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Silberglanz
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eBook440 Seiten6 Stunden

Silberglanz

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Über dieses E-Book

Die Welt ist gefährlich.
Eine Lektion, die der junge Hirte Kait, der aus einem der behütetsten Flecken der menschlichen Königreiche stammt, erst noch lernen muss, als er sich auf die Suche nach seiner verschwundenen Schwester begibt.
Die Welt ist faszinierend.
Kait lernt die Welt, in der er lebt, genauer kennen und mit ihr all die Tücken, die sie formen, die Überraschungen, die sie bereithält, und die sonderbaren Kreaturen, die sie bewohnen.
Die Welt ist vielschichtig.
So vielschichtig, dass Gut und Böse am Ende kaum noch voneinander zu trennen sind.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum28. Juni 2016
ISBN9783741238628
Silberglanz
Autor

Selina Milde

Mein Name ist Selina Milde. Ich schreibe schon, seitdem ich es kann und inzwischen glaube ich, dass ich so weit bin, meine ersten Werke zu veröffentlichen. Ich wurde am 6. Januar 2000 in einer Kleinstadt im Süden Deutschlands geboren und stehe jetzt, im Jahr 2016, kurz davor, meinen Realschulabschluss zu machen. Schon im Alter von 16 Jahren ein erstes Buch zu veröffentlichen, ist für mich ein lange gehegter Traum, den ich mir eigentlich gerne schon viel früher erfüllt hätte (kindliche Ungeduld eben). Jetzt ist es soweit und es fühlt sich richtig an. Richtig gut. „Silberglanz“ ist mein allererstes Buch, mit dem ich durch und durch zufrieden bin. Das heißt, wenn meine Leserschaft es auch ist.

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    Buchvorschau

    Silberglanz - Selina Milde

    Cover.

    Kapitel 1

    Die Nacht war angebrochen, vor einiger Zeit schon, und drückend hüllte sie die Umgebung ein, finster und undurchdringlich und still. Ja, es war tatsächlich gespenstisch ruhig, und das, obwohl die Grillen leise zirpten und das ständige Surren der Mücken und Fliegen die Luft erfüllte. Ab und zu war der Schrei eines Käuzchens zu hören, der dunkle Ruf des Uhus, der irgendwo unerkannt Wacht hielt. Doch diese Stille war anderer Natur.

    In der Luft hing der Geruch von Erde, der schwache Duft von Gras, doch noch viel schwerer wog die Feuchtigkeit, die die Luft anreicherte, und natürlich der Gestank des Moors, der toten, verrottenden Pflanzen, der Gestank der verfaulenden Kadaver, die hier vor einiger Zeit schon ihr Ende gefunden hatten, Menschen und Tiere gleichermaßen.

    Tote Bäume, die schon sehr lange an diesem verlassenen, von Geistern geplagten Ort standen, länger schon, als der Sumpf existierte, reckten ihre wie magere Arme wirkenden Äste in den sternenklaren, aber nebelverhangenen Himmel und gaben ein überaus schauriges Bild ab. Der Boden war eine einzige schwarze Masse und nicht einmal der fast volle Mond, der regungslos und stumm am Himmelszelt stand, konnte den Grund erhellen. Es schien, als zöge eben dieser alles Licht an, sog es auf und was blieb, war Finsternis.

    Das Moor war ein Ort, um den sich mehr Geschichten rankten, als ein einziger Mensch in seinem ganzen Leben hätte erzählen können. Es war ein gefährlicher Ort, der sumpfige Boden war heimtückisch und viele böse Geister trieben des nachts ihr grausames Unwesen dort, erzählte man sich, ganz zu schweigen von anderen schauerlichen Kreaturen.

    Und dennoch wagte sich hin und wieder eine Menschenseele in diese nicht ungefährliche, absolut verlassene Gegend. So auch zu dieser späten Stunde, in der nur noch die Sterne auf das trübe Antlitz der Welt hinabblinzelten.

    Schritte waren zu vernehmen, deutlich in der sonst vorherrschenden Stille. Schmatzend gab der weiche, schlammige Boden unter den Stiefeln des Wanderers nach, löste sich nur widerwillig von ihm und streckte sogleich erneut die zähflüssigen Arme nach ihm aus. Die Schritte waren langsam, das Vorankommen so zäh wie der Boden des Moors. Die Schritte klein, vorsichtig, nach Halt suchend. Jeder Schritt konnte der letzte sein.

    Auf einen Stock gestützt ging die Gestalt, nein, sie stützte sich nicht, sie tastete. Zaghaft wie ein alter Greis tastete der Wanderer mit dem Stock nach dem Boden, ob er weich war oder fest, ob die schlammigen Pfützen auf seinem Weg tief waren, so tief, dass er darin hätte einsinken können, ohne Aussicht, sich wieder daraus zu befreien.

    Die Gestalt war, unter all der Finsternis, ein junger Mann, und er trug den Namen Kait, er hatte sich bemerkenswert weit vorgewagt in dieses sumpfige Gebiet, in dem nur sehr wenige Menschen lebten. Trotz der Dunkelheit, der bedrohlichen Umgebung, dem tödlichen Sumpf schien er keinesfalls verirrt oder verzweifelt.

    Er war allenfalls genervt. Genervt von der lähmenden, kaum noch nennenswerten Geschwindigkeit, mit der er sich seinen Weg durch die unwirtliche Umgebung bahnen musste, gebeutelt von dem langen Weg, den er schon hinter sich gebracht hatte, ausgelaugt, weil er schon lange keine Nahrung oder Wasser mehr zu sich genommen hatte.

    Er wurde von tausend neugierigen Augen beobachtet, gierig, lauernd. Leises Keckern durchschnitt die Luft, zerriss die klamme Stille, die genauso schwer über dem Sumpf lag wie der dicke Nebel. Stimmen waberten darin umher, kamen von überall und nirgends. Leise sangen sie, kicherten, kreischten wie zähnefletschende Raubkatzen, sammelten sich und stoben auseinander, geisterten um den einsamen Wanderer herum.

    Als leuchtende Funken näherten sie sich ihm, umgarnten ihn, erhellten ihm seinen Weg. Sie funkelten wie Glühwürmchen, größer jedoch und heller und in bunten Farben, gelb wie Schwefel, grasgrün, gespenstisch blau, violett.

    Dabei johlten sie in grellen Tönen und kicherten immerzu.

    „Verschwindet!", fuhr der Fremde ungehalten auf und schlug sie mit dem Stock weg. Der nächste unbedachte Schritt führte ihn in eine beinahe knietiefe Pfütze und er fluchte, ehe er eilig zurücktrat. Das Kichern schwoll an zu einem höhnischen Lachen und in einer grellen Lichtfontäne schossen sie hinauf in den dunklen Nachthimmel, nur um gleich darauf zurück zu sein und ihn weiter zu irren und zu narren.

    Irrlichter.

    Ihre Anwesenheit im finsteren Moor hatte schon manch einen Wanderer wie ihn in den Wahnsinn und den Tod getrieben. Sie waren kleine, kaum zu erkennende Gestalten, die wie leuchtende Feuer glühten, allerdings nicht brannten. Ihre Farben waren wild und ihre Spiele noch viel wilder und sie liebten es, mit Menschen und anderen unglückseligen Wesen ihren Schabernack zu treiben, bis diese vor Erschöpfung zusammenbrachen. Die Irrlichter nahmen auch den Tod ihres Spielballs mit einem erheiterten Lachen in Kauf.

    „Ich hab gesagt, ihr sollt verschwinden!", wiederholte der junge Mann mit dem Gehstock gereizt und während er das sagte, loderten an seinen Armen kleine, grell grün leuchtende Flammen auf, die unruhig auf dem Stoff seines Umhangs züngelten und ein unheimliches Licht auf den dunklen Schlamm warfen.

    Das Gekicher brach abrupt ab und die bunten Farben erloschen nach und nach. Zurück blieb ein leises, unzufriedenes Gemurmel, ein enttäuschtes Raunen. Diejenigen unter den heimtückischen Irrwischen, die nicht sofort aufgehört hatten zu leuchten, zogen sich nach einigem Zögern ins Gebüsch zurück, ließen den Wanderer alleine.

    Der Reisende setzte seinen Weg unbeeindruckt fort. Noch immer flammte das grünliche Feuer an seinem Mantel, doch er verbrannte nicht. Kein Rauch war zu sehen, keine Hitze zu spüren. Im Gegenteil, das Feuer strahlte eine gewisse Kühle aus. Sein Licht erleuchtete matt den Pfad, der durch den Sumpf führte, den Schlamm, das tote Gras, es schimmerte in den Pfützen.

    Der Boden schien immer flüssiger zu werden und seine Erscheinung trübte. Zwar schien es zeitweilig festen Grund zu geben, doch in Wahrheit waren es nur kleine, grasbewachsene Erdschollen, die auf dem schlammigen Wasser trieben. Sie gaben augenblicklich nach und der junge Mann sank immer wieder bis über die Knie ein. Doch er blieb hartnäckig und kämpfte sich immer wieder an eine trockenere Stelle.

    Dann plötzlich stolperte er über eine dicke Wurzel, die er trotz des grünen Feuers nicht gesehen hatte und landete der Länge nach in stinkendem, faulendem Wasser, das ihm auch in Mund, Nase und Augen drang. Als er sich wieder aufrappeln wollte, versagten ihm fast die Arme und die Beine. Noch immer flackerten die grünen Flammen auf seinen Schultern, vom Wasser gänzlich unbeeindruckt, sie auf diesem Weg zu löschen war unmöglich.

    Doch Kait ließ sie verlöschen. Es kostete ihn zu viel Kraft. Zwar erleichterten sie ihm die Sicht in der Dunkelheit, nicht nur ihres Lichts wegen, sondern auch, weil das magische Feuer seine Sinne schärfte, doch zugleich verließ ihn die wenige Energie, die ihm noch geblieben war. Sein Sichtfeld verschwamm und wurde noch viel undeutlicher und seine Beine wollten ihn fast nicht mehr tragen. Er hatte keine Wahl.

    Mit dem Erlöschen der magischen Flammen kehrten allerdings die Lichtelfen wieder, die ihn zuvor schon geplagt hatten. Wieder umschwirrten sie ihn, so dicht, dass ihm fast schwindelig wurde und beinahe gelang es ihnen, ihn vom Weg abzubringen, doch er schlug erneut mit dem Stock zu und wirbelte sie so von sich.

    Dann musste er sich beeilen, er musste unbedingt dieses Gebiet verlassen, sonst würde er noch als ein Haufen bleicher Knochen enden, die langsam im Sumpf versanken, und das durfte er auf keinen Fall zulassen. Es musste ein Dorf geben an diesem schrecklichen Ort, daran glaubte er sich zu erinnern, und in so einem Dorf würde er sicher sein. Nur hatte er keine Ahnung, wie weit der Weg noch sein würde. Bei Nacht in so ein Moor zu geraten war nicht eben ein Glücksfall, das wurde ihm allmählich klar.  

    Kait spürte noch immer tausende stechende Blicke in seinem Nacken, als er weiter durch den Sumpf stakste. Sie schienen zu warten, bis ihm die Kraft ausging, nein, es war keine Vermutung, er wusste es ganz genau. Und er wusste auch, dass es nicht mehr lange dauern würde. Je weiter er sich quälte, umso lauter wurde das Rascheln im Schilf, das Kichern im Gebüsch. Nicht lange, da wagten sie sich wieder hervor und tanzten um ihn herum und er hatte nur noch so viel Kraft, sie kurzzeitig mit einer grünen Flamme in seiner Hand von seinem Gesicht zu verscheuchen, doch dann kehrten sie wieder und ihr Schabernack wurde noch wilder.

    Dann, schließlich, als er kaum noch wusste, wie ihm geschah, trat er in ein tiefes, schlammiges Loch und sank erschöpft in sich zusammen, sodass ihm das Sumpfwasser bis zur Hüfte stand. Das Kichern gellte in seinen Ohren und seine Augen brannten von ihrem Licht und der Dunkelheit, die dazu im Gegensatz stand.

    Irgendwo in seinem Geist fand er noch den Willen zu kämpfen und stemmte sich mit den Armen am Rand des Schlammlochs auf und auch wenn der Boden matschig war, war er doch fest genug, um ihn zu halten. Eine Weile zumindest. Doch er wusste kaum noch, was er damit beabsichtigte, so sehr hatten die Irrwische seine Wahrnehmung, sein Denken vernebelt.

    Was tat er noch gleich hier?

    Dann plötzlich schreckte Kait wie aus einem Traum auf und nahm sogleich die feuchte Kälte wahr, die unbarmherzig durch seine Kleidung gedrungen war und sich weiter ihren Weg bis auf seine Knochen bahnte. Mit einem Mal bemerkte er auch den furchtbaren Gestank um sich herum wieder und seine Sicht klarte auf. Und da wurde ihm mit einem Mal klar, wie nah er am Abgrund des Todes stand.

    Das Kichern jedoch war verstummt und das wunderte ihn. Die Irrlichter hatten seltsamerweise von ihm abgelassen und schwebten in einiger Entfernung in der Luft, still und ruhig, beinahe harmlos. Auch das verwunderte ihn. Und dann nahm er eine weitere Präsenz in seiner Nähe wahr, kräftiger als die der Lichtelfen, aber dennoch unheimlich und zudem auch kühl. Überrascht hob er den Blick.

    Vielleicht hätte er sich erschrecken sollen, vielleicht sollte ihn der Anblick schockieren, doch er brachte nicht einen Laut hervor, seine eiskalten Glieder waren zu keiner Regung fähig. Er blickte in ein Gesicht. In ein menschliches Gesicht, das jedoch alle kennzeichnende Form verloren hatte. Keine Wangenknochen gaben dem Gesicht eine Kontur, keine Nase war in seiner Mitte zu erkennen, keine Augenbrauen verrieten eine Gefühlsregung. Die Augen waren leer, ohne Ausdruck, eigentlich waren sie noch nicht einmal da, und dennoch spürte Kait, dass sie wohlwollend auf ihn herabblickten. Die Erscheinung entfernte sich ein Stück von ihm, sodass Kait sie in ihrem Ganzen betrachten konnte. Sie war schwarz wie die Nacht, noch schwärzer sogar, und doch leuchtete sie fahl und blass, wie Mondlicht.

    Und Kait begriff.

    Mit einem Mal kam wieder Leben in ihn. Eilig stützte er sich auf dem festeren Moorboden auf und kletterte aus dem kalten Schlammloch, in dem er inzwischen schon bis zur Brust eingesunken war. Dann rappelte er sich auf und ignorierte das unschöne Gefühl der schlammtriefenden Kleidung auf seiner Haut.

    Der Geist, der ihm erschienen war, verharrte noch immer stillschweigend in der Dunkelheit, der er gleichzeitig ähnelte und von der er sich trotzdem durch sein Leuchten abhob, und er sandte weiterhin sein mondlichtähnliches Glimmen aus, das, ähnlich wie das magische Feuer, die Irrwische auf Abstand hielt und sie hatte verstummen lassen.

    Nun schwebte die Gestalt an den Rand des Pfads und breitete stumm die Arme aus, deutete den Weg im Morast entlang, der von ihrer bloßen Anwesenheit hell erleuchtet war.

    Und da konnte der junge Abenteurer in der Ferne ein warmes Licht brennen sehen, Häuser! Rauch, der aus Schornsteinen stieg und im Mondlicht leuchtete, sich mit dem Nebel vermischte. Ein wenig misstrauisch blickte er zu der geisterhaften Gestalt hin, doch dann setzte er seinen Weg fort. Er hatte keine andere Wahl.

    Die Gestalt begleitete ihn, schwebte ihm hinterdrein wie ein bloßes Bündel aus Mondlicht und dann, als Kait erschöpft, schwer atmend und vor Kälte bebend vor dem kleinen Dorf stehenblieb, machte der Geist kehrt und ließ ihn allein. Der Wanderer sah dem Gespenst noch eine Weile nach, verharrte in der Finsternis, versuchte zu begreifen.

    Geister im Moor waren nichts Ungewöhnliches, nein, es zogen unzählige dieser verlorenen und gegeißelten Seelen durch die todbringenden Sümpfe, doch es war ein sehr bedeutendes Ereignis, wenn einer von ihnen Reisende davor bewahrte, ein ähnliches Schicksal zu erleiden wie sie einst selbst. Nur wenige Seelen waren so rein, dass sie von Rache absahen.

    Darum nickte der junge Mann der geisterhaften Erscheinung dankend hinterher, war sich sicher, dass sie seinen Dank verstand, und dann wandte er sich um.

    Er hatte es geschafft, er hatte wohlbehalten eines der wenigen Dörfer in dieser Gegend erreicht. Und Kait versuchte krampfhaft, nicht daran zu denken, wie verflucht knapp er gerade eben dem Tod von der Schippe gesprungen war.

    Kapitel 2

    Das Dorf war nur eine kleine Ansammlung unterschiedlichster Hütten, die aus graubraunen Ziegelsteinen erbaut worden und mit Schilf abgedeckt waren, aber es schien auf einem festen Flecken Erde erbaut worden zu sein, ein wahrer Segen nach all dem Morast, durch den Kait in den vergangenen Tagen gekrochen war.

    Es war finstere Nacht und nur wenige Fackeln erhellten die kleine Siedlung und ließen den feuchten Boden hell schimmern. Aus dem Inneren der Häuser strahlte ebenfalls warmes Licht und es zog den jungen Reisenden an wie eine Kerzenflamme die Mücken.

    Irgendwo hier musste es doch eine annehmbare Bleibe geben.

    Er nahm den letzten Weg noch auf sich, stapfte durch wässrige Schlammlöcher und es war egal, dass sein olivgrüner Mantel durch den Dreck schleifte. Der grobe Leinenstoff würde ohnehin spätestens am nächsten Tag starrend vor Schmutz sein, diese kleine Pfütze spielte nun wirklich keine große Rolle mehr.

    Kait erreichte ein Gasthaus, in dem noch immer Licht brannte und als er eintrat, wurde er sofort von Wärme und dem Duft warmen Essens eingehüllt. Er hatte ganz verdrängt, wie sehr er fror und wie leer sein Magen war. Augenblicklich fühlte er sich wohl hier. Egal wohin man ging, eine warme Atmosphäre verlieh jeder fremden Stube einen Hauch von Heimat, denn alle Menschen suchten Schutz vor Kälte und Hunger, besonders in diesen unwirtlichen Gefilden.

    War es draußen auch stockduster, in dieser Gaststätte herrschte noch reges Treiben. Gelächter erfüllte den Raum, viele Stimmen, hauptsächlich von Männern, die Bier tranken und sich beim Kartenspielen unterhielten. Dass der Mond schon längst hoch am Himmel stand, schien ihnen gleich zu sein. Ja, hier fühlte Kait sich wirklich beinahe zu Hause.

    Hinter der Theke stand eine schlanke junge Frau, höchstens achtzehn Jahre alt, sie säuberte gerade die hölzernen Regale mit einem Lappen und wandte sich dann wieder um. Als sie ihren neuen Gast bemerkte, lächelte sie ihm freundlich zu und wartete geduldig darauf, dass Kait nähertrat und sein Anliegen vorbrachte.

    Dieser kramte seine Ersparnisse hervor und ließ noch kurz den Blick durch die Gaststube schweifen, ehe er das Mädchen ansah. „Ich brauche eine Bleibe, sagte er kurz angebunden, aber nicht unfreundlich. Er war nur zu erschöpft, um viel zu reden. „Und etwas zu essen und vielleicht einen guten Schluck zu trinken, fügte er noch hinzu.

    Die Augen des Mädchens strahlten. „Ihr seid gerade erst angekommen?, erkundigte sie sich neugierig, während sie sich umdrehte und etwas Eintopf in einen hölzernen Napf schöpfte. Sie wandte sich wieder Kait zu und legte noch Brot und Käse auf einem Brett dazu. „Eine Silberdublone, sagte sie und faltete die Hände vor ihrer weißen Schürze.

    Kait blickte prüfend auf den Eintopf und wägte ab, ob die braune Masse, die das Mädchen ihm da gerade hingestellt hatte, überhaupt so viel wert war. Doch es schienen Kartoffeln darin zu sein und wenn er sich nicht täuschte, sogar ein wenig dunkles Fleisch. Und dann waren da noch das Brot und der Käse. Er legte eine silberne Münze vor sich auf den Tresen. Sollte sie sich darüber freuen. Er ließ sich auf einem der Hocker nieder, die direkt am Tresen standen. So konnte er sich noch mit dem Mädchen unterhalten. Es war lange her, dass er mit jemandem gesprochen hatte. „Ja", beantwortete er ihre Nachfrage schlicht.

    Das Mädchen wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch ab, das an einem Haken an der Wand hing. „Es ist mutig, nachts durch das Moor zu wandern", sagte sie und klang dabei sogar ein bisschen bewundernd. Sie schien ein gutes Mädchen zu sein.

    „Na ja, als ich losgezogen bin, war es ja noch tags", meinte Kait mit einem leichten Lachen.

    Sie erwiderte es ausgelassen. „Nicht viele schaffen es durch die Sümpfe hierher, meinte sie dann. „Man spricht von allerlei dunklen Gestalten, die dort umherstreifen. Sie stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Holz auf und malte dort mit dem Zeigefinger gedankenverloren unsichtbare Muster. Neugierig und schüchtern war sie also.

    „So schlimm war es gar nicht", sagte Kait leichthin. Von wegen, schalt er sich in Gedanken. Er war beinahe in einem dunklen, dreckigen Tümpel abgesoffen. Aber immerhin eine Sache wich von dem, was sie sagte, ab – die Gestalten, denen er in der letzten Zeit begegnet war, waren nicht dunkel gewesen, nein, sie alle hatten geleuchtet.

    Das Mädchen musterte ihn eingehend. „Man trägt lieber trotzdem immer eine Laterne mit sich", riet sie ihm, als sie bemerkte, dass er außer seinem Mantel nichts bei sich trug.

    Kait lachte abermals leise auf. „Es sei denn, man ist so ein Trottel wie ich und verliert sie im erstbesten Wasserloch", sagte er und nahm endlich einen Bissen von dem Brot. Es war gut, besser als erwartet, weich und frisch und auch nicht mit Sägespänen gestreckt.

    Das Mädchen lachte wieder glockenhell auf. „Dann habt ihr wirklich Glück gehabt", sagte sie.

    Kait nickte und fuhr damit fort, sein spätes Mahl zu verzehren. Er war wirklich furchtbar ausgehungert. Sein Proviant war von Anfang an knapp bemessen gewesen, allerdings hatte er auch nicht damit gerechnet, dass es hier so wenige Dörfer gab. Nun jedoch, nachdem er erstmals den Sumpf und seine Tücken kennengelernt hatte, war ihm klar, dass er verfluchtes Glück hatte, hier überhaupt auf Menschen zu treffen.

    Das Mädchen richtete sich wieder auf und fuhr damit fort, sämtliche Holzflächen um sich herum mit dem nassen Lappen abzuwischen. Dann schließlich nahm sie das Gespräch wieder auf. „Ihr spracht von einer Bleibe", sagte sie mit ihrer sanften, weichen Stimme und blickte über die Schulter zu ihm hin, so verhalten, dass es beinahe schon wieder aufreizend wirkte.

    „Richtig, sagte Kait, der über seinen knurrenden Magen die Erschöpfung ganz vergessen hatte. „Gibt es hier irgendwo ein erschwingliches Zimmer für mich? Er schob den leeren Napf fort und widmete sich nun ganz dem Brot und dem Käse. Der Käse war hart und schmeckte nach Ziege, doch er war dennoch gut.  

    „Ich kann noch drei Zimmer vermieten, sagte das Mädchen und musterte ihn. „Wenn ihr ein Bad wollt, kann ich euch eines herrichten, fügte sie dann noch hinzu und errötete, offenbar war es ihr peinlich, ihm vorzuhalten, dass er nicht eben sauber war oder gar angenehm roch.

    Kait schmunzelte über ihre kindliche Scheu, die in seinen Augen absolut ungerechtfertigt war. Er wusste selbst, dass er aussah wie ein verlauster Straßenköter, dazu brauchte er im Augenblick wahrlich keinen Spiegel. Seine Haare waren leicht dreckverkrustet und hingen ihm schwer und strähnig ins Gesicht, sein Bart war in den letzten Tagen länger gewachsen als je zuvor und er musste stinken wie ein Misthaufen. Es gab absolut nichts, worauf man ihn noch hätte hinweisen müssen. Nicht einmal auf die dunklen Schlammspuren, die er auf dem Boden des Wirtshauses hinterlassen hatte, als er zur Theke geschlendert war.

    Ein Bad klang demnach äußerst verführerisch. „Und was kostet mich der Spaß?", wollte er wissen und griff nach dem Humpen Bier, den sie ihm noch hingestellt hatte. Das war genau das, was er jetzt brauchte, auch wenn er Bier eigentlich nicht mochte.

    Das Mädchen knetete verlegen ihre Hände. „Es sind ziemlich große Zimmer. Ich kann sie nicht für weniger als drei Dublonen vermieten, sagte sie schüchtern. „Aber dafür ist das Bad inbegriffen, ihr bekommt einen eigenen Zuber und warmes Wasser.

    Kait blies sich eine dunkle Strähne aus dem Gesicht, als sie ihn an der Nase kitzelte und er schob das Stirnband, mit dem er seine Haare eigentlich bändigen wollte, ein Stückchen höher. Nicht nur ein gutes Mädchen, sondern auch noch reichlich naiv und unerfahren.

    Drei Dublonen. Das war recht teuer, vor allem wenn er mit einrechnete, dass er binnen weniger Tage erneut ein Bad brauchen würde. Auch war es sinnlos, sich neue Kleidung zuzulegen. Der Sumpf war groß, sein Weg noch weit.

    „Sehe ich so aus, als könnte ich mir diesen Luxus leisten?, fragte Kait schließlich mit einem neckenden Grinsen. „Solange ich nicht draußen im Schlamm nächtigen muss, ist mit beinahe alles recht. Also, können wir ins Geschäft kommen?

    Sie schien nachzudenken. „Ihr könntet ein kleineres Zimmer bekommen und auf das Bad verzichten, sagte sie schließlich. „Dafür würde ich noch zwei Dublonen nehmen. Ihr müsstet eben nur darauf achten, das Zimmer nicht … zu beschmutzen. Die letzten beiden Worte brachte sie kaum über die Lippen.

    Am liebsten hätte Kait über dieses unerfahrene, junge Ding lauthals gelacht, aber das wäre wohl nicht angemessen gewesen. „Das ist noch immer zu teuer, sagte er stattdessen ernst. „Ich bin knapp bei Kasse und kann es mir nicht leisten, mehr als anderthalb Dublonen für eine Bleibe auszugeben. Noch dazu nur für eine Nacht.

    „Ja …, druckste das Mädchen vor sich hin, „… es gibt da noch diesen Stall … für die Ziegen. Gleich nebenan. Es war ihr äußerst unangenehm, einem Gast so etwas anbieten zu müssen, das sah Kait und es amüsierte ihn prächtig. Aber er zeigte es ihr lieber nicht, sonst würde sie sich wohl demnächst noch im Erdboden verkriechen und das war nun wirklich nicht seine Absicht, immerhin war sie ein hübsches junges Mädchen.

    „Das klingt doch gut, sagte Kait darum zufrieden und leerte seinen Bierkrug. „Warmes Stroh, angenehme Gesellschaft … wie viel willst du dafür?, wollte er von ihr wissen.

    „Nun, eine Dublone und zwei Taler", sagte sie zerknirscht. Inzwischen war Kait sich sicher, die Schenke gehörte nicht dem Mädchen, eher ihrem Vater, und er hatte ihr die Preise vorgeschrieben und sie schämte sich für seine Knauserigkeit.

    Kait kannte die Menschen und ihre Anwandlungen.

    Darum war er bereit, ohne Mucken den hochtrabenden Preis zu zahlen. „Einverstanden, sagte er und streckte die Hand aus, um ihr die Münzen in die Hand zu zählen. Zwölf kleine kupferne Münzen. Dann lächelte er sie verschmitzt an. „Gibt es eine Viehtränke im Stall?, fragte er geradeheraus.

    Sie sah ihn verwundert an. „Ja, wieso?", wollte das Mädchen verdutzt wissen.

    „Ist die Benutzung der Tränke im Preis inbegriffen?" Kait grinste.

    Das Mädchen zögerte. „Ja …, sagte sie dann. „Natürlich.

    „Sehr schön. Kait schob ihr den Krug zusammen mit vier Kupfertalern zu. „Und nun will ich dir nicht weiter zur Last fallen und diesen harten Tag ausklingen lassen, sagte er.

    Sie lächelte. „Ihr fallt mir nicht zur Last", sagte sie höflich und füllte ihm Bier nach.

    „Na dann, sagte er und prostete ihr zu und nahm einen Schluck von dem Gebräu. „Sag, wie lebt es sich so, hier mitten in dieser menschenunfreundlichen Gegend? Wovon lebt ihr?, wollte er wissen.

    Sie lächelte, wie immer eigentlich, und wieder stützte sie sich mit den Armen auf dem Tresen auf, sah ihren Gast dabei aber nicht an, vielmehr wirkte sie verträumt dabei. „Wisst ihr, wir leben vom Torf", sagte sie dann freundlich und strich sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht.

    „Torf, echote Kait nachdenklich. „Du meinst trockenen Sumpfschlamm?, hakte er nach.

    Sie lachte und ihr Lachen klang wirklich wie ein goldenes Glöckchen. „Ja, sagte sie. „Es klingt merkwürdig, aber es werden Ziegel daraus gepresst und im ganzen Land verkauft. Außerdem ist Torf ein guter Brennstoff. In unseren Häusern wird es nie kalt im Winter. Sie blickte auf. „Und woher kommt ihr?"

    Er stellte seinen Humpen vor sich ab und wischte sich mit dem Ärmel seines Umhangs über den Mund. „Ich stamme aus dem Bergland, westlich von hier. Wir halten vor allem Schafe und Rinder. Außerdem gibt es eine Menge Minen, wo ich herkomme. Es werden Kohle und Eisen gefördert", erzählte er.

    „Wir haben hier auch Schafe, sagte das Mädchen. „Und Ziegen.

    „Und wo weidet ihr sie?", fragte Kait verwundert.

    Das Mädchen schien erfreut darüber, ihn erstaunen zu können. „Ach, es sieht vielleicht nicht so aus, aber es gibt durchaus ein paar trockene Wiesen hier im Sumpf. Man muss nur wissen, wo sie liegen." Sie lachte.

    „Erstaunlich", meinte Kait und trank sein Bier aus. Der Alkohol darin war nicht genug, um ihm zu Kopf zu steigen, aber er würde dabei helfen, zu schlafen. Bei all der Erschöpfung, die ihm ohnehin schon in den Knochen saß, würde ihm das Schlafen aber auch so nicht sonderlich schwerfallen. Gerade, als er aufstehen und sich von der freundlichen Gastwirtin verabschieden wollte, wurde er plötzlich angesprochen.

    „He, Junge!", rief ein großer, behaarter Mann mit vielen Narben im Gesicht zu ihm herüber.

    Kait entschied sich anders. Er blieb sitzen und ignorierte den betrunkenen Idioten.

    Doch dieser schien nicht lockerlassen zu wollen. „He, du da! Du stinkst schlimmer als ein Haufen Ziegenscheiße, hat man dich aus der Latrine gezogen oder was?" Er lachte grölend.

    Es war still geworden und der Mann hatte wohl genug Bier intus, um nicht zu bemerken, dass er der einzige war, der die Situation nennenswert amüsant fand. Außerdem war ihm wohl entfallen, dass er ebenfalls nicht gerade nach Veilchen duftete.

    Sie alle waren an diesem Tag schließlich schon durchs Moor gewatet, einige, weil sie Reisende waren, andere, weil sie hier lebten und arbeiteten, Torf stachen oder Ziegen hüteten oder was die Männer im Sumpf eben noch so für Tätigkeiten verrichteten.

    Kait reagierte noch immer nicht. Mit etwas Glück würde der Kerl von ihm ablassen.

    Doch das Glück war dem Mann nicht vergönnt. Er erhob sich schwankend und stieß dabei zwei Stühle um, einige rutschten ihm eilig aus dem Weg, um nicht unter ihm begraben zu werden, sollte er stolpern. „He, du da, ich rede mit dir, Junge, bist du taub oder was?, lallte der Trunkenbold nun und stützte sich neben Kait an der Theke ab. „Was macht ein Lausebengel wie du hier in dieser Gegend? Du bist doch nicht mehr ganz sauber, was? Als Kait sich noch immer nicht rührte, schien ihn seine Geduld zu verlassen und grob packte er den jungen Reisenden am Kragen und zog ihn ohne große Mühe vom Hocker.

    Das Mädchen hinter der Theke quietschte verängstigt, offenbar fürchtete sie eine handfeste Auseinandersetzung. „Bitte", piepste sie leise, doch niemand hörte sie.

    „Tut mir leid, sagte Kait, kaum dass er auf seinen Füßen stand. „Aber wenn du mich ,Junge‘ nennst, fügte er bedrohlich hinzu, „fühle ich mich einfach nicht angesprochen. Mit diesen Worten holte er aus und schlug dem Betrunkenen mit aller Kraft unters Kinn, sodass dieser augenblicklich hintenüber kippte. Als Kait einen Schritt näher trat, sah er, dass der Mann aber noch bei Bewusstsein war. „Siehst du das hübsche Mädel da drüben?, fragte Kait und deutete auf die Gastwirtin, die sich nun die Hände vor den Mund geschlagen hatte. „Ich glaube nicht, dass sie sonderlich erfreut wäre, wenn hier eine Schlägerei stattfände. Mit diesen Worten wandte er sich einfach wieder um. „Schafft ihn weg, sagte er zu den beiden Männern, die mit dem Trunkenbold an einem Tisch gesessen hatten. Nach einigem Zögern gehorchten sie.

    Kait ließ sich wieder auf seinen Platz sinken und schob den Bierkrug erneut zu dem Mädchen. „Ich glaube, ich könnte noch mehr davon gebrauchen", sagte er nur.

    Kapitel 3

    Die Morgensonne war es schließlich, die Kait sanft aufweckte. Seine Augenlider waren schwer wie Blei und er blinzelte verschlafen, ehe er sich mit dem Handrücken über das Gesicht fuhr. Dann versuchte er, seine Umgebung wahrzunehmen und sich daran zu erinnern, wo er sich befand. Er fühlte Stroh unter sich.

    Über ihm waren Holzbalken, einfach gezimmert, oben in der Wand ein vergittertes Fenster ohne Glas, durch das die Sonne ihre grellen Arme streckte. Seine Umgebung roch nach Erde und Heu und Ziege und das alles wirkte auf ihn sehr vertraut, doch irgendwie wusste er, dass der Schein trog. Er war nicht zu Hause … nein, zu Hause war er sicher nicht …

    Kait stemmte sich mühsam in die Höhe. Sein Blick war noch immer verhangen vom Schlaf, der ihn nicht so recht loslassen wollte und die Müdigkeit hielt ihn wie mit schweren Eisenketten an den Boden gefesselt. Schließlich zwang er sich jedoch mit aller Kraft, endlich richtig aufzuwachen und er rappelte sich auf.

    Ein zweiter Blick aus dem Fenster bestätigte die vage Vermutung, die ihn eben beschlichen hatte – es war bereits später Vormittag, die Sonne hatte beinahe ihren höchsten Stand erreicht.

    Er fluchte und sah sich um, erst jetzt war er in der Lage, sein Umfeld richtig in Augenschein zu nehmen. Um ihn herum hatten sich einige pelzige Körper zusammengerollt, gefleckt und struppig, ihre Hörner ragten gewunden und grau in die Höhe. Der Ziegenstall. Genau. Allmählich kehrte seine Erinnerung wieder.

    Verdammt, so lange hatte er nicht schlafen wollen!

    Er fuhr sich durch die Haare, die jetzt etwas ordentlicher und weniger schmutzig waren, nachdem er am vergangenen Abend seinen Kopf einmal im Wassertrog versenkt hatte, dasselbe hatte er danach mit seinem Umhang und seinem Wams getan und beides hing nun über einigen Holzstreben. Mittlerweile mussten seine Sachen wieder trocken sein.

    Er taumelte hinüber zu der provisorischen Wäscheleine und schlüpfte in sein Oberteil, das aus ungefärbter Wolle und weichem Schafsleder genäht war. Ein wenig Feuchtigkeit war noch in den Fasern, aber das war nicht weiter schlimm. Es war allemal wärmer als gar nichts und das war gut, denn Kait fror trotz der Nähe der Ziegen und dem Stroh, in dem er geschlafen hatte.

    Auch seine Füße fühlten sich an wie zwei Eisblöcke, er hatte barfuß geschlafen, da er seine Stiefel ebenfalls zum Trocknen unter seinen Umhang und sein Wams gestellt hatte. Aber er wollte sich nicht beschweren, immerhin hatte sie keiner über Nacht geklaut. Also konnte er nun beinahe trockene Stiefel anziehen. Er hoffte, dass sie nicht vor dem kommenden Abend schon wieder völlig durchgeweicht sein würden.

    Als letztes legte er sich seinen Umhang um die Schultern. Man sah noch immer die Schlammflecken, aber gut, das würde ihn nicht umbringen.

    Als er nun nach draußen in die Sonne trat, staunte er. Die unheimliche Gegend, durch die er am vergangenen Tag noch gestapft war, sah im Licht des Tages ganz verwandelt aus. Zwar waren da noch immer die im Sumpfwasser ertrunkenen Bäume rings um das Dorf und auch wirkte alles verwunschen und leblos, doch das war kein Vergleich zu dem Spuk, den Kait gestern noch erlebt hatte. Nichts hier ließ auf Irrwische und Geister schließen.

    Hätte ich nicht so lange geschlafen, hätte ich einen längeren Tag für meine Reise gehabt, schalt er sich in Gedanken und verschränkte die Arme vor der Brust.

    Es war noch immer kühl, die Wärme der Sonne schien irgendwo in den dünnen Nebelschwaden, die noch immer über dem Sumpf lagen, verschluckt zu werden und erreichte nicht den aufgeweichten, schlammigen Boden. Doch allein das Licht, das der kalte Feuerball spendete, schien die Umgebung zumindest ein wenig aufzuwärmen.

    Kait seufzte und dann erinnerte er sich, dass er im Stall etwas vergessen

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