – CIP Einheitsaufnahme

    Hertzer, Dominique

    Das alte und das neue Yijing: die Wandlungen des Buches der Wandlungen/Dominique Hertzer-Utting: Dao.works, 2015

    © Dominique Hertzer dao.works, Utting 2015

    Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrages sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages und der Autorin reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

    Umschlagsgestaltung: Philine Delf 

    VORWORT

    »Schopenhauer weist darauf hin, dass ein Lebenslauf wenn man ein fortgeschrittenes Alter erreicht hat und zurückblickt, den Anschein erweckt, als hätte er Stetigkeit, Ordnung und Planmäßigkeit besessen, so als sei er von einem Romanschriftsteller komponiert worden. Ereignisse, die, als sie geschahen, zufällig und momenthaft zu sein schienen, erweisen sich als unerlässliche Faktoren in der Komposition einer zusammenhängenden Geschichte. Aber: Wer hat diese Geschichte komponiert?...

    Alles verbindet sich miteinander zu einer großen Symphonie, in der jedes Moment unbewusst jedes andere prägt ... ein großer Traum eines träumenden Einzelnen, in dem alle Traumgestalten ebenfalls träumen... Alles steht in Wechselbeziehung zu allem anderen, so dass man niemanden verantwortlich machen kann, ja es ist sogar so, als stünde eine einzige Absicht hinter allem, die immer einen bestimmten Sinn ergibt, obwohl niemand weiß, welcher Sinn dies ist und man im Leben auch gelebt hat, was tatsächlich beabsichtig war. »

    (Joseph Campbell)

    Was im Leben eines Menschen tatsächlich beabsichtigt und inwieweit das Schicksal eines individuellen Lebens tatsächlich vorgezeichnet ist oder ob sich der zukünftige Weg aus einer »zufälligen« Weichenstellung in der Gegenwart ergibt, einer solche Frage sehen sich wohl die meisten Menschen irgendwann in ihrem Leben gegenübergestellt. Dabei ist die Frage nach der Zukunft und dem eigenen Schicksal niemals losgelöst von der Angst vor oder einer Hoffnung auf die Zukunft. Sei es die Hoffnung, dass die Zukunft eine Veränderung bringt oder die gegenwärtigen Verhältnisse bestehen bleiben mögen, seien es die Hoffnungen eines einzelnen Menschen oder die eines ganzen Landes, manchmal vermag allein die Hoffnung auf eine (andere) Zukunft die Gegenwart erträglich zu machen, und manchmal lässt die Angst vor der Zukunft die Gegenwart zur Zukunft werden.

    Die Frage nach der Zukunft und der Möglichkeit, sie zu beeinflussen, hat immer schon eine große Faszination ausgeübt und war lange Zeit sogar ein wichtiges politisches Machtmittel, wie wir von dem Orakel in Delphi wissen. Selbst heute im Zeitalter der Technik, die alle Unwägbarkeiten der Zukunft auszuschalten versucht, bleibt die Frage nach dem Bevorstehenden und dem eigenen Schicksal aktuell.

    Der Wunsch, in die Zukunft sehen zu können, spiegelt sich sowohl in einfachen Ja-Nein-Fragen als auch in komplexen Ideen des jeweiligen Wahrsagesystems wider. Angefangen beim Los-Orakel in der Bibel, der Schau von Eingeweiden und Pflanzen über die Kristallkugelschau und Geistreisen bis hin zum Kaffeesatzlesen, Kartenlegen und der Astrologie, haben sich je nach Kulturkreis und Bedarf die verschiedensten Systeme zur Weis- und Wahrsagung entwickelt. Im westlichen Kulturkreis wurden mit dem Siegeszug der Naturwissenschaften bei der Erklärung natürlicher und kosmischer Phänomene und einem daraus resultierenden kausal-linearen Denken die meisten Methoden zur Vorhersage der Zukunft im Lauf des letzten Jahrhunderts als Überreste eines noch nicht aufgeklärten Zeitalters betrachtet. Dessen ungeachtet überlebten verschiedene der einst gängigen Methoden für den Blick in die Zukunft und haben in den letzten Jahren im Rahmen der allgemeinen »Esoterikwelle« einen großen Aufschwung erfahren, so dass sich Astrologie und Tarotkarten derzeit wieder größter Popularität erfreuen.

    Anders verhält es sich im asiatischen Kulturkreis, speziell in China, wo das Denken in Analogien immer schon eine Selbstverständlichkeit war - und auch heute noch ist -, was oftmals als großer Gegensatz zum westlichen Denken empfunden wurde und demzufolge auch als Hindernis für den technischen Fortschritt. Bei der Frage nach der Zukunft, die niemals losgelöst von einem Verständnis der Gegenwart und Vergangenheit gestellt wurde, existierten auch in China verschiedene Methoden, wenngleich weniger zahlreich als in Europa, unter welchen das Schafgarbenorakel in Gestalt des Yijing 易經 (auch: I Ging) sicherlich das Bekannteste ist. Als Verknüpfung aus einem Handbuch zur Wahrsagung und einem philosophischen Werk, das die Zusammenhänge zwischen kosmischem und menschlichem Geschehen sowie seine Gesetzmäßigkeiten aufzeigt, hat es in den letzten 2000 Jahren unzählige Interpretationen erfahren, deren Wortreichtum das Yijing zwar populär gemacht, aber seinen Sinn nicht unbedingt verdeutlicht haben. Warum das Buch der Wandlungen jedoch auch in unserem Sprachraum, spätestens seit seiner Übertragung ins Deutsche von Richard Wilhelm, einen solch großen Anhängerkreis gewonnen hat, darauf wurde bisher meist nur hinter dem Schleier der Mystik geantwortet. Welche Faszination mag von einem Wahrsagebuch ausgehen, das einem völlig anderen Kulturkreis und Denken entspringt und aufgrund seines hohen Alters schon im Original sehr schwierig zu verstehen ist?

    Diese Frage, mit der sich jede Übertragung des Yijing in eine andere Sprache und jede Interpretation ganz zwangsläufig beschäftigt, gewinnt durch den Grabfund von Mawangdui im Jahr 1973 noch eine ganz neue Dimension. Denn dort wurde in einer Grabbibliothek ein Werk entdeckt, das in seinen Grundzügen zwar mit der überlieferten Version des Yijing übereinstimmt, doch an verschiedenen Stellen von ihr abweicht und so ganz neue Fragen aufgeworfen hat: Wird durch dieses zweite Yijing die Gültigkeit der überlieferten Version in Frage gestellt, und gibt es dadurch unterschiedliche Antworten auf dieselben Fragen nach der Zukunft? Wird das Buch der Wandlungen durch diese neue Version etwas von seiner Einzigartigkeit und damit auch Faszination einbüßen oder vermag der Mawangdui-Text einen neuen Zugang zum Yijing zu erschließen?

    Damit die Bedeutung und Tragweite, die die Mawangdui-Version für das Verständnis des Yijing als Handbuch zur Wahrsagung in sich birgt, offenbar wird, möchte ich das Buch der Wandlungen zunächst verschiedenen Orakelmethoden aus unserem eigenen Kulturkreis gegenüberstellen, mit dem Ziel, die möglichen Facetten der Vorstellung von Zukunft zu veranschaulichen, im Sinn eines »Zu-falls« von Situationen und Ereignissen, welche von einem unabänderlichen Schicksal verhängt werden oder jeden Augenblick spontan entstehen können.

    Erst im Anschluß daran werde ich auf die historischen kulturellen Besonderheiten des Grabfundes von Mawangdui eingehen sowie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der überlieferten und der Mawangdui-Version des Buches der Wandlungen vorstellen. Doch beschränke ich mich hier nicht auf einen reinen Textvergleich oder eine Textinterpretation, die sich ausschließlich auf das historisch-kulturelle Umfeld von Ma-wangdui bzw. die Grabfunde selbst stützt. Vielmehr hat mich die Herausforderung motiviert, die Bedeutung und möglichen Hintergründe für die spezifischen Unterschiede beider Ausgaben zu untersuchen, mit dem Ziel, einen neuen Weg zum Verständnis des Yijing — im Sinne eines Werkes zur Bestimmung der Zukunft aus Vergangenheit und Gegenwart - aufzuzeigen. Dabei war es mir ein wichtiges Anliegen, einen Beitrag zur Grundlagenforschung des Yijing zu leisten, der ebenso für das sinologische Fachpublikum Ausgangspunkt für weitere Forschungen sein kann wie er dem interessierten Laien einen neuen Blickwinkel für eigene Interpretationsmöglichkeiten eröffnen soll.

    Die Übersetzung des Mawangdui-Yijing ist von mir in einem eigenen Band veröffentlicht worden: »Das Mawangdui-Yijing - Text und Deutung« . Dieser und der vorliegende Band beruhen auf einer Arbeit, die im Januar 1993 von der Ludwig-Maximilians-Universität als Dissertation angenommen wurde.

    München, im Januar 1996     Dominique Hertzer

    VORWORT ZUR ZWEITEN ÜBERARBEITETEN AUFLAGE

    In dieselben Flüsse

    steigen wir hinab und nicht hinab.

    Wir sind es und sind es nicht,

    denn in denselben Strom

    vermag man nicht zweimal zu steigen.

    (Heraklit)

    Seit der Erstauflage dieses Buches vor zwanzig Jahren hat mich mein Weg zunächst weg von der rein universitären Laufbahn hin zur Chinesischen Medizin in Theorie und Praxis geführt. Doch auch, oder besser vielleicht gerade in der Chinesischen Medizin ist das Buch der Wandlungen das Fundament, auf dessen Grundlage die verschiedenen Schulen und Ansätze der Chinesischen Medizin ihren Ausgangspunkt genommen haben. Wie es in einem medizinischen Klassiker heißt, gilt es „die Medizin (als das Wissen) um die Wandlungen" zu verstehen, so dass mich nicht zuletzt das Bemühen um ein tieferes Verständnis der Chinesischen Medizin wieder zum Yijing zurückgeführt und mir zugleich neue Perspektiven auf das Studium der Wandlungen eröffnet hat. 

    In der neuen Auflage wurde neben der Einfügung der chinesischen Schriftzeichen ebenso der neueste Forschungsstand zum Mawangdui-Yijing eingearbeitet wie verschiedene inhaltliche Aktualisierungen vorgenommen. 

    Ich widme dieses ebook meinem verstorbenen Lehrer, Wolfgang Bauer, der mir bis zum heutigen Tage eine große Quelle der Inspiration ist und mich ermutigt, meinen Weg als unabhängige Wissenschaftlerin zu gehen. 

    Utting, im Dezember 2015  Dominique Hertzer 

    Allein das Wort Wahrsagung vermag die verschiedensten As­soziationen und Vor­stellungswelten hervorzurufen, angefangen mit des Wortes ur­sprünglicher Bedeutung Sehen, Prophetie(1) bis hin zu den un­zäh­li­gen Metho­den, die im Laufe der Zeit entwickelt wurden, die Z­ukunft vor­herzusa­gen. Um einen kurzen Überblick über die Geschichte und die ver­schiede­nen Methoden der Wahrsagung zu geben, möchte ich zu­nächst den Versuch unternehmen, den Begriff Wahrsagung von den ihm ver­wand­ten Ausdrücken wie Prophezeihung und Weiss­agung zu dif­fe­ren­zieren, da im Deutschen anders als bei dem engli­schen Begriff divi­na­tion, der so­wohl die Wahrsagung als auch die Wei­ss­agung in sich vereint, die­se Begriffe häufig ver­wech­selt bzw. undifferen­zier­t ver­wendet werden.

    Unterscheidung von Wahrsagung und Weissagung

    Im entsprechenden lateinischen Wort divinare ist durch die Bedeu­tung von eine gött­liche Eingebung haben, weissagen, ahnen, vermuten, erra­ten sowie durch seine Verwandtschaft mit dem Wort divinus im Sinne von gött­lich die Ebene der Wahrsagung von der Weiss­agung (noch) nicht ge­trennt. Jede Erkenntnis, die nicht durch Men­schen­ver­stand oder den damaligen Stand der Wissenschaft ge­klärt wer­den konn­te, wurde als göttliche Eingebung verstanden, so dass die Gabe die Z­ukunft vorauszusehen und vorherzusagen, von den Göttern kam. Dass es sich bei dieser Gabe, durchaus nicht immer um ein willkom­menes Ge­schenk handeln musste, zeigen bereits die pro­pheti­schen Bücher im Al­ten Testament. Denn der Prophet im Alten Testament - im Sinne ei­nes Men­schen, der für einen an­de­ren bzw. für eine Gottheit spricht - hat zwar das Vorrecht, Gott zu sehen und zu hören, doch über­nimmt er mit die­ser Gabe auch die Verpflichtung, das jeweils Gesehe­ne oder Ge­hörte den Men­schen zu ver­künden, was vor allem in politischer Hin­sicht für manchen Pr­opheten sehr gefährlich werden konnte. Aus die­sem Grund ging man spä­ter immer mehr dazu über, Prophezeihungen po­li­tisch-hi­sto­ri­scher Natur verschlüsselt abzufassen, deren be­rühmte­stes Bei­spiel die Wei­ssagungen des Nostradamus sind.

    Auch im griechischen Wort manteia bzw. manteuo in der Bedeu­tung von einen Götterspruch verkünden, voraussagen, vermuten, ein Orakel befra­gen wird noch keine direkte Unterscheidung zwischen Wahr- und Weiss­agung getroffen. Durch seine Verwandtschaft mit dem Wort mania dem Wahnsinn, bei dem es sich weniger um eine Geistes­krank­heit als viel­mehr um einen Zustand der Begeisterung oder Ver­zückung handelt, kann man ebenso wie bei dem lateinischen Äquivalent zu­nächst von einer Be­deu­tung ausgehen, bei der die Qualität des Sehens im Vor­dergrund stand.

    Zur Abgrenzung der Wahr- von der Weissagung ist ein Blick auf den Be­griff Orakel aufschlussreich. Bei einem Orakel (lateinisch ora­culum) han­delt es sich zunächst um das Hei­lig­tum eines Gottes, an dem die je­wei­lige Gottheit, meist über ein Medium, die an sie gerichteten Fra­gen beantworten sollte. Ebenso ist auch die Antwort im Sinne eines Göt­ter­spru­ches sowie die Gottheit selbst unter dem Begriff Orakel ver­stan­den worden, so dass das Orakel zu­nächst untrennbar mit der Reli­gion ver­bun­den war. Interessant ist auch seine semantische Ver­wandtschaft mit dem Wort orare in der Bedeu­tung von bitten, ersu­chen, spre­chen, das eine Ver­bindung zwischen der Gottheit und der Per­son, die das Orakel um Rat fragt, herstellt.

    Zu den bekanntesten Orakelstätten in Griechenland gehört zweifellos das Orakel von Delphi, wo der Gott Apoll dem einzelnen Bittsteller über sein Medium - die Phythia - die berühmten Orakelsprüche erteilte. Die ge­naue Technik mit der die Pythia ihre Antworten von Apoll erhielt, ist nicht überliefert, doch muss es sich um eine sehe­rische Methode gehan­delt haben, ähnlich wie bei einem Propheten.(2) Der we­sentli­che Un­ter­schied zwischen Orakel und Weissagung be­steht jedoch darin, dass ein Orakel im Regel­fall nicht von sich aus, sondern immer nur auf An­frage Auskunft erteil­te, so dass es bedingt durch die Frage­stel­lung in seiner Voraussage inhaltlich wie zeit­lich begrenzt war. Zur Befragung eines Orakels bediente man sich ferner in fast allen Fällen einer be­stimm­ten Tech­nik, die mehr oder weniger lernbar ist, um eine Antwort des Ora­kels zu erhalten. Für die Abgrenzung von Wahr- und Wei­ss­agung heißt das, dass es sich bei der Weissagung um eine spon­tane Vor­hersage der Zukunft han­delt, die sich, da ihr keine Frage­stel­lung vor­gegeben ist, auf einen beliebigen Zeit­raum mit belie­bi­gem In­halt er­strecken kann. Eine derar­tige Vision ent­steht also im Regelfall ohne äußeren Zwang, und ohne, dass der Prophet eine bewusste Anstrengung unternehmen müsste. Meist han­delt es sich bei Wei­ss­agungen um die Z­ukunft von wich­ti­gen politisch-histo­ri­schen Per­sön­lich­keiten oder gar Völkern bzw. gan­zen Staatsge­bil­den, bis hin zum politi­schen Verlauf des gesam­ten Welt­ge­schehens, wie z.B. bei den Wei­ssagu­ngen des Nostra­da­mus.

    Na­tür­lich be­schäftigte sich die Wa­hr­sagung ur­sprünglich eben­falls haupt­säch­lich mit den Anliegen wich­tiger Persön­lichkeiten oder mit po­liti­schen Frage­stel­lungen, doch wäh­rend sich im Be­reich der Wa­hr­sagung seit ihren An­fän­gen bis in die jüngste Zeit hin­ein sehr dif­fe­ren­zierte Me­thoden, die sich immer mehr auf die Interes­sen des Ein­zel­nen konzen­trierten, entfalten konnten, ist in der histo­ri­schen Ent­wick­lung der Wei­ssagung keine we­sentli­che Ver­ände­rung fest­zustellen; denn ih­rem We­sen nach handelt es sich bei der Weissagung ja nicht um eine Technik, sondern um die Gabe bzw. Veranla­gung, die Z­ukunft vorher­zuse­hen, die nicht mit technischen Mitteln her­beigeführt werden kann. Fer­ner be­d­ient sich die Weiss­agung aus­schließ­lich der se­heri­schen Me­thode, bei welcher das Medium bzw. der Pr­ophet beispielswei­se im Traum oder im Zu­stand der Trance die Z­ukunft vor­aussieht, es han­delt sich also um die Fä­hig­keit, Raum und Zeit zu relati­vieren. Die se­he­rische Methode findet zwar auch im Rahmen der Wahrsagung Anwen­dung, doch be­zieht sie sich, eben weil sie immer eines Auslösers in Form ei­ner Fra­ge be­darf, nur auf be­stimmte zeit­lich und räum­lich be­grenzte Inhal­te.

    Es bleibt festzuhal­ten, dass die Wahrsagung, deren älteste überlieferte Form sich im Orakel manife­stiert, sich zwar in An­lehnung an die Weiss­agung in Form von pro­pheti­schen Texten heraus­ge­bil­det hat, dass sie je­doch, bedingt durch die stetige Vermeh­rung un­ter­schied­lichster Tech­ni­ken, die mit einer kon­stant zuneh­menden Popu­lari­tät bis hin zur Pro­fa­ni­sierung derselben einherging, im Hinblick auf ihr Ziel und ihren In­halt von der Weiss­agung zu unter­scheiden ist. Um die Wahrsagung von der Weissagung deutlich und differenziert abgrenzen zu können, wird im folgenden ein kurzer Über­blick über die wich­tigsten Praktiken und Komponenten der Wahrsagung gegeben.

    Praktiken und Komponenten der Wahrsagung

    Die Fragestellung, ob und inwie­weit das Leben des Einzelnen sowie das gesamte Weltgeschehen vorherbe­stimmt und für den Menschen erkenn­bar werde, ist natürlich eine we­sentli­che Voraussetzung für die Ent­wicklung der unterschiedli­chen Wahr­sa­gesysteme. Auf den entscheiden­den Einfluß, den das jewei­lige phi­lo­sophisch-religiös geprägte

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