Phantasien im Bremer Rathskeller
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Buchvorschau
Phantasien im Bremer Rathskeller - Wilhelm Hauff
Phantasien im Bremer Rathskeller
Ein Herbstgeschenk für Freunde des Weines
von Wilhelm Hauff
Mit einem Vorwort von
Karl-Josef Krötz
und einer Nachbemerkung von
Herbert Schwarzwälder
Illustrationen von
Hans Schwaiger
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Diese Ausgabe basiert auf der Ausgabe von 1871, erschienen im Verlag G. Grotsche Verlagsbuchhandlung, Berlin
Illustrationen von Hans Schwaiger, Ausgabe von 1895, erschienen im Verlag der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, Wien
© 2013 Edition Temmen
28209 Bremen – Hohenlohestr. 21
Tel. 0421-34843-0 – Fax 0421-348094
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www.edition-temmen.de
Alle Rechte vorbehalten
Herstellung: Edition Temmen
E-Book ISBN 978-3-8378-8000-7
ISBN der Printausgabe 978-3-86108-669-7
Vorwort
In den Gewölben des Rathauses wird seit fast 600 Jahren deutsche Weinkultur gepflegt und so ist es kein Wunder, daß der Bremer Ratskeller schon immer eine der Anlaufstellen für die Besucher der Hansestadt gewesen ist. So auch im Jahr 1826, als gleich zwei Literaten von Weltruhm nach Bremen kamen: Heinrich Heine hinterlies die Verse »… glücklich der Mann, der den Hafen erreicht hat und hinter sich ließ das Meer und die Stürme und jetzo warm und ruhig sitzt im guten Ratskeller zu Bremen«. Wilhelm Hauff verfaßte die berühmten »Phantasien im Bremer Ratskeller«, eine der schönsten Bremer Erzählungen, die nun in einer sorgsam edierten und mit Illustrationen von Hans Schwaiger ausgestatteten Ausgabe vorliegt.
Hauff befand sich auf einer Reise durch Europa, die ihn auf Einladung eines Studienfreundes auch nach Bremen führte. In diesem Jahr war er durch seine Satire »Der Mann im Monde« schlagartig zu Ruhm gelangt – und so war er das gesellschaftliche Ereignis dieses Sommers. In Bremen standen ihm alle Türen offen – auch die zu den Apostelfässern mit den berühmten alten Weinen des Ratskellers.
Hauffs »Phantasien« sind in Bremen nicht ohne Folgen geblieben: 1894 beschloß der Bremer Senat die Umbennung des bis dahin »Weinkeller« genannten Gewölbes unter dem Rathaus. Der »Echo-Saal«, der Ort an dem Hauff bei dem Umtrunk mit den städtischen Honoratioren einen Teil dessen hörte und erlebte, was er schon kurz nach seiner Abreise aus Bremen literarisch verarbeitete, wurde zu Ehren des Autors in »Hauff-Keller« geändert. Hier hängen auch heute noch die berühmten Gemälde von Max Slevogt, der sich 1927 von der Wein-Novelle inspirieren ließ und einige Episoden darstellte.
Vor dieser historischen Kulisse treffen sich heute täglich zahlreiche Bremer und ihre Gäste, um deutsche Spitzenweine zu genießen und in fröhlicher Runde den Tag ausklingen zu lassen. Wenn Sie bei der Lektüre dieses Buches den dringenden Wunsch nach einem guten Schoppen haben sollten, dann lassen Sie sich von mir in die herrlichen Gewölbe des Kellers einladen, denn glücklich der, der »jetzo warm und ruhig sitzt im guten Ratskeller zu Bremen«.
Karl-Josef Krötz
Ratskellermeister
Phantasien im Bremer Rathskeller
Mit dem Menschen ist nicht auszukommen«, sagten sie, als sie in meinem Gasthofe die Treppe hinabstiegen, und ich konnte es noch deutlich hören. »Jetzt will er wieder schlafen von neun Uhr an, und leben wie ein Murmelthier; wer hätte das gedacht vor vier Jahren!«
Sie hatten nicht Unrecht, die Freunde, daß sie mich in Unmuth verließen. Gab es ja doch heute Abend eines der glänzendsten musikalischen, tanzenden und declamirenden Butterbrode in der Stadt, und hatten sie sich nicht alle mögliche Mühe gegeben, mir, dem Landfremden, einen angenehmen Abend dort zu verschaffen? Aber es war wahrhaftig unmöglich; ich konnte nicht gehen. Warum sollte ich einen tanzenden Thee besuchen, wo sie nicht tanzte, warum ein singendes Butterbrod, wo ich (ich wußte es zum voraus) hätte singen müssen, ohne von ihr gehört zu werden; warum einen trauten Kreis von Freunden durch Trübsinn und finsteres Wesen stören, das ich nun heute nicht verbannen konnte? O Gott! Ich wollte ja lieber, daß sie mir auf der Treppe einige Secunden fluchten, als daß sie sich von neun Uhr bis ein Uhr langweilten, wenn sie nur mit meinem Körper sich unterhielten und bei der Seele umsonst anfragten, die einige Straßen weiter auf Unsrer Lieben Frauen Kirchhof nachtwandelte.
Aber das that mir wehe, daß mich die guten Gesellen für ein Murmelthier hielten, und dem Drange nach Schlaf zuschrieben, was aus Freude am Wachen geschah. O nur Du, ehrlicher Hermann, wußtest es mehr zu würdigen! Hörte ich denn nicht, wie Du unten auf dem Domhof sagtest: »Schlaf ist es nicht, denn seine Augen leuchten. Aber entweder hat er wieder zu viel oder zu wenig Wein getrunken, das heißt, er trinkt noch welchen und – alleine.«
Wer verlieh Dir denn diese prophetische Kraft? Oder konntest Du ahnen, daß meine Augen wacker waren, weil sie heute Nacht alten Rheinwein schauen sollten? Konntest Du wissen, daß ich gerade heute von dem Patent und Erlaubnißschein, vom Rathe auf meine Person ausgestellt, Gebrauch machen werde, um die Rose und Eure zwölf Apostel zu begrüßen? Und überdies, war denn heute nicht mein Schalttag?
Meines Erachtens ist es keine üble Gewohnheit, die ich von meinem Großvater angenommen, nämlich hie und da Einschnitte zu machen in den Baum des Jahres und sinnend dabei zu verweilen. Wenn der Mensch nur Neujahr und Ostern, nur Christfest oder Pfingsten feiert, so kommen ihm endlich diese Ruhepunkte in der Geschichte seines Lebens so alltäglich vor, daß er darüber hinweg gleitet ohne Erinnerung. Und doch ist es gut, wenn die Seele, sonst immer nach außen gerichtet, auch einmal auf ein paar Stunden einkehrt im eigenen Gasthof ihrer Brust, sich bewirthet an der langen Table d’ Hote der Erinnerung und nachher gewissenhaft die Rechnung ad notam schreibt, wie Frau Hurtig dem Ritter. Der Großvater nannte solche Tage seine Schalttage; nicht