Luca: Ein Angsthund lernt zu leben
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Über dieses E-Book
Für Angsthunde ist der Sprung ins neue Leben nicht so leicht wie für andere Hunde aus dem Tierschutz, die sich schnell anpassen. Aber wenn man Glück hat, gelingt es, auch diese Hunde mit viel Liebe und Geduld zurück ins Leben zu führen.
Dieses Buch ist kein Ratgeber zum Thema „Angsthund“, sondern schildert die Erfahrungen der Autorin mit ihrem Angsthund Luca, den „ganz normalen Alltag“ mit einem solchen Hund, auf was man sich einstellen sollte, die Erfolge, die Rückschläge, die Herausforderung.
Was hat sich bewährt und was nicht? Welche Situationen haben Luca überfordert? Ist es gelungen, sie in ein Leben ohne Angst zu begleiten?
Ein Jahr lang hat die Autorin ein Tagebuch geführt, in dem sie ihre eigenen Trainingsansätze sowie Lucas Entwicklung und Fortschritte festgehalten hat. Ihre Aufzeichnungen sind in dieses Buch integriert, zusammen mit vielen Fotos aus Lucas neuem Leben. Der Reinerlös vom Verkauf dieses Buches wird einem Tierschutzverein gespendet, der traumatisierte Hunde therapiert und auf die Vermittlung in ein neues Zuhause vorbereitet.
Judy Kleinbongardt
Judy Kleinbongardt hat im Jahre 2009 das erste niederländische Rassebuch über den Podenco geschrieben, das ein Jahr später auch auf Deutsch unter dem Titel "Der Podenco - ein besonderer Mitbewohner" erschienen ist und bei den Liebhabern dieser Rasse großen Anklang findet. Außerdem beschreibt sie seit vielen Jahren in humorvollen Kurzgeschichten alltägliche Begebenheiten und Abenteuer ihrer gemischten Hundegruppe. Für die Autorin hat sich das Zusammenleben mit ihren Hunden im Laufe der Zeit zu einer Lebensart entwickelt. Durch die Podenca Dunya hat sie ihre Liebe zu dieser Rasse entdeckt, die ihrem Leben eine neue Richtung gab. Die Autorin wohnt mit ihren vier vormaligen spanischen Tierheimhunden in den Niederlanden. Auf ihrer Website www.podenco-de.weebly.com informiert sie über die Rassen Podenco, Galgo und Greyhound, und in ihren Büchern lässt sie uns an ihrem "ganz normalen Alltag" mit ihrer gemischten Hundegruppe teilhaben.
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Buchvorschau
Luca - Judy Kleinbongardt
Der Reinerlös vom Verkauf dieses Buches wird einem Tierschutzverein gespendet, der sich traumatisierter Hunde annimmt und sie auf die Vermittlung in ein neues Zuhause vorbereitet.
Danksagung
Ich danke Luca dafür, dass sie über ihren Angstschatten gesprungen ist und mir ihr Vertrauen geschenkt hat.
Ich bedanke mich bei meiner langjährigen Freundin Christa Seifert, die mein Manuskript Korrektur gelesen hat.
Inhaltsverzeichnis
Angsthund – na und?
Hundekenner?
Luca tritt in mein Leben
Wir lernen Luca kennen
Die Heimreise
Zuhause
Der erste Monat
Die erste Woche
Zwischenbilanz nach einer Woche
Die zweite Woche
Zwischenbilanz nach 2 Wochen
Die dritte Woche
Die vierte Woche
Die fünfte Woche
Zwischenbilanz nach einem Monat
Der zweite Monat
Zwischenbilanz nach 2 Monaten
Der dritte Monat
Zwischenbilanz nach 3 Monaten
Der vierte Monat
Der fünfte Monat
Urlaub in Winterswijk, März 2010
Der sechste Monat
Der siebente Monat
Der achte Monat
Der neunte Monat
Der zehnte Monat
Der elfte Monat
Der zwölfte Monat
Urlaub in Winterswijk, Oktober 2010
Wie ging es weiter?
Nach einem Jahr
Februar 2011
März 2011
Mai 2011
Juni 2011
Nach zwei Jahren
Dezember 2011
Mai 2012
Juli 2012
September 2012
Nach drei Jahren
März 2013
Juni 2013
September 2013
Nach vier Jahren
Januar 2014
April 2014
Mai 2014
August 2014
Nach fünf Jahren
Oktober 2014
November 2014
März 2015
April 2015
Mai 2015
August 2015
Nach sechs Jahren
Oktober 2015
November 2015
Dezember 2015
Februar 2016
April 2016
Die Autorin
Herdenschutzhunde
Andere Bücher von Judy Kleinbongardt
Angsthund – na und?
Nun, ganz so einfach ist es nicht. Viele Hunde aus dem (spanischen) Tierschutz reagieren zunächst einmal ängstlich auf unbekannte Dinge und Geräusche wie Staubsauger, Fernseher und Straßenlärm. Manche wagen sich anfangs nicht einmal ins Haus, weil sie noch nie in einem Haus gelebt haben. Die meisten von ihnen, auch Hunde mit schlechter Vergangenheit, passen sich jedoch erstaunlich schnell an ihr neues Leben an.
Aber einige Hunde schaffen den Sprung ins neue Leben nicht so leicht, weil sie in ihrer Vergangenheit ernsten Schaden genommen haben, nicht sozialisiert oder traumatisiert sind. Möglicherweise kommt charakterliche Veranlagung hinzu. Für diese Hunde stellt die ganze Welt eine einzige Bedrohung dar; sie fürchten sich vor allem und jedem. Und so ein Hund war Luca.
Aber wenn man Glück hat, gelingt es, auch diese Hunde mit viel Liebe und Geduld – wenn auch mit Einschränkungen – zurück ins Leben zu führen. Und dieses Glück hatte ich!
Oft weiß man nicht, was der Hund mitgemacht hat und wodurch seine Angst entstanden ist. Das war auch bei Luca der Fall. Aber obwohl dieses Wissen zum besseren Verständnis für bestimmte Verhaltensweisen führen kann, ist es nicht wirklich notwendig, die Vorgeschichte des Hundes zu kennen, um ihn ins Leben zurückzuführen.
Wenn man einen Angsthund adoptiert, sollte der Umgang mit ihm nicht von Mitleid geprägt sein. Auch ein Angsthund – gerade ein Angsthund – braucht deutliche Regeln und Grenzen, die ihm Sicherheit geben und die ihm helfen, seine Umgebung besser zu verstehen und sich in dieser für ihn so beängstigenden Welt zurechtzufinden.
Eines sollte man allerdings ganz gewiss nicht tun: die Angst des Hundes ignorieren, wie es früher von Hundetrainern empfohlen wurde. Vielmehr sollten wir ihm zeigen, dass wir an seiner Seite sind, ihn unterstützen und dass er sich auf uns verlassen kann... und ihm Zeit geben, Vertrauen zu uns aufzubauen!
Das vorliegende Buch ist kein Ratgeber zum Thema „Angsthund". Ebenso wenig kann und soll es gute Sachbücher oder die Hilfe eines kompetenten Hundetrainers ersetzen.
Literatur zu diesem Thema finden Sie im Internet, zum Beispiel auf der Seite www.angsthund.de.
Ich will lediglich aufzeigen, wie ich mit Lucas Angst umgegangen bin und versucht habe, ihr diese zu nehmen. Dabei habe ich auch Fehler gemacht. Dieses Buch ist kein Leitfaden, wie man mit einem Angsthund umgehen sollte, zeigt aber mögliche Lösungen auf.
An dieser Stelle möchte ich auch auf die Websites von Mirjam Cordt hinweisen, auf denen Sie unter anderem Bücher über Tierschutzhunde und deren Integration finden: www.dog-inform.de und www.herdenschutzhund-kompetenzzentrum.de
Ich beschreibe keine Therapien, sondern die Erfahrungen, die ich im Zusammenleben mit meiner Angsthündin Luca gemacht habe und berichte von unserem ganz normalen Alltag: auf was man sich eventuell einstellen muss, die Erfolge, die Rückschläge. Was hat sich bewährt, um Luca aus ihrer Angst herauszuhelfen, und was nicht? Welche Situationen haben sie überfordert? Welche Situationen haben mich überfordert? Und wie sieht es jetzt, nach sechs Jahren, aus?
Ich möchte aufzeigen, wie sich der eigene Alltag und die bis dahin routinemäßigen Abläufe durch die Adoption eines Angsthundes verändern, aber auch, welche Bereicherung es für unser Leben sein kann, einen solchen Hund aufblühen zu sehen.
Viele Male am Tag erinnert ein Angsthund uns daran, dass unsere Routine eben nicht seine Routine ist, und stellt uns stets aufs Neue vor Herausforderungen, mit seinen Ängsten umzugehen, ihm zu helfen, sie zu verringern und ihn in ein so normal wie mögliches Hundeleben zu begleiten.
Auch müssen wir lernen zu akzeptieren, wo seine Grenzen liegen und was eben einfach „nicht geht" und unser Leben und unseren Alltag darauf einstellen.
Neben dem Umgang mit Lucas Angst beschreibt dieses Buch auch ihre Integration in meine bereits bestehende Hundegruppe und die Probleme mit der Stubenreinheit, die ich lange Zeit nicht in den Griff bekam.
Im ersten Jahr unseres Zusammenlebens habe ich ein Tagebuch geführt, um Lucas Entwicklung und Fortschritte sowie meine eigenen Trainingsansätze besser beobachten und beurteilen zu können. Meine Aufzeichnungen habe ich in dieses Buch integriert.
Luca ist ein Mastin Español; aber die Rasse ist in diesem Fall eher zweitrangig; man kann gleiche oder ähnliche Erfahrungen auch mit Angsthunden anderer Rassen machen.
Natürlich spielen die Rasse eines Hundes und die damit verbundenen Erbanlagen in unserem Umgang mit ihm eine Rolle. In Lucas Fall war es die Wachsamkeit. Hat man zum Beispiel einen Jagdhund, stellen sich andere Anforderungen, und man muss neben der Angst auch dem Jagdtrieb Rechnung tragen.
Ich glaube aber, dass auch Menschen mit einem Angsthund einer anderen Rasse viele Situationen aus diesem Buch wiedererkennen werden.
Um Ihnen einen Eindruck von den Reaktionen zu vermitteln, die sich im Alltag ergeben können, wenn man mit einem ängstlichen Hund unterwegs ist, möchte ich mit einer kleinen Geschichte vom Oktober 2010 beginnen:
Hundekenner?
Die sicherste Art, im Hundekennerland die Spreu vom Weizen zu trennen, ist ein Spaziergang mit einem ängstlichen Hund. Es ist schon fast ein Jahr her, dass ich Luca, meine Mastin Español-Hündin, aufgenommen habe. Nicht sozialisiert, traumatisiert und mit Todesangst vor allem und jedem kam sie zu mir aus einer Pflegefamilie, davor aus einer spanischen Tötungsstation. Und davor? Das weiß nur sie…
Inzwischen hat sie ein gewisses Vertrauen zu mir aufgebaut, aber bei fremden Menschen schaltet sie immer noch sofort auf Alarmphase Rot: geduckte Haltung, Schwanz zwischen die Beine und Erstarren. Zum Glück zeigt sie keine Angstaggression, aber ihr Gefühl von Unbehagen und Verzweiflung ist dadurch nicht kleiner.
Es ist mir zur zweiten Natur geworden, Luca gegen (aufdringliche) Fremde abzuschirmen, indem ich mit ihr zusammen einen Schritt zur Seite gehe oder splitte, das heißt mich zwischen Luca und die vermeintliche Gefahr stelle. Wenn jemand sie streicheln will, sage ich: »Lieber nicht, sie ist extrem ängstlich!«.
Aber manchmal wird man trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen mit einem hartnäckigen Vertreter der menschlichen Gattung konfrontiert, der meine Bitte ignoriert und mit einem beruhigend gemeinten »Vor mir brauchst du doch keine Angst zu haben, ich tu dir nichts!« geradewegs auf die panische Luca zuläuft und dabei auch noch seine Hand nach ihr ausstreckt. Und ich kann mein Häufchen Elend nur retten, indem ich mich resolut dazwischen stelle.
Auf viel Verständnis stößt diese Aktion meist nicht, und mit einem im Weggehen gemurmelten »… ich habe selbst einen Hund…« wird mir noch kurz mitgeteilt, dass ich es hier doch wirklich mit einem Hundekenner zu tun habe. Luca ist mir wichtiger als diese Personen, die ich doch nie wieder sehe, also sei’s drum.
Es gibt auch liebe Menschen, die Luca ein Leckerchen geben wollen. Wenn ich ihnen sage, dass sie nicht mal von mir, geschweige denn von einem Fremden etwas aus der Hand annimmt, versuchen sie es trotzdem; denn sie sind ja der Meinung, dass sie gut mit Hunden umgehen können.
Dann sind da noch die Leute, die es ganz genau wissen wollen. »Was würde sie denn machen, wenn ich sie streichle? Beißt sie dann?«. Wie gern ich diese Frage auch mit »Ja!« beantworten würde, erkläre ich doch wahrheitsgemäß, dass sie zwar nicht beißt, aber es furchtbar unangenehm findet, wenn Fremde sie streicheln. Das sollte Grund genug sein, es zu lassen. Leider hindert es manche Leute nicht daran, es trotzdem zu versuchen.
Nummer eins in der Hitparade der angeblichen Hundekenner ist ein Mann, dem ich ab und zu auf meinen Spaziergängen begegne. Er kennt Lucas Geschichte, ihr Verhalten und ihre Ängste. Trotzdem lässt er nichts unversucht, Kontakt mit Luca aufnehmen zu wollen.
Heute unternahm er wieder mal einen Versuch, lief gerade auf Luca zu und starrte sie dabei an. Offensichtlich in der Annahme, dass ich selbst keine Ahnung von Hunden habe, erklärte er mir sein Verhalten: »Wenn ich Ihre Hündin die ganze Zeit anstarre, müsste sie sich eigentlich wohl fühlen.«
»Wie bitte?? Fixieren ist für Hunde außerordentlich bedrohlich!«
»Oh ja?« war seine lakonische Reaktion. »Aber wenn man einem aggressiven Hund gegenübersteht, kann man ihn doch am besten anstarren!«.
Abgesehen von der Tatsache, dass es sich bei Luca nicht um einen aggressiven Hund handelt, war dieser Herr sichtlich in dem gefährlichen Rat »Stare him down« steckengeblieben, den man vor dreißig Jahren gab.
Ich hoffe, dass er seine „Kenntnisse" nie bei einem aggressiven Hund in die Praxis umsetzt und wenn doch… dass er eine gute Krankenversicherung hat.
Luca tritt in mein Leben
Im Juli 2009 starb Flits, ein Schäferhundmischling, der dreizehn Jahre mein treuer Begleiter gewesen war. Meine Hundegruppe von Fünf war damit auf Vier reduziert und bestand noch aus Podenco Dunya, Greyhound Bonita, Malteser Daisy und der kleinen Mischlingshündin Lilly.
Zu dieser Zeit war es beinahe zwei Jahre her, dass mein letzter Herdenschutzhund gestorben war, und ich wollte gern wieder einen Hund dieser Rassengruppe aufnehmen. Weil ich nach Flits’ Tod nur noch Hündinnen hatte, am liebsten einen Rüden. Groß sollte er sein und lieber nicht mehr ganz so jung.
Schon bald sah ich Luca im Internet, eine Mastin Español-Hündin, die aus einer spanischen Tötungsstation stammte. Die Vorsitzenden eines deutschen Tierschutzvereins, die gleichzeitig als Pflegestelle fungieren und sich mit ängstlichen Hunden auskennen, hatten diese traumatisierte Hündin vor einem halben Jahr gerettet und nach Deutschland geholt, weil sie es einfach nicht übers Herz brachten, sie ihrem ungewissen Schicksal zu überlassen.
Etwas in Lucas Ausstrahlung sprach mich an. Aber sie war erst drei Jahre alt und sehr schön. Für so einen Hund stehen die Leute bestimmt Schlange, dachte ich mir. Ich möchte lieber einen Hund aufnehmen, der weniger Vermittlungschancen hat, und auch eben gerne einen älteren Rüden. Also suchte ich weiter.
In den darauf folgenden Wochen fand ich einige Mastin-Rüden, an denen ich ernsthaftes Interesse hatte. Einer davon war ein Notfall; der Hund war schon in den Niederlanden, musste aber akut bei der Pflegefamilie weg. Ich hatte bereits zugesagt, ihn aufzunehmen. Aber als ich einen Termin vereinbaren wollte, um ihn abzuholen, bat die Pflegefamilie um eine Woche Bedenkzeit, weil sie ihn vielleicht doch selbst behalten wollte.
Ich habe dann nichts mehr gehört, weder von dem Verein noch von der Pflegefamilie. Meine Mails blieben unbeantwortet. Durch Zufall hörte ich dann von anderer Seite, dass der Hund in der Tat in der Pflegefamilie blieb.