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Die Konferenz: oder   Wie Markus zu seinem Evangelium kam
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Die Konferenz: oder   Wie Markus zu seinem Evangelium kam
eBook482 Seiten5 Stunden

Die Konferenz: oder Wie Markus zu seinem Evangelium kam

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Über dieses E-Book

Der Patrizier-Sohn Markus Fabius muss vor dem rachsüchtigen Kaiser Tiberius aus Rom fliehen. Tiberius hat den Vater von Markus in den Tod getrieben und fürchtet weitere Gegner.
Die Handelsfirma Drago, die zur Familie des Markus gehört, verhilft ihm zu einer längeren Seefahrt und zu weitreichenden Kenntnissen des 'weltweiten' Handels und entsprechender Gefahren.
Er lernt interessante Menschen kennen, römische Offiziere, Piraten, Geheimdienst-Mitarbeiter, Spione, Verräter, Kaufleute und deren Abenteuer.
Man verwendet ihn in der militärischen Verwaltung der römischen Provinz Judäa. Der Geheimdienst bittet ihn herauszufinden, wie gefährlich die Christen für Rom sein können.
Es findet eine Wirtschaftskonferenz statt, auf der Probleme des römischen Handels mit Arabien, Ost-Asien und Äthiopien zu klären sind.
Markus gerät zwischen die Aktionen des römischen Geheimdienstes und die Aktivitäten der jüdischen Zeloten in Palästina.
Der Umgang mit den Christen und deren Glauben lassen ihn zum Evangelisten werden. Er wird verwickelt in Ereignisse, die in der biblischen Apostelgeschichte geschildert werden. Dabei lernt er den jüdischen Theologen Saul kennen, den späteren Apostel Paulus.
Markus ist anfangs bestimmt von der römischen Aufklärung, dem 'Römischen Frieden', den Kaiser Augustus proklamiert hatte, und von dem entsprechenden Selbstbewusstsein gegenüber der sie umgebenden 'Barbarei'. Markus muss sich dann auseinandersetzen mit Positionen der griechischen Philosophie und des Judentums und den dazugehörenden Kehrseiten. Darüber kommt er zum christlichen Glauben. Er lässt sich schließlich von Petrus taufen.
Im Zusammenhang der Konferenz befreundet er sich mit dem äthiopischen Finanzminister, der sich von Philippus taufen lässt und der sich in einem sehr freundlichen Brief bei den Römern für die Konferenz bedankt.
In diesem Brief wird auch Markus genannt, auf den so Tiberius wieder aufmerksam wird. Markus muss davor geschützt werden und aus dem Blickfeld verschwinden - römische Geheimdienstler werden aktiv, Handelspartner tun das ihre, man bemüht sich um Markus.
Dabei ist Markus verwickelt in die Geschichte der christlichen Gemeinden und ihres Schrifttums, ihrer Auseinandersetzungen intern, aber auch betroffen von den Versuchen der jüdischen Widersacher, die Römer und die Christen zu bekämpfen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum4. März 2014
ISBN9783849575847
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    Buchvorschau

    Die Konferenz - Ulrich Krumin

    Die beteiligten Personen

    Weitere römische Offiziere, Legionäre, Sklaven, Banditen, Mitglieder des Hohen Rates, Christen usw.

    Die Handlung beginnt um das Jahre 35 unserer Zeitrechnung, also etwa zwei Jahre vor dem Tode des römischen Kaisers Tiberius (14 bis 37 n. u. Z.) und später

    Teil 1

    1

    Markus war unterwegs, er fuhr auf einem römischen Handelsschiff von Rom nach dem ägyptischen Alexandrien. Die Reise dauerte und zog sich, man fuhr tagsüber bei günstigem Wind an der afrikanischen Küste entlang, ankerte abends am Ufer und setzte die Reise am nächsten Tage fort – wenn die Bedingungen entsprachen.

    Markus hatte Zeit nachzudenken, über sich und seine Zukunft, aber auch über die Welt, in der er lebte. Es war das 21. Jahr des römischen Kaisers Tiberius, der ein alter Herr von 77 Jahren war. Alles stöhnte über dessen Schreckensherrschaft und wartete auf seinen Tod.

    Aber solange der noch lebte, durfte man das natürlich weder laut sagen noch seine Gesinnung deutlich erkennen lassen.

    In Rom – aber auch auf Capri, wo sich Tiberius seit Jahren aufhielt – wurden fast täglich Menschen hingerichtet, denen man die unterschiedlichsten Dinge vorwarf, die als Beleidigungen Roms oder des Kaisers gedeutet werden konnten.

    Die Söhne des Kaisers waren zu Tode gekommen, zwei seiner Enkel hatte er umbringen lassen, einen in der Verbannung, einen anderen in einem römischen Kerker, die beiden noch lebenden Enkel, Caligula und Gemellus, mussten um ihr Leben fürchten, jederzeit konnte er sich gegen sie beide oder gegen einen von ihnen wenden – so wurde später Caligula der Nachfolger von Tiberius und gleichzeitig kam Gemellus ums Leben.

    Vor vier Jahren hatte Tiberius einen Staatsstreich von Aelius Seianus gefürchtet, dem Befehlshaber der Prätorianer, des Militärs also, das für die Sicherheit der Stadt Rom und des Kaisers zu sorgen hatte.

    Tiberius ließ Seianus hinrichten, aber nicht nur ihn, sondern danach auch viele andere Angehörige des Senats und der herrschenden und in Rom tonangebenden Familien. Die Verdächtigungen und Denunziationen machten vor niemandem Halt.

    Das hatte auch die Familie des Markus getroffen. Er selber war damals ein Halbwüchsiger, hatte sich nicht weiter für Politik interessiert, die Familie lebte in einem schönen großen Haus mitten in Rom, Sklaven sorgten für alles, der Vater Gaius erschien als wohlhabend und politisch einflussreich, die Mutter stand dem Haushalt vor, und ihr ganzes Interesse galt dem einzigen Sohn, für seine Ausbildung sorgten Griechen, die ihm die Sprache, die Kultur und die Philosophie nahe brachten. Man war eine Patrizier-Familie, und zu einem Patrizier sollte auch Markus werden, getreu den römischen Traditionen, in denen diese Familie immer schon eine Rolle gespielt hatte.

    Es gab einen väterlichen Landsitz, in den Hügeln nordöstlich von Rom; von dem bezog man die frischen Lebensmittel und alles, was der Haushaltsführung vom Lande her nützlich sein konnte. Die Mutter hatte einen Grundbesitz aus der Umgebung von Capua in die Familie gebracht, dort hatten lange ihre Eltern gewohnt, bevor sie starben.

    Den Reichtum verdankte man einer Firma des Getreidehandels mit Nordafrika, die Markus Fabius, der Vater des Gaius in der Zeit des Julius Caesar aufgebaut hatte und nach dem sein Enkel Markus genannt worden war, der jetzt nach Ägypten hin unterwegs war.

    Cäsars gab die Devise aus: ‘Panem et circenses‘, ‚Brot und Spiele‘, er ließ also auf seine Kosten Brot verteilen und veranstaltete Spiele für die Bevölkerung Roms. Für das Brot brauchte er Weizen, wurde also ein Stück weit abhängig von den Weizenlieferanten, die daraus die entsprechenden Profite zogen.

    Markus Fabius hat die Verhandlungen und die Verwaltung dieser Geschäfte von seinem Sklaven Drago betreiben lassen, er selber hielt sich vornehm zurück. Drago stammt aus Nordafrika, hat wohl punische Vorfahren, sprach die entsprechende Sprache und kannte die örtlichen Verhältnisse – er war der geeignete Mann für diese Aufgaben.

    So lag es auf der Hand, dass Markus Fabius, der Großvater des jüngeren Markus, in seinem Testament dem Drago die Freiheit schenkte.

    Dieser wurde so das, was man einem Klienten der Familie der Fabier nennt.

    Drago leitete weiter die Firma, bis Gaius, der Vater des Markus, plötzlich sein Testament ankündigte, darin dem Drago die ganze Firma zu eigen übertrug, die Hälfte des verbleibenden Besitzes an Kaiser Tiberius vererbte und Frau und Sohn mit dem Rest genug haben mussten. Unmittelbar darauf schnitt sich Gaius Fabius die Pulsadern auf, verhinderte jede Hilfeleistung und verstarb.

    Für Lutetia, die Frau, und den Sohn Markus brach damals eine Welt zusammen. Erst nach und nach wurde ihnen deutlich, was da eigentlich geschehen war.

    Markus konnte nicht übersehen, dass seine gleichaltrigen Freunde und Bekannten auf einmal ihm aus dem Wege gingen, für ihn nicht mehr erreichbar waren und, wenn er sie irgendwo zur Rede stellen konnte, ihm jede vernünftige Antwort schuldig blieben.

    Der griechische Sklave, der ihn in Philosophie unterrichtete, gab ihm dann erste Erklärungen: Er wies ihn auf die Hinrichtung des Seianus hin, auf die lange Reihe von Prozessen gegen andere gut bekannte römische Patrizier. Er erklärte Markus, was mit deren Familien zu geschehen pflegte: Sie verloren alles Hab und Gut, wurden, soweit sie nicht hingerichtet waren, aus Rom verbannt, mussten mittellos irgendwo in der Fremde, in der Regel auch außerhalb von Italien, als Bettler irgendwie ihr Leben fristen, verhungern, in die Sklaverei oder anderweitig zugrunde gehen.

    Dieses Schicksal hatte Gaius so seiner Familie erspart. Man konnte froh sein, dass der Kaiser Tiberius das Testament anerkannte und deshalb auf eine Anklage gegen den Vater wegen Landesverrats verzichtete – so blieb der Familie eine akzeptable Lebensgrundlage. Das große Haus in Rom wurde verkauft, das Geld bekam im wesentlichen der Kaiser, ebenso das Gut bei Rom, aber der Mutter blieb ihr Landsitz bei Capua, wo Markus die letzten Jahre verbracht hatte. Die kaiserlichen Anwälte hatten auch die Firma „Drago", die sich nun nach ihrem Inhaber nannte, als unabhängigen Betrieb akzeptiert – auch Tiberius brauchte gelegentlich den Weizenhandel.

    Drago wurde in dieser Zeit für die Mutter von Markus eine wertvolle Stütze und ein unentbehrlicher Berater.

    Er selber war inzwischen ein alter Herr, die Arbeit des Weizenhandels und der weiteren Firmenaktivitäten lagen in den Händen seiner Söhne.

    Drago hatte der Mutter geraten, sich auf das Landgut bei Capua zurückzuziehen, damit der Name der Fabier nicht mehr in der Öffentlichkeit genannt werden würde. Was der Vater eigentlich getan hatte, ob und wie weit er in die Machenschaften des Seianus überhaupt verwickelt war, ja die Frage, ob Seianus wirklich Tiberius hatte stürzen und umbringen wollen oder nur die Zeit nach dessen Tode angemessen vorbereitete – das alles liegt im Dunkel der Geschichte und war – zumindest für Markus – nicht mehr aufzuhellen.

    Wie kam Markus nun auf ein Handelsschiff, das ihn von Rom aus nach dem ägyptischen Alexandrien bringen sollte?

    Einerseits war für Markus die Umstellung schwer gewesen von dem Leben in der Großstadt Rom, das angefüllt war mit vielen Erlebnissen und Begegnungen mit den Familien ihrer Kreise, den Freundschaften und Eifersüchteleien, dem vielfältigen Mit- und Gegeneinander der entsprechenden Menschen, hin zu einem Leben auf dem Lande, wo ‚der Einäugige unter den Blinden König‘ war, wo die Menschen sie, die Patrizier aus der Hauptstadt, bestaunten, zumindest in einem Maße respektierten, das sie bisher so nicht kannten oder gewohnt waren.

    Andrerseits blickte Markus nach vier Jahren auf eine Zeit der Ruhe, der Konzentration auf seine Bildung und Ausbildung zurück, die so in Rom wohl kaum möglich gewesen wäre. Die Mutter hatte seine besten Lehrer behalten und auf das Land mitnehmen können.

    Sie hatte sich noch mehr der Aufgabe zuwenden können, die hier ihrem Leben nach ihrer Auffassung den verbleibenden Sinn gab.

    Markus erinnerte sich gut, welche Sorgen sich die Mutter um ihn und seine Zukunft gemacht hatte, Überlegungen, die ihm ziemlich fremd blieben und die er der Mutter eigentlich ausreden wollte. Als er dann sah, worauf das alles hinauslief, war er doch sehr einverstanden:

    Die Mutter hatte immer wieder gefragt, wie es nun mit ihm weitergehen sollte. Markus war inzwischen 20 Jahre alt. Was hätte aus ihm werden sollen? Sollte ein Fabier den Sinn seines Lebens nur als Bauer oder Landwirt finden? Da war die Mutter zu sehr den Traditionen verhaftet, das sollte doch irgendeine Form von Staatsdienst sein, zumindest musste Markus vor einem ‚Verbauern‘ oder einem ‚Hinterwäldlertum‘ bewahrt werden, irgendwie hatte er etwas von der großen weiten Welt kennen lernen sollen.

    Für die Mutter hatte es dann noch das Problem einer Heirat gegeben. Solange man in Rom lebte, war Markus zwar noch weit entfernt von einem Alter, indem die entsprechenden Entscheidungen anstünden, aber mit ihrem Mann hatte sie doch die eine oder andere Möglichkeit diskutiert, ohne dass man irgendetwas unternommen hätte. Aber hier in der Provinz? Da gab es sicher auch nette hübsche Mädchen, an die ein junger Mann sein Herz hätte verlieren können. Junge Frauen vom Lande kämen vielleicht für eine Flirt infrage oder ähnliches. Aber konnte ein Fabius denn eine andere als eine Frau aus einer römischen Patrizier-Familie heiraten?

    Markus hatte solche Überlegungen von sich geschoben, für ihn wäre anderes wichtiger gewesen. Aber die Mutter sah sich in einer Situation, sich wieder einmal an Drago zu wenden und ihn um Rat zu fragen.

    Der antwortete postwendend und lud Markus nach Rom zu sich ein. Der Mutter schrieb er, dass er es für sinnvoll hielt, dass Markus sich ein eigenes Leben außerhalb von Italien aufbaute, außerhalb der Sphäre, die Kaiser Tiberius direkt überblicken konnte.

    Da wäre dann irgendein Staatsdienst möglich, irgendwo in untergeordneter Funktion, so dass das in Rom nicht sofort bekannt zu werden brauchte. Sollte derartiges schwierig sein, bot Drago aber auch die Möglichkeiten seiner Firma an: Neben dem Weizenhandel, der immer noch ein Standbein ihrer Aktivitäten war, hatte sich der Fernhandel mit Luxuswaren aus Indien, Arabien und weiteren unbekannten Ländern in Ostasien und Äthiopien (das ist damals alles afrikanische Gebiet südlich von Ägypten) gut entwickelt. So gab es neuerdings eine Firmenniederlassung in Alexandrien. Drago schlug vor, Markus dorthin zu entsenden und ihm so die Möglichkeit zu geben, Neues kennen zu lernen und ein selbständigeres Leben zu beginnen.

    Als Markus davon hörte, war er sofort begeistert. Abenteuerlust, Lebenshunger, der Wunsch, aus der behüteten Welt der Mutter herauszukommen, alles das, was ihn auf dem Lande seit Jahren langweilte, hinter sich zu lassen, Rom wieder zu sehen – er bestürmte die Mutter, dem Vorschlag von Drago zuzustimmen, bis diese nachgab.

    In Rom blieb er nicht lange, Drago schickte ihn mit der ersten Gelegenheit wieder weiter, er wollte bei Tiberius und den Seinen nicht unnötig auffallen und Ärger bekommen.

    Und so näherte sich Markus seiner ersten Station eines selbständigen Lebens, Alexandrien.

    *

    Das Schiff hatte Alexandrien erreicht, für die Römer die Hauptstadt Ägyptens.

    Es war ein Frachtschiff der römischen Firma ‚Drago’. Markus, ein junger Mann, ging an Land und fragte sich durch nach der Zentrale der römischen Militärverwaltung des Hafens und der Stadt.

    Er hatte seine Gründe gehabt, sich hierher kein Empfehlungsschreiben aus Rom mitgeben zu lassen.

    Er wollte sich beim römischen Militär in Ägypten oder weiter im Osten um eine Verwendung als Offizier beziehungsweise als ein entsprechender Bewerber um eine Stelle bemühen, die ihm als Angehörigen des Patrizierstandes zukäme, trotz allem, was dagegen sprechen könnte, trotz des Kaiser Tiberius, trotz des Schicksals seines Vaters, der vor einiger Zeit in Verdacht geraten war, in die Machenschaften des Aelius Seianus verwickelt gewesen zu sein.

    Jeder Patrizier, der sich in Rom für politische Fragen interessierte, konnte immer noch schnell in Verdacht geraten sein, zu Menschen oder Gruppen zu gehören, die Kaiser Tiberius hätten stürzen oder umbringen wollen.

    Was an solchem Gerede dran gewesen war, ob überhaupt jemand Tiberius hatte beseitigen wollen, blieb meist ungeklärt. Markus jedenfalls wusste davon nichts Näheres.

    Er bewunderte seinen Vater, der so klug gewesen war, nach den ersten Gerüchten seinem Leben selbst ein Ende zu setzen, nicht ohne vorher Tiberius zum Miterben seines Vermögens einzusetzen. Die Familie war sehr froh, als man erfuhr, dass Kaiser Tiberius dieses Testament akzeptierte. So blieb der Frau und dem Sohn ein ansehnliches Landgut in Mittelitalien, von dem man leben konnte und auf das man sich dann zurückgezogen hatte.

    Markus dachte auch mit Respekt an Drago, der im Weizenhandel mit der römischen Provinz Africa für die Familie ein größeres Vermögen erworben hatte Er hatte sich hier als Verwalter ausgesprochen bewährt. Mit dem Tode des Großvaters bekam Drago seine Freiheit, mit dem Tod des Vaters das Eigentumsrecht an der Firma. Drago galt seitdem wohl im weiteren Sinne als Klient der Senatorenfamilie, als ihr Schutzbefohlener – auch wenn er zuletzt eher der Familie Schutz, zumindest aber guten Rat, geben konnte.

    Aber seine kaufmännischen Entscheidungen nahm Drago nun unabhängig vor. Er war so mit der Firma auch den testamentarischen Auseinandersetzungen mit den Anwälten des Tiberius entzogen geblieben.

    Markus war Drago für seinen Rat an die Mutter dankbar, dass er sich um eine eigene Karriere kümmern sollte, dies aber nicht in Italien, sondern lieber etwas weiter weg, deutlich entfernt von den Entscheidungszentren der Macht. Sein Name beziehungsweise der seiner Familie oder seines Geschlechts sollte, solange Tiberius Kaiser blieb, möglichst wenig genannt werden.

    Anfangs fühlte sich Markus für solch eine Reise noch zu jung, aber er hatte nun von all diesen deprimierenden Ereignissen den nötigen Abstand gewonnen. Die Jahre in Mittelitalien auf dem Gut der Großeltern hatten ihm Kraft und Selbstbewusstsein gegeben. Schließlich meinten aber auch die Mutter und weitere gute Freunde, er müsste endlich einmal etwas für sich und für seinen Werdegang tun.

    Er war Drago sehr dankbar, dass dieser ihm angeboten hatte, mit einem Schiff der Firma ins östliche Mittelmeer zu gehen, um dort in irgendwelchen Militärverwaltungen unterzukommen oder sonst irgendetwas Passendes im Staatsdienst zu finden.

    Sollte das schwierig sein, hätte er auch im Auftrag der Firma sich vor Ort um Geschäfte kümmern können. Der Weizenhandel oder die Geschäfte mit fernen Länder hätten ihn reizen können, Äthiopien klang gut, aber auch Arabien, Indien und wie die sagenhaften Inseln darüber hinaus heißen mochten – die Schiffer, die bis dorthin fuhren, werden ihre Gründe gehabt haben, darüber nicht alles ihnen Bekannte zu erzählen.

    In der Militärverwaltung von Alexandrien brachte man Markus zu einem der leitenden Offiziere, einem der Stellvertreter des Oberbefehlshabers, einem gewissen Lucius, der gerade anwesend und bereit war, mit ihm zu sprechen. Markus stellte sich vor, nannte auf entsprechende Fragen auch seinen Familiennamen, der natürlich bekannt war. Auch von seinem ‚Unglück‘ beziehungsweise dem des Vaters hatte man gehört, ohne ihm daraus direkt einen Vorwurf machen zu wollen – der Offizier dachte sich seinen Teil, während er Markus genauer betrachtete.

    Vor ihm stand ein junger Mann, um die zwanzig Jahre alt, stattlich, aber nicht übermäßig groß, sportlich, seine Kleidung entsprach seinen Worten, dass er sich zum Patrizierstand rechnete.

    Die Lage von Markus tat dem Lucius leid, aber er musste vorsichtig sein. Wer sich da zu stark engagierte, konnte selber in Verdacht geraten. Andrerseits: Tiberius war alt, lange würde er nicht mehr Kaiser bleiben. Niemand konnte wissen, was danach käme und was dann gelten würde. Dieser Markus Fabius konnte unter neuen Verhältnissen ein junger Mann mit besten Aufstiegschancen sein. Es schien Lucius klug, sich alles offen zu halten.

    So fragte er ihn zuerst: „Wie steht es mit dem Geld? Brauchst du Unterstützung?" Markus schüttelte den Kopf. Seine Mutter hatte ihn nach ihren Möglichkeiten versorgt, die Firma hatte das ihre dazugetan. Drago hatte veranlasst, dass man ihn als Vertreter der Firma mit gewissen Vollmachten ausgestattet hatte, darunter auch Verfügungsmöglichkeiten finanzieller Art.

    „Danke, das ist erst einmal nicht nötig. Ich möchte mir zuerst einen gewissen Überblick verschaffen, welche Möglichkeiten bestehen, um mich zu betätigen. Der Militärdienst hat in meiner Familie Tradition, wir waren immer für Rom da, wenn man uns brauchte. Ich kann aber auch als Geschäftsmann leben, ich habe gute Beziehungen zu dem Handelsunternehmen ‚Drago’; wenn man mich anders nicht verwenden will, kann ich da einen Platz finden".

    „Das freut mich zu hören. Dann können wir darüber in Ruhe nachdenken, melde dich doch in den nächsten Tagen wieder hier. Du wirst von uns hören."

    In Rom hatte Markus bereits verabredet, dass er jeweils ein Quartier in den Häusern der Firma ‚Drago‘ bekommen würde. So nannte er dieses Haus in Alexandrien als seine hiesige Adresse, zu der er sich nun begab. Der Kapitän des Schiffes hatte sein Gepäck bereits dorthin bringen lassen.

    Der Verwalter der Firma wusste, was er zu tun hatte. Die Briefe, die er mit dem Schiff bekam, das Markus nach Alexandrien brachte, waren unmissverständlich: Er hatte hier einen jungen Mann vor sich aus der Familie, der sein oberster Chef viel, wenn nicht alles, verdankte und die in der Vergangenheit bereits öfter ihre schützende Hand über ‚Drago’ gehalten hatte. Zwar würde sie zurzeit wenig helfen können, aber solche Zeiten würden sich schnell ändern. Schon bald konnte man in eine neue Lage kommen, ihre Klienten konnten dann wieder ernsthaft auf Unterstützung angewiesen sein. Der junge Mann würde ‚uneigennützige‘ Hilfe gerade in seiner damaligen Situation später hoch anrechnen und nicht vergessen.

    So nahm er ihn freundlich auf, nicht ohne Angst, dass er in ihm hier in Alexandrien einen Konkurrenten oder gar Nachfolger, in jedem Fall aber doch wohl einen Kontrolleur, zu fürchten hätte.

    Er erzählte ausführlich vom Stand der Geschäfte, indem er seinen persönlichen Einsatz für all die Erfolge der letzten Zeit hervorhob. Er wies daraufhin, wie riskant und gefährlich die Transporte auf dem Nil waren, dass aber die entsprechenden Schiffer in ihren Berichten oft auch heftig übertrieben, um ihren Gewinnanteil zu erhöhen.

    Für diese Verhandlungen wären genaueste Kenntnisse der Verhältnisse die Voraussetzung dafür, dass man nicht betrogen würde oder den Gewinn der Firma zu sehr mindere. Ähnliches gelte für die Karawanen von Syene am Nil nach Berenike am Arabischen Golf (heute: das Rote Meer). Bis dahin ginge der Handel unter dem Schirm der Firma. Dort im Arabischen Golf aber wären Schiffer tätig, die auf eigene Rechnung Waren nach dem südlicheren Äthiopien (heute heißt das Ostafrika), nach Arabien und Indien brächten, vor allem aber Gold und Silber, mit dem sie dort Gewürze, Perlen und Sandelholz einkauften, das Sandelholz, das bei keiner anständigen Leichenverbrennung in Rom fehlen durfte – wegen des Geruches!

    In Berenike am Arabischen Golf müsste man mit diesen Schiffern die entsprechenden Preise aushandeln. Sie brächten gelegentlich sogar Seide aus China, die sonst nur auf dem Landweg, über die Seidenstraße, nach Rom kam, wo der Transport wegen der vielen Kriege und kleineren Kämpfe so unsicher war. Auch dafür schien eine sehr große Erfahrung und Warenkenntnis unverzichtbar.

    Auf Markus stürzte eine Fülle von Einzelheiten ein. Die großen Züge des Geschäfts waren ihm von Rom her, aus den Erzählungen von Drago, und seinen Mitarbeitern unterwegs auf dem Schiff vertraut. Die vielen Hemmnisse und Risiken – real oder auch ihm gegenüber übertrieben – verunsicherten ihn.

    Wie weit war das nicht nur Seemannsgarn? Wie weit sollten solche Schauermärchen nicht nur den bestehenden Handel vor allzu großer Konkurrenz schützen, indem sie unternehmungslustige junge Leute abschreckten?

    So konnte er die Behauptung kaum glauben, dass nur jedes zweite Schiff, das vom Arabischen Golf aus den Handel mit Indien versuchte, erfolgreich zurückkehren würde; jedes zweite bliebe ein Opfer der Seeräuber, die auf dem Hinweg das Geld und auf dem Rückweg die Waren rauben würden, die Besatzungen töteten oder in Ostasien oder im südlichen Äthiopien als Sklaven verkauften, die Schiffe versenkten oder in andere Meere entsandten, um mit der Beute im Arabischen Golf zu erscheinen und die Dinge ihrerseits den Römern zu verkaufen. So etwas kam sicher vor, aber wie weit war das typisch?

    Andere erzählten, dass die Kapitäne, die zwischen dem Arabischen Golf und Indien unterwegs seien, selber abwechselnd als Händler und als Piraten in Erscheinung träten. Zuzutrauen war ihnen das alles, aber wer konnte hier, im sicheren Alexandrien, darüber genaue Kenntnisse haben?

    Sicher war nur, dass auf solchen Fahrten sehr viel Geld verdient wurde, so dass dieser Handel immer die nötigen Interessenten gefunden haben dürfte.

    2

    Am nächsten Tag erschien bereits ein Bote der Militärverwaltung im Büro der Firma und fragte nach Markus. Der sollte sich doch umgehend melden.

    Bei Lucius erfuhr Markus, dass man ihn mit dem nächsten Militärtransport nach Judäa schicken wollte, konkret nach Cäsarea, zu der dortigen Militärverwaltung. Dort würde man weitere Offiziere gut gebrauchen können, er hätte als Anwärter so eine passende Gelegenheit, den niederen Militärbetrieb dort kennen zu lernen und dann auch eine ihm angemessene Position zu finden. Da sei schon bisher nicht besonders viel los gewesen, reine Etappe, kriegerische Aktionen seien nicht absehbar, also ein ruhiger Posten.

    „Bist du bereit, dich auf derartiges einzulassen?"

    Markus war etwas enttäuscht. Er hatte gehört, dass es Pläne gab, den Handel mit Äthiopien militärisch zu schützen, den römischen Einfluss bis zu den unbekannten Quellen des Nil auszuweiten, Piraten zu bekämpfen oder ähnliches. Aelius Gallus hatte vor etwa 50 Jahren solch eine militärische Expedition bis ins südliche Arabien unternommen, ohne dass daraus bleibende Erfolge erwuchsen. Markus träumte davon, bei solchen Unternehmungen zu militärischem Ruhm oder zu Beute zu kommen – und dann Cäsarea?

    Andrerseits, wer war er und was konnte man mit einem wie ihm machen? Er vermochte es sich sehr gut vorzustellen, wie man über ihn und das Schicksal seiner Familie nachgedacht hatte und dann schnell zu dem Schluss kam, ihn umgehend in einer verschlafenen Garnison zu verstecken – oder sollte man besser sagen: zu begraben?

    Vielleicht war das aber auch objektiv richtig, so wie Drago ihn davor gewarnt hatte, sich in Italien oder im näheren Umfeld Roms zu betätigen. Das Ende der Welt war für einen Fabier wie ihn zu den Lebzeiten des Tiberius der sicherste Ort. Also akzeptierte er den Vorschlag.

    Er würde so neue Menschen kennenlernen, vor allem aber das römische Militär mit seinen Eigenheiten. Wenn sich später Gelegenheiten ergeben würden, in größeren Aktionen aktiv zu werden, wären diese Grundkenntnisse eine wichtige Voraussetzung für weitere Erfolge.

    Cäsarea würde seine Lehrzeit sein. Deshalb ließ er sich darauf ein.

    Bereits am nächsten Tag sollte ein Versorgungsschiff von Alexandrien nach Cäsarea abgehen. Er bekam ein Schriftstück, einen ‚Marschbefehl‘, ausgehändigt, das ihn an Bord als römischen Militärangehörigen auswies und in dem er zu der Verwaltung in Cäsarea geschickt wurde.

    Dem Leiter der Firmenvertretung fiel ein Stein vom Herzen, als Markus ihm von seiner neuen ‚Militärkarriere‘ erzählte. Er selber war nun wieder uneingeschränkt Herr in seinem Hause, er wünschte Markus aus vollem Herzen allerbesten und größten Erfolg auf dem neuen Weg.

    Abends beim Wein wies er darauf hin, dass es auch über Palästina gewisse Karawanenwege gäbe. Von anderen Geschäftsleuten hätte er gehört, dass sie Waren aus Indien auf dem Landwege vom Persischen Golf her und aus Arabien bekämen. In der großen arabischen Wüste müsste es einige Oasen geben, die wohl nur wenigen Wüstenbewohnern bekannt seien. Wenn er, Markus, in Cäsarea oder sonst in Palästina davon Näheres in Erfahrung bringen könne, solle er doch dies weitergeben.

    Markus versprach das.

    3

    Das „Versorgungsschiff" erwies sich als flotte Triere, die bei günstigem Winde auch segelte, sonst aber jederzeit gerudert werden konnte. Beim Weg aus dem Hafen heraus und bei ähnlichen Manövern sparte man so viel Zeit.

    Markus war von Ostia aus, dem Hafen Roms, auf einem plumpen Transporter der Firma an Sizilien vorbei zur afrikanischen Küste gesegelt, dort entlang bis nach Alexandrien. Man war fast nur in Sichtweite der Küste gefahren, abends vor Anker und morgens wieder in See gegangen. Das hatte eben seine Zeit gedauert, aber größere Risiken vermied man so, mögliche Schiffsverluste hätten die Firmenbilanz mehr getroffen als Zeitverluste.

    Beim Militär und in der staatlichen Verwaltung rechnete man anders. Es konnte um große politische Entscheidungen gehen, militärische Siege oder Niederlagen, entsprechende Berichte über die politische oder ökonomische Entwicklung bestimmter Provinzen oder der Nachbarländer, so etwas musste unverzüglich nach Rom und zu den entsprechenden Verwaltungszentren gebracht werden können.

    Das gleiche galt für ungeduldige Herren – Frauen hatten sich meist zu gedulden, Cleopatra dürfte als die Ausnahme gegolten haben, die die Regel bestätigte! -, Menschen wie Cäsar wollten nicht unnötig warten oder vom Wetter abhängig sein.

    Wenn das Segeln zu langsam ging, wenn der Wind nicht oder nicht richtig wehen wollte, musste eben gerudert werden, mal von Freiwilligen, guten Römern im staatlichen Interesse, oft aber auch von Sklaven, bestraften Kriminellen oder Kriegsgefangenen.

    In der römischen Marine gab es natürlich auch die kleinen ‚Cäsaren’, die ihre Bedeutung damit unterstreichen mussten, dass sie Menschen dazu brachten, die Launen des Wetters mit ihrer Körperkraft zu überwinden.

    Markus stellte sich dem Kommandanten vor, der ihn schon erwartete. Sonst gab es keine weiteren Passagiere, es handelte sich um eine Routine- beziehungsweise Patrouillenfahrt, die in gewissen Abständen die Verbindungen unter den Militärstützpunkten hielt, indem man so die nötigen Informationen weiterleitete.

    Dabei ging es auch um die Einsatzfähigkeit der Trieren, die in Alexandria stationiert waren und samt ihren Mannschaften nicht nur im Hafen verrotten sollten. Wie all den anderen Abschnitten des Mittelmeers tat es

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