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Gesetzbuch des Kosmos
Gesetzbuch des Kosmos
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eBook369 Seiten4 Stunden

Gesetzbuch des Kosmos

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Über dieses E-Book

Auf der Jagd nach Chaeremons Werkzeug

Zwanzig Jahre nach der Niederlage des falschen Propheten Chaeremon taumelt das Römische Imperium auf eine Krise zu. In den Kriegswirren des Nahen Ostens gelingt Prinzessin Iulia Balbilla die Flucht aus ihrer Verbannung. Unverzüglich schickt sie sich an, die verlorene Macht ihres Herrscherhauses zurückzugewinnen. Egal, um welchen Preis.

So erhebt das untergegangene Königreich Commagene wieder sein Haupt. Seine Agenten ziehen aus, um das Opus Gemini zu beschaffen, mit dem Chaeremon einst die Massen am obergermanischen Limes beherrschte. Nur Restitutus, der Opferherr aus dem antiken Wiesbaden, weiß noch, wo es versteckt ist. Doch Restitutus ist seit Monaten spurlos verschwunden.

Die Mächte, die an dieser letzten überlebenden Kopie des Mechanismus von Antikythera interessiert sind, setzen sich darum auf die Spur der übernächsten Generation: seines Adoptivenkels Adrianus und dessen Pflegeschwester Valeriana.
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum11. Okt. 2015
ISBN9783959269131
Gesetzbuch des Kosmos

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    Buchvorschau

    Gesetzbuch des Kosmos - Codex Regius

    Codex Regius
    OPVS GEMINI I: Gesetzbuch des Kosmos

    Der ROMANIKE-Zyklus

    Teil 1: Corpus Sacrum (Neuauflage 2016)

    I: Herrin über Alles

    II: Der Mann, der niemals stirbt

    III: Der Schwertstern geht auf

    Teil 2: Opus Gemini

    I: Gesetzbuch des Kosmos

    II: Räderwerk des Schicksals (in Vorbereitung)

    III: Gerät der Gewalt (in Vorbereitung)

    Codex Regius

    ROMANIKE

    OPVS GEMINI I:

    Gesetzbuch des Kosmos

    1. deutsche Auflage

    Veröffentlicht von: © 2015 Codex Regius

    Alle Rechte vorbehalten.

    Autoren: Codex Regius

    Adresse: codex.regius@romanike.de

    Einband und Gestaltung: Codex Regius

    Alle Bilder gemeinfrei oder Erzeugnisse der Autoren

    Karten und Diagramme erstellt von Codex Regius

    E-Book-ISBN: 978-3-95926-913-1

    Verlag GD Publishing Ltd. & Co KG, Berlin

    E-Book-Distribution: XinXii

    www.xinxii.com

    Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne schriftliches Einverständnis der Autoren nicht vervielfältigt werden, auch nicht in Auszügen.

    Wiesbaden/Ljubljana 2015

    Hat Ihnen das E-Book gefallen, so empfehlen Sie Ihren Freunden den Download eines persönlichen Exemplars auf XinXii.com. Ein großes Dankeschön, dass Sie die Arbeit des Autors respektieren!

    EINFÜHRUNG

    1901 kehrte die höchstentwickelte Mechanik der antiken Welt ans Sonnenlicht zurück. Bis dahin hatte sie zweitausend Jahre lang in einem römischen Schiffswrack vor der griechischen Insel Antikythera auf Bergung gewartet. Doch erst 1957 wurde der verklebte Klumpen aus Zahnrädern, Getriebeachsen, Skalen und Zeigern als Überrest eines bisher für diese Zeit und die kommenden Jahrhunderte einzigartigen astronomischen Instruments erkannt. Dieses nun als MECHANISMUS VON ANTIKYTHERA bekannte Gerät konnte auf einer Art Uhrenblatt die für ein frei wählbares Datum geltenden Stellungen der Sonne, des Mondes sowie wohl auch der sichtbaren Planeten am Himmel angeben, und es berücksichtigte manche Feinheiten ihrer wechselhaften Umlaufbahnen. Noch faszierender war, dass dieses Instrument Sonnen- und Mondfinsternisse über viele Jahre voraussagen konnte!

    Seit der Jahrtausendwende lenkten die Veröffentlichungen des Antikythera Mechanism Research Projects (AMRP) die Aufmerksamkeit wieder auf dieses einzigartige Objekt (https://www.antikythera-mechanism.gr). Wenn Sie das Athener Nationalmuseum besuchen, können Sie es dort besichtigen; Nachbauten befinden sich unter anderem im Astronomisch-Physikalischen Kabinett in Kassel.

    Das AMRP glaubt, dass der Mechanismus entweder aus Korinth stamme oder aus dessen berühmter Kolonie Syrakus auf Sizilien. Doch das Wrack, mit dem er sank, barg Fracht aus Kleinasien und hatte Westkurs gesetzt – vermutlich nach Rom. Wir wissen nicht, wer ihn benutzte und zu welchem Zweck. Kein antiker Autor beschrieb offenbar seine Funktion, auch wenn Poseidonius und Cicero - neben anderen Autoren - Instrumente erwähnen, die die Bewegungen am Himmel vorhersagen konnten. Kein zweites Gerät gleichen Alters wurde bisher gefunden: das zweitälteste, das wir kennen, ist Jahrhunderte jünger und weit primitiver gestaltet. Aber eines kann als sicher angenommen werden: Der Mechanismus von Antikythera ist technisch ausgereift, er kann kein Prototyp gewesen sein.

    Die Trilogie Opus Gemini, Teil des Romanike-Zyklus, erzählt die Geschichte seiner untergegangenen Geschwister:

    Im Jahr 161 ist in Rom nur noch ein einziges solches Werk bekannt: das OPUS GEMINI, das einst von dem Astronomen Geminus auf der Insel Rhodos entwickelt worden war. Die ersten drei Bände des Romanike-Zyklus (erstmals 2006 unter dem gemeinsamen Titel Corpus Sacrum veröffentlicht) erzählten, wie Geminus’ Werk zwanzig Jahre vor Beginn der vorliegenden Geschichte an den Ort kam, an dem es nun ist.

    Aber jetzt kehrt Prinzessin Iulia Balbilla wieder, die legitime Besitzerin des OPUS GEMINIs. Schon damals wurde sie vom römischen Kaiser Antoninus Pius ins Exil geschickt. Auf ihre Chance zur Rückkehr wartete sie seitdem in der Grenzstadt Samosata am Fluss Euphrat - dort, wo einst der Thron ihrer Vorfahren gestanden hatte, der Könige von Commagene. Nun gibt es Antoninus Pius nicht mehr und Roma hat neue Herren: Marcus Aurelius, den Philosophen auf dem Kaiserthron, und seinen Mitregenten Lucius Verus. Zum ersten Mal wird Rom von zwei Kaisern zugleich regiert. Und sofort hat ein mächtiger Rivale - Vologaeses IV, König der Parther - die Ostgrenzen des Römischen Reichs überrannt. Als Prinzessin Balbilla der Plünderung ihres Verbannungsorts entkommt, fasst sie Pläne, wie sie an den Gipfel der Macht zurückkehren kann. Und dafür braucht sie das OPUS GEMINI.

    Der interessierte Leser findet im Anhang ein Glossar der lateinischen und anderssprachigen Ausdrücke, die im Text auftreten, sowie Verzeichnisse der geographischen Namen mit ihren modernen Entsprechungen. Ausführlichere Hintergrundinformationen gibt es auf unserer Homepage unter www.opus-gemini.de, weitere Bücher, die nicht zur Romanike gehören, werden unter www.codex-regius.de vorgestellt.

    De griechischen Verse im 6. und 13. Kapitel sind den Zeilen 95-97 aus Pindars »Pythischer Ode Nr. 8« entnommen:

    ἐπάμεροι· τί δέ τις? τί δ’ οὔ τις? σκιᾶς ὄναρ

    ἄνθρωπος. ἀλλ’ ὅταν αἴγλα διόσδοτος ἔλθῃ,

    λαμπρὸν φέγγος ἔπεστιν ἀνδρῶν καὶ μείλιχος αἰών.

    Épámeroi: Tí dé tis? Tí d’oú tis? Skiâs ónar

    ánthrôpos. All’hótan aígla diósdotos élthê,

    lamprón phéngos épestin andrôn kaí meílichos aiôn.

    Eintagsfliege: Was ist? Was ist man nicht? Eines Schattens

    Traum der Mensch. Sobald aber Glanz von den Göttern her kommt,

    ist strahlend Licht bei den Sterblichen, süß das Dasein.

    DRAMATIS PERSONAE

    Das Haus Balbilli:

    * Iulia Balbilla: Erzpriesterin und Prinzessin von Commagene.

    * T. Balbillus Aquila: Balbillas Neffe.

    * Avidius Cassius: Feldherr und Balbillas Vetter.

    Pernica die Schnelle, eine Gladiatrix aus dem hohen Norden

    Sedigitus das Ungetüm: ihr aufgezwungener Gefährte.

    Der Curator: Balbillus Aquilas Helfer.

    Sucinella: Balbillas Vertraute.

    Das Haus Iulii

    von Aquae Mattiacorum:

    *C. Iulius Restitutus, Hausherr, auf rätselhafte Weise verschwunden.

    Lucania Castilla, seine Frau, starb vor Kummer über den Verlust des Mannes.

    C. Iulius Demetrius und Caesernia Sabina (vormals Caesernii Charis Sabiniana), Freigelassene und adoptierte Erben.

    C. Iulius Adrianus, ihr Sohn, 19 Jahre alt.

    Belsia Valeriana, seine »Schwester ehrenhalber«, 22 Jahre, tatsächlich Tochter des verstorbenen Krämers Belso.

    Die Sklaven:

    Iordanes: Hauslehrer, Iudäer, ersetzte den verstorbenen Apollodorus.

    Aiax: Koch.

    Patroclus: Türsteher aus Nubien.

    Satto: Maiordomus, alternder Gallier.

    Phoenix: Verwalter des Landgutes.

    Das Haus Caesernii:

    * Macedo und Statianus: Vorstände des Hauses von Aquileia.

    * T. Caesernius Severus: Vorstand des Hauses von Emona.

    Ianuarius: Severus’ Türsteher.

    Salama der Iudäer: ein Freigelassener.

    Amatunis: Tochter eines Gastwirts und Clienten, 8 Jahre alt.

    Einige andere Bedienstete, darunter ein Markomanne.

    In Nida:

    Zosimus: Gemeindearzt.

    »Tante« Tochiris: seine ständig geschäftige Sklavin.

    Polychromas: ein seltener dreifarbiger Kater.

    Linus, ein Feinschmied.

    Nasso, sein Geselle.

    Gandestrio, noch ein Geselle, Sohn des Gandarix aus Novum Mattium.

    Lucianus, ein Topfwarenhändler.

    In Mogontiacum:

    * Aufidius Victorinus: Legatus Augustorum, derzeitiger Statthalter der Provinz Germania Superior.

    Zanticus: Führer seiner iazygischen Leibwache.

    Abdethatus: Priester des örtlichen Dolichenums.

    Arborius Arboras: Kaufmann, Mitglied der Überstromfahrer.

    Bovana und Bissula: zwei Prostituierte aus Novum Mattium.

    Grimo: ein Führer auf der Suche nach reichen Gästen.

    Drutalos, Brinno und Matuix: Grimos Helfer beim Suchen.

    Embricho: Gastwirt des Quercus.

    Macrinus: ein hungriger alter Gast des Quercus.

    Tullius Capito: ein trinkfreudiger Legionär.

    Demosthenes: Erzarzt des Lazaretts von Mogontiacum.

    Flavius Leucippus, genannt Carnifex: oberster Chirurg des Lazaretts.

    Dicknase und Schlappohr: zwei Patienten des Carnifex.

    In Novum Mattium:

    Arpo, ein gewöhnlicher Chattvarier.

    Aurina Dísa, die oberste Lachnerin (Heilerin) des Ortes.

    Bauto, ein Holzfäller, möglicherweise mit Iulius Demetrius verwandt.

    Catvalda Truncatus, der Stockfuß: ehemaliger Räuber- und Banditenhauptmann, inzwischen für tot erklärt.

    Catumero, Catvaldas Neffe.

    Gandarix, ein alter Krieger, Vater von Gandestrio in Nida.

    Gandasco und Gandarta, seine anderen Söhne.

    Ganna, seine Tochter; Aurinas Schülerin.

    Ramis, Catumeros Freundin, Aurinas Schülerin.

    Sido: oberster Heerführer der Chattvarier.

    Penzo, Hraban, Uido: drei Sklaven.

    Germanische Edelinge:

    Agenarix, Gesandter des Marcomannenkönigs Ballomarius.

    Ballomarius, übersetzt Dickschwanz, König der Marcomannen.

    Athanaldo, Edeling der Angrivarier.

    Fratto, Edeling der Toutonen.

    Hnisso, Edeling der Bructerer.

    Iossa, Edeling der Hermunduren.

    Sowie Ervicho, Lugurix, Biracos.

    An anderen Orten:

    * Imperator Caesar Marcus Aurelius Antoninus Augustus: Senioraugustus.

    * Imperator Caesar Lucius Verus Augustus: Iunioraugustus.

    Daromil: Pernicas dunkler Schatten

    Hagdan: ein Auxiliarsoldat.

    Sarciapus: Priester des Dolichenums von Nauportum.

    Soeris: seine Frau.

    Lycaon: ihr einziger Sklave.

    Barsimsus: vindelicischer Tagelöhner.

    Theimses: sein Sohn.

    Maddgarisianus, genannt Maddus madidus: Kapitän der Lupa galliana.

    Gavera: Lotse der Lupa galliana.

    Namen mit Sternchen * sind historisch belegt.

    VOLUMEN I

    Dem T. IULIUS BALBILLUS AQUILA nach POLA

    von PRINZESSIN IULIA BALBILLA EÚSÉBEA aus EPHESUS:

    Salve!

    Denn ahnfürchtig waren meine Eltern und Großeltern:

    Balbillus der Weise und Antiochos der König -

    Balbillus, Vater meiner Mutter von königlichem Geblüt,

    und der Vater meines Vaters, Antiochos der König -,

    von ihrem Geschlecht bezieh auch ich mein edles Blut.

    Balbillas Worte sind dies, der Ahnfürchtigen.

    Εὐσέβεεσ γάρ ἔμοι γένεται πάπποι τ‘ έγένοιτο

    Βάλβιλλοσ τ‘ ὀ σόφοσ κ‘ Άντίοχοσ βασίλεύσ -

    Βάλβιλλοσ γενέταισ μἃτροσ βασιλήίδοσ αίμα,

    τῶ πάτεροσ δὲ πάτερ ‚Αντίοχοσ βασίλεύσ -

    κήνεν ἐκ γενέασ κἂγω λάχον αίμα τὸ κάλον.

    Βαλβίλλασ δ‘ έμεθεν γρόπλα τάδ‘ εὐσέβεοσ.

    Iulia Balbilla: Graffito 31, 13-18, Thebae (Aegyptus)

    am XXIV. Athyr im XV. Jahr des Hadrianus Augustus

    = XIII Kal Nov DCCCLXXXIII a. U. C.

    Fürchte nicht, mein Neffe, mich hätten die Wölfe gefressen. So etwas widerfährt nicht mir, Iulia Balbilla, deiner Königlichen Erzpriesterin und Erbin des Reichs, das nicht mehr ist. Denn ich verstehe mich wie keine Andere darauf, die Bahnen der Sterne zu lesen und aus ihnen zu erkennen, was geschehen soll.

    Vielleicht hast Du vernommen, dass Horden des Ostens die Stadt meiner Verbannung geplündert haben; mein Samosata, wo meine Väter einst rechtmäßige Könige waren. Und das hatte ich erschaut.

    Du magst auch gehört haben, dass sie mit Eisen und Pfeil kamen, um alle Länder zu verwüsten bis hinab zu den Binnenküsten, und sie belagerten die Häfen und vertrieben das Volk aus den Städten. Und auch das hatte ich erschaut.

    Denn noch immer meistere ich die Kunst, die meiner Mutter Großvater entwickelte: Thrasyllus der Sternschauer, der zuerst die ARS MATHEMATICA lehrte, welche unserem Haus die Macht der Zahl erschloss. Und dies erschauend gelang es mir, vor dem Sturm des Krieges meiner Gefangenschaft zu entsegeln. Mit Lucianus floh ich, diesem amüsanten Schriftsteller, der kam, um seine Sippe aus Samosata zu retten. Und nach Ephesus geleitete er mich, in die Perle von Asia.

    Möge Roma mich noch ein Weilchen für tot halten, zerstückelt von barbarischen Krummschwertern! Du sollst jedoch gewiss sein: Noch weilt deine Tante in dieser Welt. Der Kaiser mag geglaubt haben, mein Exil währe nicht lange, denn alt war ich schon, als er mich verbannte. Dennoch überlebte ich ihn, und nun wird Roma für seine Ungerechtigkeit zahlen.

    Älter bin ich geworden als jeder andere Mensch, den ich kenne. Obwohl ich Anaireta, meinen Zerstörerstern, in das Zeichen meines Abgangs eintreten sah, sah ich ihn auch wieder austreten. So wendete ich meine Schicksalsstunde ab, um die Macht zurückzugewinnen, die Zeus den Balbilli gewährte.

    Während ich schreibe, schaue ich zu den Stadien hinaus, in denen die Spiele zu Ehren unseres Hauses veranstaltet werden: die KOINÀ ASIÁS BALBILLEIA. Vor dreißig Jahren wohnte ich ihnen im Gefolge meines Kaisers bei. Als wir nämlich zum ersten Male hierher kamen, wurden die Balbilleischen Spiele außerhalb ihrer üblichen Abfolge veranstaltet. Doch nicht, um meinem Kaiser zu gefallen. Für mich taten sie es, für Iulia Balbilla! Denn, so pflegte mein Großvater Balbillus an jedem Morgen seines Lebens anzustimmen: »Roma herrscht über die Welt und die Kaiser herrschen über Roma; aber wir Balbilli herrschen über die Kaiser.«

    Der Wille des Zeus, Königs der Götter, übertrug uns das OPUS GEMINI. Es ist unseres Hauses Wahrzeichen und Erbteil, das Gerät unserer Gewalt, mit der wir Kaiser erheben und Kaiser stürzen. Einmal nur hielt ich es in Händen. Und noch immer kann ich seines Kastens Maserung fühlen und die Kühle seines Rahmens aus Erz, auf dem meine Daumen fettige Abdrücke lassen. Das weiche Knarren seiner Kurbel kann ich noch hören, die ein Dutzend und zwei Dutzend Räder bewegt, und das Schleifen seiner Zeigerchen, die hierhin und dorthin eilen, wie mein Wille befiehlt, um das vergangene und künftige Wandern der Gestirne zu enthüllen.

    Doch ach: Leer sind die Hände, das Erinnern verfliegt aus den Fingern. Es war wiederum in Ephesus, wo mein Kaiser uns über die Mündung des Flusses befahl. An seinem jenseitigen Ufer endet ein Tal, das zu drei Seiten umringt ist von wildwüchsigen Anhöhen voller Gestrüpps, nur dem Meere zu öffnet es sich und gestattet den Blick auf das vielgebirgige Samos, Pythagoras‘ Heimat. Doch an jenem Tag verbarg es sich hinter dunstigem Regen. Selbst Zeus weinte Tränen, als er uns zum Tempel von Clarus hinaufsteigen sah.

    Dort spricht Apollon der Gott seine Orakel, die gerühmter sind als jene von Delphi. Wenn du dich dem Heiligtum näherst, folgst du Alleen von Schatzhaus auf Schatzhaus und Bildnis auf Bildnis, jedes von dankbaren Männern gestiftet. Und mein Kaiser hatte Apollons Tempel instand setzen lassen; nun kam er, es mit der teuersten Gabe zu krönen: dem OPUS GEMINI. Denn dies fürchtete er mehr als einen Dolch in der Nacht.

    Vergib mir, dass ich nicht mehr darüber erzählen mag. Eines Tages sollst du‘s erfahren, ist das Erinnern auch voller Schrecken.

    Nun erwartet uns also ein junger Novize auf den Stufen vor dem Altar: ein hübscher kleiner Mann, der den Heiligen Delphin des Apollon an einer Halskette trägt. Noch immer erinnere ich mich an diese Kette, denn es war ein einmaliges Stück: Erkennen würde ich es, sähe ich es wieder. Dann gebot mir mein Kaiser, mich niederzubeugen und mein OPUS GEMINI auszuhändigen. Wie sehr ich weinte, als ich des jungen Mannes unwürdige Hände an ihm sah! Wie er grinste, als er es in das prächtigste Schatzhaus trug und darin verschloss!

    Doch nicht für immer. Denn es gibt Götter, die mächtiger sind als Apollon.

    Das erste Zeichen göttlichen Zorns kam im folgenden Winter, als in der Provinz Iudaea die Erde erbebte. Das zweite Zeichen war Simon Barchochebas, der sich gegen Roma erhob und zum König von Israel ausrief. Darauf sandte Hadrianus Legionen wider die Iudäer, und seine letzten Jahre waren verdunkelt von Asche und Blut. Als er starb, bespuckte die Welt sein Gedenken. Das dritte Zeichen aber war Chaeremon, der Lügenprophet. Im Tross der heimkehrenden Legionen erschien er, seine Gottheit zu lehren, die mächtiger sei als Zeus. Und um die Wahrheit seiner Worte zu beweisen, stahl er unser OPUS GEMINI.

    Nie räumte Antoninus, der Kaiser, diese Tat ein, auf dass es nicht heiße, Apollon könne seine Güter nicht hüten. Der Novize von damals wurde jedoch aus Clarus verwiesen, so vernahm ich, denn er war entweder seiner Pflicht untreu geworden oder vom Diebe bestochen. Was aus ihm wurde, weiß ich nicht. Erinnere dich nur, dass unser OPUS GEMINI vor gut zwanzig Jahren verloren ging, im dritten Jahr des Antoninus Pius – Eúsébes, sofern du ihn lieber bei seinem griechischen Ehrentitel nennst: des Ahnfürchtigen. (Da, bitte, selbst sein Beiname ist mir Gespött!) Denn er misstraute meiner Treue zu Roma und wies mich in die Verbannung; und du, Neffe, musstest dein Erbe verleugnen und bescheiden an Histrias südlichstem Kap hausen, du, dem Himmel und Erde gebühren!

    Sieh, welchen Weg Roma seitdem genommen hat: Statt einem Kaiser haben wir zwei - kann das denn Zeus gefallen? Oder weshalb sandte der Gott die Barbaren wider uns? Es muss das Gesetzbuch des Kosmos wieder von einem Balbillus gelesen werden, so teilt er uns mit, denn nur unser Weg ist dem Willen der Himmel gemäß. Drum nehme ich die Pein auf mich, auf meine letzte Fahrt zu gehen.

    Du wirst mich kaum wiedererkennen nach diesen 23 Jahren, und doch werden wir uns jetzt wieder treffen, mein Neffe. Gemeinsam werden wir unseren Vetter zum Sieg führen: Avidius Cassius, Spross jenes Königsgeschlechts, dessen Erbin ich bin. Avidius obliegt es, Legionen wider die Horden des Ostens zu führen. Mit dem OPUS GEMINI werden wir ihm beistehen und ihn alsdann zum Kaiser erheben, wie sein Schicksal in des Kosmos‘ Gesetzbuch eingeschrieben ist

    Es gibt welche, die vielleicht wissen, wo es verborgen ist. An die Caesernii denke ich, an das Haus unserer Feinde: ein mächtiges Geschlecht aus tuscischem Adel, das Senatoren und Konsuln nach Roma entsendet. Ihr minderer Zweig ist in der Colonia Iulia Emona zuhause, das die erste bedeutende Stadt auf italischem Boden ist, wenn Du von Osten her anreist. Dorthin hatte Chaeremon das OPUS GEMINI geführt, bevor er sich nordwärts wandte und dort der Kenntnis der Welt entzog, und das Opus mit ihm. Doch folgten ihm ein paar Caesernii dorthin, so besagten die letzten Nachrichten, die ich vor meiner Verbannung erhielt. Die Caesernii sollten wissen, wo das OPUS GEMINI ist!

    Ich erwarte dein Schreiben der Zustimmung, mein Neffe. Lass mich das heutige Horoskop beifügen, welches bezeugt, wie günstig die Sterne auf unsere Stiege zurück an das Steuerdeck des Imperiums Romanum leuchten.

    Ich rufe die Planeten, die Sieben, und beschwöre sie, sich vor dem Gesetzbuch des Kosmos zu beugen.

    Ich rufe die Winde, die Vier, und beschwöre sie, mein Segel dorthin zu steuern, wohin das Räderwerk des Schicksals entführt wurde.

    Ich rufe die Schwestern des Schicksals, die Drei, und beschwöre sie, das Gerät unserer Gewalt uns zu überantworten.

    Ich rufe Balbillus Aquila, meinen Neffen, und beschwöre ihn, den Sieben, den Vieren und den Dreien zu folgen und die Hände, die das OPUS GEMINI beflecken, abzuschlagen.

    Sei auf der Hut. Traue keinem, nicht einmal denen, die unserem Gotte huldigen, denn zu sehr mag des OPUS GEMINIS Macht sie verführen. Rühre es an, und du versuchst den Himmel!

    Entsende nur Diener, die nichts zu verlieren haben und nirgends zu gehen, die uns treu dienen und unser Gesetzbuch erlangen mögen, wie viele Leben auch immer es kosten mag. Lass unsere Mysten sie heimlich bewachen. Zu gegebenen Zeiten sollen sie aus einem Tempel des Zeus Dolichaîos Bericht über ihren Fortgang erstatten. Und falls sie unserer Sache abtrünnig werden, so seien sie dem Tode verfallen.

    Am Tag XVII Kal. Sep.

    VALE

    !

    IM ERSTEN JAHR VON ANTONINUS UND VERUS, DER KAISER.

    XXII AUF XXIII MESORÊ, VII. STUNDE DER NACHT.

    SONNE IN LEO, MOND UND SATURN IN SCORPIO,

    MARS UND MERKUR IN VIRGO, JUPITER IN TAURUS,

    VENUS IN CANCER, HOROSKOP

    IN GEMINI: GLÜCK!

    Α ἜΤΟΥΣ ‚ΑΝΤΩΝΊΝΟΥ ΚΑἸ ΟὐΉΡΟΥ ΤῶΝ ΚΥΡΊΥΝ.

    ΜΕΣΟΡῊ 22 ΕἸΣ 23 ὫΡΑΣ 7 ΝΥΚΤΌΣ.

    ῎ΗΛΙΟΣ ΛΈΟΝΤΙ, ΣΕΛΉΝΗ ΚΡΌΝΟΣ ΣΚΟΡΠΊῼ,

    ῍ΑΡΗΣ ‚ΕΡΜῆΣ ΠΑΡΘΈΝῼ, ΖΕῪΣ ΤΑΎΡῼ,

    ‚ΑΦΡΟΔΕΊΤΗ ΚΑΡΚΊΝῼ, ὨΡΟΣΚΌΠΟΣ

    ΔΙΘΎΜΟΙΣ ἘΠ‘ ἈΓΑΘῶΙ!

    PAPYRUS OXYRHYNCHUS XXXI 2556,

    FÜR DEN TAG XVII KAL SEP IM JAHR CMXIII A. U. C.

    !

    I

    ITALIA ▪ REGIO X

    VENETIA ET HISTRIA

    NOV CMXIII A ▪ V ▪ C

    Pernicas Augen verfolgten den Schwung des blonden Zopfes bei dem Mann, der vor ihr ritt, links und rechts, links und rechts, links und rechts; sein tiefster Punkt markierte die Stelle, auf die sie ihr Wurfmesser zielen musste. Sie fragte sich, ob ihm seine himmlische Rechenkunst auch gesagt hatte, dass ihn an diesem Tag sein Schicksal ereilen würde.

    Das war wirklich etwas Neues: einen anderen Gladiator ohne Gegenwehr zu fällen. Die römische Art des kalkulierten Tötens hatte viel mit Chirurgie gemeinsam. Es war eine mathematische Übung jener Art, die Rutilicus sie gelehrt hatte: die Sitte eines Imperiums, das numerische Genauigkeit sogar beim Blutvergießen schätzte.

    Als Erstes würde ihr Messer ihn ganz unerwartet treffen. Umbringen würde es ihn nicht, dafür war es zu klein. Aber schwächen würde es ihn. Als Zweites zu ihm aufschließen und ihr Schwert in seine Seite stoßen, bevor er Speer oder Schild heben konnte. Am Straßenrand sterben lassen. Als Drittes mit beiden Pferden abhauen. Zum Berg Ocra zunächst und dann weiter, sie wusste noch nicht, wohin. Der Curator würde nie herausfinden, was eigentlich geschehen war auf dieser Straße in den Carusardius, jenes Ödland östlich des Meers, das nur Kargheit und Wind kannte.

    Sie presste die Knie an die Sattelhörnchen und hob flüchtig die Augen zum verschleierten Himmel. Dass alles hinter diesen Wolken von einem Räderwerk beschrieben werden sollte, schien ihr das Erstaunlichste, was sie je in den Ländern der Römer vernommen hatte. Was war und sein würde, war also nicht mehr Kunde von Propheten, sondern Kenntnis der Gelehrten. Menschengeist stieg in den Himmel auf, vermaß den ruhelosen Sternenlauf und teilte ihn in Zeichen, Kreise, Winkel. Bilder wurden gezeichnet, Örter abgesteckt, Bahnen ausgemessen und schließlich die alles steuernden Gesetze aufgedeckt. Ars Mathematica: das war der Name dieser unfassbaren Rechenkunst. Die Weisen schmiedeten die Ordnung des Kosmos in Erz und schufen aus ihm ein Werk, das den Lauf der Sterne widerspiegelte.

    Zumindest hatte es so der Curator im Auftrag von Herrn Balbillus ausgedrückt, dem Besitzer des Gladiatorenvereins, dem sie angehörte - sie kannte ihn als »den Stall«. Die Beschreibung sprach für einen kleinen Wagen oder ein Mahlwerk. Pernica konnte sich keine andere Art von Rädern vorstellen. Doch hatte der Curator auch gesagt, sie könne dieses Ding in beiden Händen halten.

    Und gerade hätte es ihr zeigen können, dass Sol, der Tagleuchter, den Skorpion verließ, um in den Schützen einzutreten, dass Mercurius ihn zu sich rief, während Saturnus zögernd folgte, dass Venus nahte, um die Sonne zu umarmen, auch Mars hinzukam, um die Versammlung zu leiten, bis am Ende sogar Luna, Silbermond des Himmels, sich hinzu gesellen würde. Als greife ein Rad in das andere und drehe es mit sich, so eilten die wandernden Gestirne zueinander. Nur Iuppiter, der goldene Herr der Welt, blieb hochmütig fern: Er allein erhob sich am Abend im Osten und herrschte über die Nacht in strahlender Pracht.

    Hatten die Sterne Herrn Balbillus geraten, Pernica auszuwählen, um sein verlorenes Gerät wiederzuerlangen? Sie hatte sich beworben, Gehorsam geschworen, ihr Preisgeld als Sicherheit für ihre Wiederkehr hinterlegen müssen - doch das kümmerte sie nicht. Wer hatte je von Menschen gehört, die einen Schwur auch hielten? Sie hatte ihn nur geleistet, um zur Ocra zurückzukehren.

    Einige Zeit lang hatte sie nicht gewusst, ob sie angenommen würde. Andere Gladiatoren hatten sie ausgelacht und ihre Hoffnung albern genannt. Schließlich war sie aber doch Sedigitus zugeteilt worden, weil sie das Leben in freier Wildbahn gewohnt war, bei dem er versagen würde, während er in den Städten zuhause war, die für sie nur bedrohliche, menschengemachte Schluchten darstellten. In den Arenen waren sie beide groß gewesen: Pernica die Schnelle, manchmal auch als Panterkatze von Pola beworben, was ihr noch besser gefiel, und Sedigitus das Ungetüm. Er war aus Gründen berufen worden, über die sie nichts wusste, doch schien Herrn Balbillus’ Sache völlig treu ergeben. Dieser bittere Kämpfer war sogar im »Stall« gemieden worden, weil er selten ein Wort sagte und nur lachte, wenn er wieder einen Gegner bezwungen hatte. Wie sehr sie sich danach sehnte, ihn loszuwerden!

    Es war jetzt kälter als unten an der See. Sie hatten keine Seele mehr getroffen, seit sie aus dem Hafen von Tergeste aufgebrochen waren, aufwärts, landeinwärts, Richtung Histria. Vor ihnen erhob sich ein abgeschürfter Berg über Moos und Gestrüpp, weiß wie ein verlorener Schneehügel und so niederdrückend wie der Sarg eines gefallenen Gottes. Dies war die Ocra: der Ort, zu dem sie zurückkehren wollte. Allein. Dafür musste sie noch sorgen.

    Sie hatte nicht gelernt, vom Pferderücken aus zu zielen und das Schaukeln der Sättel dabei auszugleichen. Seit langem schon war sie überhaupt nicht mehr geritten; und ihre Stute, Alata, war so hoch,

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