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Wort-Gefechte: Sprachliche Gemeinheiten aus Politik, Kunst, Wirtschaft & Sport
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eBook289 Seiten3 Stunden

Wort-Gefechte: Sprachliche Gemeinheiten aus Politik, Kunst, Wirtschaft & Sport

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Über dieses E-Book

Dieses Buch ist böse! "Gruselbauer", "Westentaschler", "Schottermizzi", "Alpen-Picasso", "Gedärmewüterich", "Kredenz auf Radln": Die Österreicher verstehen es meisterlich, einander mit Worten aufs Übelste zu traktieren. Sie tun es in der politischen Auseinandersetzung ebenso wie in intellektuellen Debatten um Kunst und Kultur, im sportlichen Schlagabtausch genauso wie im wirtschaftlichen Disput.
Die Kontrahenten sind dabei erbarmungslos, manchmal führen sie die feine Klinge, doch manchmal kommt auch der grobe Klotz zum Einsatz.
Gerhard Vogl hat diese sprachlichen Gemeinheiten akribisch gesammelt und pointiert kommentiert. Das Ergebnis ist lesenswert und gewährt tiefe Einblicke in die Abgründe der österreichischen Befindlichkeiten. Schmunzeln erlaubt!
Die Österreicher sind Meister im Schmieden böser Worte und Gerhard Vogl ihr unübertroffener Archivar. Profunder Kenner der österreichischen Geschichte und Mentalität, ist er Besitzer einer schier unerschöpflichen Sammlung von Anekdoten und Bonmots aus und über Österreich.
In diesem Buch kann man wunderbar nach Stichworten schmökern, etwa "Architektur", "Hochkultur", "Jagdgesellschaft", "Spießer", "Verbal sexual" etc. Zu jedem Bonmot, zu jedem "Sager" erzählt Gerhard Vogl auch den Hintergrund, vor dem dieser entstanden ist, und vermittelt damit auch ein Stück politische Bildung.
Im Vordergrund aber steht der - oft beißende - Humor, wie das Beispiel "politisch korrekt essen" zeigt: Den "Mohr im Hemd" gibt es nicht mehr, er heißt jetzt "Kuchen mit Schlag". Aber, so fragt Gerhard Vogl, wie sieht es dann mit der "Kardinal-Schnitte" aus, oder mit dem "bsoffenen Kapuziner"? Darf man die so nennen? Und der "Große Braune", das Traditionsgetränk in Wiener Kaffeehäusern? Schrammt der nicht am Verbotsgesetz vorbei?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum5. Okt. 2013
ISBN9783218009058
Wort-Gefechte: Sprachliche Gemeinheiten aus Politik, Kunst, Wirtschaft & Sport

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    Buchvorschau

    Wort-Gefechte - Gerhard Vogl

    Adel

    Ein eigenes Kapitel über einen Stand, den es seit 1918 in Österreich nicht mehr gibt? Dessen echte oder vermeintliche Vorrechte gestrichen wurden, dessen Standesinsignien, vor allem die Titel und die Anrede, verboten wurden – zumindest offiziell? Der im politischen Leben (fast) keine Rolle mehr spielt und damit auch als Ziel von Häme und Spott weitgehend ausfällt? Gemach, gemach! Wer suchet, der findet. Meist führt die feine Ironie das sprachliche „Schwert".

    Der einstige Reichstagsabgeordnete (1907–1911) Adalbert Graf Sternberg ließ sich nach dem Zusammenbruch der Monarchie und der Abschaffung des Adels die folgende Visitenkarte drucken:

    Albert Sternberg

    geadelt von Karl dem Großen

    entadelt von Karl Renner

    Hans Weigel, manchem Leser als bitterböser Spötter in Erinnerung, nahm die Abschaffung des Adels gelassen: „Nach der Ausrufung der Republik wurde der Adel in Österreich abgeschafft. An seine Stelle ist der Besitz eines Abonnements bei den Konzerten der Wiener Philharmoniker getreten." Das war natürlich lange bevor er die Schwarzmarktpreise für Karten des Neujahrskonzertes kannte.

    Aber mit dem Stichwort Adel kann man natürlich auch ernsthaft Schelte austeilen, wie es etwa der urige Soziologe Roland Girtler tut, der sich das tiefliegende Milljöh zum Forschungsziel genommen hat, der sich in der Wiener Gaunersprache nicht nur exzellent auskennt, sondern auch in der Klangfarbe seiner Sprache viel davon angenommen hat. Er findet z.B. in seinem Buch: „Die feinen Leute. Von der vornehmen Art, durchs Leben zu gehen": „Der Adel war nicht nur was Edles. Da hat es auch viele Gauner gegeben."

    Als Schimpfwort muss der Adel allerdings schon noch herhalten. Vor allem für Menschen, die unbegründet die Nase hoch tragen: „Du blaublütiger Aff!" Oder als Vorurteil. Aus einer Filmbeschreibung: „Ein blasierter adeliger Schnösel …"

    Oft werden Schimpfwörter in Verbindung mit dem Stichwort Adel gebraucht, ohne dass dem Fluchenden bewusst ist, woher sein sprachlicher Vorwurf stammt und was genau damit gemeint ist.

    „Blaublüter" zum Beispiel tauchte als Bezeichnung für Menschen aus dem Adel erstmals um 1800 im deutschsprachigen Raum als leicht abschätzige Umschreibung für die Herrschaften „von und zu" auf. Gegen Ende der Monarchie setzte eine Adelsinflation ein. Diejenigen, die noch knapp vor der Abreise von Kaiser Karl ins Exil nobilitiert wurden, wurden abschätzig „Bahn-" oder „Bahnhofsadel" genannt. Sie galten dann viele Jahrzehnte als besonders kaisertreu. So fand ein ungenannter Abkömmling einer uralten Familie vor wenigen Jahren zum Thema „Brauchen wir eine Monarchie?": „Es ist der Bahnhofsadel, der heute noch den monarchistischen Gedanken hochhält."

    Habsburger-Kannibalismus

    Der „Franzl und die „Sisi sind der Zuckerguss der Habsburger-Monarchie. Ihre Geschichte wurde x-mal verfilmt, mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm in den Hauptrollen ist sie auch jüngeren Menschen aus Dutzenden Wiederholungen rund um Feiertage bekannt, sie wurde für Musicals vertont, in zahlreichen Büchern und noch mehr Bildbänden seziert – und die sollen ein Kampfvokabel gewesen sein? Unvorstellbar. Oder doch?

    Nur älteren Lesern ist wohl das in Erinnerung, was als „Habsburger-Kannibalismus" in die österreichische Zeitgeschichte eingegangen ist: der Kampf der Spitze der Sozialisten gegen eine Einreise des (Kaisersohnes) Dr. Otto (von) Habsburg.

    Der Verfassungsgerichtshof hatte sich im Dezember 1961 für unzuständig erklärt. Der älteste Sohn des letzten Kaisers wandte sich daraufhin mit einer Erklärung, auf jeglichen Regierungsanspruch zu verzichten, an den Verwaltungsgerichtshof, der die Bundesregierung zu einer Stellungnahme aufforderte, jedoch keine Antwort erhielt. Das Höchstgericht entschied schließlich, dass es wegen Säumigkeit der Regierung an deren Stelle tätig werden könne, und stellte am 31. Mai 1963 fest, dass der Wortlaut der vorliegenden Verzichtserklärung den gesetzlichen Bestimmungen entspreche und dass somit das Einreiserecht zu gewähren sei. Daraufhin sprachen die führenden Exponenten der SPÖ, allen voran Parteivorsitzender Bruno Pittermann und Justizminister Christian Broda, von einem „Juristenputsch". Broda, der in diesem Zusammenhang auch von einer „Staatsstreichtheorie" durch „Juristen, auch im Richtertalar", sprach, warnte davor, dies unwidersprochen hinzunehmen. Er sah auch „Platz für eine kühne Maßnahme", nämlich das Volk darüber entscheiden zu lassen, ob Otto Habsburg-Lothringen zurückkehren dürfe oder nicht.

    Eine Einreise Otto Habsburgs in seine Heimat wurde durch das Plenum des Nationalrats vom 4. Juli 1963 mit der Mehrheit von SPÖ und FPÖ abgelehnt. Dementsprechend turbulent verlief auch diese Sitzung. Die Emotionen gingen hoch, von einigen Rednern wurden unter gegenseitigen Beschuldigungen sogar die Auseinandersetzungen in der Ersten Republik und ihr Untergang wieder in Erinnerung gerufen. In Form von Zwischenrufen fielen Worte wie „Provokateur", „größenwahnsinniger Jurist" und „Sie Faschist".

    Unter dem Eindruck der immer aggressiver werdenden antihabsburgischen Kampagne schrieb das damalige SPÖ-Mitglied Günther Nenning: „Der Habsburger-Kannibalismus ist ein seltsamer Fall von Fresslust, wo garantiert nichts mehr zu fressen ist." Nenning befand später, 1972, gegenüber dem „Spiegel", dass Österreichs Sozialisten in k.u.k.-Zeiten keineswegs „Monarchenfresser" gewesen seien. Doch als der 1919 vertriebene Kaiser Karl versucht habe, sich über Ungarn wieder an die Macht zu intrigieren, hätten die Sozis ihren Hass gegen das Haus Habsburg entwickelt.

    Der Politologe und Philosoph Norbert Leser, Mitglied der SPÖ, schreibt rückblickend: „Die Angst vor der Rückkehr Otto Habsburgs war nicht die vorgegebene vor einer monarchischen Restauration, sondern die Angst, vom Abkömmling einer Dynastie mit historischem Format überstrahlt und in den Hintergrund gedrängt zu werden."

    Dabei hätte man froh sein sollen, dass man in der Person Otto Habsburgs über eine polyglotte und integre Persönlichkeit verfügte, die man zum Wohle Österreichs einsetzen und zur Geltung hätte bringen können.

    Hans-Werner Scheidl schrieb zum Tod Otto Habsburgs in der „Presse": „Bruno Kreisky blieb es vorbehalten, dem geifernden ‚Habsburg-Kannibalismus‘ seiner eigenen Genossen Einhalt zu gebieten. Er spielte sogar kurz mit dem Gedanken, den Europäer Otto von Habsburg als österreichischen Botschafter zum Heiligen Stuhl zu entsenden."

    Die Nationalratswahlen 1966 jedenfalls wurden zu einem Debakel für die SPÖ, die ÖVP errang die absolute Mehrheit, am 1. Juni 1966 erhielt Otto von Habsburg einen österreichischen Pass ohne Einschränkungen.

    Im Mai 1972, anlässlich eines runden Geburtstages der von Otto Habsburg gegründeten Paneuropa-Bewegung, empfing Bruno Kreisky den Kaisersohn erstmals persönlich in seinem Arbeitszimmer.

    Hinter dem Schreibtisch des Kanzlers hing damals ein großes Bild des Malers Friedensreich Hundertwasser, vor dem er oft fotografiert wurde, eines Malers, von dem auch Otto Habsburg einige Bilder besaß. Die beiden Herren waren etwa fünfzehn Minuten allein. Danach fragte Kanzler-Sekretär Johannes Kunz neugierig: „Wie war er?" Kreisky knapp: „No, vom Hundertwasser versteht er viel."

    SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky ermöglichte schließlich Ottos Mutter, Ex-Kaiserin Zita, die Einreise. Schon vorher hatte er Dieter Kindermann von der „Krone" angedeutet, wie er sich vorstellen könnte, das Problem auf typisch österreichische Weise zu lösen: „Wir geben ihr ein Durchreisevisum und keiner schaut nach, ob’s da bleibt!"

    Selbst beim Begräbnis von Otto Habsburg im Juli 2011 war bei einigen kritischen Stimmen der einstige Habsburger-Kannibalismus noch spürbar. Die Teilnahme von Bundespräsident Heinz Fischer und Kanzler Werner Faymann trug den beiden Sozialdemokraten in linken Zirkeln wie etwa dem „Republikanischen Klub" Kritik wegen „mangelnden republikanischen Verständnisses" ein.

    „Wir sind Kaiser"

    Die Nostalgie hat – nach vielen Sisi-Filmen – inzwischen auch das aktuelle Fernsehprogramm erfasst. Zwar hat die satirische Talkshow des ORF mit dem Komödianten Robert Palfrader als „Robert Heinrich I. durch Gottes Gnaden Kaiser von Österreich den Höhepunkt ihrer Popularität bereits überschritten, aber der „Kaiser zieht noch immer hunderttausende Seher an. Fast so genial wie er selbst ist sein Haushofmeister „Seyffenstein. Zur Eröffnung der öffentlichen, 40-minütigen Audienz des Kaisers wird jeweils die „Kaiserhymne vorgetragen: „Unser lieber Robert Heinrich, wir danken es dir recht. Wir haben einen Kaiser, uns geht es nicht mehr schlecht." So rettet die TV-Satire das Haus Habsburg bei der Jugend ins 21. Jahrhundert hinüber.

    Und wie beurteilt die Öffentlichkeit, vor allem die veröffentlichte Meinung, den gegenwärtigen „Ersatzkaiser Heinz Fischer? Vor allem die „Kronen Zeitung hat mit ihm fortwährend ein Hühnchen zu rupfen. So nannte ihn der „Chefangreifer" der Muthgasse, Claus Pandi, den „Großmeister der mutlosen Routinefloskeln", als er zu aktuellen Spionageaffäre der USA nur ein dünnes Statement fand: „Europa sei besorgt und irritiert."

    Anrüchiges

    Was versteckt sich hinter dem Wort „Anrüchiges? Etwas zum Thema Sexualität? Ein Bordell? Nicht so weit gefehlt, aber doch. Es geht um Clubs. Männerclubs! Das sind die Puffs allerdings auch. Im Vordergrund steht natürlich die österreichische Urmutter dieser Kontakt-Spielwiesen: der „Club 45.

    Die „rote Loge von Wien", wie sie der Journalist Hans Pretterebner, zusammen mit Gerald Freihofner Aufdecker des Lucona-Skandals, nannte, war ein linker „Herrenklub", gegründet von Demel-Zuckerbäcker Udo Proksch nach dem Vorbild der geheimnisumwitterten italienischen geheimen Loge P2 (Propaganda Due), dem die Spitzen der österreichischen Politik (SPÖ) und Wirtschaft der Siebzigerjahre angehörten.

    Während die P2 sich auf mehr als tausend Mitglieder stützen konnte, hatte der Wiener Klub in seinen besten Tagen 300: „Lauter hochanständige, honorige Persönlichkeiten", wie Bruno Kreisky anfangs betonte. Er persönlich vermied aber peinlich jeden Kontakt oder gar Besuch.

    Pretterebners und Freihofners Hartnäckigkeit bei den Recherchen ist es zu verdanken, dass Udo Proksch als Vielfach-Mörder enttarnt wurde – um eine stattliche Versicherungssumme zu kassieren, sprengte er ein Schiff, die „Lucona", die Eisenschrott geladen hatte, in die Luft und tötete damit sechs Matrosen. Proksch war eben doch nicht „ein kreativer, erdbezogener Produktivspinner", wie Niki Lauda ihn nannte. Niki Lauda übrigens hielt ihm – zusammen mit ORF-Generalintendant Teddy Podgorski – bis zuletzt im Gefängnis die Treue. Zum 80. Geburtstag von Karl Blecha schrieb Hans Rauscher: „Er (Blecha) schützte den mörderischen Hofnarren der roten Schickeria, Udo Proksch."

    Der Ex-Chefredakteur des „profil", Peter Michael Lingens, erinnert sich: Selbst als Pretterebner die Indizien in einem Buch derart konzentrierte, dass „der Pulverschmauch zwischen den Seiten hervorquoll", erhob die Staatsanwaltschaft zuerst gegen Pretterebner Anklage wegen Verleumdung, ehe sie dann doch Mordanklage gegen Proksch erheben musste.

    FPÖ-Justizminister Harald Ofner fand „die Suppe zu dünn" für eine Anklage. Als dann Proksch endlich vor Gericht stand, hielt Richter Hans Christian Leiningen-Westerburg zunächst alles nur für eine Fehde zwischen „Freimaurern und CV". Hans Rauscher fand im „Standard" vom 11.3.2009: „Österreich liebt Verschwörungstheorien."

    Auch Heinz Fischer gehörte eine Zeitlang dem Club 45 an. Im Februar 1985 (Fischer war zu diesem Zeitpunkt Wissenschaftsminister) hatte ein mutiger Untersuchungsrichter wieder einmal versucht, Udo Proksch zu verhaften. Sofort bot sich Außenminister Leopold Gratz¹ dem Gericht als Entlastungszeuge an, worauf Proksch prompt wieder freigelassen werden musste.

    Um seinen Sieg über die Justiz zu feiern, lud Gratz seine engsten Freunde in den Club 45 ein. Auch Fischer eilte herbei, seinen Freund, den später verurteilten Mehrfachmörder, zu begrüßen: „Schön, dass du wieder da bist!" In Prokschs Gästebuch schrieb er: „Quosque tandem abutere patientia nostra?" „Wie lange noch wird man unsere Geduld missbrauchen?"

    Um seinen Sieg über die Justiz zu feiern, lud Gratz seine engsten Freunde in den Club 45 ein. Auch Fischer eilte herbei, seinen Freund, den später verurteilten Mehrfachmörder, zu begrüßen: „Schön, dass du wieder da bist!" In Prokschs Gästebuch schrieb er: „Quosque tandem abutere patientia nostra?" „Wie lange noch wird man unsere Geduld missbrauchen?"

    Fischers langjähriger Weggefährte Bruno Aigner, SPÖ-Vordenker, sah das anders. Er schrieb in einem Artikel im Ideologie-Organ der SPÖ, der „Zukunft": „Eiterbeulen wie der Club 45 brechen auf, parasitäre Erscheinungen wie Winter, Wilfling, Bauer und Co. nehmen zu."²

    Proksch, dessen Club 45 damals die rote Elite vereinte, hatte die SPÖ nicht zuletzt im Telekom-Stil unterstützt: Er inserierte in den Zeitungen die Wahlkampagne „Geschichten vom Dr. Kreisky", Schweizer und Liechtensteiner Briefkastenfirmen bezahlten. Kreisky, darauf angesprochen: „I kann mir ned den Kopf zerbrechen, wer was hergibt." Auch von der „Wiener Städtischen" billigst eine Villa zu mieten, irritierte ihn so wenig wie später Christian Wulff die Finanzierung seiner Wohnung.

    Untertags, auch im Demel-Shop und in den Clubräumen, lief Proksch mit einer geladenen Pistole herum und schockte seine Umgebung mit Scharfschuss-Wettbewerben. Nicht zu vergessen: Er gründete auch den Verein zwecks „Senkrechtbestattung"³ von Leichen auf Friedhöfen und den Verein CUM.⁴

    Proksch seinerseits flüchtete. Er ging nach Manila und ließ eine Gesichtsoperation an sich vornehmen⁵. Mit Bart kam er zurück – und wurde noch in Schwechat erkannt. Schließlich setzte das Parlament einen Untersuchungsausschuss ein. Die Folge: SP-Nationalratspräsident Leopold Gratz trat zurück, detto SP-Innenminister Karl Blecha. Verteidigungsminister Karl Lütgendorf hatte schon früher Selbstmord begangen. Erst 1992 kam es zum Schuldspruch: Lebenslänglich wegen Mordes. Proksch starb 2001 im Grazer Gefängnis Karlau an Herzversagen.

    Republik der Gauner

    Der Fall „Lucona" ist ein Politkrimi⁷, dessen Personen und Verwicklungen die Vorstellungskraft jedes Fiction-Schreibers überfordern würde – doch an der Donau übertrifft die Realität bisweilen selbst wildeste Fantasien. Und das gilt auch für den angeblichen Versuch einer politischen Aufklärung. In Österreich ist halt vieles ganz anders. Resümee des „Spiegel" vom 5.12.1988: „In Deutschland versuchte der Milliardär Flick, die Republik zu kaufen. In Österreich war so etwas gar nicht nötig. In Wien wurde die Republik zu einer Zeit, da sie unter dem ,Sonnenkönig‘ Bruno Kreisky weltweit als ,Insel der Seligen‘ galt, einem kleinen Gauner in dessen eigenem Kaffeehaus serviert. Er brauchte sich nur noch zu bedienen."

    Antisemitismus

    Der Holocaust war der grausame Kulminationspunkt eines Antisemitismus, der in Österreich eine lange Tradition hat.

    Ende des 19. Jahrhunderts entstand der rassische Antisemitismus, antisemitische Parteien entstanden, wie etwa Georg von Schönerers Alldeutsche Partei oder die christlich-soziale Partei, die von Karl Lueger, dem späteren Bürgermeister Wiens, gegründet wurde. Hitler widmete vor lauter Begeisterung beiden viele Seiten in seinem Buch „Mein Kampf".

    Diesen aufkommenden Antisemitismus bekamen auch jene jüdischen Abgeordneten zu spüren, die zwischen 1861 und 1918 im Reichsrat bzw. später im Nationalrat als Vertreter verschiedener Parteien saßen.

    Otto Bauer war trotz seiner atheistischen Überzeugung Mitglied der israelitischen Kultusgemeinde. Als Ernst Fischer ihn damals auf diesen Widerspruch aufmerksam machte, meinte Bauer: „Das können Sie nicht verstehen, denn hinter Ihnen hat niemals irgendwer das Wort Saujud gemurmelt!" Es blieb nicht beim Murmeln. Das stenografische Protokoll des Parlaments vom 11. Juli 1930 weist folgenden Zwischenruf während einer Rede Bauers auf: „Ein Frechling sind Sie, ein frecher Saujud!" Der Zwischenrufer war der junge Abgeordnete Julius Raab, in der Zweiten Republik hochgeachteter Bundeskanzler.

    Der Antisemitismus war auch schon viel früher in der Politik spürbar, im Reichstag wie im Herrenhaus der k.u.k.-Monarchie.

    Jüdische Abgeordnete beschränkten sich nicht nur auf die faktische Widerlegung der Vorurteile; sie betonten die besondere Staats- und Kaisertreue von Juden und Jüdinnen. Dabei bedienten sie sich oft des Witzes und der Ironie.

    So entgegnete der Jüdischnationale Benno Straucher auf den Zwischenruf „Ruhig, Jud!" des Abgeordneten Ernst Schneider: „Schweigen Sie, Christ! Sie sind auch nur ein Neujud!"

    Linker Antisemitismus

    Auch wenn man im „linken Lager beim Thema Antisemitismus gerne auf Lueger und Kunschak zeigt, tauchen immer wieder kritische Stimmen aus unverdächtigem Milieu auf, die sich auch an einen „linken Antisemitismus erinnern können. So erzählte die in Wien geborene Trude Grünwald, die im britischen Exil zu einer großen Anthropologin wurde, dass sie als Kind auch im Karl-Marx-Hof zu hören bekam: „Du bist eine Saujüdin, geh weg!"

    Um die Frage, wer die rabiateren Antisemiten waren, tobt seit dem Jahr 2012, als der Dr.-Karl-Lueger-Ring in Universitätsring umbenannt wurde, schon wieder ein wilder Streit zwischen beiden Lagern. Ausgelöst hat diesen ein Gastkommentar des Historikers Kurt Bauer im „Standard" zum 60. Todestag der ÖVP-Ikone Leopold Kunschak, in dem er diesen als unbelehrbaren Antisemiten hinstellte und die ÖVP aufforderte, sich endlich – ähnlich wie von Dollfuß – von ihm zu distanzieren. Dem konterte der inzwischen zum Parteihistoriker aufgestiegene einstige Landeshauptmann Dr. Franz Schausberger. Er will beim Aktenstudium für eine Biografie des Kurzzeitkanzlers der Ersten Republik Dr. Rudolf Ramek folgende Sätze Renners entdeckt habe: „Es sei doch unverständlich, dass man jeden kleinen jüdischen Kaufmann oder Hausierer für den Verlust entschädigt, nicht aber eine so stolze Partei." (Es ging um das 1934 von der Dollfuß-Regierung beschlagnahmte sozialdemokratische Eigentum).

    Und Chefredakteur Dr. Herbert Lackner zitiert im „profil unter dem Titel „Ein Mann für alle Jahreszeiten eine noch ärgere Textstelle in Richtung der ohnedies rabiat judenfeindlichen Christlich-Sozialen: „Während sie (die Juden, Anm.) in unserer Jugend noch bescheiden in der Leopoldstadt wohnten, haben sie jetzt Mariahilf und alle Bezirke überschwemmt, sie sind gediehen unter Ihrem glorreichen antisemitischen Regime."

    Neuer Antisemitismus

    Der neue Antisemitismus in Österreich ist codiert, wird aber allgemein verstanden. Dem widmete sich z.B. der „Spiegel" 12/2001 in seinem Bericht über den FPÖ-Aschermittwoch in Ried im Innkreis, wo Jörg Haider versuchte, in die Schuhe seines rhetorischen Vorbilds Franz Josef Strauß zu schlüpfen:

    „,Außerdem‘, sagt Haider, und setzt eine dramatische Pause, ,haben die Linken ja jetzt einen Wahlkampfstrategen, „den Herrn ,wia haaßt er‘ –

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