Zauberjagd: Auf der Suche nach dem Schatz der Tugenden
Von Marc Rybicki und Melanie Stoll
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Über dieses E-Book
dem tapferen Kaninchen Gwen und in Berlin dem Igel Eddi, der unbedingt die Mauer überwinden will. Historische Persönlichkeiten kreuzen ihren Weg wie Pharao Ramses, Dschinghis Khan und
Gandhi, während Lanzelot und Morgia nach einem geheimnisvollen Schatz suchen, der den Menschen den Glauben an Wunder und Magie zurück geben soll: der Schatz der Tugenden ...
„Zauberjagd" ist ein Fantasy-Abenteuer für die ganze Familie, das die großen Tugenden wie Mut, Barmherzigkeit, Mäßigung und Hoffnung auf unterhaltsame Weise vorstellt - eingebettet
in wichtige Epochen der Menschheitsgeschichte, abgerundet durch spannende Quizfragen und liebevolle Tusche-Zeichnungen.
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Buchvorschau
Zauberjagd - Marc Rybicki
Stoll
Kapitel 1
Ein trauriger Zauberer
„Zum Donnerwetter!"
Der alte Zauberer Baldock war stinkwütend.
„Diese Menschen! Nicht zu fassen!"
Baldock warf seinen langen Zauberstab in die Ecke des Studierzimmers. Sein breiter Zauberhut, der aussah wie eine umgestülpte Trompete, flog gleich hinterher. „Niemand glaubt an Magie!, schimpfte er weiter und ging dabei im Zimmer auf und ab. „Diese Narren! Haben keinen Sinn für das Übersinnliche! Oh, was für eine schreckliche Zeit!
Seufzend setzte sich Baldock auf einen Lehnstuhl am Fenster. Seine gütigen braunen Augen sahen in die Nacht hinaus. „Computer, Handys, Videospiele – das ist alles, was sie verstehen. Als ob die Technik das Wichtigste wäre." Der Magier strich durch seinen langen, grauen Bart, während er die Hochhaus-Lichter der nahen Großstadt betrachtete. Auf dem Holzboden hörte er Schritte. Sein Gepolter musste seine Gehilfen aus dem Schlaf geweckt haben. Morgia, eine schwarze Katze, und Lanzelot, ein weißer Hund, kamen ins Zimmer. In jedem anderen Heim hätte man die beiden Haustiere genannt. Doch für einen Zauberer wie Baldock hatten die Vierbeiner eine viel größere Bedeutung. Sie waren seine Assistenten und Vertrauten, die ihm Glück brachten und deren Hilfe er unbedingt brauchte, damit sein Zauber gelang. Ohne Morgia und Lanzelot konnte es nämlich gut sein, dass sich ein wohl gemeinter Spruch ins Gegenteil verwandelte und zum Beispiel einem Menschen, dem ein Schnupfen weggezaubert werden sollte, plötzlich die Nase fehlte! Da Baldock aber ein gutmütiger Zauberer war und kein Unheil stiften wollte, waren seine Tiere für ihn das Wertvollste auf der Welt.
Auch Morgia und Lanzelot liebten ihren Herrn sehr und spürten sofort, dass ihn ein großer Kummer bedrückte. Niemals zuvor hatten sie den betagten Hexenmeister so wütend und verzweifelt gesehen. Was war bloß geschehen?
Um ihn aufzumuntern, sprang Morgia in die Falten seines Mantels und Lanzelot stupste mit der Pfote gegen Baldocks Knie.
„Ach, meine Kleinen!, sagte der Zauberer müde. „Stellt euch vor, was passiert ist: Ihr kennt doch die Familie, die am Ende der Straße wohnt? Mit den beiden Kindern, die immer freundlich winken, wenn wir an ihrem Haus vorbeispazieren? Ihre Mutter hat heute Geburtstag und sie hatte sich gewünscht, dass die Sonne scheint, um draußen auf der Terrasse feiern zu können. Also habe ich die Sonne für sie scheinen lassen, warm wie im Sommer! Dabei haben wir Mitte November! Ihr seid ja dabei gewesen, als ich den Wetterzauber gesprochen habe. Eine Freude wollte ich ihr machen.
Baldock warf die Hände in die Höhe. „Doch die Frau hat gesagt, dass die Sonne scheint, sei ein Zeichen des ... Klimawandels! Tse, tse! Klimawandel! Wenn ich das höre! Jedes Geheimnis versuchen die Menschen mit ihrer dummen Wissenschaft zu erklären!, murrte er kopfschüttelnd. „Schließlich habe ich der Frau erzählt, dass ich es gewesen bin, der die Sonne an den Himmel gezaubert hat. Und wisst ihr, was dann passiert ist? Sie hat gelacht! Aber Herr Baldock, hat sie gesagt, Sie sind vielleicht ein Witzbold. Wir leben im Jahr 2015. Zauberei gibt es nur im Märchen.
Baldock schniefte. Lanzelot und Morgia sahen, wie eine Träne aus seinem Augenwinkel rollte. „Ich wurde ausgelacht. Ich … der mächtige Baldock, Freund und Schüler des sagenhaften Merlins! Oh, was waren das für schöne Jahre, als ich mit Merlin am Hof von König Artus gelebt habe. Da wäre niemand auf die Idee gekommen, an unseren Fähigkeiten zu zweifeln. Für den König und seine Ritter der Tafelrunde gehörte Magie zum Leben – genau wie die Tugenden, von denen heute kein Mensch mehr zu wissen scheint."
Baldock hob den Kopf, schloss die Augen und begann eine zarte Melodie zu singen:
„Klugheit, Maß, Gerechtigkeit und Mut
tun allen Menschen gut.
Fügst du Glaube, Liebe, Hoffnung noch hinzu,
findet jede Seele Ruh‘.
Auch diese vier, die rat‘ ich dir:
Demut, Weisheit, Geduld, Barmherzigkeit –
übe sie zur rechten Zeit.
Nach Fleiß und Frieden musst zu guter Letzt du streben,
und dir gelingt ein wahrhaft tugendhaftes Leben."
Morgia miaute und Lanzelot wedelte mit dem Schwanz, weil ihnen das Lied so gut gefiel. Aber Baldock stimmte es nicht fröhlich. „Ja, die Tugenden. Der verlorene Schatz der Menschen. Wieder fuhr sich der Zauberer durch den Bart. „Über 1500 Jahre lebe ich nun schon unter ihnen und habe das Gefühl, dass sie von Jahr zu Jahr dümmer und grausamer werden. Ich bin der letzte der großen Magier. Längst hätte ich mir einen Schüler nehmen sollen. Aber woher? Und wozu? Es gibt keine Zukunft für die Zauberei. Den Menschen ist nicht mehr zu helfen. Das habe ich heute begriffen.
Baldock hob Morgia von seinem Schoß und setzte sie auf dem Eichentisch ab, zwischen Büchern, Pergamentrollen, Krügen, Töpfen und Flaschen, in denen allerlei magische Tränke aufbewahrt waren. Dann stand der Zauberer auf und ging zur Tür. Seine Tiere wollten ihm folgen. Baldock hob die Hand.
„Nein, meine Treuen, lasst mich allein. Ich habe beschlossen, die Zauberei an den Nagel zu hängen. Morgen früh werde ich diese Welt für immer verlassen. Aber vorher lasse ich euch frei. Ein Zauberer, der kein Zauberer mehr ist, braucht keine Gehilfen. Ihr werdet euch einen neuen Herrn suchen müssen. Einen, über den man sich nicht lustig macht."
Kaum hatte sich Baldock in sein Schlafzimmer zurückgezogen, als Hund und Katze beratschlagten, wie sie ihrem Meister helfen könnten.
„Wir müssen etwas unternehmen!, meinte Lanzelot. „Ich will kein anderes Herrchen haben. Meine Familie arbeitet für ihn seit Generationen. Schon mein Vater hat dem großen Baldock gedient. Und mein Großvater. Und mein Ur-Großvater. Und mein Ur-Ur-Großvater. Und ...
„Hör auf zu kläffen! Du brauchst nicht deinen ganzen Stammbaum aufzuzählen, stöhnte Morgia. „Mir geht es genauso. Denkst du, ich möchte woanders leben?
Lanzelot sah die Katze schief an. „Deiner Sorte sind die Herrchen und Frauchen doch egal! Sie sind für euch bloß Dosenöffner. Ihr liebt nur euch selbst!"
Morgia fauchte: „Unverschämtheit! Wenn du das nochmal sagst, kratze ich dir die Augen aus! Wir Katzen können unsere Meister genauso gern haben wie ihr dummen Hunde!"
„Nenn mich nicht dummer Hund! Du weißt, dass ich das hasse, knurrte Lanzelot. „Immerhin bin ich schlau genug um zu wissen, dass wir unserem Chef nicht helfen, indem wir uns zanken.
„Pah! Wer hat denn damit angefangen? Die Katze starrte ihn aus funkelnden grünen Augen an. „Wenn du so schlau bist, hast du sicher auch eine Idee, wie wir die Menschen dazu bringen können, wieder an Zauberei zu glauben?
„Du wirst staunen, die habe ich! Lanzelot verzog sein Maul zu einem Grinsen. „Der Meister hat erzählt, dass die Magie zu den Menschen gehörte, als sie noch diese … wie hieß das Wort … Tugenden besessen haben. Aber die haben sie verloren. Wenn wir die Tugenden nun für sie wiederfinden und ihnen zurückgeben, dann ist auch wieder Platz für Zauber in ihrem Leben.
„Ein guter Plan! Kompliment, Lanzelot."
Da freute sich der Hund, weil die Katze ihn sonst selten lobte. „Mit meiner Schnüffelnase sollte es leicht sein, die Tugenden aufzuspüren. Allerdings … ich weiß ehrlich gesagt nicht genau, was Tugenden eigentlich sind", sagte er kleinlaut.
Morgia verdrehte die Augen. „Jetzt hast du so große Schlappohren und hörst trotzdem nicht richtig zu! Meister Baldock hat gesagt, dass die Tugenden der verlorene Schatz der Menschen sind. Ein Schatz, verstehst du? Gold, Silber, Juwelen! Eingeschlossen in einer Truhe. Und dabei ist sicher ein kostbarer, magischer Schlüssel, der die Herzen der Menschen öffnet für die Zauberkunst."
„Prima!, jubelte Lanzelot. „Los, lass uns suchen gehen! Wir haben keine Zeit zu verlieren! Wir müssen den Schatz gefunden haben, ehe die Nacht vorbei ist und der Meister uns verlässt!
Die Katze zögerte. „Nichts gegen deine Nase – ich gebe zu, dass du besser riechen kannst als ich. Doch wo sollen wir mit der Suche anfangen?"
„Aber Morgia, wozu sind wir die Gehilfen eines Zauberers? Der Hund kicherte, weil er die Antwort auf die Frage bereits wusste. „Die Menschen haben den Tugend-Schatz in früheren Jahren gehabt. Also reisen wir durch die Zeit und holen ihn uns! Du kannst dich doch noch an den Zauberspruch für Zeitreisen erinnern?
„Natürlich. Wir Katzen haben ein phänomenales Gedächtnis. Der Spruch lautet: Mora, Repandus, Badissare!"
Doch als Morgia die Formel ausgesprochen hatte, geschah überhaupt nichts.
„Anscheinend ist dein Gedächtnis doch nicht so toll, maulte Lanzelot. „Da fehlt etwas, da bin ich sicher. Schnell, wir schauen im Zauberbuch nach!
Flink sprang die Katze auf den Eichentisch im Studierzimmer. Dort lag Baldocks dickes Buch. Es war in Leder eingebunden und mit magischen Kreisen und altertümlichen Schriftzeichen verziert. Die Seiten bestanden aus den verschiedensten Stoffen, auf denen Menschen seit Anbeginn der Zeit geschrieben hatten. Pflanzenblätter, Pergament, Papyrus und Seidenpapier.
Lanzelot stellte seine Vorderpfoten auf die Tischplatte, um mit der Nase die Seiten umblättern zu können. Das Lesen fiel ihm schwer, weil er ein junger Hund und mit der Schrift der Menschen noch nicht gut vertraut war. Morgia ging es ebenso. Doch sie erkannten das wichtige Wort, das zum Zauberspruch für Zeitreisen gehörte.
„Aqua – das bedeutet Wasser, sagte Lanzelot. „Jetzt fällt es mir wieder ein! Um durch die Zeit zu reisen, müssen wir den Spruch aufsagen und durch das Wasser gehen. Weil alles Leben auf der Welt aus dem Wasser gekommen ist.
Morgia schüttelte sich. „Igitt! Ich hasse Wasser!"
„Du wirst dich schon überwinden, um unserem Meister zu helfen. Komm! Ganz in der Nähe ist ein Fluss. Wir schleichen durch deine Katzentür ins Freie. Leise, damit der große Baldock nicht geweckt wird!"
Gesagt, getan. Lanzelot hatte Mühe, sich durch die enge Katzenklappe in der Eingangstür zu zwängen. Weil er zu dick war, wie Morgia bemerkte. Den Spott konnte sich die Katze nicht verkneifen. Aber er schaffte es doch. Wenige Augenblicke später standen die beiden im Wald am Ufer des Flusses. Auf dem Wasser glitzerten die Strahlen des Mondes. Aus der Ferne hörten sie den Ruf einer Eule.
„Oh weh!, raunte Morgia. „Es bringt Unglück, wenn eine Eule schreit.
„Quatsch! Eulen sind Zaubervögel. Sie verkünden gute Nachrichten. Das solltest du eigentlich wissen als Gehilfin eines Magiers, sagte Lanzelot. „Nun sag den Spruch auf und lass uns in den Fluss der Zeit springen!
„Ich mag nicht! Das Wasser wird mein schönes Fell verkleben!"
„Hab dich nicht so! Augen zu und durch! Mora, Repandus, Badissare!"
Lanzelot gab Morgia einen Schubs, ehe er selbst ins Wasser hüpfte und ihre abenteuerliche Reise durch die Jahrhunderte begann ...
Kapitel 2
Der besondere Pinguin
(55 Millionen Jahre vor Christus)
Ein kühler Wind fegte über Berge aus Schnee. Lanzelot und Morgia standen auf einer Eisscholle. Vor ihnen tobten die Wellen eines riesigen Meeres.
„Wir haben es geschafft! Wir sind durch die Zeit geflogen! Und dabei kein bisschen nass geworden", freute sich der Hund.
„Ich muss mich trotzdem sauber machen", sagte die Katze und begann, ihre Pfoten zu lecken.
„Ach, du mit deinem Putzfimmel!"
Plötzlich hörten sie lautes Geschnatter. Es kam direkt auf sie zu. Eine Pinguin-Kolonie trabte heran. Die Vögel nickten mit den Schnäbeln und grüßten „Tag, Tag, Tag, Tag, Tag", während sie links und rechts