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Reisen mit leichtem Gepäck: Erzählungen
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eBook199 Seiten2 Stunden

Reisen mit leichtem Gepäck: Erzählungen

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Über dieses E-Book

Aus Alltagsstrukturen ausbrechen! Sich aus Verhaltensmustern, aus unliebsamen Verpflichtungen lösen, aus dem ganzen Sollen und Müssen! Doch während einem der frische Wind einer beginnenden Freiheit schon entgegenweht, entdeckt man, dass trotz leichten Handgepäcks die schwere Last der alten Ängste, Konflikte und Gewohnheiten noch da ist. An den fremden, Freiheit versprechenden Orten toben sie sich umso unverhoffter und wilder aus. Manchmal sind es gar nicht Reisen, sondern Begegnungen mit Menschen, in deren Nonchalance man die Freiheit eines ganz anderen Lebens wittert. Und manchmal, wenn man es am wenigsten erwartet, verändert die Fremde einen wirklich – und man kommt bei sich selber an. Tove Jansson erfrischt in diesen kleinen literarischen Meisterwerken mit ihrem unverwechselbaren Blick und klaren Stil.
SpracheDeutsch
HerausgeberVerlag Urachhaus
Erscheinungsdatum11. März 2016
ISBN9783825161132
Reisen mit leichtem Gepäck: Erzählungen
Autor

Tove Jansson

Tove Jansson (1914 - 2001) was born in Helsinki to artist parents. She was to become a celebrated artist, political cartoonist and author, but she is best known as the creator of the Moomins, one of the most successful and beloved children's book series ever written. Inspired by summers spent on the islands off Finland and Sweden, Tove created the unique world of Moominvalley and all its inhabitants. The Moomins and The Great Flood, her first book to feature the Moomins, published in 1945. Tove went on to publish twelve Moomin books between 1945 and 1977, which have sold in their millions and been translated into over forty languages. In the 1950's the Moomins became a successful cartoon strip, which was to feature in newspapers all over the world. As the Moomins' fame grew, they began to appear in television series, plays, films and a varied merchandise program soon followed. Tove also painted throughout her life and wrote novels and short stories, including the acclaimed Summer Book. But the Moomin world was never far away. As Tove said, "You feel a cold wind on your legs when you step outside Moomin Valley," In 1966, Tove received the Hans Christian Andersen Award for her lasting contribution to children's literature.

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    Buchvorschau

    Reisen mit leichtem Gepäck - Tove Jansson

    Tove Jansson

    REISEN mit

    leichtem GEPÄCK

    Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer

    Urachhaus

    INHALT

    Briefwechsel

    Der achtzigste Geburtstag

    Das Ferienkind

    Fremde Stadt

    Die Frau mit den geliehenen Erinnerungen

    Reise mit leichtem Gepäck

    Der Lustgarten

    Shopping

    Der Wald

    Der Tod des Sportlehrers

    Die Möwen

    Das Gewächshaus

    Impressum

    BRIEFWECHSEL

    Dear Jansson san

    Ich bin ein Mädchen aus Japan.

    Ich bin dreizehn Jahre und zwei Monate alt.

    Am achten Januar werde ich vierzehn.

    Ich habe eine Mutter und zwei kleine Schwestern.

    Ich habe alles gelesen, was Sie geschrieben haben.

    Wenn ich es gelesen habe, lese ich es noch einmal.

    Dann denke ich an Schnee und daran, dass man allein sein darf.

    Tokio ist eine sehr große Stadt.

    Ich lerne Englisch und studiere sehr ernsthaft. Ich liebe Sie.

    Ich habe einen Traum: so alt zu werden wie Sie und so klug wie Sie.

    Ich habe viele Träume.

    Es gibt ein japanisches Gedicht, das heißt Haiku.

    Ich schicke Ihnen ein Haiku auf Japanisch.

    Es handelt von Kirschblüten.

    Wohnen Sie in einem großen Wald?

    Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen schreibe.

    Ich wünsche Ihnen eine gute Gesundheit und ein langes Leben.

    Tamiko Atsumi

    Dear Jansson san

    Mein neuer Geburtstag heute ist sehr wichtig.

    Ihr Geschenk ist mir sehr wichtig.

    Alle bewundern Ihr Geschenk und das Bild einer kleinen Insel, wo Sie wohnen.

    Es hängt über meinem Bett.

    Wie viele einsame Inseln gibt es in Finnland?

    Darf jeder, der will, dort wohnen?

    Ich will auf einer Insel wohnen.

    Ich liebe einsame Inseln und ich liebe Blumen und Schnee.

    Aber so schreiben, wie die sind, kann ich nicht.

    Ich studiere sehr ernsthaft.

    Ich lese Ihre Bücher auf Englisch.

    Auf Japanisch sind Ihre Bücher nicht genauso.

    Warum ist da ein Unterschied?

    Ich glaube, dass Sie glücklich sind.

    Passen Sie sehr gut auf Ihre Gesundheit auf.

    Ein langes Leben wünscht Ihnen

    Tamiko Atsumi

    Dear Jansson san

    Eine lange Zeit ist vergangen, fünf Monate und neun Tage sind vergangen, in denen Sie mir nicht geschrieben haben.

    Haben Sie meine Briefe bekommen?

    Haben Sie die Geschenke bekommen?

    Ich habe Sehnsucht nach Ihnen.

    Sie müssen verstehen, dass ich sehr ernsthaft studiere.

    Jetzt erzähle ich Ihnen von meinem Traum.

    Es ist mein Traum, in andere Länder zu reisen und die Sprachen der anderen Länder zu sprechen und sie zu verstehen.

    Ich will mit Ihnen reden können.

    Ich will, dass Sie mit mir reden.

    Sie sollen mir sagen, wie man beschreibt, dass keine anderen Häuser zu sehen sind und dass niemand auf der Straße kommt.

    Ich will verstehen, wie man über den Schnee schreibt.

    Ich will zu Ihren Füßen sitzen, um zu lernen.

    Jetzt schicke ich ein neues Haiku.

    Es handelt von einer sehr alten Frau, die in weiter Ferne blaue Berge sieht.

    Als sie jung war, hat sie die Berge nicht gesehen.

    Jetzt hat sie keine Kraft, um dorthin zu kommen.

    Es ist ein schönes Haiku.

    Ich bitte Sie, vorsichtig zu sein.

    Tamiko

    Dear Jansson san,

    Sie wollten eine große, lange Reise machen, jetzt sind Sie mehr als sechs Monate gereist.

    Ich glaube, Sie sind wieder zurückgekommen.

    Wohin sind Sie gereist, meine Jansson san, und was haben Sie auf Ihrer Reise gelernt?

    Vielleicht haben Sie Ihren Kimono mitgenommen.

    Er hat die gleichen Farben wie der Herbst und der Herbst ist die Zeit für Reisen.

    Aber Sie haben so oft darüber geredet, dass die Zeit kurz wird.

    Meine Zeit wird lang, während ich an Sie denke.

    Ich will genauso alt werden wie Sie und ausschließlich große, kluge Gedanken haben.

    Ihre Briefe bewahre ich an einem geheimen Ort in einem sehr schönen Kästchen auf.

    Bei Sonnenuntergang lese ich sie aufs Neue.

    Tamiko

    Dear Jansson san,

    Einmal, als Sie mir geschrieben haben, war es in Finnland Sommer und Sie haben auf der einsamen Insel gewohnt.

    Sie haben mir erzählt, dass Sie auf Ihrer Insel sehr selten Post bekommen.

    Dann bekommen Sie wohl viele Briefe von mir auf einmal?

    Sie sagen, dass Sie es gut finden, wenn die Schiffe vorbeifahren und nicht anhalten.

    Aber jetzt wird es Winter in Finnland.

    Sie haben ein Buch über Winter geschrieben, Sie haben meinen Traum beschrieben.

    Ich möchte eine Geschichte so schreiben, dass jeder seinen eigenen Traum versteht und wiedererkennt.

    Wie alt muss man sein, um eine Geschichte zu schreiben?

    Aber ohne Sie kann ich sie nicht schreiben.

    Jeder Tag ist ein Tag des Wartens.

    Sie haben gesagt, Sie sind so müde.

    Sie arbeiten, und es gibt zu viele Menschen.

    Aber ich will der Mensch sein, der Sie tröstet und Ihre Einsamkeit beschützt.

    Das hier ist ein trauriges Haiku von einem, der zu lange auf seine Liebste wartete.

    Sie sehen, was das für ein Ende nahm!

    Aber es ist nicht sehr gut übersetzt.

    Ist mein Englisch nicht besser geworden?

    Für ewig Tamiko

    Geliebte Jansson san, danke!

    Ja, so ist es, man braucht nicht alt genug zu werden,

    man fängt einfach an, eine Geschichte zu schreiben,

    weil man muss, über das, was man weiß und kennt, oder

    auch über das, wonach man sich sehnt,

    über den eigenen Traum, das Unbekannte.

    Oh geliebte Jansson san. Dass man sich nicht darum

    kümmern soll, was die anderen meinen und verstehen.

    Während man erzählt, hat es nämlich nur mit der Erzählung

    und einem selbst zu tun. Dann ist man auf die richtige

    Art einsam.

    Jetzt gerade weiß ich alles darüber, wie es ist, eine Person

    zu lieben, die weit weg ist, und ich werde schnell

    darüber schreiben, bevor sie sich nähert.

    Ich schicke wieder ein Haiku, es handelt von einem

    kleinen Bach, der im Frühling so fröhlich wird, dass alle

    zuhören und Lust bekommen. Ich habe keine Zeit,

    es zu übersetzen.

    Hör mir zu, Jansson san, und schreibe mir, wann ich

    kommen soll. Ich habe Geld gesammelt und ich glaube,

    ich kriege ein Reisestipendium. Welcher Monat ist der beste

    und schönste für unsere Begegnung?

    Tamiko

    Dear Jansson san

    Vielen Dank für Ihren sehr klugen Brief.

    Ich verstehe, dass der Wald in Finnland groß ist, und das Meer ist auch groß, aber Ihr Haus ist sehr klein.

    Es ist ein schöner Gedanke, dass man einem Schriftsteller nur in seinen Büchern begegnen sollte.

    Ich lerne immerzu etwas.

    Ich wünsche Ihnen gute Gesundheit und ein langes Leben.

    Ihre Tamiko Atsumi

    Meine Jansson san

    Es hat den ganzen Tag geschneit.

    Ich werde über den Schnee schreiben können.

    Heute ist meine Mutter gestorben.

    Wenn man in Japan die Älteste in einer Familie geworden ist, kann man nicht fortreisen, und das will man auch nicht.

    Ich hoffe, Sie verstehen mich.

    Ich danke Ihnen.

    Das Gedicht ist von Lang Shih Yian, der einst ein großer Dichter in China war.

    Es wurde von Hwang Tsu-Yii und Alf Henriksson in Ihre Sprache übersetzt.

    »Der Wildgänse Schreie sind schrill,

    hergetragen von dumpfen Winden.

    Viel Schnee bringt der Morgen und

    das Wetter ist wolkig und kalt.

    Nichts in meiner Armut habe ich,

    dir zum Abschied zu schenken

    als die blauen Berge, die dir überall folgen.«

    Tamiko

    DER ACHTZIGSTE GEBURTSTAG

    I

    Als wir ankamen und Jonne die großen Limousinen vor Großmutters Treppe sah, sagte er sofort, dunkler Anzug wäre angebracht gewesen.

    »Stell dich nicht an, Schatz«, sagte ich. »Bleib ganz ruhig. Großmutter ist nicht so. Die Leute, die hierherkommen, die haben Samthosen an und was weiß ich nicht alles, Bohemiens gefallen ihr.«

    »Das ist es ja gerade«, sagte Jonne, »ich bin kein Bohemien, ich bin ganz normal, ich habe kein Recht, an einem Achtzigsten Samthosen zu tragen. Und ich treffe deine Großmutter heute zum ersten Mal.«

    Ich sagte: »Wir packen es aus, bevor wir reingehen, das ist höflicher. Großmutter packt nur an Weihnachten gern selbst Pakete aus.«

    Das mit dem Geschenk war nicht ganz einfach gewesen. Großmutter hatte angerufen und gesagt: »Kindchen, du bringst doch hoffentlich deinen Jüngling mit, damit ich ihn mir anschauen kann, aber besorg jetzt bitte kein unnötiges teures Geschenk. Mittlerweile habe ich das meiste und außerdem einen besseren Geschmack als die Mehrzahl meiner Nachfahren. Und wenn ich sterbe, möchte ich kein allzu großes Chaos hinterlassen. Überlegt euch nur etwas ganz Schlichtes, Liebevolles. Und versucht ja nicht, etwas zu finden, das mit Kunst zu tun hat, denn das schafft ihr nicht.«

    Wir überlegten hin und her. Großmutter hält sich für den Gipfel an unkomplizierter Toleranz, dabei belastet sie die Verwandtschaft in Wirklichkeit mit anspruchslosen Wünschen, die bei allem Freisinn recht lästig werden können. Eine stilvolle Schale aus dickem Glas zum Beispiel, das wäre so einfach gewesen, aber nein, da ist man dann bürgerlich und kein bisschen liebevoll. Natürlich habe ich Jonne so einiges über Großmutter und ihre Malerei erzählt, und Jonne ist beeindruckt. Zu Hause haben wir eine ihrer frühen Skizzen, aus San Gimignano, wo Großmutter auf ihrer ersten Stipendienreise landete, also bevor sie durch die Bäume, die sie malt, berühmt wurde. Sie sprach oft von San Gimignano. Und ich wollte immer wieder von Neuem hören, wie glücklich sie in diesem italienischen Städtchen mit all den viele Türmen gewesen war, wie sie sich stark und befreit gefühlt hatte, als sie bei Sonnenaufgang aufwachte, um zu arbeiten, eine Signorina hatte ihren Gemüsekarren durch die Stadt gerollt und Großmutter hatte das Fenster geöffnet und auf das, was sie haben wollte, gedeutet, und sie verstanden sich sofort und lachten, und es war warm und alles war schrecklich billig, und dann ging Großmutter mit ihrer Staffelei hinaus … Jonne gefällt diese Geschichte auch. Und neulich, da ist was Unglaubliches passiert: Jonne ist losgezogen und hat auf eigene Faust in einem Gemischtwarenladen ein Bild aus San Gimignano entdeckt. Und damit hatten wir Großmutters Geschenk. Im Laden sagten sie, es sei eine Lithografie vom Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. Wir fanden das Bild nicht besonders gut, aber immerhin.

    »Jonne«, sagte ich, »jetzt gehen wir rein. Sei ganz natürlich, das gefällt ihr.«

    In der Türöffnung zu Großmutters Atelier stand eine lange Reihe Gratulanten, ein paar kleine Kusinen flitzten raus und rein und nahmen die Mäntel ab, nach und nach wurden wir in den großen luftigen Raum geschleust, der von Großmutters Trabanten prachtvoll geschmückt und hergerichtet worden war. Ich peilte Großmutter an, steuerte in ihre Richtung und drückte Jonnes Arm kurz fest an mich, um ihn zu beruhigen. Gedämpfte Hintergrundmusik war zu hören, nichts Klassisches, vermutlich etwas, dessen erlesene Auswahl Großmutters geheime Signatur trug.

    Wir gingen auf sie zu. Sie hatte sich mit ihrer üblichen, bewusst kalkulierten Nonchalance gekleidet, die weißen Haare lagen wie zufällig in leichten Locken um ein aufmerksames, höfliches Gesicht mit sehr klaren und spöttischen Augen.

    »Das hier ist Jonne«, sagte ich. »Jonne. Großmutter.«

    »Willkommen«, sagte sie. »Aha, das hier ist also Jonne. Du bist Finne, nicht wahr?«, fuhr sie fort und betrachtete ihn mit mildem Blick. »Wie wirst du nur in so einer alten, dickköpfigen Familie klarkommen, wo man nur Schwedisch spricht? Und wie war das wieder, seid ihr verheiratet oder nicht? Ist das unter Dach und Fach?«

    »Unter Dach schon, aber nicht unter Fach«, antwortete Jonne mutig, und Großmutter lachte, und ich wusste, dass er ihr gefiel. Sie sagte: »Und? Wo habt ihr das Geschenk?«

    Sie musterte das Bild aus San Gimignano ausgiebig und bemerkte, nun, da habt ihr euch ja wirklich Mühe gegeben, und fügte mit einem blitzschnellen Lächeln hinzu: »Ich habe dasselbe Motiv gezeichnet. Aber besser.« Mit einer kleinen Geste, die sowohl Abfertigung als auch geheimes Einvernehmen ausdrückte, ging sie weiter.

    Dominiert wurde der große Raum von Großmutters Modelltisch, der, von dem Brokattuch aus Barcelona bedeckt, üppig bestückt war mit allerlei Köstlichkeiten, von Oliven bis zur Sahnetorte, jüngere Nachkommen liefen mit Vasen hin und her, die sie bereits am Morgen mit Wasser gefüllt hatten, die Gäste standen in Gruppen beisammen und unterhielten sich fieberhaft, und jeder erhielt ein Glas Champagner. Über dem Ganzen segelte Großmutter wie ein Bild von Chagall und verteilte einen gleichsam neutralen Segen, kam und ging und gab hie und da kurze Bemerkungen von sich. Aber ich merkte genau, dass sie sich davor hütete, die Gäste einander vorzustellen. Nicht die geringste Andeutung von nachlassendem Gedächtnis – stellt euch bitte selbst vor, liebe Freunde. Wie soll es mir nur jemals gelingen, so frei zu werden wie Großmutter!

    Das Atelier wurde unentwegt von rennenden und schreienden Kindern durchquert, doch die schienen Großmutter nicht im Geringsten zu irritieren, sie überließ es einfach den Müttern, sich um das zu kümmern, was sie da zustande gebracht hatten.

    Jonne und ich setzten uns an einen Tisch mit vielen Leuten und merkten erst zu spät, dass wir an den falschen Tisch geraten waren; es war ein Tisch für jene, die Großmutter als die Intellektuellen bezeichnete und die ausschließlich miteinander zu verkehren pflegten. Was die Intellektuellen so machten, wusste ich nicht. Ich versuchte verzweifelt, mir irgendeine Bemerkung auszudenken, und schließlich, nach langem Schweigen, wandte ich mich an einen Herrn mit Spitzbart und sagte, das abendliche Licht im Atelier sei ungewöhnlich schön. Zu meiner Erleichterung begann er sich über die Bedeutung des Lichts auszulassen und ging dann zur Idee der Perzeption über, es dauerte allerdings lange, bis ich begriff, dass er Kunstkritiker war. Zum Glück schien er nichts anderes zu erwarten, als dass man ihm zuhörte, ich nickte nachdenklich und sagte ja natürlich und wie wahr. Ab und zu blickte ich zu Jonne hinüber, der gegenüber saß und unglücklich aussah. Er war neben einem dieser Genies gelandet, die nur schweigen und kein bisschen hilfreich sind. Trotzdem war ich ein bisschen stolz darauf, dass mein Jonne in eine Familie mit künstlerischem Ursprung geraten war, in eine Familie, wo man ein Fest von erstaunlicher Dimension wirklich zu organisieren verstand.

    Mit der Zeit gelang es Jonne, aufzustehen und zu mir herüberzukommen. »Machen wir uns auf den Heimweg?«, zischte er mir ins Ohr.

    »Ja«, sagte ich, »bald.«

    Genau in diesem Moment kamen sie herein, drei Herren von undefinierbarem Äußeren. Irgendwie wirkten sie leicht verlottert – nein, fleckig, verwischt. Aber Bohemiens waren sie absolut nicht, langhaarig zwar, aber eher auf die Art älterer Herrschaften. Sie machten eine große Nummer aus ihrem Auftritt, verneigten sich tief vor Großmutter und küssten ihr die Hand. Großmutter geleitete sie

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