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Die Frau von Welt: Der denkende Mensch ändert seine Meinung
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Die Frau von Welt: Der denkende Mensch ändert seine Meinung
eBook414 Seiten6 Stunden

Die Frau von Welt: Der denkende Mensch ändert seine Meinung

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Über dieses E-Book

Auf den ersten Blick scheint ihr Leben perfekt zu sein - aber nur auf den ersten Blick. Corinn lebt in einer Welt, in der mehr Schein als Sein zählt. Sie spielt die Rolle der Frau-von-Welt - nach außen perfekt. Innerlich aber ist sie hin- und hergerissen zwischen ihrem eigentlichen Ich und dem Idealbild der Frau, dem sie so gerne entsprechen würde. Geprägt von Vorurteilen, Schubladendenken und selbst konstruierten Lebensweisheiten meistert sie ihren Alltag. Innerhalb der vielleicht wichtigsten Wochen in Corinns Leben überschlagen sich die Ereignisse: Ein unheimlicher Verehrer lässt nicht locker, in der Firma wird intrigiert, eine neue Freundin braucht dringend Hilfe und durch den lang ersehnten Kuss wird ihr Traumprinz zum Frosch. Corinn beginnt, Stück für Stück zu begreifen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, und dass zum Glücklichsein mehr gehört, als nur eine Rolle zu spielen - Locker, leicht und witzig beschreibt dieser Roman die Schwierigkeiten eines weiblichen Egotrips.

Dem Leser steht es frei, in der Realität nach Pendants der im Text vorkommenden Personen zu suchen.
SpracheDeutsch
HerausgeberLehmanns
Erscheinungsdatum29. Apr. 2004
ISBN9783865417725
Die Frau von Welt: Der denkende Mensch ändert seine Meinung

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    Buchvorschau

    Die Frau von Welt - Katrin Wontorra

    Katrin Wontorra

    Die Frau-von-Welt

    Der denkende Mensch

    ändert seine Meinung

    Roman

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar

    Alle Rechte vorbehalten

    Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen, Verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung auf DVDs, CD-ROMs, CDs, Videos, in weiteren elektronischen Systemen sowie für Internet-Plattformen.

    © Lehmanns Media, Berlin 2015

    Helmholtzstraße 2-9 • 10587 Berlin

    Katrin Wontorra: Die Frau von Welt. Der denkende Mensch ändert seine Meinung

    Covergestaltung: Sascha Alexander, Köln

    ISBN 978-3-86541-772-5

    www.lehmanns.de

    Wer ist die Frau-von-Welt?

    Corinn, 29 Jahre, 1,78 m, Marketingassistentin, ledig, lebt in einer Welt, in der mehr Schein als Sein zählt. Sie spielt die Rolle der Frau-von-Welt - nach außen - perfekt. Innerlich aber ist sie hin- und hergerissen zwischen ihrem eigentlichen Ich und dem Idealbild der Frau, dem sie so gerne entsprechen würde. Geprägt von Vorurteilen, Schubladendenken und selbst konstruierten Lebensweisheiten meistert sie ihren Alltag. Als Probleme auftauchen, beginnt Corinn Stück für Stück zu begreifen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, und dass zum Glücklichsein mehr gehört, als nur eine Rolle zu spielen …

    Autorin

    Katrin Wontorra wurde 1978 in der Nähe von Köln geboren und lebt heute in Gießen,wo sie erfolgreich Tiermedizin studiert. Die gelernte Werbekauffrau bewies ihr Schreibtalent schon bei Sat.1 in Berlin und verfasste dort TV-Kurznachrichten. Ausschlaggebend für die Schriftstellerei war ihre Tätigkeit in einer Agentur für Moderatoren und Jungschauspieler in Köln. Dort wurde der Grundstein für den Roman „Die Frau-von-Welt" gelegt,vollendet wurde das Erstlingswerk später während einer Auslandstätigkeit im sonnigen Kalifornien.

    Danksagung

    Liebe D.W.,

    Du warst der Anlass für mich, immer wieder und wieder an meinem Werk zu arbeiten und es zu vollenden. Ohne die Erinnerung an Dich hätte ich das nie geschafft!

    Die Frau-von-Welt

    ist ein Roman.

    Dem Leser steht es deshalb frei,

    in der Realität nach Pendants

    der im Text vorkommenden

    Personen zu suchen.

    Die Autorin legt Wert auf die Feststellung,

    dass die im Buch beschriebenen

    Personen nicht identisch sind mit tatsächlichen

    gleichen Namens.

    Handlungen und Personen sind frei erfunden.

    Wie die Gesellschaft die Frau-von-Welt sieht:

    SCHÖN, ZIELSTREBIG, SELBSTBEWUSST, SEXY, LEDIG, MODERN, SPORTLICH, ZICKIG, VERMÖGEND, COOL, BELIEBT, BEWUNDERNSWERT, EMANZIPIERT, SCHLANK, GUT, AUSSEHEND, INTELLIGENT, SPONTAN, GELIEBT, ELEGANT, BELESEN, HUMORVOLL, BEGEHRT, VEREHRT, MODEBEWUSST, FIT, GESTYLT, GLÜCKLICH, MAKELLOS,VERNÜNFTIG, ERFOLGREICH, 90-60-90, SCHLAGFERTIG, ERFAHREN, REALISTISCH, KINDERLOS, STANDFEST, VIP, TRENDY, GEPFLEGT, KARRIEREBEWUSST

    Teil 1

    Ein heller Lichtstrahl trifft meine Augen. Die Sonne wärmt zart mein Gesicht. Ich höre munteres Vogelgezwitscher durch das leicht geöffnete Fenster. Sanfter, warmer Wind streichelt meine leicht gebräunte Haut. Ich blinzle und sehe, dass alles so ist wie gestern. Ich lebe noch, Gott sei Dank!

    Es beginnt wieder ein wunderschöner neuer Tag in meinem neunundzwanzig Jahre alten Leben voller Überraschungen, Hoffnungen und ... voller Probleme, Fragen und Vorurteile. Jeder Tag ist gleich: die Arbeit, die Leute und die Probleme: Was ziehe ich an? Sieht das gut aus? Was ist heute trendy? Was muss ich mir als nächstes kaufen, um in zu sein? Habe ich heute vielleicht im Lotto gewonnen? Was mache ich heute Abend? Treffe ich heute die große Liebe?

    „Raus aus den Federn!, schreit der Radiomoderator schrecklich gut gelaunt. „Guten Morgen, liebe Hörer und Hörerinnen! Es ist Montagmorgen und es wartet ein wunderschöner Tag auf uns!

    Während ich, die Frau-von-Welt, im getigerten Schlafanzug hektisch durch die Wohnung hetze und irgendwelchen Kram durch die Gegend räume, läuft mir wie jeden Morgen die Zeit davon.

    Soll ich heute lieber die bequeme Jeans oder den unbequemen schwarzen Anzug anziehen? Schick oder lässig, elegant oder cool? Welch eine Frage um diese unmenschliche Uhrzeit! Ich zwänge mich in den schicken schwarzen Anzug, heute ist edel angesagt. Himmel, ist der eng! So, jetzt die teuren, schwarzen Stiefel. Rssst. Der Reißverschluss ist zu. Mein Gott, habe ich die nicht in der richtigen Größe gekauft? Was muss ich noch machen? Ein Blick auf die Uhr: Ich komme wieder zu spät. Beeilung! Mist, mir tun jetzt schon die Füße weh. Wie soll ich den ganzen Tag auf diesen Stelzen in der Firma aushalten? Egal, Hauptsache, ich sehe gut aus. Was nehme ich eigentlich als Mittagessen mit? Ein oder zwei Brote, Nudeln zum Aufbrühen, viel oder wenig Süßes? Naschen Sie auch gerne? Ich liebe Süßigkeiten. Das Problem ist nur, dass man keine Süßigkeiten essen sollte, wenn man dem momentanen Gesellschaftsbild entsprechen und damit verbunden, ‚beliebt’ sein möchte. Was ‚beliebt’ auch immer heißen mag. Das Schönheitsideal, das durch unserer Werbe-, Film- und Modebranche publiziert wird, heißt halb verhungert. Ich spreche von den Frauen aus den teuren Zeitschriften, die natürlich alle trendy magersüchtig sind und dabei auch noch glücklich in die Kamera lächeln. Diese bulimischen Dritte-Welt-Nachahmerinnen scheinen keine Ahnung von gutem Essen zu haben, sonst würden sie normal aussehen und das Reich der Gaumenfreuden genießen, so wie ich. Übrigens, bin ich auch schlank, zwar nicht dürr, aber auch nicht pummelig, eben genau die Mitte. Ab und zu denke ich schon, dass ich mir so ein bis zwei Kilo sparen könnte, wenn ich das süße Zeug weglassen würde. Aber wie kann man das heutige harte Arbeitsleben überleben ohne temporären Endorphinschub verursacht durch diese sündigen Leckereien? Und vor allen Dingen: Wer will denn das? Stellen Sie sich vor, ich würde auf meine Lieblingsspeise verzichten und richtig anfangen, Kalorien zu zählen! Meine Freundinnen hätten keine Lust mehr, mit mir etwas zu unternehmen. Immer, wenn es um das Essen gehen würde, wäre ich frustriert, da ich nicht das essen könnte, was die anderen zu sich nehmen. Das hätte zur Folge, dass ich ihnen den Appetit mit meiner schlechten Laune verderben würde. Durch meine innere Unzufriedenheit würde ich auf Dauer so extrem zickig und arrogant, dass mich niemand mehr leiden könnte. Bis zu dem traurigen Zeitpunkt, an dem ich alleine in meiner Wohnung sitzen und mir überlegen würde, wie ich mir das Leben nehmen könnte! Ohne Freunde ist das Leben nämlich beschissen. Somit ziehe ich für mich das Resümee: Ich habe zwei Kilo mehr auf der Hüfte, bin trotzdem noch einigermaßen schlank und erfreue mich mit meinen Freundinnen an Schoki, Keks und Co. der Zuckerindustrie!

    Diesen Gedanken entsprechend entscheide ich mich für drei Schokoriegel. Unterschwellig flüstert mir mein Gewissen zu, dass dieser Vorrat nicht lange halten wird und ich später am Kiosk Nachschub kaufen werde. Ein Versuch, mit nur drei Riegeln auszukommen, ist es mir aber doch wert.

    Apropros Essen, ich muss auch noch etwas frühstücken; hätte ich fast vergessen. Wie jeden Morgen gibt es ein reichliches und ausgewogenes Frühstück, das man sich in den tollsten Fünf-Sterne-Restaurants an der Cote d’Azur nicht besser vorstellen kann: ein Vollkorntoast mit dick, fett Nutella drauf! Mmmh!!! So, noch einen Schluck Milch und ab geht es ins Bad. Wie trage ich denn die Haare heute? Wild offen oder streng zusammen? Und welches Make-up lege ich auf? Viel oder wenig, farbig oder eher natürlich? Eine wichtige Entscheidung folgt der anderen. Und da sagen Männer immer, Frauen könnten sich nie entscheiden. Wie auch? Bei der Vielzahl an Entscheidungen, die wir allein schon morgens früh im Bad treffen müssen, überlassen wir die wichtigen Dinge am Abend gern den Männern. Ich wähle nun den Look der Frau Oberlehrerin, die Haare werden dabei streng nach hinten gesteckt. Das ist einfach, sieht gut aus und ist vor allem die schnellste Variante der Frisuren. Dazu passend setze ich einen Akzent auf meine wohlgeformten Lippen mit einem Hauch von perlmutt-kirsch-kaffee-rot. Meine Haut ist morgens immer so gerötet, dass man jetzt fast gar keinen Unterschied zwischen Lippen und Haut erkennt! Verdammt, ich sehe aus, als ob ich meinen Kopf zu lange in einen Backofen gesteckt hätte! Also, versuche ich wie immer, meine Gesichtsrötungen unter dem wahnsinnig teuren Make-up verschwinden zu lassen. Was mir wie immer auch gelingt. Perfekt! Ich sehe einfach klasse aus! Der teure Friseur letzte Woche hat sich wirklich gelohnt. Die dunkelblonden Strähnchen in den dunkelroten Haaren passen wunderbar zu mir und unterstreichen mein Karma. Sagt Giovanni, mein Friseur. Und mit der Länge bin ich auch zufrieden. Zuerst wollte ich sie mir nicht abschneiden lassen, aber Schwuletti Giovanni meinte mit einer grazilen Hand- und Hüftbewegung: ‚Haare bis zum Hintern sind absooolut unmodern!’ Jetzt reichen sie mir bis kurz über die Schultern. Im Moment natürlich nicht, weil ich sie hochgesteckt habe. Mit der neuen Frisur wirke ich nun, wie ein Arbeitskollege erwähnte, viel interessanter! Heisst das eventuell älter? Na toll! Älter. Aber solche Kommentare lassen eine Frau-von-Welt kalt. Ich stehe also im Bad, schaue in meinen wunderschönen goldenen Spiegel und bin von mir selbst total begeistert! Das einzige, was mir die Freude ein wenig verdirbt, ist meine Hose: Sie zwickt tierisch! Aber ich werde sie mit Fassung tragen. Es sind nur achteinhalb Stunden bis zum geliebten rosa Jogginganzug. Die Schuhe drücken. Wenn ich mir jetzt doch noch schnell die Jeans anziehe, würde mich nichts zwicken oder drücken und ich würde mich bestimmt wohler fühlen! Und scheiße aussehen. Wie machen die das im Fernsehen nur immer, dass die Models selbst mit Jeans und Turnschuhen gut aussehen? Liegt wohl an der Kameraperspektive. Die filmen sie von schräg unten. Leider kann ich von meinen Kollegen unmöglich verlangen, den ganzen Tag auf den Knien vor mir über den Boden zu rutschen zwecks richtiger Perspektive!

    Die blaue Jeans liegt nun vor mir auf dem Bett und strahlt mich an. Ich stehe davor, geschniegelt und gestriegelt, überlege und überlege, merke, dass ich so langsam Zeit verliere ...Ich komme heute wieder richtig zu spät.

    Jeden Morgen das gleiche Theater.

    Ich öffne meine Haustür und erblicke mein süßes Auto. Die Sonne scheint und ich habe keinen Strafzettel unter dem Scheibenwischer. Das könnte ein guter Tag werden.

    Ich liebe mein Auto. In irgendeiner Werbung hieß es: ‚Gott hat die Sonne erschaffen, um das Gemüt des Menschen zu erfreuen. Warum sollte der Mensch während der Autofahrt auf dieses Gefühl verzichten? Kaufen Sie das neue Cabriolet von Blablabla.’ Deshalb mag ich mein Auto, es erfreut wahrlich mein sonnenanbetendes Gemüt. Meine Oma Charlotte, hat mich in ihrem Testament reichlich bedacht, so dass ich mit diesem Geld gesegnet, mir ein anständiges Cabriolet kaufen konnte. Offen fahren ist eine so wunderschöne Sache! Kennen Sie auch dieses Gefühl? Den Duft der frischen Blumen einatmen, die Haare vom Winde zerwuscheln lassen und die Sonne im Nacken spüren ... Wahrscheinlich nicht.

    Ich auch nicht. Naja, nicht so wirklich. Das Geld reichte zwar für ein Cabrio, aber nur für ein halbes. Es ist ein wunderschöner, alter, azurblauer Käfer mit Schiebedach. Aber die Vorstellung zählt, oder? Imagination is everything. Besser ein bisschen offen, als ganz verschlossen und besser ein altes Auto, als gar kein Auto! Man soll für alles dankbar sein, sogar für die schlechten Dinge im Leben,sagte meine Oma immer. Denn selbst aus diesen kann man positive Erfahrungen ziehen. Nicht, dass das Auto schlecht wäre, aber es hat ein paar klitzekleine Macken: Es springt manchmal nicht an, die Bremsen versagen oder der Motor geht einfach mitten auf der Autobahn aus. Mittlerweile weiß ich damit umzugehen. Das Auto erinnert mich natürlich immer an meine Oma und das ist schön, denn ich mochte Charlotte wirklich sehr. Übrigens hat der Käfer einen gewissen Antikwert, da er mit viel Chrom verziert und so extrem alt ist. Viele Käferliebhaber machten mir schon Kaufangebote, aber ich würde es nie über mein Herz bringen, meinen Schatz zu verkaufen.

    Nun, ich sitze in meinem Käferchen und quäle mich wie jeden Tag durch den Stadtverkehr. Aus dem Radio schreit der Moderator wieder: „Rufen Sie an und gewinnen Sie!"

    Ist es nicht komisch, dass ich nie gewinne, auch wenn ich zweihundert Mal anrufe? Ich denke, es ergeht Ihnen auch immer so. Sie fühlen sich genauso verarscht wie ich mich. Wahrscheinlich ist das alles getürkt. Die offiziellen Gewinner dieser Gewinn-spiele sind nur irgendwelche erfundenen Namen, der Radiosender spart sich den Gewinn und macht richtig Kohle mit den teuren Telefonnummern. Glück haben immer nur die anderen, ist demnach ein Trugschluss, denn selbst ‚die anderen’ gewinnen nicht.

    Shit, das war rot. Ist hier irgendwo Polizei? Ich glaube nicht, aber wer weiß, wo die sich wieder versteckt haben. Na dann, liebstes Auto, gib Schub Rakete! Ich bin schon spät dran. Was ist das denn für ein Auto vor mir? Oh nein, eine Schande für die Augen: ein knallgelber, dreimal tiefergelegter Proll-Mercedes mit Supervergaser, zweifachem Auspuffrohr und Rosenkranz am Rückspiegel. Was der für einen Krach macht! Und wie der sich durch den Verkehr drängelt? Tststs. Das würde ich niiiee machen. Rücksichtsloser Assi! Wo nehmen diese jungen Burschen nur das ganze Geld dafür her? Wahrscheinlich ist der nur geleast. Heutzutage kann jedes Kind ein teures Auto leasen. Obwohl ich bezweifele, dass dieses Modell teuer war. Wissen Sie, man darf auf gar keinen Fall den Fehler machen, den häufig viele junge, blonde, blauäugige, großbusige Mädchen allzu gerne machen, und zwar vom Auto auf die Geldbörse des Fahrers schließen. Da sind schon viele unbezahlte Kinder in die Welt gesetzt worden. Ja, dann fahr doch, du Penner! Immer dasselbe. Dicke Karre unter dem Hintern, aber nicht Auto fahren können! Schrecklich! Er zeigt mir einen Vogel, ich strecke ihm die Zunge raus. Dann biegt jetzt Mister ‚Achtung-hier-kommt-Möchtegern-Supermann’ nach links ab – war klar, der fährt nach links in die Hallerstraße zum Fitness Center, sein Hirn trainieren.

    Wen habe ich denn jetzt vor mir?! Ich sage Ihnen, Mercedesfahrer sind die Schlimmsten. Entweder sitzt so ein Prollo drin wie eben oder ein alter Opa. Manchmal auch ein Chauffeur - aber das Beispiel lasse ich jetzt weg. Vor mir treibt gerade ein älterer Herr sein Unwesen. Ja, wo will er denn hin? Ich blinke ihn mit der Lichthupe an, vergebens. Er steht vor der Abbiegespur und weiß nicht, wohin er muss. Junge, rechts ist das Gas! Die Bremse macht das Auto langsamer und das Gas macht es schneller. Deswegen muss man auf das Gas rechts treten, um nicht stehen zu bleiben! Der Herr trägt natürlich auch einen Hut. Das ist wieder ein Fall für die Schublade. Er entscheidet sich für links, ich danke Gott, ziehe an ihm mit quietschenden Reifen vorbei und biege an der nächsten Kreuzung rechts ab.

    Wissen Sie, dass es darüber hinaus weitere Wahnsinnige im Straßenverkehr gibt, die sich todesmutig zwischen die Autos stürzen, ohne jeglichen Schutz um den Körper? Sie bewegen sich fort mit Hilfe von Eisengestellen und Kautschukröhren. Wenn ich gerade zwei Sekunden schneller gefahren wäre, hätte ich doch glatt so einen Bekloppten umgefahren! Ist noch mal gutgegangen. Diese Personen beschweren sich grundsätzlich, wenn ich sie ein bisschen mit dem Auto anstupse. Ist mir irgendwie unverständlich?! Mit der Zeit habe ich mich an die Beschimpfungen gewöhnt. Unschön sind allerdings die dadurch entstehenden Macken in meinem Auto. Radfahrer sind es aber wirklich auch selber Schuld. Sie rasen wie wild durch die Gegend und gucken überhaupt nicht, ob ein Auto kommt und ihren Weg kreuzt. Ein Benehmen legen diese Verkehrsteilnehmer an den Tag, als ob sie alle den Fahrradpass nicht besitzen würde. Die Frau-von-Welt hat ihn natürlich. Diese ungelernten Möchtegern-Mountainbiker denken, ihnen gehört die Straße allein und jeder müsste auf sie Acht geben. Pah! Unverschämte Störenfriede! Hier kommt die Frau-von-Welt! Auto gib Gas, ich will Spaß!

    So lasse ich mich kurz von dem Radfahrer anmotzen, lächle ihn aus Trotz an, zucke mit den Schultern, gestikuliere, dass es mir angeblich Leid tut und fahre weiter. Meine Stimmung sinkt ein wenig. Aber nur ein ganz klein wenig. Schließlich bin ich Frau-von-Welt und die ist hart im Nehmen. Natürlich. Ich schimpfe im Sinn auf alle Radfahrer und gebe Gas. Meiner Zigarette gebe ich auch Gas. Oder Feuer, kann man nennen wie man will. Eigentlich schmeckt mir die Zigarette gar nicht. Rauchen Sie? Eigentlich nicht? Ich auch eigentlich nicht. Nur ab und zu, das heißt, morgens im Auto eine und sonst immer, wenn es mir schlecht geht. Und in letzter Zeit ging es mir öfter schlecht. Private Gründe. Aber ich rauche natürlich auch, wenn es mir gut geht. Aber nicht viel. Nur ein wenig. Die Frau-von-Welt raucht nur dann, wenn es gerade in ist. Abends in der Disco zum Beispiel. Oder morgens im Auto. Und gerade dann morgens im Auto, wenn sie mal wieder völlig genervt ist von allen unfähigen Autofahrern und Fahrradfahrern, die ihr tagtäglich den Weg zur Arbeit zur Hölle machen!!! Heute ist so ein Tag, also rauche ich, obwohl es mir gar nicht schmeckt! Eine wissenschaftliche Erklärung für diese Form von Abhängigkeit gibt es bestimmt, aber ‚ich bin jetzt nicht gewillt, meinen Intellekt auszustreuen’, wie unser Personalleiter sagen würde. Ist es bei Ihnen auch nur Gewohnheit? Oder mögen Sie den herben Geschmack von Asche, Staub und Verbranntem auf Ihrer Zunge? Ist es nicht ein tolles Gefühl, zu spüren, wie sich der Teer an die kleinen, zarten Häarchen der Luftröhre anschmiegt und man bei jedem Treppesteigen fühlen kann, wie groß die Ablagerungen in der Lunge sind?

    Wie an jedem stressigen Morgen finde ich auch heute keinen freien Parkplatz vor meiner Firma. Ich finde auch keinen rundherum um meine Firma. Nachdem ich eine Viertelstunde in einem Umkreis von 20 Meilen um meine Arbeitsstelle herumfahre, habe ich die Faxen dicke und parke auf dem wohl für eine Politesse schönsten Parkplatz: im absoluten Halteverbot. Mein Käferchen steht nun vor einer Einfahrt in direkter Nähe zu unserem Firmengebäude. Leider besitze ich keinen Firmenwagen, sonst könnte ich jeden Morgen ohne Stress mein Auto auf den dafür vorgesehenen Firmenparkplatz stellen. Mir, der Frau-von-Welt, ist das Halteverbot im Moment egal. Fünfundzwanzig Minuten Verspätung, verdammt! Ich will nur eben reinspringen und meine Sachen auf meinen Platz legen, um zu zeigen, dass ich nicht vergessen habe, zur Arbeit zu kommen. Oder, dass ich nicht ermordet worden bin, wie es so einige meiner Kolleginnen hoffen. Danach könnte ich gelassen einen Politessenfreundlichen Parkplatz für mein VW suchen.

    Bezüglich der Anmerkung, dass einige meiner Kolleginnen hoffen, ich käme nicht mehr zur Arbeit, muss ich folgendes erläutern: Es herrscht an meinem Arbeitsplatz eine gewisse Antipathie gegen mich. Damit komme ich natürlich bestens klar. Bin ja Frau-von-Welt. Durch mein Aussehen habe ich ein gutes Verhältnis zu fast allen Kollegen. Dies wiederrum verursacht bei den Damen Ablehnung mir gegenüber. Verständlich. Gott (oder wer auch immer?) hat es bei meiner Geburt gut mit mir gemeint und mich mit einem anständigen Körper ausstaffiert. Und das setze ich auch ab und zu gerne ein. Warum auch nicht? Wozu hat man den gewissen weiblichen Charme? Bestimmt nicht für die Schublade oder für den einen Samstagabend im Monat. Noch gibt es kein Gesetz gegen die Waffen der Frau am Arbeitsplatz. Ich würde den Alltag auch ohne bestreiten können, das ist mal sicher. Aber es würde weniger Spaß machen! Diese Ansicht vertreten nicht alle, eher die wenigsten im Büro. Jennifer, Luise, Maria oder die Schlimmste, Frau Meyer, teilen da ganz und gar nicht meine Meinung! Wenn es eine höhere Macht irgendwo da draußen gibt – sei es Gott oder kleine grüne Männchen mit großen Augen – dann danke ich ihr/ihnen für mein Aussehen. Es gibt Leute, die hat das Schicksal schwer getroffen. Das tut mir auch sehr Leid für sie. Und freut mich für mich umso mehr.

    „Morgen", nuschele ich vor mich hin.

    „Morgen", entgegnet mir Luise genervt.

    „Wie siehst du denn aus?", fragt mein Kollege Martin und beäugt mich eingehend.

    Tja, wie sehe ich denn aus? Gut natürlich und immer besser als jeder andere hier.

    „Hast wohl gestern noch lang ferngesehen, was?", fragt er mit einem neckischen Augenzwinkern.

    Was hat das denn mit meinem Aussehen zu tun? Sehe ich etwa müde aus? Alt? Faltig? Oh Gott! Ruhe, Martin ist Martin, er will dich nur ärgern, also Ruhe bewahren! Aber, wie kommt Martin immer nur auf solche komischen Ideen? Als ob ich am Sonntagabend Fernsehen gucken würde? Tststs. Soll ich einfach nur wahrheitsgemäß nicken, oder mit einer Frau-von-Welt-Antwort den lieben Martin und alle Anwesenden schocken? „Ich war gestern mit Freunden in der Oper und anschließend noch im VIP-Club." Ende der Frau-von-Welt-Durchsage. War zwar gelogen, aber macht schließlich einen absoluten ‚Die-ist-ja-so-in’Eindruck. Auf Luise haben vor allem mein Hosenanzug und die geilen Stiefel Eindruck gemacht. Sie rümpft verächtlich ihre viel zu große Nase und wendet sich ab.

    Tut mir Leid Luise, aber ich werde nun mal nie verstehen können, warum du solche Kleidung anziehst, geschweige denn, nachempfinden können, dass du dich darin wohl fühlst?! Wie schafft sie es nur immer wieder, sich in so enge, Bauchspeckabmalende, neonfarbene Oberteile zu zwängen? Wie kommt sie da rein? Und wie kommt sie da wieder raus? Sie ist ansonsten ein großer Fan von Karottenjeans im trendigen dunkelblau. Deshalb trägt sie sie fast jeden Tag. Aber was ist das heute an ihren Füßen: Himmel, wer stellt so etwas her?! Knallrote Birkenstocks in Kombination mit grün-beigen Wollsocken mit Schlümpfen drauf!!! Nee, watt süß! Auf der einen Seite bin ich froh, dass Luise so ist wie sie ist. Alles Weitere wäre nur Konkurrenz. Aber auf der anderen Seite wird mein Geschmackssinn gerade auf das Übelste provoziert. Zu späterer Stunde des Tages hätte ich was gesagt. Aber jetzt nicht, es ist noch viel zu früh zum Reden.

    Teil 2

    Die Firma

    Sie müssen wissen, dass ich mir mein Büro mit Martin und Luise teile. Mit Martin verstehe ich mich blendend, ich mag ihn wirklich sehr; Luise ist, wie bereits erwähnt, ganz anders als ich, und daher kommt es leicht zu Konflikten. Das heisst, sie ist ganz nett, liegt aber absolut nicht auf meiner Wellenlänge und hat eindeutig einen an der Ökowaffel! Bestes Beispiel: die heutigen Socken.

    Wir drei sind in einem von zwei Büros im vierten Stock platziert. In diesen Büros arbeiten jeweils drei oder vier Menschen und versuchen tagtäglich, die Arbeit zu bewältigen, die man so in der Marketing-Abteilung eines international vertreibenden Joghurt-Herstellers bewältigen muss. Die anderen Abteilungen, wie zum Beispiel Buchhaltung, Einkauf, Verkauf, Produktion, Lager oder Versand sind auf weiteren Ebenen und Gebäuden verteilt. Darüber hinaus verfügen wir auch seit geraumer Zeit über eine eigene Molkerei und haben dadurch die entsprechende Produktionsstufe eingespart. Deshalb können wir unsere Verkaufspreise senken. Demnächst will der Boss auch die Verarbeitung, beziehungsweise die Verpackungen selbst produzieren und die entsprechende Firma aufkaufen.

    Alles, was mit unserer Werbung zu tun hat – die im Fernsehen, in den Zeitungen, und so weiter – überlässt er einer speziellen Werbeagentur, mit der wir schon lange zusammenarbeiten. Wir, die Marketingabteilung, erstellen, grob erklärt, Werbekonzepte für unsere Produkte und geben diese zur Umsetzung an unsere Werbeagentur weiter. Jeder von uns Marketingassistenten hat seine eigenen Projekte und ist für diese allein verantwortlich; mit dem Aufteilen eines Projektes auf mehrere Personen haben wir es mal versucht, das gab nur Probleme. So arbeitet fast jeder allein und ist glücklich. Naja, glücklich ist so eine Definitionssache ...

    Zu unserem Chef, dem liebenswerten Herrn Grossek, kann ich Ihnen Einiges erzählen: Seine Geschäftspartner behaupten, er sei ein echter Charakter - wir, seine Angestellten, sagen nur eins dazu: Es gibt Menschen, die als charaktervoll gelten, nur weil sie zu bequem sind, ihre Ansichten zu ändern! Als begeisteter Anhänger des Nihilismus macht er uns Mitarbeitern das Leben auf der Arbeit schwer: Er hasst Veränderungen jeglicher Art. Nun ist er Anfang fünfzig, hat leicht dunkelblonde bis haselnussbraune Haare, davon noch einigermaßen viele, ist circa ein Meter achtundsiebzig groß, hat einen dicken Bauch (er isst keine seiner Joghurts!), ist seit Jahren verheiratet und hat ein paar schreckliche Kinder. Ich glaube drei. Er kleidet sich in Lacoste und Boss und was es da sonst noch so alles an teuren Klamotten für den Herrn ab fünfzig gibt. Leider steht er auf Kordhosen und Flanellhemden. Selbst mit einem Krokodil auf der Brust ist er nicht wirklich attraktiver! Seine Kindheit soll nicht die Beste gewesen sein. Die Mutter war bei seiner Geburt gestorben und seitdem hatte sein Vater keine neue Frau mehr. Man sagt, der alte Herr Grossek hätte die Schuld am Tod seiner Frau dem Sohn gegeben und hätte diesen nie als Sohn akzeptiert. Nach dem Tod seiner Frau lebte Senior nur noch für die Firma. Es begann alles mit der Idee, Joghurts vom Fließband herzustellen. So wurde aus dem Bauernhof eine kleine Produktionsfirma und aus dem Landwirt Grossek ein schwer arbeitender Firmeninhaber. Unser Chef wuchs in der Firma seines Vaters auf und begann dann dort im Alter von sechzehn Jahren seine Ausbildung zum Kaufmann. Zu diesem Zeitpunkt hatte sein Vater die Firma und die Produktion schon so vergrößert, dass er sich sogar an die zehn Gesellen leisten konnte. Herr Grossek junior absolvierte dort unter der väterlichen Obhut seine Lehre. Der Senior, so sagt man, hätte ihn schlechter als alle anderen Gesellen behandelt. Schläge gab es wohl auch zur Genüge. Das waren noch ganz andere Zeiten. Dabei hätte Junior doch gerne dem Vater alles Recht gemacht. Als Herr Grossek Senior dann mit genau fünfzig Jahren verstarb, angeblich Alkoholvergiftung, erbte Sohnemann alles, somit auch die Firma. Da war er gerade mal fünfundzwanzig Jahre alt! Er baute und baute, machte Gewinne, Verluste und Gewinne, kaufte und investierte. Er heiratete zwischendurch, bekam Kinder, war aber nie wirklich der Familienvater, immer nur der eiserne Geschäftsmann. Die Firma wechselte vom Lande in ein Industriegebiet in Stadtnähe und vergrößerte sich immens von Jahr zu Jahr. Die Umsätze steigen heutzutage immer noch ununterbrochen und dementsprechend bezahlt er auch seine Mitarbeiter. Nämlich, konträr zu seinem Sozialverhalten, extrem gut! Da liegt das Problem des ganzen Übels: Mister Grossek ist für die Seelenklempner bestimmt ein sehr interessanter Fall, aber für uns Beschäftigte der größte Alptraum als Chef. Tagtäglich benimmt er sich wie ein Vollidiot, rein menschlich gesehen. Er macht uns fertig, wo er nur kann. Probleme werden von ihm selbst verursacht und dann auf uns Mitarbeiter abgewälzt. Aber bei der überdurchschnittlichen Bezahlung überlegt man sich dreimal, den Job zu wechseln, nur wegen ein paar Launen des Chefs. Wenn er dann nicht motzt, brüllt oder falsche Dinge erzählt, ist es sogar lustig mitanzusehen, wie er den Hautvolee-Menschen nacheifert. Obwohl er doch im Grunde nur ein Bauernsöhnchen ist, versucht er diesen Fakt durch das Kaufen von protzigen Firmenwagen, teurer, aber hässlicher Kleidung – sein persönlicher Kleidungsberater scheint ein Volltrottel zu sein – Besuche von Mitarbeiter-Motivations-Seminaren, Feng-Shui-Vorträgen oder Fremdwörterkursen für Firmeninhaber zu vertuschen. Doch leider wendet er das Letztere selten an, die Erbtheorie dominiert einfach. Wenn ich Ihnen erzähle, dass wir circa hundertvierzig Mitarbeiter haben sowie an die fünfzig Firmenwagen, würde Sie das beeindrucken? Soll es gar nicht. Darum geht es mir nicht. In erster Linie mögen Sie einen Eindruck meines Arbeitsumfeldes bekommen. Den zweiten Eindruck überlasse ich Ihnen.

    Nach meiner Frau-von-Welt-Ansage hält Martin den Mund, da er auf diese keinen Kommentar parat hat. So sei es, Gott sei Dank. Ich stelle meine neue, schwarze, nachgemachte Designerhandtasche auf den Tisch und suche in aller Ruhe meine Zigaretten. Ich bin ein Morgenmuffel, es sei denn, dass mich morgens das zarte Rascheln meines Geldes weckt, in dem ich die ganze Nacht vorzüglich geschlafen habe. Da das nur selten passiert, verdamme ich meinen Wecker jeden Morgen und hasse alles, was mir in die Quere kommt. Am besten ist es, wenn man mich morgens gar nicht anspricht; erst nach der zweiten Tasse Milch in Kombination mit meinem zweiten Frühstück wäre ein Versuch erfolgreich. Dann darf man mich ansprechen. Die Frau-von-Welt trinkt Milch, da Milch gut sein soll für den Teint. Wussten Sie, dass gute Laune morgens um neun Uhr ziemlich uncool ist? Uncool deswegen, weil es jeden anderen im Büro darüber aufklärt, ob man gestern Nacht noch cool unterwegs war, oder uncool ferngesehen hat und demnach um zehn ins Bett gegangen ist. Mmm, mal überlegen, was habe ich denn getan? Fern gesehen bis in die Puppen, aber das muss hier keiner wissen. Das würde mein ‚Die-ist-ja-so-in’-Image zerstören. Frei nach dem Motto: Pretending to be is more than not to be.Auf der Welt gibt es nicht nur Morgenmuffel, Gutgelaunte muss es auch geben, nur leider sind die meisten dieser Sorte in unserer Firma gelandet. Fröhliche Menschen können gar nicht verstehen, wie man morgens so schlecht gelaunt sein kann. Tja, wie auch? Ich bin schließlich Frau-von-Welt, immer hip unterwegs und dementsprechend berechtigterweise ein Morgenmuffel. Zu den Gutgelaunten gehört eine gewisse Tanja, eine sehr hübsche Schreibkraft aus der Buchhaltung und mittlerweile gute Freundin von Luise. Eher ein bisschen Konkurrenz für mich. Aber nur unwesentlich. Eine Frau-von-Welt hat keine Konkurrenz, nur Mitbewerber.

    Diese jenige Welche steckt ihr hübsches Näschen zur Tür hinein und ruft: „Mooaargäään alleeezusammeeen! Schönes Wetter heute, nicht?"

    Ich kann so viel gute Laune wirklich nicht verkraften. Ja, was trägt sie denn heute für ein Oberteil? Da springen auch meine Augen heraus! Tststs. Ein rosafarbenes Oberteil mit V-Ausschnitt, so dass jeder Betrachter unweigerlich auf ihre Wahnsinnsoberweite aufmerksam gemacht wird. Warum hängt sie sich nicht direkt ein Schild um den Hals: Ich habe dicke Titten. Dazu eine knallenge Jeans, an den Seiten offen mit Häkelstoff. Die hat es anscheinend nötig. Genervt wende ich mich ab und setze mich immer noch suchend auf meinen quietschenden Bürostuhl. Wo sind denn meine Zigaretten?

    „Moooaaargäääään noch mal, Corinn!!! Geiles Weeetteerchen heuteee, findest du nicht auch?", dröhnt es so laut in mein Ohr, als ob ein D-Zug direkt an mir vorbeifahren würde. Demonstrativ halte ich mir die Ohren zu, drehe mich um und starre auf meinen gerade hochfahrenden Computer. Wo sind die blöden Zigaretten? Bitte, Tanja, verschone mich. Lass mich doch in Ruhe! Du siehst doch, ich bin beschäftigt.

    „Na, hast wohl zu lang ferngesehen?", fragt sie neckisch und zwinkert, wie eben Martin, mit den Augen.

    Ich ignoriere ihre Frage. Oh, Hilfe! Sie kann mich eigentlich genauso wenig leiden, wie ich sie. Sie ist halt anders. Nicht so cool wie ich, die Frau-von-Welt. Aber das Theater hier grenzt langsam an den blanken Psychoterror! Ich bin umringt von den uncoolsten Menschen der Welt! Es kann fast nicht schlimmer kommen. Fast. Es kommt schlimmer. Ich habe meine letzte Zigarette im Auto geraucht und vergessen, neue zu kaufen. Meine Laune sinkt. Meine Aggressivität steigt. Shit!!! Wer hier kann mich so gut leiden, dass er mir jetzt eine Zigarette abgibt? Ich denke, da kommen nur die männlichen Kollegen in Frage. Luise und Martin rauchen nicht. Gut, dass ich mich heute Morgen für den schwarzen Hosenanzug entschieden habe, ich denke, meine nächste Zigarette wäre gesichert.

    „Hey Corinn? ... Corinn, haste gestern auch Lindenstraße geguckt? Die Tanja Schildknecht, die macht aber Sachen. Hat da irgendwen erschlagen, das war vielleicht spannend! Also, sie und ihre Freundin, sind ja zwei Lesben, wollten abends ins Konzert und da ist sie voll ausgerastet, warum nur?" Fragend schaut mich unsere Tanja an.

    „Entschuldige, Liebste, aber da habe ich an einem Sonntagabend wirklich Besseres zu tun, als mir so eine Sendung, wie immer sie auch heißt, anzusehen!", lüge ich und mache mich auf ins nächste Büro, Zigaretten besorgen. Hättest du Dummerchen mal richtig aufgepasst, dann wüsstest du, dass sie Speed genommen hat, um nicht immer eine Spaßbremse zu sein, wie ihre jüngere Freundin ihr vorher vorgeworfen hatte. Da staunen Sie jetzt? Ich weiß, was ich eben gesagt habe, von wegen uncool und so. Die Frau-von-Welt guckt halt ab und zu in

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