Reise ins Herz Australiens: Menschen, Mythen und Geschichten
Von Georg Beckmann
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Über dieses E-Book
Im ersten Teil geht es u.a. um Naturkatastrophen und der Solidarität der Australier, dem Leben auf den Farmen im einsamen Outback, den wenigen Vergnügungen, zu denen die Farmer Hunderte von Kilometer anreisen, dem Unterricht der Kinder, dem Zusammenleben mit den Ureinwohnern.
Das zweite Kapitel befasst sich mit den Bergbaustädten. Ob es sich um Mineralien, Kohle oder Opal dreht - an vielen Stellen, weit abgelegen und in völliger Einsamkeit, wird gebuddelt. Tagebau, Hitze, Bleivergiftung, Wassermangel, Spielhöllen, Langeweile und fortwährender Umzug bestimmen das Leben.
Themen rund um die Aborigines sind Inhalt des dritten Teils. Landraub, Vernichtung und Verfolgung, Mythen, Alkohol und andere Probleme sowie die mehr oder weniger gelungene Anpassung an die weiße australische Gesellschaft werden thematisiert sowie natürlich auch das schlechte Gewissen der europäischen Einwanderer.
Kulur und Geschichte werden in zwei weiteren Kapiteln behandelt. Arm und Reich, Individualismus und Gleichheit, Wirtschaft, Sport und Politik, die Entwicklung von der einstigen Sträflingskolonie, der allmählichen Abnabelung bis zum heutigen etwas zwiespältigen Verhältnis zu England.
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Buchvorschau
Reise ins Herz Australiens - Georg Beckmann
Australiens
Menschen, Mythen und Geschichten
Georg Beckmann
interconnections
Impressum
ReiseTops, Bd 23
Reise ins Herz Australiens
Menschen, Mythen und Geschichten
Georg Beckmann, Hrg. u. Autor
Umschlagfotos: U1 Fotolia, ©EcoView - Fotolia.com
U4 ©Fotolia_56657101_L.jpg
copyright interconnections Freiburg
ISBN 978-3-86040-215-3, E-Book
ISBN 978-3-86040-213-9, Buch
2014
interconnections, Schillerstr. 44, 79102 Freiburg
Tel. +49 761 700 650, Fax +49 761 700 688
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Die Australier
Menschen und Gesellschaft
Eindrücke, Stimmungen und Hintergründe
Die Seiten enthalten Aufsätze und Beiträge zu unterschiedlichen Aspekten des Lebens, der Gesellschaft, der Menschen in Australien.
Alle bislang erschienenen Artikel stehen Online unter Down-Under.org, wo auch immer wieder Ergänzungen erfolgen.
Impressionen aus Australien
Begegnungen mit Australiens Bevölkerung und Fauna in nüchterner Sprache zu schildern, ist gar nicht so einfach. Die Zusammenkunft mit australischem Urgestein hat schon manchen verzaubert.
Neben den Aborigines und Sträflingen britischer Herkunft haben zahlreiche andere Gruppen und Individuen den Kontinent mitgestaltet. Das Ergebnis? Jeder soll sich dazu seine eigene Meinung bilden.
Als kleine Starthilfe bieten sich die hier zusammengetragenen Berichte und Beobachtungen an, die Australiens verschiedene Facetten enthüllen: das einsame, aber erfüllte Leben der Farmer, Glanz und Elend der Bergarbeiter, Erziehungsmethoden im Outback, urbane Kultur in Sydney ... All das wird nicht mit wissenschaftlichem Blick aus der Ferne betrachtet, sondern auf einer Ebene mit den jeweiligen Personen.
Mit bloßer Ratio lässt sich ohnehin kaum erklären, weshalb der Fernfahrer seine staubigen Straßen und der Minenarbeiter seine finsteren Stollen nicht aufgeben möchten, oder weshalb die Einwohner einer verwüsteten Stadt sobald wie möglich zurückkehren, um eben da wieder anzufangen, wo der Sturm alles durcheinandergewirbelt hatte.
Neuankömmlinge sollten sich dies zu Gemüte führen, ehe sie ein pauschales Urteil über die Aussies
fällen.
Einwanderung
Multikulturelle Gesellschaft
Die Politik des Weißen Australien
ist längst passé. Heute bewegt sich der Trend in Richtung Multikulturalismus, wobei die Mannigfaltigkeit der australischen Gesellschaft und ihrer ethnischen Vitalität betont wird.
Weg zu einer toleranteren Gesellschaft
Trotz anhaltendem Rassismus in manchen Bevölkerungsschichten hat Australien seit dem Zweiten Weltkrieg Millionen von Einwanderern ein neues Zuhause geboten, ohne dass es zu bemerkenswerten sozialen Unruhen gekommen wäre.
Dem berühmten Bild vom rauen Naturburschen, der mit den Elementen kämpft, zum Trotz leben 86% der Bevölkerung in Ballungsgebieten – mehr als in den USA oder Großbritannien. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung sieht sich selbst als Mittelklasse und die überwiegende Mehrheit arbeitet in Büros, nicht im Outback. Die meisten Australier leben in Backsteinhäusern in den Vororten – ein Lebensstil, der sich in Seifenopern widerspiegelt und von Barry Humphries mit der Darstellung der Dame Edna Everage ins Lächerliche gezogen wird. Die moderne australische Gesellschaft ist weit von der Pionierszeit des letzten Jahrhunderts entfernt, als die Grenze geöffnet wurde und Landwirtschaft sowie Betteln noch die Hauptbeschäftigungen waren.
Es war die Konjunkturflaute von 1901, die die einzelnen Staaten zusammenführte um das Commonwealth of Australia zu gründen. Es waren Sorge um Jobs, sowie die nahe gelbe Bedrohung
aus Asien, die den Bund noch vor dem Zweiten Weltkrieg zu seiner Politik des Weißen Australien
veranlasste.
1945 waren mehr als 90% der 7,5 Millionen Australier britischer oder irischer Herkunft. Das Weiße Australien
war größtenteils noch anglo-keltisch. Im folgenden Jahr jedoch öffnete Ben Chifleys Labor-Regierung den kriegsgeschädigten Europäern Australiens Pforten. Den frühen Gruppen mit blonden und blauäugigen Balten folgten die dunklen Europäer vom Balkan- und Mittelmeerraum. So kamen 100 bis 150-Tausend pro Jahr und durchlebten in den ersten Monaten und Jahren harte Zeiten. Tausende lebten in Camps unter furchtbaren Bedingungen und warteten, bis Arbeit für sie gefunden würde. Mehr als fünf Millionen Einwanderern ließen sich seit 1946 in Australien nieder sowie rund eine halbe Million Flüchtlinge. Trotz des Riesenzustroms an Ausländern gab es bemerkenswert wenig soziale Unruhen. Viele Einwanderer mussten rassistische Bemerkungen über sich ergehen lassen, aber es gab nie öffentliche Versammlungen, bei denen konkret von der Regierung verlangt wurde, ihre Einwanderungspolitik einzustellen. Konjunkturschwankungen und Sorgen um Arbeitsmangel lassen den jährlichen Zustrom zwar schwanken, aber er fließt stetig in beachtlicher Menge, in den letzten Jahren mit rund einer halben Million jährlich.
Bis vor kurzem erwartete man von den Ausländern, sie sollen sich der australischen Gesellschaft anpassen und ihre befremdlichen Eigenarten aufgeben. Die meisten Neuankömmlinge haben sich die für die australische Lebensweise typischen Gewohnheiten des Vorstadtlebens und des Materialismus angeeignet. Gleichzeitig brachten sie neue Ideen und die Bereitschaft, viel Arbeit für einen geringen Lohn zu verrichten, und leisteten so einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag zum Aufbau der Wirtschaft.
Wachstumswahn
Einst wurde angenommen, ein Land von der Größe Australiens könne problemlos 100-500 Millionen Menschen beheimaten. Warum sollte es das? Der australische Geograph Griffith Taylor war einer der wenigen, der auf Umweltprobleme hinwies und die Grenzen des Wachstums betonte. Er schlug eine Zahl von 20 Millionen als realistisches Ziel für das Jahr 2000 vor. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jh. waren es aber bereits knapp 22 Millionen. Eine unglaubliche Steigerung im Vergleich zu den 4,5 Millionen vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Was soll das? Wo liegt der tiefe Sinn? Die klimatisch gemäßigten Teile Australiens sind bereits dicht besiedelt, so dass die Bevölkerungszahlen in US-amerikanischen Größenverhältnissen längst nicht mehr in Erwägung gezogen werden. Die Größe des Landes täuscht, denn kein Nicht-Ureinwohner kann im Busch leben, und selbst die in großen Teilen auch nicht. Es gibt kein Wasser. Was wollte man auch da?
Warum überhaupt Wachstum und vor allem Bevölkerungswachstum, weiß wohl niemand so richtig. Schon lange nicht wohin. In einer endlichen Welt mit begrenzten Ressourcen kann es kein unbegrenztes Wachstum geben – erklärte Dennis Meadows vom Club of Rome vor vierzig Jahren. Jeder weiß es.
Während man in Europa allmählich vom Wachstumsstreben Abstand nimmt und über Auswege aus der Wachstumsfalle nachdenkt, scheint das noch kein großes Thema in Australien zu sein. Als ob es nicht unser Wachstum wäre, das uns in den Abgrund zu reißen droht. Kippt das Klima vollends, so werden die Australier auch ihre Mineralien, ihren Mount Isa, kaum verzehren können.
Zur Illustration: Deutschland im Mittelalter – und das war um einiges größer als heute – hatte rund 30 Millionen Einwohner. Was ist falsch daran?
Anfang der Siebziger zählten die USA 220 Millionen Einwohner; heute sind´s 300 Millionen. Wer braucht 300 Millionen Amerikaner? Und ausgerechnet Amerikaner, die mit ihrer unersättlichen Gier nach Rohstoffen und Energie sowie einem Pro-Kopf-Verbrauch von über 7075 Kilogramm Öleinheiten (Welt 1839, Deutschland rund 3900), doch die Welt auffressen und sie in der Schraubzwinge halten müssen. Und nicht nur auffressen, sondern – wie jeder an ihrem Erscheinungsbild sehen kann – sie sich buchstäblich anfressen und daran krepieren: Zuckerkrankheit, Kreislaufprobleme usw. Um ihren Bedarf zu decken, den Lebensstandard zu halten und das ganze auf grenzenlose Verschwendung und unbändigen Konsum beruhende System stabil zu halten, geraten sie in immer weitere und tiefere Konflikt auf der Welt. Dass das nicht so weitergehen kann, bekommt selbst die Wall Street mit, s. z.B. Badische Zeitung, Die Wallstreet entdeckt Grenzen des Wachstums
.
Australien liegt mit Australien 5996 kg/Kopf und Jahr allerdings nicht fern von den USA, s. Google Public Data Explorer Weltbank, Weltentwicklungsindikatoren.
Profitaber Menschenimport
Fachkräfte ausbilden sollen die anderen.
1973, als ein stetig wachsender Zustrom an Bevölkerungsschichten aus Asien eintrat, wurde die Politik des Weißen Australien
offiziell abgeschafft. Ferner ist die Zahl der Ausländer so gestiegen, dass deren ethnische Identität nicht mehr ohne weiteres in der Masse der Australier aufgeht und verschwindet.
Akzeptanz gegenüber dem Multikulturalismus hat die Forderung nach Anpassung auf der politischen Agenda abgelöst.
Grundsätzlich schrumpft die australische Bevölkerung genauso wie bei uns. Die Einwanderungsbehörde steuert demographischen Fehlentwicklungen
(problematischen
Entwicklungen wäre wohl passender) wie in sie Europa kennt, frühzeitig entgegen, indem das nahezu menschenleere Land vor allem junge, gutausgebildete Einwanderer anlockt. Qualifizierte Migranten gleichen die schrumpfende Arbeitnehmerschaft und die alternde Bevölkerung aus, was natürlich ungleich billiger kommt, als selbst in Bildung und Ausbildung investieren zu müssen.
Derart zieht Australien ausgebildete Leute und somit eine Menge Geld aus anderen Ländern ab, z.B. aus Europa, und löst somit seinen Fachkräftemangel durch selektive Einwanderungspolitik, damit die Wirtschaft weiter wachsen kann, und erspart sich die Bildungskosten. Australien lässt sich sein Wachstum also teils durch andere bezahlen. Das schadet natürlich Ländern besonders, die eh arm sind und wenig Kapital an ausgebildeten Leuten haben, wie viele asiatische Länder. Ein Riesenverlust dort, wo immer Krankenschwestern, Ärzte, Techniker und Ingenieure Adieu sagen.
Beispiel: Allein die fachliche Ausbildung eines jungen Arztes wird hierzulande mit rund 300.000 Euro veranschlagt. Dazuzurechnen sind aber weiter öffentliche Gelder, die der der Knabe bzw. seine Eltern direkt oder indirekt empfangen haben: Kindergeld, Steuererleichterungen, Subventionen von Kindergarten, Sportverein, die wiederum von öffentlicher Hand unterstützte Schülerkarte des ÖPV oder des kommunalen Schwimmbads, die Schule usw.
Der Gute dürfte mit 32 Jahren, also bei Beginn der Berufstätigkeit und somit allmählicher Rückzahlung, dessen, was er gesellschaftlich empfangen hat, mit Zins und Zinseszins rund ein halbe Million Euro wert sein..
Weiteres Beispiel: 2006 erhielten 12.500 Iren das auf zwei Jahre verlängerbare Working Holiday Visum
, aber 2009 waren es bereits 23.000. Viele junge Leute kehren von ihrer Tour nicht mehr zurück, denn Einwandererungswillige wie Schreiner, Elektriker, Krankenhaus- und Pflegepersonal und Angehörige anderer medizinischer Berufe haben beste Chancen. Betrug der Aderlass 2008 rund 1.700 Auswanderer, so waren es 2010 schon 3000. Dem Vernehmen nach kann man sich mittlerweile auf der Melbourner Pferderennbahn wie bei den Punchestown Races fühlen. Allenthalben sei irischer Tonfall zu hören.
In der Folge verlor Irland binnen eines Jahres, zwischen April 2010 und 2011 rund 40.000 ausgebildete Leute durch Auswanderung, wovon sehr viele nach Australien oder Kanada gingen. Angesichts der viereinhalb Millionen Einwohner ist das gewaltig und würde auf Deutschland bezogen knapp 800.000 Menschen bedeuten. Das kann kein Land lange aushalten.
Boomt die australische Wirtschaft, so werden die Pforten geöffnet, die Einwanderer dürfen zum Reichtum des Landes beitragen, hustet sie, so werden sie verrammelt, so dass die Arbeitslosigkeit bei einem stabilen Niveau weit unter den zehn Prozent bleibt und keinerlei Sozialkosten in Australien anfallen.
Diese verbleiben bei den Entsenderländern.
Der Volkswirtschaftler Frank Stilwell, Professor an der Uni Sydney, verteidigt die regulierte Einwanderungspolitik als Teil der australischen Kultur: So lässt sich die stets schwankenden Nachfrage nach qualifizierten Arbeitnehmern schnellstmöglich befriedigen. Es ist nun mal einfacher, die nötigen Leute zu importieren, als langfristig in Bildung und Ausbildung zu investieren.
Und dabei spielt auch das Working Holiday Visum eine wichtige Rolle.
Siehe auch den Artikel Wirtschaft u. Kultur
unter Utopia
.
Im vergangenen Jahr hatte das Land Australien eine Nettozuwanderung von 240 000 Personen, davon 39 000 Neuseeländer, 95 000 Ausländern mit Niederlassungsbewilligung und 121 000 Ausländer mit Aufenthaltsbewilligung.
Working Holiday – Visum mit Hintersinn
Habenichtse, Unqualifizierte, Wirtschaftsflüchtline, Kranke – nein, damit haben die Australier nichts zu tun. Im Gegenteil: sie werden erbarmungslos abgeschoben, so dass auch schon Amnesty International protestierte. So traf es beispielsweise dem Asylsuchenden Bill Zhang, Aktivist der Studentenproteste von 1989 am Platz des Himmlischen Friedens. Er wurde nach China expediert, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits acht Jahre in Sydney gelebt hatte und die Foltermethoden in seiner Heimat auch den australischen Behörden bestens bekannt sind.
Fazit: Erneute Folterungen in China und schließlich Freitod.
Es gilt das Kosten-Nutzen-Prinzip, an sich nichts Besonderes, Kanada und die USA betreiben´s ähnlich. Aber die Australier übertreiben´s ein wenig: Im Herbst 2009 verfügte Ministers Chris Evans Behörde, einen schwerstkranken Visumsbewerber nach London auszufliegen, der zwei Tage nach dem kräftezehrenden, fast 22-stündigen Flug verstarb. Unter anderem schoben die Zuwanderungskontrolleure einen 69-Jährigen ab, seit 1996 in Australien ansässig, ein Höhepunkt an Pietätlosigkeit, denn Edward Joseph pflegt seine damals 92-jährige Mutter seit 14 Jahren. Da sie nicht ohne ihren Sohn bleiben wollte, verließ auch sie das Land. Unter großer Verbitterung und in einem Rollstuhl – ein harscher Umgang mit einer fast Hundertjährigen.
Bekannt ist der Fall des Internisten Bernhard Möller, den es 2006 mit Kind und Kegel in den australischen Busch zog, wo Ärztemangel herrscht. Zwei Jahre später wurde sein Antrag auf ein Dauerarbeitsvisum abgelehnt, denn ein Sohn leide am Downsyndrom, womit er die gesundheitlichen Anforderungen an Einwanderer
nicht erfülle, vermeldete die Einwanderungsbehörde. Aufgrund öffentlicher Kritik sah sich Evans zum Einlenken gezwungen. Kurz darauf kam Möller wieder die Galle hoch, denn eine Tageszeitung druckte eine Studie der Einwanderungsbehörde, welche die Kosten der australischen Gesellschaft durch ein behindertes Kind vorrechnete. Entsprechende Rechenaufgaben las man auch in deutschen Schulbüchern, so um die 30er., 40er-Jahre …
Nur Fachkräfte, an denen gerade Mangel herrscht – und das wechselt fortwährend, je nach Konjunktur und Arbeitsmarkt – dürfen ins Land, und zwar, wenn ein Unternehmen sie sponsert. Auch wer bereit ist, sich im Outback niederzulassen, erhält leichter ein Arbeitsvisum. Der jüngste Zufluss ist beträchtlich: Allein zwischen 2006 und 2009 erhöhte sich Australiens Einwohnerzahl um jährlich knapp 500.000 auf inzwischen rund 23 Millionen Einwohner, wie bereits erwähnt.
Hat man die ursprünglichen Bewohner dieses Erdteils eigentlich dazu befragt?
Die bedeutendste Zuwanderung in Australien erfolgt durch zeitlich begrenzte Einwanderung. Hier bestand die Nettozuwanderung 2013 aus 39 000 Personen mit einem Visum für Working Holidays (ein Jahr Aufenthalt mit Arbeitsbewilligung für sechs Monate), 31 000 ausländischen Studenten (ermächtigt zur Halbtagsarbeit) sowie aus 29 000 qualifizierten Arbeitskräften mit einer Aufenthaltsbewilligung von bis zu vier Jahren, für die ein Arbeitgeber Bedarf nachgewiesen hat.
Während ausländische Studenten eine wichtige Einnahmequelle für Hochschulen u.ä. Bildungsinstitute darstellen, stellen die Working-Holiday-Maker „Verschiebematerial" auf dem Arbeitsmarkt dar, überwiegend in der Landwirtschaft und – bei qualifizierteren Arbeitskräften – in anderen Wirtschaftszweigen wie dem Bausektor bei der Überbrückung von saisonalen und konjunkturellen Engpässen. Mit diversen Maßnahmen wird bei den temporären qualifizierten Arbeitskräften einem Lohndumping und der Verdrängung lokaler Erwerbstätiger vorgebeugt. Zugleich ist WH die Form der Einwanderung, die am flexibelsten auf die sich wandelnden Bedürfnisse der Wirtschaft antwortet. Im vergangenen Jahr wurden allein in dieser Kategorie über 80 000 Visumsanträge gestellt und fast 70 000 wurden bewilligt.
Das WH entwickelt sich auch öfter zum Notnagel für junge Menschen aus Staaten, die besonders von der Wirtschaftskrise betroffen sind. So heuert Harvest Hotline gezielt Arbeitskräfte für den Erntebereich an. Während Abenteuer, Erlebnis, Neugier, das „Etwas von der Welt sehen zu wollen" einst das Hauptmotov darstellte, ist es heute das Interesse, auf den australischen Arbeitsmarkt zu gelangen, glaubt der Bevölkerungswissenschaftler Bob Birrell von der Monash Universität.
Growcom, eine Interessenvertretung für Obst- und Gemüseerzeuger im Ostküstenstaat Queensland, weiß die Rucksackreisenden zu schätzen, Viele Farmer seien von den arbeitswilligen Rucksackreisenden abhängig geworden, weil Einheimische die Jobs ausschlügen. Zwar seien Löhne und Arbeitsbedingungen für alle gleich, aber die Rucksackreisenden passten besser auf die zu freien Stellen, weil sie etwas vom Land sehen wollten und nicht an Karriere dächten, meint Donna Mogg von Growcom.
Mittlerweile ist die Vermittlung und Betreuung der ausländischen Gastarbeiter auf Zeit zu einem eigenen Geschäftsfeld geworden. So werden Übersetzer und Sprachlehrer von den Firmen eingestellt, um beispielsweise die 30.000 Koreaner und Taiwaner auf ihre Jobs vorzubereiten.
Bob Birrell von der Monash Universität fürchtet gar, dass eine neue Welle von Wirtschaftsflüchtlingen aus Irland, Italien und anderen Ländern, wo Arbeitsstellen knapp sind, den Einheimischen derselben Generation die Jobs wegnehmen könnten.
Eine Folge der hohen Einwanderung sind u.a. steigende Immobilienpreise und Engpässe bei der Infrastruktur. In der öffentlichen Debatte ist die Zuwanderung jedoch meist nur Randthema – etwa mit der Frage, ob das Land die angenommene Bevölkerung von heute 23 auf 36 Millionen im Jahr 2050 tatsächlich tragen kann.
Wie auch immer. Damit der Aufenthalt für den Working-Holiday-Reisenden nicht zum Reinfall oder gar zum Alptraum wird, gibt´s im selben Verlag –komisch was? – „Jobhopping Down-Under", einen Ratgeber mit tausend Spartipps, ein Klassiker seit vielen Jahren.
Australier auf Probe
In diesem Licht betrachtet, lässt sich auch der verborgene Sinn hinter dem Working-Holiday Visum erkennen. Es beschert jungen Leuten, meist Studenten, ein bis zwei Jahre Aufenthalt im Land, die Aufnahme simpler Tätigkeiten, die kein Australier gerne ausüben möchte, so dass keine Konkurrenz auf dem wirklichen Arbeitsmarkt entsteht. Nach dieser Zeit werden sie ihre Ausbildung bzw. ihr Studium daheim fortsetzen, aber viele werden später an Auswanderung denken. Was könnte besser für die australische Wirtschaft sein, als Leute, die bereits längere Zeit im Lande gelebt und gearbeitet hätten und sich gut in der Gesellschaft zurechtfänden? Ein cleveres Konzept.
Illegale Einwanderung
Wie Europa hat auch Australien einen starken Zustrom an Flüchtlingen zu verzeichnen. Im vergangenen Jahr landeten mehr als 25.000 Menschen per Boot, die meisten aus Afrika und dem Nahen Osten, wobei die Mehrzahl von Indonesien aus in See sticht. Im Jahr zuvor, 2012, waren es 16.000. Die im September 2013 angetretene konservative Regierung unter Premierminister Tony Abbott hatte ein striktes Durchgreifen gegen die Illegalen angekündigt. möchte zumindest die aus Indonesien zurückschicken, hat aber das Problemchen, dass sein Geheimdienst die Handys hochrangiger indonesischer Politiker abgehört hat, darunter auch Telefonate Präsident Yudhoyonos und seiner Frau, wie aus Unterlagen Edward Snowdons hervorgeht. So hat Indonesien erstmals seine militärische Zusammenarbeit und den Austausch von Geheimdienstinformationen gestoppt, zumal Australien schweigt, also auch eine Entschuldigung verweigert. Das könnte Abbott empfindlich die Innenpolitik verhageln, hatte er doch den Kampf gegen die Illegalen zu einer seiner vorrangigsten Aufgaben erklärt, wobei er aber auf die Indonesier angewiesen ist. Dazu steht Australien bei der Behandlung Minderjähriger in der Kritik. AFP meldete Anfang 2014, dass mehr als tausend Kinder festgenommen worden seien und in Auffanglagern festgehalten werden würden. Dort müssten sie wichtige Jahre ihrer Entwicklung in höchst aufreibender Umgebung hinter Drahtzäunen verbringen
, erklärte Hillian Triggs von der australischen Menschenrechtskommission.
Allgemein macht sich wohl das Gefühl breit, das Boot sei voll. Jede Partei muss das bedienen. Nichts fürchtet die Politik mehr als rassistische Ausschreitungen wie die Cronulla Unruhen (Cronulla Riots) 2005 in einem Vorort Sydneys. Auslöser war ein Angriff gewalttätiger Jugendlicher auf einen Rettungsschwimmer, was in der empörten Bevölkerung hohe Wogen schlug. Ähnlich etwas später, als etwa 1500 Zuwanderer (meist Libanesen) mit etwa 5000 weißen Australiern zusammenstießen. Die Australier skandierten nationalistische und rassistische Slogans und schwenkten australische Flaggen. Folge: Hohe Sachschäden an Fahrzeugen und Gebäuden und schwere Körperverletzungen. Kurz darauf kam es zu einem Rachefeldzug arabischstämmiger Jugendlicher, wieder mit Personen- und Sachschäden.
Abbott spielt immer mehr die „Bauchkarte, den Appell an hochlibidinöse Gefühle. Das ist Norm bei allen Konservativen weltweit und gehört zum festen Kanon wie „Nation
, „Vaterland, „Familie
und „Religion. Vorrangigstes Ziel aller „konservativen
(erhaltender) Politik ist es, die Macht der Produktionsmitteleigner zu wahren, deren Interessen sie vertritt. Daher stammen die Politiker; das ist ihre Aufgabe. Da dies natürlich die Gräben in einer Gesellschaft vertiefem muss, denn Unternehmenseigner haben wesentlich andere Interessen als ihre Beschäftigen, müssen solch entgegengesetzte Interessenslagen ideologisch verbrettert werden. „Wir sitzen alle in einem Boot, „Wir sind eine Familie
, „Wir ziehen alle am selben Strang, lautet die Botschaft. Und wehe, irgendwer stellte sich außerhalb dieser „Familie
und würde unbequeme Fragen stellen …
Dem staatlichen Sender ABC warf er „unpatriotisches Verhalten" vor, weil kritisch über seine Asylpolitik sowie berichtet worden war sowie über Enthüllungen Snowdons. Der ist für Abbott ein „Verräter, dem ABC mit „Genuss
eine Bühne gewährt habe. Er weiß, wovor er bibbert, denn Snowdown hockt auf 20.000 australischen Geheimdokumenten, zu denen er Zugang gehabt hatte.
Sport: Identitätsfindung und Projektionsfiguren
Die Aborigines machen endlich Fortschritte bei der Bemühung, ihre Rechte und ihre Menschenwürde zurückzufordern, obwohl sie immer noch eine benachteiligte Minderheit im weißen, reichen Australien darstellen. Andere nicht anglo-keltische Gruppen haben sich durch die starke Einwanderung vermehrt. Sie bilden eine wichtige Rolle in der modernen australischen Gesellschaft.
Die Ureinwohner bleiben eine benachteiligte Minderheitengruppe mit hoher Kindersterblichkeitsrate und einer 30% niedrigeren Lebenserwartung als die anderer Australier. Sie sind sechsmal öfter arbeitslos. Allerdings ist die Anerkennung ihrer Rechte in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Aborigine-Blut in seinen Adern fließen zu haben, wurde sogar zu einer Art Trend in der Politik des politisch korrekten Australiens, was die schwierige Frage aufwirft, wie denn nun ein Ureinwohner zu definieren sei. Der Sänger der Aborigine-Popgruppe Yothu Yindi, die traditionelle und moderne elektrische Sounds miteinander verbindet, wurde 1993 zum Australier des Jahres gekürt – ein weiteres Zeichen der Wandlung.
Als Australien 1983 den Americas Cup gewann, zeigte sich der außerordentliche Einfluss, den dieses kleine Land auf die Welt des Sports hat. Verdeutlicht wurde dies durch die Olympischen Spiele 2000 in Sydney. Sie konzentrierten sich auf Homebush