Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Der blinde Spiegel
Der blinde Spiegel
Der blinde Spiegel
eBook83 Seiten47 Minuten

Der blinde Spiegel

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Eine junge Frau sucht nach ihrem Platz im Leben: im Beruf und in der Liebe ... Joseph Roth erzählt die Geschichte in hochpoetischer Sprache.

Das E-Book Der blinde Spiegel wird angeboten von Ideenbrücke Verlag und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Liebesroman, Joseph Roth, Der blinde Spiegel
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum14. Aug. 2016
ISBN9783960557272
Der blinde Spiegel
Autor

Joseph Roth

Joseph Roth (1894-1939) nació en Brody, un pueblo situado hoy en Ucrania, que por entonces pertenecía a la Galitzia Oriental, provincia del viejo Imperio austrohúngaro. El escritor, hijo de una mujer judía cuyo marido desapareció antes de que él naciera, vio desmoronarse la milenaria corona de los Habsburgo y cantó el dolor por «la patria perdida» en narraciones como Fuga sin fin, La cripta de los Capuchinos o las magníficas novelas Job y La Marcha Radetzky. En El busto del emperador describió el desarraigo de quienes vieron desmembrarse aquella Europa cosmopolita bajo el odio de la guerra.  En su lápida quedaron reflejadas su procedencia y profesión: «Escritor austriaco muerto  en París».

Mehr von Joseph Roth lesen

Ähnlich wie Der blinde Spiegel

Ähnliche E-Books

Historienromane für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Der blinde Spiegel

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Der blinde Spiegel - Joseph Roth

    Joseph Roth

    Der blinde Spiegel

    Schicksal einer jungen Frau

    idb, 2016

    ISBN 9783960557272  

    Der blinde Spiegel

    1925

    I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV XV XVI XVII XVIII XIX

               Die kleine Fini saß auf einer Bank im Prater und hüllte sich in die gute, bergende Wärme des Apriltages. Einer süßen, niegekannten, fremden Ohnmacht gab sie sich willig hin wie einer Melodie. Das Blut hämmerte schwer und schnell gegen die dünne Haut der Pulse und Schläfen. Das blasse Grün der Bäume und Wiesen breitete sich aus über Kinderwagen, Steinen und Bänken. Alles Sichtbare floß ineinander, als blickte man aus einem sehr schnellen Zug in eine sehr grünende Welt. Es dauerte einen ewigen Augenblick. Dann gewannen Menschen und Gegenstände der Umgebung ihre Konturen wieder, eigene Gestalt und eigenes Leben, Gang und Haltung, besonderes Merkmal und vertrautes Gesicht. Aber die Ohnmacht schwang noch nach, singend im Blut, mit ihm kreisend, füllte sie die Adern, den ganzen Körper wie ein Choral eine Kirche. Die Leere sang, schwer waren die Glieder, aber leicht und schwebend das Leben, Flügel bekam das Herz wie in der Stunde besiegten Sterbens. Fernab flatterten schwarze Ängste nieder, kein Dunkel drohte mehr, es wartete keine Gewalt, keine Furcht zuckte auf am weiten, glücklichen Horizont eines wunderbaren Tags. Fini konnte das langsame Pochen ihres Herzens hören, tröstend war diese unmittelbare Nähe des eigenen warmen Lebens, zum erstenmal und überraschend waren sie und ihr Herz merkbar allein, und sein Pochen wie eine langsam tropfende, tröstliche Antwort auf angstvoll verschwiegene Fragen. Die Brust war leicht wie kurz nach einer ausgeschütteten Qual, und sorglich gebettet in eine beglückende Wehmut – als würde man weinen, als löste sich eine schmerzlich gekrampfte Fessel nach langen Jahren – endlich, endlich.

               Fini, die Kleine, erhob sich und streckte die Arme, jung, wie ein junger Vogel zu fliegen versucht, und als sie den ersten Schritt machte, kamen die Gedanken wieder. In rätselhafter Nähe hatten sie gelauert, wie Fliegenschwärme kamen sie; die kleinen Ängste, die flinken, schwarzen Sorgen, die häßlich huschenden Nöte, die Drohungen des Morgen und Übermorgen, die grausamen Bilder grausamer Tage, und die Furcht wölbte sich wie ein niederes Joch über zitterndem Nacken.

               Verrauscht war die süße Musik der Ohnmacht, der gute, schläfrige Sang des Vergessens, verblaßt alle leuchtende Weite des sorglosen Nichts und ausgekühlt die bergende Wärme des lauen Tags. Fini fror im Aprilabend, als sie aufstand, um die Briefe auszutragen an die Firma Mendel & Co., an das Landesgericht I und II, an den Nebenkläger Wolff & Söhne, die fremden Briefe in dem grüngefaßten Buch, die fremden Briefe in die fremden Vorzimmer, die leichte, die schmerzende Last, die man austrug, um das Porto zu verdienen, von vier Uhr nachmittags bis sieben Uhr abends.

               Durch die großen Straßen ging sie, verloren und gering, und merkte erst in einem Hausflur, daß der Brief an das Landesgericht I nicht mehr da war, der wichtige Brief, in der lockeren Reihe flüchtiger Unterschriften fehlte eine, war eine Zeile leer und rundete sich, sah man lange darauf, zu einem furchtbar glotzenden Loch, einem hohlen, weißen Auge. Ein großes Zittern befiel das kleine, frierende Mädchen, und die Kälte wuchs, die man kaum mehr ertrug, mitten im lauen Aprilabend – man fühlte ihn, und er wärmte nicht. Fini wollte die Wärme herabziehn und sie um die dünnen Schultern legen. Wie der Abend die Stadt einhüllte, so sollte er sie auch schützen, die verloren war in der unermeßlichen Straße.

               Ach! wenn man so dünn und gering ist, tut es gut, sich irgendwo bergen zu können, in der lärmenden Wüste der Stadt. Drohend wölbt sich das eiserne Leben über unsern kleinen Köpfen, und wir sind machtlos und verloren, preisgegeben dem bellenden Hund und dem blinkenden Polizisten, dem gierigen Auge des Mannes und dem keifenden Ruf des kriegsbereiten Weibes, dem wir besinnungslos in den Weg treten, jeder Macht, die auf den Plätzen lebt und an den Ecken lauert. Jetzt müßte

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1