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Dorian Hunter 54 – Die Rache des Puppenmachers
Dorian Hunter 54 – Die Rache des Puppenmachers
Dorian Hunter 54 – Die Rache des Puppenmachers
eBook384 Seiten5 Stunden

Dorian Hunter 54 – Die Rache des Puppenmachers

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Über dieses E-Book

Die Sensation ist perfekt, als Donald Chapman, der Puppenmann, in der Jugendstilvilla auftaucht – in normaler Größe und Gestalt! Dorian Hunter erkennt jedoch rasch, dass Donald sich auch zu seinem Nachteil verändert hat – und dass jemand für jeden Tag, den er seine ursprüngliche Größe behält, einen hohen Preis bezahlen muss ...

Der 54. Band der legendären Serie um den "Dämonenkiller" Dorian Hunter. - "Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer

enthält die Romane:
223: "Die Tränen der Engel"
224: "Der Tote aus dem Meer"
225: "Die Rache des Puppenmachers"
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Aug. 2014
ISBN9783955720544
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    Buchvorschau

    Dorian Hunter 54 – Die Rache des Puppenmachers - Peter Morlar

    Der Puppenmacher

    Band 54

    Der Puppenmacher

    von Christian Montillon, Peter Morlar und Geoffrey Marks

    © Zaubermond Verlag 2014

    © Dorian Hunter – Dämonenkiller

    by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

    Titelbild: Mark Freier

    eBook-Erstellung: story2go | Die eBook-Manufaktur

    http://www.zaubermond.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Was bisher geschah:

    Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen verschrieben, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.

    Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Bösen, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen, auf die de Conde es abgesehen hatte, blieben ungeschoren.

    Der Pakt galt, und als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, wanderte seine Seele in den nächsten Körper. So ging es fort bis in die Gegenwart.

    Hunter wäre auf sich allein gestellt, blieben ihm nicht die engsten Mitstreiter im Kampf gegen die Dämonen: Zunächst wäre da die junge Hexe Coco Zamis, die früher selbst ein Mitglied der Schwarzen Familie war, der reiche Playboy Jeff Parker sowie Trevor Sullivan, früher ein hohes Tier beim britischen Secret Service und heute Leiter der Agentur Mystery Press, die Informationen über Fälle mit Dämonenbeteiligung aus der ganzen Welt zusammenträgt und auswertet.

    Ebenfalls zu Dorian Hunters treuen Gefährten zählt der Puppenmann Donald Chapman, der zu Beginn ihrer Bekanntschaft unter Trevor Sullivans Kommando ebenfalls für den Secret Service arbeitete. Der Puppenmacher Roberto Copello, einer von Dorian Hunters dämonischen Brüdern, schrumpfte den Agenten und früheren Lebemann auf die Zwergengröße von dreißig Zentimetern. Nach Copellos Tod erwiesen sich alle Versuche, Don seine ursprüngliche Gestalt zurückzugeben, als Fehlschläge.

    Donalds Los blieb die Einsamkeit und die vertraute Umgebung der Jugendstilvilla in London, dem Hauptsitz des Dämonenkiller-Teams. Eine Liaison mit dem Zwergenmädchen Dula blieb nicht von Dauer. Zwar ist der Puppenmann durch seine geringe Größe längst zu einem wertvollen Mitglied des Dämonenkiller-Teams geworden, trotzdem wünscht er sich nichts sehnlicher, als eines Tages wieder normal groß zu sein.

    Allerdings ahnen weder Dorian Hunter noch Donald Chapman, wie nahe dieser Tag ist – und welchen Preis die Rückverwandlung des Puppenmannes kosten wird …

    Erwachen des Gegners zu verhindern ...

    Erstes Buch: Die Tränen der Engel

    Die Tränen der Engel

    von Geoffrey Marks

    1. Kapitel

    Vergangenheit

    »Ruhig, mein Junge«, raunte Keith Grimthrope seinem Pferd zu. Er lehnte sich auf seinem Sattel vor und tätschelte beruhigend den Hals des Schimmels. »Gleich wirst du Gelegenheit haben, Gerechtigkeit zu üben, Gabriel. Aber gedulde dich noch ein wenig. Und vor allem sei ruhig. Du willst doch nicht, dass wir von dieser Brut vorzeitig entdeckt werden.«

    Das Pferd schnaubte und scharrte mit dem Huf ungeduldig im Waldboden. Ein Mondstrahl fiel durch das Blätterdach und spiegelte sich auf dem Silber, mit dem der Huf beschlagen war. Die messerscharfen Kanten hatten eine tiefe Furche in den Boden gegraben.

    Der Abt richtete sich auf und spähte an den Bäumen des Waldsaums vorbei zu der Burg empor. Rouge Castle lag auf einer steinigen Anhöhe. Drohend ragte der schnörkellose Bau aus Feldsteinen in den nächtlichen Himmel. Die dunklen klobigen Mauern schimmerten im Schein des Vollmondes, als wären sie mit Blut übergossen. Grimthrope ließ seinen Blick über den unteren Teil des Bauwerks schweifen. Es gab dort keinerlei Fenster. Nur einige Schießscharten klafften wie mit einer Kralle geschlagen in unerreichbarer Höhe in den Mauern.

    Den einzigen Zugang in das Gebäude bildete eine doppelflügelige, bogenförmige Tür, die dick mit Eisen beschlagen war. Die Tür wurde von zwei halb aus dem Gemäuer ragenden Türmen gesäumt, die mit wulstigen Zinnen gekrönt waren.

    Jeder Angreifer, der sich der Tür näherte, konnte von den Türmen aus attackiert werden und starb im Hagel der Kugeln, die aus den Scharten auf ihn abgefeuert wurden.

    Rouge Castle galt als uneinnehmbare Festung. Grimthrope wusste aber, dass dieser Ruf nicht nur den Verteidigungsanlagen des Gemäuers geschuldet war. Viel gefährlicher noch waren die Bewohner des Castles selber.

    Und doch war Grimthrope fest entschlossen, die Festung in dieser Nacht anzugreifen – allein und mit nichts anderem bewaffnet als seinem Glauben, einigen geweihten Silberkreuzen und dem Elixier, das er in seiner Alchimistenküche gebraut hatte und dem er den Namen »Tränen der Engel« gegeben hatte.

    Grimthropes einziger Mitstreiter war sein Rappe Gabriel. Um das Tier vor den Angreifern zu schützen, hatte der Abt es mit Taschen vollgehängt, in denen sich geweihte Erde befand. Die messerscharfen Hufe aus Silber hatte Grimthrope mit Weihwasser besprenkelt, und das Horn aus Eichenholz, das er mit Riemen am Stirngeschirr des Pferdes befestigt hatte, hatte einen ganzen Tag im Taufbecken gelegen.

    Grimthrope verengte die Augen zu Schlitzen. Er hatte auf dem Turm keine Wachen entdecken können. Hinter den Schießscharten herrschte nachtschwarze Finsternis, sie waren anscheinend ebenfalls nicht besetzt.

    »Arrogantes Pack!« Der Abt spie aus. »Eure Dekadenz wird euch heute Nacht zum Verhängnis! Wer auf die Angst baut, die er gesät hat, wird von den Mutigen zu Fall gebracht!«

    Wütend starrte der Abt zu den Fenstern im oberen Drittel des Castles hinauf. Die Öffnungen wurden von schweren Brokatvorhängen verdunkelt, an denen vorbei der gelbliche Schein von Fackeln, Kerzen und den Kaminfeuern in die Nacht hinaussickerte. Schrilles Lachen, Kreischen und Brüllen wehten gedämpft zu dem Abt hinüber. Das rhythmische Stöhnen einer Frau setzte ein, steigerte sich rasch zu einem Stakkato aus lustvollen Schreien, die schließlich in einem erstickten Gurgeln endeten.

    Keith Grimthrope verzog angewidert das Gesicht. »Das wird eure letzte Orgie sein«, prophezeite er zornig. »Die Rache Gottes wird euch treffen und auslöschen. Die ›Tränen der Engel‹ werden euch läutern und euch von eurem unheiligen Verlangen nach menschlichem Blut erlösen!«

    Mit diesen Worten griff der Abt nach der prall gefüllten Blase aus Ziegenleder, die an seinem Gürtel hing. Das Elixier, das der Abt in der Blase verwahrte, schwappte gluckernd hin und her, während seine Finger das Leder betasteten.

    Da wurde einer der Vorhänge im obersten Stockwerk des Gebäudes plötzlich einen Spaltbreit geöffnet. Der bleiche Arm einer Frau schob sich hervor, in der Hand eine Lampe mit einer brennenden Kerze.

    Die Lampe wurde auf dem Fenstersims abgestellt, und der Arm verschwand rasch wieder. Grimthrope lächelte bitter. Arabella hatte sich an die Vereinbarung gehalten. Er hatte die junge Magd, die der Brut auf Rouge Castle vor drei Nächten zum Opfer gefallen war, im Wald aufgegriffen und in seine Sakristei verschleppt. Arabella war ein gottesfürchtiges Mädchen gewesen, bevor die Mächte des Bösen von ihr Besitz ergriffen hatten. Doch während ihrer Gefangenschaft in der Sakristei hatte sie sich wie eine Furie aufgeführt und den Abt verflucht. Sie versuchte sogar ihn zu beißen und bedachte ihn mit unflätigen Ausdrücken, als Grimthrope sie mit einem Kruzifix zurückdrängte.

    Es kostete den Abt große Überwindung, das Mädchen nicht augenblicklich zu pfählen. Stattdessen rückte er ihr mit Gebeten und Anrufungen zu Leibe. Und als sie schließlich geschwächt und wimmernd in einer Ecke kauerte, flößte er ihr gewaltsam die »Tränen der Engel« ein.

    Das Elixier schien tatsächlich zu wirken. Das Gebräu brach den Bann des Bösen, und Arabella wurde seinen Worten zugänglich. Sie war wie ein Lamm, das ihm treuselig aus der Hand fraß – und sie beteuerte, dass sie Grimthrope helfen würde, die Brut des Bösen zu zerstören.

    Mit einem Befehl, den Grimthrope Arabella mithilfe von Gebeten ins Gehirn gebrannt hatte, entließ er die junge Magd in der vergangenen Nacht aus der Sakristei. Sie sollte nach Rouge Castle zurückkehren und sich der Sippe zum Schein wieder anschließen. Um Mitternacht dann, wenn die Bösen sich am sichersten fühlten und sich ihre Orgie auf dem Höhepunkt befand, sollte Arabella zur Tür hinuntereilen und die Riegel öffnen. Zum Zeichen, dass sie den Auftrag ausgeführt hatte und der Weg in das Castle frei war, sollte sie schließlich eine brennende Kerze in eines der Fenster stellen.

    Grimthrope war sich bewusst, wie riskant sein Plan war und wie leicht er scheitern konnte. Trotzdem fasste er jetzt die Zügel mit beiden Händen und drückte dem Pferd entschlossen die Hacken in die Seiten.

    »Auf, mein treuer Gabriel!«, rief er salbungsvoll. »Der Kampf gegen das Böse kann beginnen!«

    Der Rappe stellte sich auf die Hinterläufe und wieherte laut. Dann preschte er los und stürmte mit mächtigen Sprüngen aus dem Wald hervor. Grimthrope beugte sich weit über den Hals des Schimmels. Sein Haar, mit grauen Strähnen durchsetzt, flatterte und seine Robe wallte wie ein Banner. Mit rauer Stimme spie er ein Stoßgebet hervor.

    Im Galopp preschte der Rappe die Anhöhe empor. Wie Grimthrope es ihm auf dem Hof seiner Abtei beigebracht hatte, hielt das Tier den Kopf gesenkt, sodass das Horn wie eine Lanze auf Brusthöhe vor ihnen durch die Luft zischte.

    Ein rascher Blick nach oben zeigte Grimthrope, dass sein Nahen von der Sippschaft noch nicht bemerkt worden war. Die Fenster waren noch immer verhängt, und auch hinter den Schießscharten war keine Bewegung zu erkennen.

    Schließlich erreichten sie die Tür. Grimthrope riss an den Zügeln, und der Schimmel bäumte sich auf. Wütend schlug der Rappe mit den Vorderläufen, zerschnitt mit den silbernen Hufen die Luft und ließ sie dann mit voller Wucht gegen die Türflügel krachen.

    Als hätte eine Ramme die Tür getroffen, flogen die Flügel auf und schlugen laut hallend gegen die Wand. Grimthrope lachte grimmig. Sein Plan ging auf!

    Mit einem Sprung setzte Gabriel über die Schwelle. Funken sprühten, als das Pferd über den Granit der Eingangshalle hinwegdonnerte.

    Der Windstoß hatte fast die Hälfte der Kerzen in dem Kronleuchter ausgeblasen, der an einer Kette von der Decke hing. Aber Grimthrope reichte das flackernde Restlicht aus, um die Gestalten zu erkennen, die durch sein Auftauchen aufgeschreckt worden waren.

    Grimthrope schrie triumphierend. Was immer die drei schattenhaften Gestalten in der Eingangshalle getrieben hatten – es war das Letzte, was sie im Laufe ihrer armseligen Existenz tun sollten!

    Die erste Gestalt wurde von Gabriels Eichenholzhorn durchbohrt. Der Mann zappelte mit Armen und Beinen und schrie aus Leibeskräften, während der Rappe seinen Hals reckte und den Mann emporhob. Doch lange lastete das Gewicht des Widersachers nicht auf den Halsmuskeln des Tieres. Er begann nämlich augenblicklich einzutrocknen. Sein Fleisch schrumpfte, und die Haut wurde schwarz und rissig. Als Gabriel den Kopf herumriss, zerstob der Körper des Mannes zu Asche, und seine vornehme Kleidung fiel als leere Hülle zu Boden.

    Mit einem schrillen Schrei auf den Lippen warf sich eine Frau gegen die Flanke des Pferdes. Doch die spitzen Fingernägel ihrer zuschlagenden Hand zerfetzten bloß eine der Packtaschen, die mit geweihter Friedhofserde gefüllt waren.

    Die Frau hustete und spuckte, als sie eine Ladung der Erde ins Gesicht bekam. Als würden Ameisen über ihre Haut krabbeln und sie piesacken, fuhr sie sich voller Panik mit den Krallen über das Gesicht und brachte sich tiefe Wunden bei.

    Grimthrope versetzte der Frau einen Tritt vor die Brust, dass sie zurücktaumelte.

    Im selben Moment gewahrte der Abt eine Bewegung in den Augenwinkeln.

    »Von hinten!«, brüllte er und schlug dem Rappen mit der flachen Hand auf das Hinterteil.

    Augenblicklich schlug Gabriel mit beiden Hinterläufen aus. Die Silberhufe trafen den Angreifer am Hals und rissen ihm den Kopf von den Schultern. Der Mann gab nicht einmal mehr ein Röcheln oder Gurgeln von sich, sondern brach in die Knie und zerfiel zu Asche. Der Schädel rollte durch die offene Tür in die Nacht hinaus und verschwand.

    Hastig sah Grimthrope sich in der Eingangshalle um. Weitere Widersacher waren nicht zu erblicken. Mehrere Türen und Gänge zweigten von der Halle ab. Die Türen könnten jeden Moment auffliegen und neue Feinde ausspucken.

    Grimthropes Ziel war jedoch kein sinnloses Gemetzel unter den Dämonen. Er wollte in das Gemach des Sippenoberhauptes, und das befand sich im obersten Stockwerk des Haupthauses, wie Arabella ihm verraten hatte!

    Der Abt presste die Schenkel zusammen und lenkte Gabriel auf einen breiten Gang zu. Die Dunkelheit des Korridors barg eine Treppe, wenn er Arabella Glauben schenken durfte.

    Bevor er in den Korridor hineinritt, holte Grimthrope eine Fackel aus einer Satteltasche und zündete sie an einer Kerze an, die in einem Armleuchter steckte. Das Fackelfeuer knisterte und qualmte. Die getrockneten Knoblauchpflanzenfasern, die Grimthrope in die Fackel eingearbeitet hatte, sonderten einen beißenden, süßlichen Geruch ab und trieben dem Abt Tränen in die Augen.

    Die Schatten wichen zögernd vor Grimthrope und seinem Pferd zurück. Er vernahm seltsame wispernde Laute und einen einschmeichelnden Gesang. Das silberne Kruzifix, das der Abt auf seiner Brust trug, wurde warm, und das Licht der Fackel schien immer schwächer zu werden.

    Zornig rief Grimthrope die Namen der Heiligen und schwenkte die Fackel hin und her. Im selben Moment stürzte eine Gestalt aus einer Nische hervor, die der Abt nicht bemerkt hatte.

    Ein buckliges Männlein in schwarzem Rock flog auf Grimthrope zu. Ehe der Abt sich versah, gruben sich die Krallen des widerlichen Gnoms durch den Stoff seiner Kutte in seinen Arm.

    Grimthrope schrie. Doch er ließ die Zügel nicht los und hielt auch seine Beine unter Kontrolle.

    Ehe der Gnom seine spitzen Zähne in Grimthrops Schulter schlagen konnte, rammte ihm dieser die brennende Fackel ins Gesicht.

    Der Gnom kreischte auf und ließ den Abt los. Doch sein dünnes Haar hatte bereits Feuer gefangen. Auch der Kragen seines Rocks stand in Flammen.

    Der Gnom stürzte zu Boden, kugelte sich zusammen und rollte in affenartiger Geschwindigkeit den Korridor entlang. Wie ein Feuerball kullerte er über den Boden und ließ die Schatten, die den Gang bevölkerten, voller Panik zur Decke emporfliehen.

    Da entdeckte Grimthrope zu seiner Rechten endlich den Treppenaufgang. Er riss die Zügel herum und stieß Gabriel die Haken so schmerzhaft in die Eingeweide, dass das Pferd wie ein Pfeil auf die Treppe losstürmte.

    Gekonnt jagte der Rappe die Stufen empor. Dies hatte Grimthrope mit seinem Pferd auf seiner Abtei bis zur Erschöpfung geübt.

    Auf dem nächsten Treppenabsatz wurden sie bereits erwartet. Doch die beiden Vampire brachten sich mit einem Aufschrei in Sicherheit, als Gabriel mit seinem Horn im Heranpreschen nach ihnen zielte. Grimthrope gelang es jedoch, den Umhang des einen Vampirs mit der Fackel in Brand zu setzen.

    Die Gestalt heulte gepeinigt auf und versuchte den Umhang abzustreifen. Doch als der Vampir bemerkte, dass die Flammen bereits auf seine Pantalons und seine Weste übergriffen, wirbelte er herum und stürzte sich mit einem wütenden Aufschrei auf die Eindringlinge.

    Grimthrope hatte sein Pferd unterdessen auf die nächste Treppe zugelenkt. Als der brennende Vampir das Tier von hinten ansprang, bäumte es sich auf, sodass der Abt beinahe aus dem Sattel geschleudert wurde.

    Im nächsten Augenblick schlug Gabriel nach hinten aus. Doch der Vampir hatte sich in die Flanken des Tiers gekrallt und hielt sich verbissen fest, offenbar entschlossen sich zu opfern, um den Angriff des Abtes zu vereiteln.

    Der Rappe galoppierte los, stolperte die Stufen empor und bockte dabei wie ein Fohlen.

    Grimthrope hatte alle Hände voll zu tun, im Sattel zu bleiben. Ein Schatten wischte über ihn hinweg, und eine Klaue riss ihm ein Büschel Haare aus. Der brennende Vampir zog sich unterdessen immer näher zu ihm heran. Seine Krallen hatten einige Säcke aufgerissen. Er brüllte und schlug nach den Stellen, an denen die geweihte Erde ihn berührte. Gleichzeitig zehrten die Flammen weiter an ihm. Die Kreatur raste vor Schmerz, aber sie ließ nicht los.

    »Gott verdammt – willst du nicht endlich verenden?«, rief Grimthrope und versuchte den Vampir mit der Fackel zu erwischen. Doch der Stiel der Fackel entglitt seinen Fingern, als Gabriel herumwirbelte, um die nächste Treppe zu nehmen.

    Da bohrten sich die Krallen des Vampirs in Grimthropes Oberschenkel. Die Kreatur zog sich zu ihm heran, riss den Mund auf und entblößte seine langen Eckzähne.

    Verzweifelt griff der Abt in eine Satteltasche und zog einen Pflock hervor. Er holte aus und stieß den Holznagel auf den Vampir nieder.

    Die Spitze schrammte über den Schädel der Kreatur und fetzte ein Stück Kopfhaut weg. Der Schädelknochen kam unter dem schwarzen Haar zum Vorschein. Aber es floss kein Tropfen Blut.

    Grimthrope holte erneut aus. Diesmal zielte er genauer. An dem Schlüsselbein vorbei drang der Pflock in die Halskuhle. Grimthrope lehnte sich zurück und trieb den Pflock mit dem Gewicht seines Körpers tief in den Brustkorb seines Angreifers.

    Er musste das Herz getroffen haben, denn plötzlich brachen die vertrocknenden Finger des Vampirs und er rutschte über das Hinterteil des Pferdes zu Boden. Als die Hufe ihn trafen, zerstob der Vampir zu Asche. Auf den Stufen blieb nur ein Haufen brennender Kleidungsstücke zurück.

    Ächzend wandte Grimthrope sich wieder nach vorn.

    Sie hatten das Ende der Stufen fast erreicht. Vor ihnen lag ein weiträumiger Treppenabsatz, der von Kerzenlicht dürftig erhellt wurde. Grimthrope sah vor sich eine Tür. Sie war mit Schnitzereien verziert, die entstellte Dämonenfratzen und Teufelsschädel darstellten.

    Hinter dieser Tür lag das Gemach des Oberhauptes der Vampirsippe. Grimthrope war am Ziel!

    2. Kapitel

    Gegenwart

    »Verflucht«, schimpfte Dorian Hunter und trat auf die Bremse. Nur wenige Armlängen von dem Geröll entfernt, das die schmale Straße blockierte, blieb der Wagen stehen.

    Coco Zamis seufzte und schob die auseinandergefaltete Landkarte in den Fußraum des Wagens. »Und nun?«, fragte sie entnervt. »Sollen wir mit unserem Gepäck jetzt etwa zu Fuß zur Abtei gehen?«

    Dorian sah erst zu der Steilwand hinüber, die sich linker Hand erhob. Dann ließ er seinen Blick über das stark abschüssige Gelände zu ihrer Rechten schweifen. Selbst mit einem Geländewagen wäre er hier nicht mehr weitergekommen.

    »Sieht ganz so aus«, sagte er bedauernd. »Laut Landkarte folgt die Straße der Steilwand noch einige Hundert Meter und führte nach einer Haarnadelkurve dann zu der Abtei empor, wo sie auch endet. Einen anderen Weg gibt es nicht.«

    Dorian schaltete den Motor ab und verließ das Fahrzeug. Coco tat es ihm gleich. Augenblicklich wurde ihr rabenschwarzes Haar von einer Böe erfasst und wirbelte in Strähnen um ihren Kopf herum. Fröstelnd verschränkte die ehemalige Hexe ihre Arme vor der Brust. Ihre dünne Jacke bot kaum Schutz vor dem rauen Wind, der von dem Atlantik her über die karstige Westküste Schottlands hinwegfegte.

    Angestrengt spähte Dorian die Felswand empor. Irgendwo dort oben hatten sich die Felsbrocken aus der Wand gelöst, waren in die Tiefe gestürzt und blockierten nun die Straße. Allzu lange konnte dieser Vorfall noch nicht zurückliegen.

    Die Abenddämmerung war bereits hereingebrochen, und da die etwa fünfzig Meter hohe Steilwand in diesem Abschnitt nach Süden wies, lag sie bereits tief im Schatten. Der Fels sah schroff und abweisend aus. Doch noch viel ungemütlicher wirkte das Gebäude, das oben am Rand des Abhangs thronte und dessen Fassade im matten Schein des sterbenden Tages düster und bedrohlich erschien.

    »Dort oben ist die Abtei ja schon«, merkte Dorian an. Der Gebäudekomplex war lang gestreckt und wurde in der Mitte von einem Turm durchbrochen. Das Spitzdach des Turmes wies jedoch darauf hin, dass er nicht zur Abwehr von Feinden errichtet worden war, sondern Bestandteil einer Sakristei war und statt Waffen einen Glockenstuhl beherbergte.

    Trotzdem wirkte der Bau wie eine Festung. Die kleinen zahlreichen Fenster und der Umstand, dass das Gebäude direkt an die Abbruchkante der Steilwand gebaut worden war, ließen Dorian eher an ein Gefängnis oder eine Bastion denken, denn an eine Abtei.

    Der Dämonenkiller grinste. Dass er seinen alten Freund und Mitstreiter Jeff Parker, der als Schwerenöter und Frauenheld bekannt war, ausgerechnet in einer Abtei wiedertreffen sollte, amüsierte ihn.

    Vor drei Tagen war eine Nachricht von Jeff in der Jugendstilvilla eingetroffen. Darin schrieb er, er halte sich in der Grafschaft Fife auf. Er weile dort bei Freunden, die eine alte Abtei gekauft hatten, und ließ bei Dorian anfragen, ob er Lust hätte, ihn zu besuchen.

    Dorian, der gerade eine kleine Verschnaufpause im Kampf gegen die Dämonen eingelegt hatte, zögerte nicht lange, die Einladung anzunehmen. Zusammen mit Coco machte er sich auf den Weg.

    »Es scheint eine Treppe zu geben, die zu dem Gebäude emporführt«, merkte Coco in diesem Moment an. Sie deutete auf einen schmalen Grat in der Nähe. Er führte steil an der Felswand empor und endete nach mehreren Metern vor einer Treppe, deren Stufen in den nackten Fels gehauen worden waren und sich die Steilwand emporwanden.

    Dorian hatte die Treppe nun ebenfalls bemerkt. Soweit er beurteilen konnte, waren die Stufen noch intakt. Ein Aufstieg zur Abtei schien durchaus möglich zu sein.

    »Du willst nicht ernsthaft diese Steilwand hinaufsteigen?«, fragte Coco stirnrunzelnd.

    »Hast du einen besseren Vorschlag?« Dorian schenkte Coco ein entwaffnendes Grinsen. »Auf diese Weise gelangen wir doch viel schneller zur Abtei. Jeff erwartet unsere Ankunft bestimmt schon sehnsüchtig. Wir wollen unseren alten Freund doch nicht unnötig warten lassen.«

    Coco seufzte schicksalsergeben. Ohne ein weiteres Wort trat sie an den Kofferraum heran und öffnete ihn. Dann begann sie ein paar Sachen in einen Rucksack zu packen, auf die sie nicht verzichten wollte.

    Als Coco fertig war, fuhr Dorian den Wagen so weit wie möglich an den Straßenrand und schloss das Fahrzeug ab. Sie machte sich daran, die Steintreppe zu erklimmen. Coco hatte sich eine dicke Lederjacke übergezogen. Dorian trug den Rucksack und ging voran.

    Plötzlich stutzte er. Im oberen Drittel der Steilwand kletterte ein Mann. Er trug einen schwarzen Umhang, der ihn mit den tiefen Schatten der Vorsprünge und Überhänge fast verschmelzen ließ. Der Wind verfing sich ab und zu in dem Kleidungsstück und blähte es wie ein Segel.

    Während der Mann sich an Felsnasen emporzog, die Schuhspitzen in Ritzen stieß und sogar von einem Vorsprung zum anderen sprang, mutete er wie eine flinke Spinne an, die auf der Jagd nach Beute eine Wand hinaufhetzte.

    »Siehst du diesen Burschen dort oben?«, fragte Dorian und blickte über die Schulter zu Coco zurück.

    Coco legte den Kopf in den Nacken. Verwundert krauste sie die Stirn. »Er benutzt gar nicht die Treppe. Er klettert einfach drauflos – und das in einem Affentempo.«

    »Ziemlich kräftig und flink für einen Menschen«, meinte Dorian.

    Die beiden sahen sich einen Moment lang schweigend an. Dann blickten sie wieder zu dem Mann empor. Er hatte die obere Kante des Felsabbruchs soeben erreicht, packte die Äste eines herabhängenden Gestrüpps und zog sich daran hoch. Ungestüm schwang er sich den Felsüberhang hinauf und war kurz darauf verschwunden.

    »Sicher nur ein ganz gewöhnlicher junger Bursche, der seine Kräfte an der Felswand erproben wollte«, stellte Coco nicht ganz überzeugt fest.

    Dorian zuckte mit den Schultern. Cocos Erklärung klang plausibel. Trotzdem beschleunigten sie ihren Aufstieg. Dorian würde erst wieder beruhigt sein, wenn er seinen Freund Jeff Parker wohlbehalten vor sich sah.

    Die Treppe endete auf einer kleinen, grasbewachsenen Plattform. Sie ragte auf dem Rücken eines Vorsprungs über den Abhang und bildete die einzige zugängliche Stelle am rückwärtigen Teil des Gebäudes. Ansonsten gingen die Mauern fast nahtlos in die Steilwand über.

    Aufmerksam sah Dorian sich um. Der Mann, den sie beobachtet hatten, hatte auf seiner Klettertour diesen Felsvorsprung ebenfalls angesteuert.

    Die Abenddämmerung war inzwischen so weit fortgeschritten, dass sich die Schatten noch mehr verdichtet hatten. Es dauerte eine Weile, bis Dorian gewahr wurde, dass die Plattform menschenleer war und es nur Büsche und Gestrüpp waren, die sich in der Dunkelheit duckten.

    »Dort ist eine Tür«, sagte Coco und deutete auf das Gebäude.

    Als sie kurz darauf davor standen, mussten sie feststellen, dass es keine Klingel gab.

    Dorian ballte eine Faust und schlug hart gegen das Türblatt. Die Schläge hallten dumpf im Innern des Gebäudes wider. Er packte die Klinke und drückte sie nieder.

    Doch die Tür war verriegelt. Der Fremde musste sie hinter sich abgeschlossen haben, nachdem er die Abtei betreten hatte.

    Abwartend verharrten sie.

    Da wurde über ihnen plötzlich ein Fenster geöffnet, und Jeff Parker steckte den Kopf heraus.

    »Coco! Dorian!«, rief er überrascht und lachte herzhaft. »Das ist ja eine Überraschung. Warum habt ihr euch denn die Mühe gemacht, den Weg über die Hintertür zu nehmen?«

    »Rian fand die lange Autofahrt einschläfernd«, rief Coco spöttisch zu dem Playboy empor. »Mit dieser kleinen Klettertour wollte er unsere Lebensgeister wieder auf Vordermann bringen.«

    »Eine Gerölllawine hat die Straße unterhalb des Gebäudes blockiert«, erklärte Dorian. »Sag bloß, ihr habt davon noch nichts mitgekriegt?«

    Jeff schüttelte den Kopf. »Wartet einen Moment – ich komme runter und mache euch auf!«

    Jeff verschwand. Wenig später waren seine Schritte hinter der Holztür zu vernehmen. Ein Riegel wurde geräuschvoll zur Seite geschoben und ein Schlüssel im Schloss herumgedreht.

    Die Tür knarrte schrecklich in den Angeln, als Jeff sie aufzog. Mit freudestrahlendem Gesicht und ausgebreiteten Armen trat der Millionär ins Freie. Er umarmte Coco und drückte ihr einen Kuss auf jede Wange.

    »Du siehst bezaubernd aus – wie immer«, sagte er und ließ seinen Blick an Cocos schlanken Körper auf- und abwandern. »Wie hatte ich nur so lange auf deinen reizenden Anblick verzichten können?«

    Coco verdrehte die Augen. Jeff war noch immer der alte Schwerenöter, als den sie ihn kennengelernt hatte. Daran hatte nicht mal der Einfluss der Padma-Sekte, deren Mitglied Jeff lange Zeit gewesen war, etwas geändert.

    »Lass die Schmeicheleien«, erwiderte sie, »und sag uns lieber, wie du auf die Idee kommst, dich an einem so gottverlassenen Ort wie diesem aufzuhalten.«

    »Gottverlassenen ist wohl nicht der richtige Ausdruck«, wies Jeff sie augenzwinkernd zurecht. »Immerhin handelt es sich bei diesem Gebäude um eine alte Abtei.«

    »Genau der richtige Ort für einen Dämon, um sich zu verstecken«, sagte Dorian und dachte an die Gestalt, die sie auf der Treppe gesehen hatten.

    »Wie ich sehe, hast auch du dich nicht geändert«, sagte Jeff lachend. »Immer noch siehst du überall Dämonen und Gespenster. Ich versichere dir jedoch, dass diese Abtei ›sauber‹ ist.«

    Dorian grinste schmal.

    »Ihr könnt von Glück reden, dass ich euch bemerkt habe«, meinte Jeff. »Dieser Teil des Gebäudes ist nämlich unbewohnt. Die Tolworths leben im Südflügel. Ihr hättet hier sonst etwas anstellen können, ohne dass wir

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