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Manuskript des Teufels: Eifel-Thriller
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Manuskript des Teufels: Eifel-Thriller
eBook319 Seiten4 Stunden

Manuskript des Teufels: Eifel-Thriller

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Über dieses E-Book

Stephan D'Aubert, ein junger Theologie-Professor aus der Eifel, macht bei Forschungsarbeiten sensationelle Entdeckungen und verfasst ein Manuskript. Doch die Kirchen bezeichnen es als Werk des Teufels und viele Staaten sehen darin eine ernste Gefahr für den sozialen Frieden.
Fortan machen Geheimdienste aus aller Welt Jagd auf das "Manuskript des Teufels". Mächtige Geheimbünde wollen es vernichten, die Mafia wittert hingegen ein lukratives Geschäft.
Doch alle haben die Rechnung ohne einen unheimlichen und geheimnisvollen Gegner gemacht.
Die wildromantische Eifel bildet die Kulisse dieses fesselnden Thrillers.
SpracheDeutsch
Herausgebermainbook Verlag
Erscheinungsdatum15. Nov. 2013
ISBN9783944124322
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    Buchvorschau

    Manuskript des Teufels - Bert Saurbier

    61

    1

    Mein lieber Alois,

    seit über drei Jahren lebst du nun schon als Pater Aloisius im Trappistenkloster Mariawald. Leider haben wir in dieser Zeit nichts mehr voneinander gehört. Ja, ich weiß, Eure strengen Ordensregeln mit Schweigegelübde und völliger Abgeschiedenheit von der Außenwelt.

    Ich hoffe, nein, ich bin überzeugt, es gibt jetzt einen triftigen Anlass dafür, dass wir beide uns bald wieder sehen werden.

    In dem beiliegenden Manuskript sind meine, mit modernsten wissenschaftlichen Methoden erarbeiteten Forschungsergebnisse der letzten Jahre niedergeschrieben.

    Mein lieber Freund, ich bin bei diesen Untersuchungen auf Dinge gestoßen, die mich als gläubigen Christen erschüttert haben. Diese Entdeckungen haben mich veranlasst, dich vor der Veröffentlichung meines Werkes um Deine von mir sehr hoch geschätzte Meinung zu bitten. Von klein auf waren wir unzertrennliche Freunde und haben gemeinsam in Bonn Theologie studiert. Alois, du genießt mein volles Vertrauen. Mit Spannung erwarte ich Deine Beurteilung.

    Bitte, lass dir nicht zu viel Zeit mit dem Lesen. Ich kann unser Wiedersehen kaum erwarten.

    Innige Grüße.

    Dein Stephan

    2

    Seinen geliebten Wagen, ein in die Jahre gekommener E 220 CDI, stellte er in der Garage des elterlichen Hauses ab. Gern hätte er Mutter und Vater noch einen kurzen Besuch abgestattet. Da aber beide für ein paar Tage verreist waren, musste er heute auf diese liebevolle Begegnung verzichten.

    An diesem Abend kam ihm das gerade recht.

    Den gesamten Samstagnachmittag hatte er hart trainiert und sehnte sich danach, die Füße in aller Ruhe hochzulegen. Doch Dusche und Liegestuhl auf der Dachterrasse seines kleinen Holzhauses mussten noch eine gute Stunde warten. Ein hartes Stück Trainingsarbeit lag noch vor ihm. Es war zu einer überwindungsbedürftigen Gewohnheit geworden, den Weg von Gemünd bis hinauf nach Hergarten joggend zurückzulegen. Zu bewältigen waren etwa acht Kilometer bergauf mit einem Höhenunterschied von über hundert Metern.

    Als er los lief, hatte die Dämmerung bereits eingesetzt. Aber das beunruhigte ihn keineswegs. Die Laufstrecke war ihm vertraut, und er konnte sich auf sein überdurchschnittliches Sehvermögen verlassen. Sogar nachts, bei nur mäßigem Mond- oder Sternenschein, hatte er keine Probleme mit der Orientierung.

    Er legte das Törchen des Spriegelzaunes ins Schloss und trat auf die Straße. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, etwa zwanzig Meter entfernt, fiel ihm ein anthrazitfarbener VW Polo mit Siegburger Kennzeichen auf. Er hatte das Gefühl, hinter den spiegelnden Scheiben bewege sich etwas. Einen Moment lang war er versucht, stehen zu bleiben und genauer hinzuschauen, doch dann überlegte er es sich anders und lief los.

    Nach fünfhundert Metern löste der festgewalzte, rotbraune, feinkörnige Schotter der Spazierwege durch den Gemünder Kurpark den Asphalt der Urftseestraße ab. Wenige hundert Meter weiter begann der naturbelassene Waldweg. Doch seine Gedanken wanderten zurück an den Ausgangspunkt. Wer hatte in dem Kleinwagen gesessen? Weshalb versteckte sich diese Person in dem Wagen? Beobachtete sie etwas, ohne selbst bemerkt werden zu wollen? Hätte jemand in diesem kleinen Fahrzeug schlafen wollen, wäre der Sitz zurückgeschoben und die Rückenlehne flachgestellt gewesen.

    Plante jemand einen Einbruch in das zurzeit unbewohnte Haus seiner Eltern? Wie gut, dass sie im vergangenen Jahr das Haus einbruchsicher hatten ausrüsten lassen. Eine hochmoderne Alarmanlage hätte sofort jeden Einbruchversuch der nur zwei Kilometer entfernten Polizeistation gemeldet.

    Er beendete seine Grübeleien mit dem Vorsatz, sich morgen eine Auskunft einzuholen. Das Kennzeichen war in seinem fotografischen Gedächtnis gespeichert.

    Erschöpft, aber auch stolz auf diese außergewöhnliche Trainingseinheit, hatte er in der vorgesehenen Zeit sein Schmuckkästchen, sein trautes Zuhause erreicht. Hinter ihm lagen sechs Stunden eines bis an die Grenzen seiner physischen und psychischen Belastbarkeit reichenden, hochspezialisierten Trainingsprogramms. Er musste lächeln, als er die letzte Stunde des beinharten Berganlaufes in Gedanken als Nachtisch bezeichnete.

    D’Aubert schob den großen schmiedeeisernen Schlüssel ins Schloss der hölzernen Haustür mit dem kleinen Sprossenfenster und genoss es, wie jedes Mal, in eine Welt einzutreten, die ihn mit Vertrautheit, Geborgenheit und erholsamer Ruhe umschmeichelte.

    Üblicherweise hätte er sich jetzt als erstes von seinen leicht verschwitzten Trainingssachen befreit und genussvoll erlebt, wie die heiße Dusche die Anstrengungen des Tages von Leib und Seele schwemmte und ein anschließender kneippscher Kaltwasser-Ganzkörper-Guss die müden Lebensgeister auffrischte.

    Heute Abend jedoch störte etwas diesen gewohnten Rhythmus. Da war noch immer das Bild der sich im Auto versteckenden Person.

    Eine Warnlampe in seinem Kopf ließ ihn darauf verzichten, das Licht anzuschalten. Er stieg die Treppe hinauf, öffnete geräuschlos die Glastür zur Dachterrasse und legte sich vorsichtig in den Liegestuhl. Das Terrassengeländer bestand aus massivem Holz und bot ihm somit kompletten Sichtschutz.

    Er versuchte, sich zu entspannen und genoss die klare, erfrischende Eifelluft, den natürlichen Duft des Waldes, die schmeichelnde Musik, die beim Spiel des leichten Windes mit den Blättern der Baumwipfel entstand und die Dunkelheit, die besucht wurde vom dezenten Licht aus den ehrfurchtgebietenden Unendlichkeiten des Alls.

    Dieses entspannende Erleben der hier draußen noch puren Natur leitete über zur Sehnsucht nach der Gnade eines wohltätigen Schlafes. Die Muße des Augenblicks ließ seine traumnahen Gedanken schweben: Vor ein paar Jahren hatte er auf ausdrücklichen Wunsch seiner Freundin Maria, der Tochter des Landespolizeipräsidenten, an einem Eignungstest teilgenommen, der Voraussetzung für die Zulassung junger Polizeibeamter zu einem GSG 9-Ausbildungsprogramm war. Dr. Bergter, der die Testuntersuchungen leitete und die Ergebnisse auswertete, hatte damals seine Hand auf D’Auberts Schulter gelegt und ihn kopfschüttelnd angelächelt. „Mensch, Stephan, alter Hugenotte, der liebe Gott hat wohl bei deiner Erschaffung kräftig übertrieben. Hör zu: Deine Reflexe sind das Beste, was mir je begegnet ist. Bei dir kann man nicht von einer Schrecksekunde, sondern eher von ein paar Schreckzehntelsekunden sprechen. Du hast Augen wie ein Adler, deine Sehschärfe liegt bei 160 %, und du kannst hören wie ein Luchs. Dein Hörvermögen übertrifft alles Dagewesene, deine Hörleistungen sind, wie hier das Audiogramm zeigt, in allen Frequenzbereichen mit denjenigen von zehn bis zwölfjährigen Kindern zu vergleichen. Mir scheint, du hast bei der Verteilung der Talente am lautesten hier gerufen. Junge, Junge, werd mir nur nicht größenwahnsinnig!"

    Diesen feinen Ohren war es zu verdanken, dass in D’Aubert urplötzlich alle Alarmglocken läuteten. Eine riesige Portion Adrenalin überflutete von einer Sekunde auf die andere seinen durchtrainierten Körper. Alle Müdigkeit, alle Erschöpfung waren wie weggezaubert. Ein kurzes Schleifen, das entsteht, wenn gewebtes Material einen Zweig streift, hob sich für sein feines Gehör deutlich von dem zarten und gleichmäßigen Windspiel der Blätter ab.

    Er, der die virtuose Musik der Natur genau kannte und liebte, war sich sicher, ein derartiges Geräusch konnte nicht vom Vorbeigleiten eines Tierfelles verursacht worden sein. Sofort hatte er wieder das Bild der Haarspitzen hinter dem Armaturenbrett vor Augen. Scheinbar waren die Ermahnungen seines besten Freundes, des Trappisten-Paters Aloisius, nicht unbegründet gewesen. Ihm hatte er vor kurzem ein Manuskript zur Kenntnisnahme und Beurteilung geschickt. Warum musste er in diesem Moment an die völlig unerwartete Reaktion dieses frommen und studierten Ordensmannes denken? „Sorge bloß dafür, hatte Aloisius ihn gewarnt, „dass dein Manuskript von niemandem gelesen wird, am besten wir verstecken oder vernichten es sofort. Deine Ausführungen sind brisant, darin steckt die Explosionskraft einer Atombombe. Und glaube mir, du würdest dich mit einer Veröffentlichung im wahrsten Sinne des Wortes selber in Teufels Küche begeben. Komm bitte in den nächsten Tagen hier bei uns im Kloster vorbei. Unser Abt hat mir wegen des dringenden Gesprächsbedarfes mit dir die Erlaubnis zu einem Treffen erteilt.

    D’Auberts Verstand schaffte es nicht, die Alarmglocke abzuschalten. Sein Kopf warnte und steuerte ihn, was weniger logischen Verdachtsmomenten, sondern eher unbewussten Überlebensinstinkten entsprang.

    3

    Um 0.30 Uhr klingelte etwa acht Kilometer entfernt das Telefon.

    „Polizeiwache Schleiden, Oberwachtmeister Pütz, was kann ich für Sie tun?"

    „Gehen Sie hinaus, meldete sich eine forsche Männerstimme, „auf der Gartenbank gegenüber sitzt ein Mann in einem Goretex-Tarnanzug mit Sturmhaube. Er ist zurzeit noch benommen, wird aber in etwa einer halben Stunde wieder ansprechbar sein. Er ist völlig unverletzt und steht auch nicht unter Drogen. Es besteht keine Gefahr für seine Gesundheit. Wenn Sie mir nicht glauben, rufen Sie Notarzt und Rettungswagen.

    Oberwachtmeister Pütz hatte auf Mithören geschaltet und sein Kollege war bereits zur Tür hinaus. Nach dem Namen des Anrufers konnte er nicht mehr fragen, der Teilnehmer hatte bereits aufgelegt.

    Die Rückverfolgung des Gespräches hatte ergeben, dass das Telefonat von der einzigen öffentlichen Telefonzelle, die es noch in der näheren Umgebung gab, geführt worden war.

    Als die Polizisten an die beschriebene Stelle kamen, wollten Sie ihren Augen nicht trauen. Die von dem unbekannten Anrufer beschriebene Person hing zusammengesunken auf der Bank.

    „Hallo! Können Sie mich hören?", rief Pütz und schüttelte den Mann vorsichtig an der Schulter. Der seltsame Fremde reagierte mit einem Brummeln, dem vergeblichen Versuch einer Antwort.

    Nach wenigen Minuten traf der Rettungswagen ein. Der Unbekannte wurde von seiner Sturmhaube befreit. Das Alter des Mannes, schätzungsweise um die Dreißig.

    Nach einer gründlichen Untersuchung stellte Dr. Moscovici im Stenostil die vorläufige Diagnose: „Herz-Kreislauf okay, Blutdruck niedrig normal, keine auffallenden äußeren oder inneren Verletzungen, Reflexverhalten regelrecht, wenn auch im Augenblick noch etwas verlangsamt. In spätestens einer Viertelstunde wird der Patient wieder ansprechbar sein. Dennoch nehme ich ihn mit ins Krankenhaus zur weiteren Beobachtung."

    „Können wir in einer Stunde zur Befragung vorbeikommen?", erkundigte sich Oberwachtmeister Pütz.

    „Das geht in Ordnung, bis dann."

    Die Befragung des ominösen Mannes durch die zwei Beamten fand im Besucherzimmer statt. Der Unbekannte, jetzt mit einem weißen Bademantel bekleidet, saß an einem ungastlich einfachen Plastik-Metall-Tisch und wirkte erschöpft.

    Beim Eintreten der Polizeibeamten erhob er sich mühsam, und lächelte verlegen: „Bitte nehmen sie Platz, empfing er die Beamten. „Unsere Unterhaltung wird sehr kurz ausfallen. Ich werde ihnen keine Fragen beantworten. Aber hier haben sie eine Telefonnummer, bitte rufen sie dort an. Sie werden alles Wissenswerte erfahren. Es handelt sich um eine Telefonnummer des BfV.

    Oberwachtmeister Pütz staunte: „Bundesamt für Verfassungsschutz, Köln? Sollen wir wirklich da anrufen? Die beiden Polizisten schauten sich überrascht an, zuckten ratlos mit den Achseln, und Pütz‘ Kollege meinte: „Versuchen können wir’s. Hoffentlich erlauben Sie sich keinen Scherz mit uns.

    Pütz begab sich hinaus, um das Gespräch ungestört vom Streifenwagen aus zu führen. Nach zehn Minuten kam er zurück, nickte seinem Kollegen zu und gab dem Fremden die Hand. „Sie können gehen, wir haben keine weiteren Fragen. Können wir etwas für Sie tun."

    Der zweite Polizist schaute Pütz ungläubig an und richtete seine Augen dann wieder auf den Überraschungsgast. Sein Gesichtsausdruck zeigte eine gelungene Kombination aus Verwunderung und Misstrauen.

    „Ich nehme ihr Angebot gerne an, antwortete der Mann. „Dürfte ich sie bitten, mich im Bademantel, so wie ich hier bin, nach Hergarten zu fahren? Dort steht mein Wagen mit all meinen Papieren. Auf der Fahrt dorthin bin ich gerne bereit, ihnen einiges über mich zu erzählen.

    „Okay, wir müssen nur eben noch unsere Dienststelle informieren."

    „Danke sehr. Das ernste, männlich eindrucksvolle Gesicht des Fremden zeigte plötzlich ein gewinnendes Lächeln. „Ich schätze ihr ausgesprochen faires und professionelles Verhalten mir gegenüber.

    Er reichte den beiden verdutzt dreinschauenden Beamten mit einem freundlichen „Hallo Kollegen" die Hand, und sie stiegen wenig später in den Dienstwagen.

    Die erste neugierige Frage stellte Oberwachmeister Pütz gleich zu Beginn der zwanzigminütigen Fahrt nach Hergarten: „Was ist denn eigentlich passiert? Sie sahen auf der Bank geradezu erbärmlich aus."

    „Ich bin Spezialagent Jon Murrey vom MI6. Ihr werdet es nachher in meinen Papieren bestätigt finden. In Abstimmung mit dem BfV hatte ich in dieser Region einen streng geheimen Auftrag zu erledigen. Sicher versteht ihr, dass ich nichts weiter sagen kann und darf. Zurzeit wohne ich in einer kleinen Pension in Hergarten. Die Wirtsleute glauben, dass ich ein begeisterter Wanderer bin und die einmalige Schönheit des Nationalparks mit den herrlichen Wäldern und den bezaubernden Seen kennen lernen möchte. Murreys Mimik nahm einen skeptischen Ausdruck an. „Vorhin ist etwas Merkwürdiges passiert. Mitten im Wald dort draußen nahm ich plötzlich ein leises Zischen wahr, wie der Flügelschlag eines großen Vogels. Als ich nach oben schaute, sah ich etwas Riesiges auf mich zu stürzen und hatte keine Chance mehr, es abzuwehren. Auf der linken Seite, genau zwischen den beiden Ansätzen des Kopfnickermuskels, verspürte ich einen grellen Schmerz, der sich tief in meinen Körper bohrte. Im nächsten Augenblick konnte ich mich nicht mehr bewegen, war völlig paralysiert. Dann schwanden mir die Sinne. Ungläubig und andächtig staunend hörten die beiden Beamten zu. „Bei meinem Verein in England, dem MI6, zähle ich zu den besten Spezialagenten und habe eine exzellente Nahkampfausbildung genossen. Aber mein Gegner war mir haushoch überlegen. Wer auch immer das gewesen sein mag? Murrey schaute geistesabwesend aus dem Fenster. „Er muss ein Großmeister der Nahkampfkunst sein. Jedenfalls beherrschte er die Vitalpunktkampftechnik perfekt. Und das bei fast völliger Dunkelheit. Der MI6-Mann schüttelte den Kopf. „Ich muss leider zugeben, dass ich ihn bewundere, obwohl er mir eine bittere Niederlage bereitet hat. Den möchte ich zu gern kennenlernen."

    Als sie den anthrazitfarbenen VW Polo mit dem SU-Kennzeichen erreicht hatten, stieß der Kollege aus England einen Fluch aus. „Verdammt, der Wagenschlüssel ist verschwunden. Er war in der Brusttasche meines Goretexanzuges." Er zog den Tarnanzug aus der Plastiktüte, um noch einmal genauer nachzusehen.

    Oberwachtmeister Pütz inspizierte inzwischen das am Wegrand geparkte Auto. „Hier, im Schloss der linken Tür steckt doch der Schlüssel, Mister Murrey."

    „Jetzt weiß ich, wie ich von hier oben nach Schleiden auf die Bank gekommen bin, geriet er in bewunderndes Staunen. „Er hat geahnt, dass ich meinen Wagen in der Nähe des Waldes abgestellt habe. Dann hat er mich dort hingetragen, als wäre ich ein Leichtgewicht. In meinem eigenen Wagen hat er mich zu ihnen gefahren, auf die Bank vor ihrer Wachstation gesetzt und ist wieder hierher zurückgekehrt. Mein Widersacher muss ein Gentleman sein, fair und clever. Er hat mich direkt vor ihre Nase gesetzt, damit ich möglichst bald gefunden werde und Hilfe erhalte. Er hat ihnen Bescheid gegeben und meine Karre wieder an die Stelle zurückgebracht, an der ich sie abgestellt hatte. Mit Sicherheit hat er sich auch meine Papiere im Handschuhfach angesehen und weiß jetzt über mich Bescheid. Morgen werde ich abreisen. Ich habe versagt. Aber was soll’s! Es wird immer Gegner geben, die besser sind. Jon Murrey schüttelte den beiden Beamten freundschaftlich die Hände, klopfte ihnen aufmunternd auf die Schulter und rief ihnen ein heiteres „Bye-bye, Boys zu, während er sich hinters Lenkrad zwängte. „Ach so, beinahe hätte ich es vergessen. Sagen sie im Krankenhaus Bescheid, dass sie den Bademantel zurückbekommen.

    Kopfschüttelnd bestiegen Oberwachtmeister Pütz und sein jüngerer Kollege den Streifenwagen und hatten noch lange das Gefühl, die Rollen zweier Nebenfiguren in einem skurrilen Krimi-Märchen gespielt zu haben.

    Jon Murrey fuhr zu seiner kleinen, einfachen aber pik-sauberen Pension zurück. Auf dem Gästeparkplatz nutzte er die Gelegenheit, ungestört ein klärendes Telefonat zu führen. Er wählte die in seinem Handy gespeicherte und ihm vertraute Nummer.

    „Vauxhall London, Secret Intelligence Service, Vorzimmer Direktor John Flowers, Maggie Woodfort am Apparat."

    „Hallo, Maggie. Du lernst es nie, schau doch auf dein Display, dann kannst du dir all die Förmlichkeiten sparen."

    „Sorry Jon, aber ich hatte einen anderen Anruf erwartet. Jon ohne -h-, du willst sicher den John mit -h- sprechen, ich verbinde."

    Keine zehn Sekunden später hörte er eine vertraute Stimme. „Mein lieber Jon, was läuft denn schief bei deinem Erholungsurlaub in der Eifel? Du hast doch hoffentlich im Nationalpark in Old Germany keinen Bock geschossen?"

    „Bestimmt nicht, Chef. Aber möglicherweise ihr an der Themse."

    „Wie meinst du das? Lass hören!"

    „Okay. Gestern Nacht wollte ich das Haus unserer Zielperson unter die Lupe nehmen und herausfinden, wie man am besten hineingelangen kann, um unser Zielobjekt, das Manuskript, sicherzustellen. Dabei muss mich jemand bemerkt haben. Und zwar ein hochqualifizierter Profi, Großmeister in Kyusho Jitsu, dem japanischen Sekundenkampf. Er hat mich exakt am Vitalpunkt erwischt und…"

    „Gut, gut, unterbrach ihn John Flowers, „bevor du ausschweifst: alles weitere später hier bei mir. Ich werde jetzt in Köln beim BfV anrufen und nachfragen, warum die mir nichts von einem professionellen Personenschutz der Zielperson gesagt haben. Bis bald.

    Jon Murrey packte seine Siebensachen, duschte ausgiebig, als wolle er sich die erlittene Niederlage vom Leibe spülen, kleidete sich an und sah wieder aus wie ein typisch konservativer, eleganter Englishman.

    „Glauben Sie mir, sagte er vor seiner Abreise zu der Wirtin, „es hat mir bei ihnen sehr gut gefallen. Leider muss ich aus beruflichen Gründen sofort los.

    „Das tut uns leid, antwortete sie und nickte ihrem Mann zu, der eine Schublade am Tresen öffnete: „Dann bekommen Sie noch…

    „Nein, nein, winkte Murrey ab, „ich hatte für eine Woche bezahlt und das steht ihnen voll und ganz zu. Vielleicht sehen wir uns einmal wieder. Nochmals vielen Dank. Das gute deutsche Frühstück werde ich vermissen.

    Nach einer knappen Stunde Fahrt, vorwiegend über Autobahnen und Schnellstraßen, erreichte er Köln-Bonn-Airport. Er stellte den VW Polo im Parkhaus 1 auf der AVIS-Parkfläche ab und übergab vor Ort den Leihwagen einem Mitarbeiter der Firma. Noch im Parkhaus meldete sich sein Handy.

    „Hey, Jon. Ich bin wie immer nett zu dir, dein Flug geht um 12.40 Uhr, Terminal 1, mit Germanwings. Ankunft nach einer Flugdauer von 1 Stunde und 25 Minuten um 13.05 Uhr in London Heathrow. Guten Flug. Wir sehen uns nachher. Moment, der Chef will dich noch mal haben."

    „Jon, hör zu! Die Kollegen aus Köln haben mir glaubhaft versichert, dass sie nichts von einem Personenschutz wissen. Aber sie sind wie ich der Überzeugung, dass noch andere an dieser Geschichte dran sind. Ich möchte dich sofort nach deiner Landung sehen. Guten Flug."

    4

    Den Höhenzug Kermeter bezeichnete man schon immer als das Schmuckstück des Nationalparks Eifel. Seine beliebten Wanderwege durchzogen ein 33 Quadratkilometer großes zusammenhängendes Hochwaldgebiet. An der Westseite des Kermeters konnten Wanderer die Edelsteine dieser von der Natur verwöhnten Region bewundern: den Urftsee, den Obersee und den Rursee.

    Mitten in dieser mit herberfrischender Eifelschönheit reich gesegneten Landschaft lag in etwa 400 m Höhe das einzige deutsche Trappistenkloster Mariawald.

    Das Telefon im Sekretariat klingelte. „Abtei Mariawald, Albrecht am Apparat."

    „Grüß Gott, war eine jugendlich freundliche und heitere Damenstimme zu vernehmen, „pardon, spreche ich mit Bruder oder Pater Albrecht?

    „Nein, nein, weder noch, ich bin kein Ordensmitglied, sondern als Laie in der Klosterverwaltung tätig."

    „Ja, dann also, Herr Albrecht. Ich rufe im Auftrag meines Chefs, Ferdinand Feldkamp, an. Mein Name ist Hannelore Fischer. Herr Feldkamp betreibt hier in Nürnberg eine große Unternehmensberatung. Er ist das Musterbeispiel eines Workaholics und steht kurz vorm Burnout. Sein Hausarzt hat ihm dringend geraten, sich kurzfristig eine totale Auszeit von mindestens zwei Wochen zu nehmen. Albrecht holte tief Luft, um ein paar Fragen zu stellen, aber seine Gesprächspartnerin ließ sich nicht unterbrechen. „Erst nach einer Phase der absoluten Ruhe, Stille und Besinnlichkeit werde er soweit sein, einen anschließenden Urlaub genießen zu können.

    Die sympathische, anschmiegsame, samtweiche und heitere Stimme, die nur einer hübschen Frau gehören konnte, war für Albrecht ein wohltuendes Kontrasterlebnis zu der an dieser Stelle üblichen knorrigen und mürrischen Telefonsprache älterer Männer, und so hörte er weiter zu.

    „Übrigens, der Pastor einer kleinen Gemeinde im Allgäu ist ein guter Freund vom Chef. Und der war der Meinung, dass ihm nur noch zu helfen sei, wenn er sich für ein oder zwei Wochen der Kontemplation eines abgeschiedenen Klosters mit strengen Ordensregeln hingeben würde. Und hierfür, so meinte Pastor Angenmüller, käme am besten die Trappistenabtei Mariawald in Frage. Deshalb wollte ich mich bei ihnen erkundigen, ob kurzfristig ein Gastaufenthalt von 14 Tagen möglich wäre."

    „Da gibt es allerdings ein Problem, schränkte Albrecht ein. „Grundsätzlich sollte hier im Kloster ein beiderseitiges Kennenlerngespräch stattfinden, bevor jemand einen Gastaufenthalt in unserer Gemeinschaft antritt.

    Kaum hatte er den Satz zu Ende gesprochen, bediente sich die Gesprächspartnerin unerwartet eines bestimmenden und harten Tonfalls, der den gutmütigen Albrecht zusammenzucken ließ. „Hören Sie jetzt bitte genau zu! Mein Chef ist ein netter, ehrenwerter und gebildeter Herr und wird am kommenden Montag auf jeden Fall anreisen. Die Überweisung der Kosten für einen 14-tägigen Aufenthalt mit

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