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Making News: Hinter den Kulissen der TV-Nachrichten
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eBook207 Seiten2 Stunden

Making News: Hinter den Kulissen der TV-Nachrichten

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Über dieses E-Book

Eugen Freund hat seine Fragen vergessen. Ingrid Thurnher bekommt einen Lachanfall. Roman Rafreider macht Stimmübungen. Und Bundespräsident Dr. Heinz Fischer spricht Finnisch. All das vor laufender Kamera.
Gerald Groß, langjähriger ZIB-Moderator, erzählt mit Witz und Charme vom Alltag im Newsroom:
•Er schildert, warum die längste aller Sondersendungen - 9/11 - beinahe nicht stattgefunden hätte,
•beschreibt, was Korrespondenten bisweilen auf sich nehmen, um brandaktuell von den Schauplätzen der Weltpolitik zu berichten,
•erklärt, warum Christa Kummers High Heels ein nationaler Aufreger sind,
•erläutert, warum jemand mit dem Namen Quadfasel nicht TV-Experte werden kann
und vieles andere mehr.
Gerald Groß kennt das TV-Nachrichten-Business aus dem FF. In launigen Anekdoten erzählt er in diesem Buch, wie TV-News entstehen, was dabei alles schief gehen kann, wie man seinen Traumjob beim Fernsehen findet und wie man mit dem Stress bei Sondersendungen umgeht.

Aus dem Inhalt
•Was Moderatoren tun, wenn sie nicht auf Sendung sind
•Von geborgten Sakkos, falschen Brillen und Strumpfbändern, die zum guten Ton gehören
•Was man in einer Nekrothek findet
•Fraktion "Eiserner Hintern": Redaktionssitzungen als tägliches Ritual
•Wenn die Autocue im Retourgang läuft
•Warum Edelreserven Ladenhüter sind
•Was passiert, wenn die Technik streikt
•Monica Lewinsky und Peter Filzmaier: Wie man TV-Experte wird - und bleibt
•Warum Korrespondenten niemals fad ist, auch wenn in ihrem Land nichts los ist
•Warum zu guter Letzt immer noch das Leben Regie führt
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum5. Okt. 2013
ISBN9783218008990
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    Buchvorschau

    Making News - Gerald Groß

    „Noch eine Minute …"

    Anstelle eines Vorwortes

    Arbeiten beim Fernsehen heißt leben mit dem Countdown. Vor allem im Tagesgeschäft der Nachrichten ist man ständig mit Deadlines konfrontiert, die es einzuhalten gilt, mit Fristen, die man nicht überschreiten darf, mit Terminen, an die man sich gefälligst zu halten hat, um nicht Sand ins fein getunte Getriebe zu schütten und im schlimmsten Fall die gesamte Maschinerie zum Absturz zu bringen.

    Die letzten Minuten vor Beginn der „Zeit im Bild gehören, wie man sich leicht vorstellen kann, zu den besonders „heißen. Alltag im Newsroom: Noch immer sind nicht alle Beiträge für die Sendung auf dem Server. Die Bildleitung zur zugeschalteten Kollegin in Paris ist zusammengebrochen. Jemand hat nachträglich einen Moderationstext im Redaktionssystem geändert und jetzt muss die Autocue einem Reload unterzogen werden. In die Aufmacher-Story hat sich ein Fehler eingeschlichen, daher muss sie neu synchronisiert werden – leider ist der Autor gerade unauffindbar. Und im Studio ist ausgerechnet jetzt eine Leuchte ausgefallen. Am Regieplatz des ORF-Newsrooms, der dem eigentlichen Studio angeschlossenen, aber räumlich getrennten Kommandobrücke der „Zeit im Bild, herrscht in solchen Momenten eine Art Titanic-Stimmung. Dafür sorgen mehrere Sekretärinnen, die hektisch aktualisierte Sendelisten an die Anwesenden verteilen, ein Mitarbeiter der Monitoring-Unit, der der Chefin vom Dienst wortreich neues Bildmaterial aus einem Krisengebiet offeriert (vergeblich, denn die redet ihrerseits gerade via Intercom auf den Kollegen im Parlamentsstudio ein, er möge endlich seinen längst überfälligen Beitrag überspielen), der junge Autocue-Assistent, der mit hochrotem Kopf wen auch immer um Freigabe der letzten noch ausständigen Moderationstexte anfleht, die Kollegin aus Paris, die man zwar noch immer nicht sehen kann, deren insistierende, im Fünf-Sekunden-Takt quer durch Europa gefunkte Frage „Hallo Wien, könnt ihr mich hören? aber nicht zu übertönen ist und von Mal zu Mal verzweifelter klingt. Und schließlich der Regisseur, der mit knappen, aber lautstarken Kommandos die Kameraleute im Studio dirigiert und in ihre endgültigen Positionen bringt.

    Ebendort haben meine Kollegin Ingrid Thurnher und ich längst unsere angestammten Plätze eingenommen. Wir haben den Ablauf der Info-Grafik vor der Vidi-Wall geprobt und einmal die Headlines in Bild und Ton durchgespielt. Die Maskenbildnerin legt gerade letzte Hand an unsere mit hitzebeständiger Fettschminke und jeder Menge Puder bedeckten Gesichter und versprüht eine gewaltige Wolke klebrigen Haarsprays über unseren Köpfen. Der mit Bürste und Fusselroller bewaffnete Kollege von der Ausstattung befreit uns von den letzten Staubatomen auf unserer Kleidung, zupft Blusenkragen und Krawattenknoten zurecht, als plötzlich überlebensgroß die Kollegin aus Paris in der Vidi-Wall erscheint – das Handy mit der rechten Hand ans Ohr gepresst, mit den Fingern der linken eine brennende Zigarette malträtierend: „Hallo Wien, könnt ihr mich hören? Diesmal schickt sie noch ein deutlich zu vernehmendes „Merde nach, ehe sich nach einem Blick in ihren Kontrollmonitor ihr Gesichtsausdruck entspannt: „Na endlich, die Leitung steht! Schnell und routinemäßig klären wir zur Sicherheit die ohnedies bereits im Lauf des Nachmittags telefonisch vereinbarten Fragen zu Nicolas Sarkozys Wahlchancen und tauschen noch Informationen zum Wetter in Wien und Paris aus, ehe über die Studiolautsprecher die strenge Stimme des Regisseurs ertönt: „Noch eine Minute …

    Es ist kaum zu glauben: Eine schlichte Zeitansage, und plötzlich könnte man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören, so ruhig ist es mit einem Mal im Studio geworden. Tatsächlich ist die letzte Minute vor Sendungsbeginn um 19.30 Uhr die stillste im Tagesablauf, beinahe meditativ, in jedem Fall konzentriert (zumindest im Studio selbst, denn am Regieplatz hält die Hektik unvermindert an). Ich bin dabei, meine Moderationskarten ein letztes Mal zu ordnen und bleibe an meinem Überleitungstext zum Wetter hängen: „Über die herbstlichen Aussichten gleich mehr von Christa Kummer! Ein wenig fad, denke ich und formuliere auch schon laut die gereimte Alternative: „Der Summer, der is’ ummer, sagt uns gleich die Christa Kummer! Ein Blick zu meiner links von mir sitzenden Kollegin zeigt mir, dass ich einen folgenschweren Fehler begangen habe. Ihr Gesicht ist unter der dicken Schminke bereits leicht gerötet. Ihre Lippen sind fest aufeinandergepresst, während sich ihre Wangen wölben. Sekunden später entweicht die darunter gestaute Luft mit einem lauten Prusten. Das darauf folgende schallende Gelächter wird von einem stakkatohaften Glucksen abgelöst, das seinerseits nahtlos in einen heftigen Hustenanfall übergeht. Noch dreißig Sekunden, denke ich und sehe in die schreckgeweiteten Augen der Maskenbildnerin, die mit einer Kleenex-Schachtel angerückt ist und versucht zu retten, was zu retten ist. Der Lachanfall meiner Kollegin hat auch bei mir einen Schweißausbruch ausgelöst. Auch ich bin dankbar für das Kleenex. „Noch zehn Sekunden! Das ist jetzt die letzte Zeitansage aus dem Regieraum. Aus dem Augenwinkel heraus sehe ich, wie meine Kollegin noch immer gegen den Lachkrampf ankämpft, und dann erklingt auch schon die vertraute Signation. Abwechselnd lesen wir die Headlines aus dem Off, fehlerfrei, wenn auch ein wenig angestrengter als sonst. Dann die Begrüßung im Doppel, die erste Moderation „gehört Ingrid Thurnher. Ich wage nicht mich zu bewegen, verziehe keine Miene. Ich weiß, dass die kleinste Regung unkontrollierbare Folgen haben könnte, aber ihre Professionalität siegt. Knapp war es trotzdem …

    Die Arbeit mit einer echten „Lachwurzn macht Spaß, aber manchmal ist sie eben auch ein Risiko. Dabei kennt gerade Ingrid Thurnher auch die andere Seite: Am 12. Juni 2001 war sie es, die am Todestag des legendären ZIB2-Moderators Robert Hochner die Gedenksendung für ihn moderieren musste. Durchgehend mit feuchten Augen und beschlagener Stimme. Als sie schließlich am Ende der Sendung eine weiße Rose für den allzu früh verstorbenen Kollegen auf dem ZIB-Tisch niederlegte, brach es aus ihr heraus, und die Tränen waren nicht mehr zu halten. Aber damals weinten wohl eine dreiviertel Million Österreicherinnen und Österreicher mit ihr. Fernsehen ist und bleibt ein emotionales Medium. Selbst dort, wo es „nur informieren will, löst es beim Zuschauer Gefühle aus – Freude, Trauer, Ekel, Angst, Mitleid, Ärger, Zorn … Genau das hat es wohl über die Jahrzehnte so erfolgreich gemacht.

    In diesem Buch geht es nicht zuletzt um die Emotionen hinter der oft glatten und perfekten Fassade der TV-News. Es soll zeigen, wie TV-Nachrichten entstehen, nach welchen Kriterien sie ausgewählt werden, wie Entscheidungen zustande kommen und wer sie trifft. Aber es geht auch um die Macher und ihre Macken, um die Frauen und Männer vor und hinter den Kameras, die oft unter widrigen Umständen Sendungen aus dem Boden stampfen müssen. Es geht um die geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze des TV-Journalismus und zeigt, wie oft auch bei bester Planung der Zufall Regie führt.

    Als Grundlage für dieses Buch diente mir das eigene Erleben aus mehr als zwanzig Dienstjahren in unterschiedlichen Funktionen und an unterschiedlichen Orten, aber immer im Aktuellen Dienst des ORF. Darüber hinaus habe ich bei ehemaligen Kolleginnen und Kollegen recherchiert und sie nach ihren Erlebnissen und Erfahrungen befragt. Es ist meine erklärte Absicht, die Leserinnen und Leser ausgiebig hinter die Kulissen blicken zu lassen. Und dafür eignen sich Insider-Storys allemal am besten. Wenn es zusätzlich auch noch gelingen sollte, Fakten zu vermitteln und Zusammenhänge transparent zu machen, hätte ich mein Ziel erreicht: Dass Sie wissen, was im Newsroom los ist, wenn draußen in der Welt was los ist.

    Vom richtigen Dreh-Moment

    Die Autocue und ihre Tücken

    Komplett von der Rolle

    Hand aufs Herz – wer kennt schon Jess Oppenheimer? Dabei müsste sein Foto zum ehrenden Angedenken auf dem Schreibtisch einer jeden Fernsehmoderatorin und eines jeden Fernsehmoderators stehen. Denn Jess Oppenheimer ist der Erfinder des Teleprompters, und ohne den geht im Fernsehen ganz allgemein fast nichts und bei den Nachrichten gar nichts. Mit dem News-Geschäft hatte der 1913 in San Francisco geborene Autor und Regisseur freilich nie etwas zu tun. Sein Metier war die Unterhaltung – zunächst im Radio, dann im Fernsehen. In den fünfziger Jahren war er Produzent und Mastermind der legendären CBS-Sitcom „I love Lucy, und die regte ihn auch zur wichtigsten seiner zahlreichen Erfindungen für Radio, Film und Fernsehen an. Oppenheimer hielt tatsächlich 18 Patente, darunter eben auch jenes für den „in-the-lens-teleprompter, der seinen Siegeszug im Fernsehen ganz genau am 14. Dezember 1953 antrat. Damals wurde er zum ersten Mal von den beiden Schauspielern Lucille Ball und Desi Arnaz verwendet – und zwar für eine Philip-Morris-Zigarettenwerbung, die an jenem Tag in „I love Lucy ausgestrahlt wurde. Zeit war im Fernsehen wohl schon damals Geld, und Schauspieler mit schlechtem Gedächtnis waren offenbar der Schrecken der Produzenten, sodass sich Oppenheimers Erfindung vom ersten Tag an lohnte. Freilich war das, was er zum Patent angemeldet und 1955 an die einschlägig aktive Firma „Autocue (im Lauf der Zeit ist der Firmenname zum Synonym für das Gerät geworden) in Lizenz verscherbelt hatte, eine rudimentäre Form dessen, was Moderatoren (und wahlkämpfende Politiker in den USA) heute unter diesem Hilfsmittel verstehen. Immerhin überlebte sein vergleichsweise primitives Papierrollensystem bis 1969, dem Jahr, in dem Autocue den ersten „closed-circuit prompter (sichtbar nur für die Benützer im Studio, aber nicht für die Zuschauer zuhause) vorstellte. Seither hat sich an der „Karaoke-Maschine für Moderatoren nicht allzu viel geändert.

    Auch wenn es für viele noch immer nach Magie aussieht, technisch ist das Geheimnis nicht nur längst gelüftet, sondern auch leicht zu durchschauen – im wahrsten Sinn des Wortes. Und hier ist die Bauanleitung: Unter das Kameraobjektiv wird waagrecht (mit dem Bildschirm nach oben) ein Monitor angebracht, der zunächst den Text spiegelverkehrt anzeigt. Die Moderatoren lesen den Text dann von einem vor dem Objektiv montierten (schräg nach unten in Richtung des Textes zeigenden) Einwegspiegel ab, während sie unentwegt direkt in die Kameralinse blicken. Für die Qualität des Bildes stellt der Einwegspiegel kein Problem dar, weil die Kameras diese minimale Beeinträchtigung leicht ausgleichen können. Bleibt noch die Frage, wie der Text selbst in den Teleprompter kommt. Nun, in der Oppenheim-Ära und noch lange danach (ehrlich gesagt, bis in die neunziger Jahre) griff man tatsächlich auf die gute alte Schriftrolle zurück. Das heißt, die Moderationstexte wurden per Schreibmaschine auf A4-Blätter getippt, die dann einfach an den Enden zusammengeklebt und aufgerollt wurden. Die Rolle selbst wurde im Technikraum in ein dafür vorgesehenes Gerät gespannt und dann per Hand von der Moderationssekretärin höchstpersönlich abgerollt. Der Text wurde dabei Zeile für Zeile von einer Kamera abgefilmt und auf die Monitore unter den Objektiven der Kameras übertragen und dann gespiegelt. Man kann sich leicht vorstellen, dass dieses System nicht gerade maximale Flexibilität erlaubte: Wurde die Reihung der Beiträge etwa verändert, mussten ja die entsprechenden Moderationstexte aus der Rolle herausgeschnitten und an der neuen Stelle wieder eingeklebt werden. Wurden im Vorfeld einer Sendung die Berichte mehrmals hin- und hergeschoben, konnte es vorkommen, dass der Klebstreifen an so mancher Nahtstelle bereits mehrere Millimeter dick war, und dann passierte das Unvermeidliche: Die Blätter blieben stecken, der Teleprompter stoppte und der Moderator stockte. Nicht selten passierte es auch, dass Blätter von vornherein falsch zusammengefügt wurden und dann der Moderationstext und der folgende Beitrag genau nichts miteinander zu tun hatten.

    Retourgang und Gaspedal

    Dass sich die Wahrscheinlichkeit für menschliches Versagen potenziert, je mehr Menschen an einem bestimmten Prozess beteiligt sind, ist logisch und gilt natürlich auch (oder erst recht) für das Fernsehen. Manchmal wird dem Versagen freilich nachgeholfen, wie das folgende Beispiel zeigt: Die für das Abrollen der Moderationstexte vorgesehene Maschine wurde in jenen Zeiten im ORF von Technikern gewartet, vorbereitet und eingestellt. Ob es Zuneigung zu einer ganz bestimmten Moderationssekretärin oder das Gegenteil davon war, Boshaftigkeit oder Übermut oder das Begleichen einer alten Rechnung, lässt sich heute nicht mehr klären, aber eines Tages gefiel es dem diensthabenden Kollegen von der Technik, die Maschine so einzustellen, dass die zuvor korrekt eingespannte Rolle verkehrt herum abgespult wurde – der Teleprompter im Retourgang also! Das Entsetzen im Gesicht der Kollegin am Drehknopf und ihr Verzweiflungsschrei müssen den Übeltäter in der Sekunde geläutert haben, denn er schaltete augenblicklich um, und der Text lief wieder in die richtige Richtung. Dem Moderator nützte das freilich wenig. Der hatte seine Schrecksekunde auf Sendung, durfte aber weder schreien noch sein Entsetzen zeigen, sondern musste improvisieren und in der Folge vom Blatt lesen. Das ist im Fernsehen fast immer so: Die Letzten beißen die Hunde, und das sind die, die ihr Gesicht in die Kamera halten.

    Heute wird der abzulesende Text von den Moderatoren selbst an ihren Schreibtischen in den Computer getippt, abgespeichert und nach einer entsprechenden Kontrolle durch den Chef vom Dienst freigegeben. Auf vielen Sendern (von Bloomberg bis n-tv) wird der Teleprompter auch von den Moderatoren selbst meist via Fußsteuerung (liebevoll „Gaspedal genannt) gesteuert, in den Nachrichtensendungen des ORF machen das noch eigene Sekretärinnen oder Assistenten. Sie regulieren im Regieraum, also für die Moderatoren unsichtbar, mit einem Trackingball (eine Art auf den Kopf gelegte Computermaus) die Geschwindigkeit, je nachdem, ob schneller oder langsamer gelesen wird. Verspricht sich der Moderator, ist es von Vorteil, wenn auch der Text stehen bleibt. Andernfalls ist das Chaos perfekt. Asynchrone „Autocue-Pärchen vor und hinter der Kamera sind der Schrecken der Chefs vom Dienst. Schließlich hat der Teleprompter einen nicht zu unterschätzenden Nebeneffekt: Gleichmäßige Sprechgeschwindigkeit sorgt für einen ausgeglichenen Zeitetat, und das ist bei einer Sendung wie der „Zeit im Bild" um 19.30 Uhr mit einem derart engen Zeitkorsett (derzeit siebzehn Minuten und keine Sekunde mehr) die halbe Miete. Schließlich muss der Hauptabend pünktlich um 20.15 Uhr beginnen und keine Sekunde später. Läuft etwa auf RTL der gleiche Film wie im ORF, könnte ein früherer Start für Tausende österreichische Zuschauer Grund genug sein, den Streifen bei der Konkurrenz anzuschauen (die meisten von ihnen kommen freilich beim ersten Unterbrecher-Werbeblock wieder zurück).

    Stichwort Zeitrechnung: Die in allen ORF-Redaktionen verwendete Textverarbeitung namens RedSys erlaubt die Umrechnung von Wörtern in Sekunden. Das bedeutet, dass für jeden geschriebenen Satz automatisch die dafür benötigte Sprechzeit (bei durchschnittlicher Sprechgeschwindigkeit) ausgewiesen wird. Die von den Moderatoren vor der Sendung geschriebenen Texte werden also auf die Beitragslängen addiert, und daraus ergibt sich die Gesamtlänge der Sendung. Liegt diese über dem Budget von siebzehn Minuten, muss der „Überzug (die Sekundenzahl blinkt dann anklagend in grellem Rot ganz oben in der linken Spalte der Sendeliste) gekürzt werden. Bevor ein ganzer Beitrag gestrichen oder in der Sprache der Newsmacher „versenkt wird, müssen zuerst meist die Moderationstexte daran glauben. Wird während der Sendung ein Zeit-Überzug aufgebaut, weil sich der Moderator verspricht oder ein Studiogast die vorgegebene Zeit missachtet, bleibt dem als „Fahrdienstleiter der Sendung am Regieplatz agierenden Chef vom Dienst oft nur noch der lapidare Befehl „angasen! Der ist an den Autocue-Assistenten gerichtet und bedeutet schlicht schnelleres Drehen. Dem Moderator im Studio bleibt dann ebenfalls nichts anderes übrig, als beim Reden einen Zahn zuzulegen. Nach der Sendung spielen sich nach solchen Höllenritten im Newsroom nicht selten emotionale Szenen ab, und oft genug muss der Assistent mit

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