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BronzeHaut
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eBook368 Seiten4 Stunden

BronzeHaut

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Über dieses E-Book

Töte deine Mutter.
Verzichte auf deine große Liebe.
Gib dein eigenes Kind auf.
Lass deine Vergangenheit hinter dir.
Opfere deine Jugend.
Dann werden sich die Elemente mit dir vereinen
und du kannst die Welt vor der drohenden Dunkelheit bewahren.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpielberg Verlag
Erscheinungsdatum1. Juli 2015
ISBN9783954520688
BronzeHaut

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    Buchvorschau

    BronzeHaut - Andreas Dutter

    Vollständige eBook Ausgabe 2015

    ©2015 SPIELBERG VERLAG, Regensburg

    Umschlaggestaltung: designed4you.de - Chris Thomsen

    Alle Rechte vorbehalten

    Vervielfältigung, Speicherung oder Übertragung

    können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

    (eBook) ISBN: 978-3-95452-068-8

    www.spielberg-verlag.de

    Andreas Dutter, Jahrgang 1992, schreibt schon seit seiner frühesten Jugend. An der Handelsakademie Wiener Neustadt absolvierte er sein Abitur. Seit 2013 studiert er Kultur- und Sozialanthropologie. Nebenbei arbeitet er als Texter, Autor für ein Online-Magazin und als Online-Promoter.

     Danke an Angieh

    Danksagung

    Wenn es so leicht wäre, sich zu bedanken, dann würde es mir wohl nicht so schwer fallen, diese Seiten zu füllen. 

    Nichtsdestotrotz denke ich, es ist am besten, wenn ich einfach anfange.

    Beginnen will ich mit meinem Verlag. Danke für den Glauben an mich und für die Arbeit, die hinter diesem Buch steckt.

    Dann natürlich Chris für das wundervolle Cover.

    Generell widme ich das Buch Angieh. Danke für diese Stunden in der Buchhandlung.

    Meine Deutschprofessorin, die meine Begeisterung für die Kulturepochen entfacht hat.

    Anita Egger, weil sie einfach immer an jeden Mist, den ich mir vorgenommen habe, geglaubt hat.

    Meiner Familie.

    Lisa, weil du BronzeHaut in ein paar Tagen gelesen hast und du mein Leben bereicherst. 

    Paprika, weil du mich seit Jahren zu dieser Idee ermutigt hast. Schon damals bei den Element-Hexen.

    Michael, weil du dir BronzeHaut in seiner Reinform angetan hast und ich dich immer nerven kann, wenn es Probleme gibt. Danke, danke, danke und nochmals danke!

    Stavo, weil du an mich glaubst.

    Gordon, weil auch du es gelesen hast.

    Last but not least danke ich all den buchverrückten Freaks, die mir den Rücken gestärkt haben. Ihr seid der Wahnsinn!

    Laura, Tanja, Leo, Toby, Daniela, Sarah J., Mona, Mone, Franky, Sandra, Shari, Kossi (Danke für YT), Jessy, Ninni, Nina, Sarah, Lina, Ilka, Fabian, Bine, Mandy, Vanni, Claudia, Christelle, Debbie, Jonas, Aygen, Erika, Sabrina, Anna, Jenny, Leo, Charly und noch viele mehr.

    Alle Abonnenten von BL. Danke an euch alle! Leudähh!

    Euer Andieh, 2014

    Inhaltsverzeichnis

    Prolog

    Traum

    Krönungszeremonie

    Eine neue Kriegerin

    Ein Teil Geschichte wird gelöscht

    Die Puppenspielerin und ihre Marionette

    Goldene Seele

    Zeichnung

    Zusammenkunft

    Der Flohjunge und der Feuertanz

    Traummelodie

    Moosgrün und schmutzig Gelb

    Feuer gegen Wasser

    Wind gegen Erde

    Licht in mir

    Mama

    Die Blitzgöttin

    Goldmorgen

    Feuer in deinen Augen

    Wildrosen

    Aphost

    Blüte der Leidenschaft

    Lebenslicht

    Todeslauf

    Sei der Lauf für eröffnet erklärt

    Bluttränen

    Gut und Schnell

    Falscher Stolz

    Die Duftmischerin

    Lebensfunke

    BronzeHaut

    Neues Leben

    Krieg und Kehle

    Unsichtbarer Tänzer

    Hoffnungsschimmer Licht

    Schicksal und Liebe

    Die Zukunft

    Die Missratenen

    Asche

    Das Inferno

    Ein Schritt …

    Bilder des Lebens

    Erwachsen werden

    Die Flamme erlischt

    Der Bronzethron

    Fuchsteufelswild

    Der letzte Kampf

    Prolog

    Das Mondlicht zog sich, wie eine Blumenranke, durch das Dunkelblau des Wassers.

    Doch ob der Mond der Strömung des Flusses folgte oder ob der Wasserlauf dem Strahlen des Mondes demütig den Vortritt gab, darüber konnte nur spekuliert werden.

    Glühwürmchen tänzelten hauchdünn über der Wasseroberfläche, nur um mit ihren feinen Fühlern, wenngleich nur für einen kurzen Augenblick, das Mondlicht zu ertasten. Auch Libellen zeigten sich und flogen wie magisch angezogen, über den Strom.

    Dieser Fluss entsprang aus einem Felsen, der aus dem Boden ragte. Wasserperlen tropften vom Rande des Gesteins auf das Gras und fanden dort ihre letzte Ruhestätte.

    Ein Bild, das sich jeden Abend aufs Neue an diesem kleinen, idyllischen Ort abspielte. An einem weiteren Felsen, vom Ersten nicht weit entfernt, endete der zauberhafte Fluss des Mondes. Auf diesem saß ein Mädchen mit langen aschblonden Haaren, deren Haut so hell war, dass es den Anschein machte, als würde der Mond durch sie hindurch scheinen.

    Ihre Statur war, wie für ein Mädchen ihrer Gemeinschaft typisch, zierlich und ihr Volk bezeichnete sie als überirdisch schön. Links über der Oberlippe zierte ihr Gesicht ein kleiner Schönheitsfleck, wie sie ihn selbst bezeichnete, um nicht zuzugeben, dass er sie unheimlich störte. Es gab noch ein weiteres Merkmal, das einem sofort ins Auge stach. Eine Narbe, die quer durch ihr Gesicht verlief. Außer dieser Verletzung hatte das Mädchen zudem frische Wunden, Kratzer und Schürfwunden an Armen, Beinen, sowie im Gesicht.

    Das Mädchen mit der aschblonden Mähne saß selbstverständlich nicht nackt auf dem Felsen, sondern trug die traditionelle Kluft ihres Volkes. Zögernd wanderte ihre Hand zu ihrem Herzen. Sie spürte eine warme Flüssigkeit, schloss die Augen und schluckte mühsam. Der Atem des Mädchens war unruhig, ihre Hand zitterte und als sie den Blick zu ihrer Brust wagte, sah sie nur einen roten Blutfleck.

    Sie schwieg und biss sich auf die Unterlippe. Eine einsame Träne löste sich und rann über ihr sanftmütiges Gesicht. Erst ein Auge, das sich mit Wasser füllte, dann das andere. Das Mädchen sah den Fluss nur mehr verschwommen. Ein Augenaufschlag später und die Tränen flossen über ihre Wangen, doch umso klarer wurde ihr Blick.

    Ein plötzlich erscheinender Mantel aus Licht umhüllte sie und es entstand der Eindruck, als habe sie all das Strahlen des Mondes in sich aufgenommen. Ihr Zeigefinger berührte die Wasseroberfläche. Ein Lichtstrahl quoll aus ihrer Fingerkuppe und erfüllte den gesamten Fluss. Wie aus dem Nichts erschien ein Junge und umarmte das zierliche Mädchen. Sie kannte ihn.

    »Dein Ziel hast du nicht erreicht«, flüsterte der Junge ihr ins Ohr. Ein zartes Lächeln flog über ihre Lippen.

    Dann wurde ihr schwarz vor Augen und selbst der mit Licht durchtränkte Fluss konnte diese Dunkelheit nicht überwinden.

    Traum

    Bis dann, Mutter!«, rief Lyria, bevor sie die Tür hinter sich schloss.

    Das Sonnenlicht spiegelte sich dabei in ihrem Nasenring wider. Sie nahm einen tiefen Atemzug und machte sich daraufhin auf den Weg zum Brunnen, der im Zentrum des Dorfes lag. Sie schlenderte den Pfad entlang, bis sie ihr Ziel erreichte.

    Lyria sah sich suchend um, doch Zenon, ihr bester Freund, Weggefährte und Seelenverwandter, war nicht auszumachen. Es war nicht untypisch, dass Zenon zu spät kam und es hätte Lyria eher gewundert, wenn er vor ihr dagewesen wäre.

    Während sie auf ihren schusseligen Freund wartete, betrachtete Lyria ihr Dorf. Sie war hier aufgewachsen und stolz darauf, auch wenn es nur 25 Holzhütten maß. Dabei glich jede der anderen. Allein von der Größe unterschieden sie sich, je nach Anzahl der Familienmitglieder.

    Die Dächer bestanden aus Bambusröhren, die mit Stroh, Schlamm und Lehm überdeckt waren. Es gab lediglich einen gemeinsamen Raum und eine Ecke, welche die Möglichkeit bot, das tägliche Ritual der Körperpflege zu vollziehen. Diese wurde nur von einem aus Stofffetzen zusammengenähten Tuch verhüllt.

    Die Holzhütten waren kreisförmig um den Brunnen herum erbaut worden, bis auf das Haus des Bürgermeisters. Dieses stand abseits und machte den Eindruck, als würde es über die anderen wachen. Die Behausung des Bürgermeisters war als einziges aus Lehm und Steinen erbaut worden. Dabei hatte jeder Dorfbewohner mitgeholfen, denn sie alle mochten und bewunderten den Bürgermeister. Er war zwar ein alter, dafür aber aufmerksamer und weiser Mann.

    Josko wurde er genannt.

    Wie der Zufall es wollte, begann er gerade seinen Rundgang durch das Dorf, während Lyria weiterhin auf Zenon wartete. Sie betrachtete das Haar des Bürgermeisters. Es faszinierte sie jedes Mal aufs Neue, da es nicht weiß erstrahlte, wie es typisch für ältere Menschen war, sondern dem Mondschein glich, der nachts aus seinem Versteck kroch und sich im Brunnenwasser widerspiegelte.

    Lyria erinnerte sich an die Nächte, in denen sie mit Zenon an diesem Brunnen gesessen und den Mond betrachtet hatte, bis Josko auftauchte, um sie nach Hause zu schicken. In solchen Momenten bemerkte sie immer wieder, wie sein Nasenring das Mondlicht reflektierte. Seine Nase, so dachte Lyria, musste er von einer Hexe geerbt haben, wie man sie aus Erzählungen kannte. Lang, breit und mit einer Warze auf der Spitze. Sie war auch der Grund, warum sich Lyria stets ein Lachen verkneifen musste, wenn sie den Bürgermeister sah.

    Er trug stets, sowie auch heute, mit Mustern verzierte und mit kleinen Edelsteinen geschmückte Mäntel, die seine Frau extra für ihn anfertigte. Die Leute nannten ihn daher auch den Mann des Mondlichts.

    Im Gegensatz dazu war seine Gemahlin die Frau des Sonnenlichts. So kurios und bizarr es auch klingen mochte, sie war das genaue Gegenteil von ihm und sah tatsächlich aus wie ein Sonnenstrahl.

    Ihr Name war Anyta.

    Die Menschen liebten die alte Frau. Sie war herzlich, amüsant, gutmütig und stets positiv gestimmt. Sie trug ebenfalls ihre handgemachten, langen Kleider.

    Lyria wandte den Blick vom Bürgermeister ab und ließ ihn zu den Hütten des Dorfes schweifen, bis er an einer bestimmten Behausung verweilte. Sie gehörte Zenon und war, abgesehen von Lyrias, die kleinste im Dorf.

    Lyria bewachte regelrecht die Tür von Zenon, um nicht zu verpassen, wenn sich ihr bester Freund endlich in Bewegung setzte und es für angemessen hielt, sich zu ihr zu gesellen, bis sie abgelenkt wurde.

    Ihr Blick glitt zu dem riesigen Baum, der sich hinter dem Haus des Bürgermeisters befand. Ihre Eltern erzählten, dass dieser bereits vor ihrem Volk diesen Platz für sich beansprucht hatte. Er war größer als alle anderen Lebewesen, wie sie den Baum bezeichnete, die ihr je unter die Augen getreten waren. Seine Baumkrone erstreckte sich viele Schritte weit und er wirkte stets majestätisch, aber auch ein wenig unheimlich. An diesem Tag wehte der Wind sanft und nicht nur ihre Haare nahmen die Aufforderung zum Tanzen an, sondern auch der Baum. So ließ sie die Äste und Blätter nicht aus den Augen, während sich diese voll und ganz dem Spiel mit dem Wind hingaben.

    Seit einigen Tagen träumte Lyria von einer seltsamen Melodie, die sie seither nicht mehr losließ. Sie konnte den Klang nicht genau beschreiben, so sehr sie es auch versuchte, es funktionierte einfach nicht. In dem Moment, als Lyria es beinahe geschafft hätte, die Melodie zu summen, trat Zenon mit seinen schwarzroten Haaren vor ihre Augen.

    »Hi, Ria«, begrüßte er sie grinsend. So nannte Zenon sie seit ihrer Kindheit. Anfangs hatte sie der Kosename enorm gestört, aber mittlerweile hatte sie sich daran gewöhnt. »Tut mir Leid, dass ich so lange gebraucht habe«, warf er noch ein, bevor Lyria das Wort ergreifen konnte.

    »Ja, ja, schon gut, bin es ja nicht anders gewohnt von dir«, erwiderte sie bissig.

    Bestimmend hängte sich Lyria bei Zenon ein, was sie immer tat, wenn sie gemeinsam unterwegs waren. Ein paar Minuten wollte sie noch so tun, als wäre sie aufgrund seines Zuspätkommens böse auf ihn. Erst dann würde sie das Thema abhaken.

    Doch dieses Szenario war nichts Neues. Es spielte sich beinahe jeden Tag zwischen den beiden ab, da sich Lyria und Zenon auch täglich, bis auf ein paar wenige Ausnahmen, um die gleiche Zeit am Dorfbrunnen trafen. Und wie fast alles in ihrer Siedlung, hatte auch dieser seine eigene, kleine Geschichte.

    Die Wasserquelle existierte seit Ewigkeiten und half den Bewohnern seit jeher beim Aufbau ihres kleinen Dorfes. Der angebrachte Flaschenzug, der den Bewohnern dazu verhalf, das kostbare Wasser zu schöpfen, war schon derartig verrostet, dass er bei jeder Bewegung Geräusche von sich gab, die einem einen Schauer über den Rücken trieben. Nichtsdestotrotz funktionierte er, abgesehen von dem eigentümlichen Lärm, einwandfrei und würde den Bewohnern noch viele Jahre erhalten bleiben. Es wurde erzählt, dass am Grunde des Brunnens eine Wasserelfe hauste, die dafür sorgte, dass dieses Wasserreservoir niemals versiegen würde.

    Ihren Gedanken überdrüssig, hielten Zenon und Lyria endlich Kurs Richtung Shineylic, ihrem Lieblingsort. Dabei handelte es sich um einen kleinen Fluss inmitten des Waldes, versteckt hinter unzähligen Sträuchern. Der Weg dorthin war zum Glück kein bedeutsames Hindernis.

    Am Ziel angelangt, stieg Lyria auf ihren Lieblingsplatz, einen Stein, durch den der Fluss sich seinen Weg bahnte. Zenon schwang sich auf das Gegenstück daneben, welcher im Gegensatz zu Lyrias, nicht mit dem Wasser in Berührung kam. Sie bewunderte, im Kontrast zu Zenon, den Fluss oft stundenlang. Für Lyria hatte der Fluss etwas Mysteriöses und Magisches an sich.

    »Warum starrst du den Fluss so an? Denkst du, wenn du lange genug hineinstarrst, wird sich dein Traumprinz daraus erheben?«, fragte Zenon mit einem spöttischen Grinsen auf den Lippen.

    »Bin ich dazu gezwungen, dir eine Antwort auf deine törichte Frage zu geben oder genieße ich das Privileg, dir nicht antworten zu müssen, Herr Zen?«, entgegnete Lyria schnippisch. Entwaffnet aufgrund dieser Aussage, verkniff sich Zenon seine Antwort. Jedoch gelang ihm dies nur wenige Sekunden und so geschah es, wie für ihn charakteristisch, dass er ihr eine noch frechere Antwort zurückschleuderte.

    »Nein, dieses Privileg sollst du nicht genießen dürfen, Frau Ria«, antwortete er schamlos.

    »Nun gut, träumen wird man ja wohl noch dürfen. Denn wenn ich mich recht entsinne, gibt es hier weit und breit auch keinen Traumprinzen für mich, der meinen Ansprüchen gerecht wird oder gedenkst du dich in diese Kategorie einzustufen?«, konterte Lyria mit einer Arroganz, von der sich wohl manch königlicher Bote noch eine Scheibe abschneiden konnte.

    Zu überrascht, weil er mit solch einer Antwort nicht gerechnet hatte, hatte Zenon nicht einmal eine passende Gegenbemerkung parat.

    Stillschweigend und mit Freude an ihrem Sieg über Zenon, befasste sich Lyria erneut mit dem Fluss. Kurz danach gab sie die Suche auf, obwohl sie selbst nicht wusste, was sie eigentlich zu finden hoffte.

    »Wie lang sind wir schon hier, Zen?«, fragte sie ihren besten Freund, um die Stille zu durchbrechen. Sauer war natürlich niemand auf den anderen, da sich die beiden fast täglich solch kleine Sticheleien an den Kopf warfen.

    »Weiß ich auch nicht genau. Warum?«

    »Ach, nur so. Können wir nach Hause zurückgehen?«, antwortete Lyria mit einer Gegenfrage. Zenon nickte lediglich und gemeinsam machten sie sich auf den Heimweg. Im Dorf angekommen, verabschiedete sich Lyria nur flüchtig von ihrem Freund und verschwand in ihrem Elternhaus.

    »Ach, Ria«, rief ihre Mutter, die den Namen Therysta trug, zur Begrüßung. Ein Name mit Y war Tradition in ihrer Region. Sie hatte sich mit der Zeit ebenfalls angewohnt, ihre Tochter Ria zu nennen und das gefiel Lyria ganz gewiss nicht, dafür Zenon umso mehr. »Ich danke dir für die Früchte von gestern. Du weißt gar nicht, wie sehr du mir damit hilfst. Zwar halten wir hier im Dorf alle zusammen, doch wenn es um unser täglich Brot geht, bleiben trotzdem alle Egoisten«, fügte sie mit einem Seufzer hinzu.

    Egoismus – ein für Lyria fremdes Wort. Sie war immer hilfsbereit und auch in Sachen Nahrung würde sie einen Anderen sich selbst vorziehen, aber natürlich war auch sie kein Unschuldslamm.

    »Ich weiß, Mutter«, sagte Lyria in einem doch recht gelangweilten und desinteressierten Ton und trottete dabei zu ihrem Bett, welches wie das gesamte Haus, aus Baumstämmen gefertigt war. Lyria legte sich ins Bett und schmiegte sich in ihr Kissen. Während sie in ihrem Bett lag und ihre Mutter beobachtete, fiel ihr seit langem wieder auf, wie jung sie doch geblieben war.

    Therysta hatte, wie Lyria selbst, langes blondes Haar, das sie immer hochgesteckt trug. Ihre Augen standen denen von Lyrias in nichts nach. Sie waren ebenso faszinierend anzuschauen, wie die ihrer Tochter. Auch sie trug einen silbernen Nasenring.

    Als Lyria gerade dabei war, ihre Mutter auf Schritt und Tritt mit den Augen zu verfolgen, kam ihr Vater durch die Tür. »Hallo Vater. Wie war die Arbeit?«, begrüßte sie ihn.

    »Lyria, mein Sonnenschein. Ach, wie immer. Tag ein Tag aus dasselbe«, seufzte ihr Vater. Er hieß Senyus und arbeitete im Wald als Holzfäller. Leider verdiente er dabei nicht viel, aber dafür genug, um seine dreiköpfige Familie zu ernähren.

    Im Gegensatz zu seinen beiden Frauen waren es nicht die Augen, die sein einzigartiges Merkmal waren, sondern seine Haare. Er hatte glatte feuerrote Haare, bis hin zu den Ohren. Senyus war von stattlicher Größe und alles an seinem Körper war richtig proportioniert. Er trug immer ein grünes Tuch mit einem weißen Muster auf dem Kopf. Durch die harte Arbeit saugte es sich so mit Schweiß voll, dass seine Frau es täglich waschen musste.

    »Schau mal Schatz, unsere Tochter hat uns wieder Früchte mitgebracht«, sagte Therysta mit ihrer lieblichen Stimme, die sie durchaus haben konnte, wenn sie denn wollte.

    »Sehr schön. Hast du gut gemacht, Lyria. Wenn du willst, können wir am Sonnabend einen neuen Gürtel für dich kaufen gehen«, schlug Senyus vor.

    »Das wäre toll! Ich wollte schon lange einen neuen Gürtel haben, aber ich kann auch noch warten, wenn wir gerade zu wenig Geld haben«, antwortete Lyria.

    Senyus grinste. Er war stolz darauf, seine Tochter richtig erzogen zu haben. »Für dich doch immer, Lyh.«

    Als die Familie sich später zusammensetzte, um das Abendmahl zu sich zu nehmen, besprachen sie, welche Arbeiten für morgen anstanden. Es war nur das Übliche. Ihr Vater musste abermals in dem Wald nahe dem nächsten Dorf aushelfen und ihre Mutter wollte bei Zenons Mutter vorbeischauen, um über das diesjährige Sommerfest zu sprechen.

    Lyria hasste es, dass in ihrem Leben alles so eintönig war. Sie hatte noch massenhaft Pläne und diese, schwor sie sich jede Nacht, würde sie eines Tages in die Tat umsetzen. Für heute aber wollte sie ihre Gedanken ruhen lassen und schlafen gehen.

    Sie lief, lief und lief, doch es schien kein Ende in Sicht.

    Das Mädchen rannte, als ob es um ihr Leben ginge. Dabei wusste sie nicht einmal, warum sie überhaupt umherirrte, geschweige denn, wo sie war.

    Die Umgebung zu beschreiben wäre ein leichtes für sie gewesen, da es nichts zu beschreiben gab. Lyria eilte dauerhaft durch das Nichts, welches überall herrschte, egal wohin ihr Blick auch ging. Alles war schwarz.

    Sie hatte keine Ahnung, worauf sie eigentlich halt fand, denn unter und über ihr gab es ebenfalls nur diese Finsternis. Das Mädchen konnte zwar den festen Widerstand unter ihren Füßen spüren, jedoch schien es, als wäre darunter eine unendliche Tiefe verborgen.

    Nach einiger Zeit wurde das Mädchen gezwungen, stehen zu bleiben, weil sich vor ihr eine Mauer erstreckte, die dieselbe Größe hatte wie sie selbst. Diese Wand war weiß und strahlte ein helles Licht aus. Wenige Augenblicke später bemerkte sie einen farbigen Strudel, der sich in der Mitte der Mauer ausbreitete und immer gewaltiger wurde. Als dieser Wirbel die Fläche restlos ausgefüllt hatte, erschien ein Bild darin. Das Portrait eines Jungen mit pechschwarzen Haaren und himmelblauen Augen. Er war vornehm gekleidet, traf aber absolut nicht Lyrias Geschmack.

    Sein Gewand bestand aus blauem Samt, welches am Kragen und an den Händen mit weißen Rüschen bestickt war. Es war mit goldenen Knöpfen zugeknüpft, auf denen das Wappen des Faungold Adels abgebildet war.

    Die Hose des Jungen, der anscheinend blaues Blut in sich trug, war schwarz und enganliegend und wurde von seinem typisch königlichen Oberteil, bis hin zur Mitte des Oberschenkels verdeckt. Er trug auf der linken sowie auf der rechten Hand zwei Ringe, die ebenfalls das Wappen des Königreichs trugen. Die Schuhe waren verblüffenderweise nur schlichte Sandalen.

    Die pechschwarzen Locken des Jungen verdeckten seine Stirn, bis auf eine, die ihm bis zu seiner Nasenspitze reichte. Er hatte kleine Augen, jedoch stach das Blau darin stark hervor. Seine Nase war ein klein wenig zu groß für sein restliches Gesicht, trotzdem strahlte er Selbstbewusstsein aus. Die Lippen des Blaublütlers waren klein, wobei die untere größer war, als die obere. An seinem Hals trug er eine bronzene Kette, an der ein Amulett hing, welches geöffnet werden konnte. Als das Mädchen das Bild genauer in Augenschein nahm, verschwand es wieder.

    »Der Prinz«, flüsterte sie.

    Die Königsfamilie Faungold hatte früher als gedacht das gesamte Land für sich beansprucht. Dabei wurde die Mehrzahl der Völker bereits ausgerottet, da sie sich dem Königreich nicht anschließen wollten. Jene Stämme, die sich für eine Kapitulation entschieden hatten, wurden daraufhin eingebürgert. Ihnen wurde ein Haus zugeteilt und eine Arbeit aufgezwungen. Diese Entscheidung mag im ersten Moment schön und gut erscheinen, aber das war sie ganz und gar nicht. Etwas, das auch die Bewohner ahnten.

    Denn das Leben als Bürger unter der Herrschaft des Adels bedeutete nichts anderes als Versklavung und Freiheitsberaubung. Sie konnten kein Leben mehr in Autonomie führen, wie sie es gewohnt waren. Doch das einst kleine Königreich Faungold dehnte sich zügiger aus, als anfangs gedacht und niemand hatte eine andere Wahl, als sich früher oder später anzuschließen.

    Doch diese Angst teilte das Volk rund um Lyria nicht, da ihr kleines Dorf viel zu unscheinbar und versteckt lag. Nun, das dachte sie zumindest. Vielleicht war es auch nur der große Wunsch, die Unabhängigkeit nicht aufgeben zu wollen, der sie auf diese Weise denken ließ.

    Unerwartet hörte das Mädchen plötzlich eine Stimme in ihrem Kopf. Zuerst konnte sie dem leisen Wimmern nichts abgewinnen, doch nach und nach wurde sie eindringlicher und Lyria verstand die Worte. »Rette mich aus diesem Gefängnis! Ich will nicht mehr. Ich halte es hier nicht mehr aus. Befreie mich. Ich will in Zwanglosigkeit leben. Bitte, erhöre mein Rufen, erhöre mein Flehen und befreie mich aus dieser Gefangenschaft«, beschwor sie die Stimme in ihrem Kopf.

    »Ria.«

    »Lyh!«

    Das Mädchen drehte sich wie wild um ihre eigene Achse, doch konnte keine Gestalt in ihrem Blickfeld erfassen. Von einem Moment auf den anderen wurde es hell, die Dunkelheit verschwand und wurde vom Licht verschlungen. Umrisse von vertrauten Gegenständen wurden sichtbar.

    »Na endlich bist du wach, Ria. Du hast fast den ganzen Nachmittag verschlafen«, sprach Lyrias Mutter mit sanfter Stimme und lächelte ihr zu.

    »Nur ein Traum«, flüsterte Lyria.

    »Hast du etwas gesagt?«

    »Nein, nein«, entgegnete sie und sprang aus dem Bett. Anschließend ging sie zur Waschecke, um sich fertig zu machen.

    »Wo willst du denn hin, Lyh?«, wollte ihr Vater wissen.

    »Zu Zenon.«

    Diese Antwort schien ihrem Vater zu genügen, da er nichts mehr erwiderte.

    Nachdem Lyria fertig war, stürzte sie aus dem Haus. Als die Tür hinter ihr zuschlug, stand, wie der Zufall es wollte, Zenon vor ihr.

    »Na, hast du es so eilig mich zu sehen, Ria?«, witzelte er.

    »Witzig! Aber ernsthaft, ich wollte tatsächlich zu dir. Ich muss mit dir reden«, flüsterte sie ihrem besten Freund zu.

    »Gut, dann schieß mal los.« Zenon blieb unbeeindruckt.

    »Nein, gehen wir lieber zum Fluss. Es soll niemand hören«, schoss es aus Lyria heraus und drängelte ihn währenddessen vorwärts.

    »Schon gut, schon gut. Ich kann auch von selbst gehen«, krächzte er mit einem Lächeln auf den Lippen.

    Als die beiden den Fluss erreichten, begann Lyria ohne Aufforderung zu reden.

    »Ich hatte heute Nacht einen seltsamen Traum, Zen. Ich lief durch die Dunkelheit und von einem Augenblick auf den nächsten war eine weiße Wand vor mir und ein Bild erschien. Als es klarer wurde, erkannte ich, dass es sich höchstwahrscheinlich um jemanden aus der Adelsfamilie handelte.

    Danach verschwand das Gemälde wieder und ich hörte eine Stimme, die um Hilfe rief. Ich weiß, es war nur ein Traum, aber es kam mir so vor, als würde der Junge in Gefahr sein. Dieser Traum hat etwas zu bedeuten«, erzählte Lyria und wurde von Wort zu Wort nachdenklicher. Ihr Blick verlor sich im Fluss.

    »Hmm, ich denke, dass du diesen Traum etwas zu ernst nimmst. Ich meine, es kann durchaus sein, dass er dich aufgewühlt hat und dir realistisch vorkam, jedoch denke ich nicht, dass du ihm viel Beachtung schenken solltest«, sagte Zenon in einer Ernsthaftigkeit, die Lyria nicht von ihrem besten Freund gewohnt war.

    Nichtsdestotrotz hatte sie mit dieser Antwort gerechnet. Von vornherein hatte Lyria gewusst, dass er sie nicht ernst nehmen würde. Doch das spielte auch keine Rolle. Sie benötigte lediglich eine Person, um den Ballast abzulegen und ihre Gedanken zu sortieren.

    Für Lyria stand fest, dass dieser Traum einen Sinn hatte, aber ihr war zeitgleich bewusst, dass niemand ihr Glauben schenken würde. Sie würde es vermutlich selbst nicht fassen können, hätte Zenon ihr diese Geschichte erzählt. Dennoch konnte Lyria den Traum nicht problemlos aus ihrem Kopf verbannen.

    Ihre Mutter sagte stets: »Wenn man sich etwas vorgenommen hat, dann muss man es auch umsetzten, sonst wird es dich dein ganzes Leben verfolgen!«

    Auch wenn ihre Mutter ihr oft auf die Nerven ging, so liebte Lyria sie über alles. Ohne ihre Eltern wäre sie nur ein halber Mensch. Dennoch war sie ein typisches Mädchen, das ihre Grenzen brauchte, denn sonst wäre sie wohl schon längst um die ganze Welt gereist. Vielleicht würde sie das auch eines Tages umsetzen.

    Allerdings konnte sie mit Gewissheit behaupten, dass Zenon sie auf ihre Reise begleiten würde, denn auf ihn konnte sie zählen. Und noch eine weitere Person würde sie verfolgen, wohin auch immer sie ging. Der Junge aus ihrem Traum. Auch wenn er nur ein Trugbild ihres Verstandes sein sollte. Doch daran glaubte sie nicht. Sie ahnte, dass dieser Traum ihr Leben elementar verändern sollte.

    Und bald würde sie auch erfahren wie.

    Krönungszeremonie

    Der Junge spähte aus seinem schmalen Fenster. Es war aus einzelnen

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