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Agentur Istanbul
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eBook247 Seiten3 Stunden

Agentur Istanbul

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Über dieses E-Book

Nasskaltes Dezemberwetter in Berlin. Der Romanautor Eugen Meunier sehnt sich nach der Sonne seiner türkischen Wahlheimat Istanbul. Das Finanzamt und ein schwarzes Loch auf dem Konto nötigen ihn jedoch, sich in der deutschen Hauptstadt als Aikido-Lehrer und nun auch noch als Aushilfe in der Agentur Istanbul seiner Exfreundin Olga zu verdingen. Da reißt eine Reihe mysteriöser, äußerst brutaler Supermarktüberfälle und seltsamer Unfälle Meunier aus seiner Winterdepression, und die Ereignisse überschlagen sich denn zeitgleich werden in der Türkei Anschläge auf Museen in beinahe identischer Weise wie auf die Berliner Supermärkte verübt, lediglich die Waffen sind andere Meunier ist wieder voll da und verfolgt die sich ihm aufdrängende Frage: Gibt es eine Spree-Bosporus-Connection des Verbrechens?
SpracheDeutsch
HerausgeberRotbuch Verlag
Erscheinungsdatum30. Jan. 2013
ISBN9783867895071
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    Buchvorschau

    Agentur Istanbul - Jürgen Ebertowski

    Kahve

    1. KAPITEL

    Back in town

    Ich träumte von einer Insel. Dali-blau der Himmel, lind die Luft und nach Wildkräutern duftend. Bienen schwirrten munter umher, Wellen plätscherten verhalten. In den Olivenbäumen spielte ein Windhauch mit den Blättern.

    Esmahan und ich lagen nebeneinander auf einer sonnendurchglühten Terrasse direkt am Meer. Meine ansonsten scharfzüngige Geliebte kommentierte die Idylle ausnahmsweise nicht kritisch, sondern summte selbstvergessen kleine Melodien, während sie sich wohlig in ihrem Liegestuhl räkelte. Hin und wieder griff sie zu einem Fläschchen Sonnenöl. Viel Haut mußte damit geschützt werden, ihr Bikini paßte vermutlich problemlos in ein Brillenetui.

    Plötzlich begannen die Blätter der Olivenbäume wie leere Blechdosen heftig aneinander zu schlagen. ‚Das wird nur ein erratischer Windstoß gewesen sein‘, versuchte ich mich zu beruhigen. Aber dem war nicht so: Das Scheppern wollte und wollte einfach nicht aufhören.

    Dann verschwanden abrupt die Insel, meine Geliebte, die sonnenbeschienene Terrasse und der dali-blaue Himmel.

    Ich öffnete unter Protest die Augen, brachte das digitale Folterinstrument von Wecker zum Verstummen, stand auf und ging ins Bad. Mein zerknittertes Konterfei im Spiegel verriet mir, daß es in der Narr Bar wieder einmal viel zu spät geworden war. In weiser Voraussicht war ich gestern erst gar nicht mit dem Wagen dorthin gefahren.

    Die Narr Bar, eine Mischung aus Café und Weinstube im Souterrain einer Seitenstraße des Kottbusser Damms, fungierte als mein verlängertes Wohn- und Arbeitszimmer in Berlin. Wenn dort eine Clique von alten Freunden auftauchte, war ein Absturz quasi vorprogrammiert.

    Nach ausgiebigem Duschen und Rasieren fand ich mich der Umwelt wieder einigermaßen zumutbar. Ich zog mich an und schaute in die Küche. Brot war natürlich keins mehr da, deshalb ersparte ich mir auch eine Inspektion des Kühlschrankinhalts. Vor dem Aikido-Vormittagstraining brauchte ich allerdings wenigstens einen Espresso und ein Croissant in der Zitrone. um durchzustarten.

    Mein Blick fiel durch das Küchenfenster auf meinen mit Matschschnee bedeckten Golf. Mehmed, der Wirt der Narr Bar, hatte gestern mit einem Bekannten in Antalya telefoniert: Man konnte noch ohne Weiteres im Mittelmeer baden – hierzulande hingegen waren seit Wochen Wintermantel, Wollmütze, dicker Pullover und Handschuhe angesagt.

    Derart eingemummt verließ ich also das Haus, säuberte notdürftig die Frontscheibe und fuhr zur Zitrone in die Dieffenbach-Ecke-Graefestraße. Parkplätze sind im Graefe-Kiez rar. Kurzentschlossen quetschte ich das Auto hinter einen Lieferwagen außerhalb der markierten Einstellbuchten.

    Die Zeitungslektüre während meines frugalen Frühstücks war kaum dazu geeignet, mich sonderlich für den Tag aufzuheitern.

    Es hatte in Berlin erneut einen brutalen Raubüberfall gegeben, den zweiten in dieser Woche nach dem gleichen Schema und mit dem gleichen Resultat: Ein Mann war in einen Supermarkt gestürmt, hatte mit einer kurzläufigen MP der Marke Uzi in die Luft geballert, sich das Geld aus der Kasse geben lassen, es in eine Plastiktüte gestopft, und war dann auf einem Fahrrad geflüchtet. Wieder hatten mehrere Streifenwagen den Täter verfolgen und stellen können. Anstatt sich in der ausweglosen Situation zu ergeben, hatte der Mann das Feuer auf die Polizisten eröffnet. Er war wie der andere Supermarkträuber zu Wochenanfang bei dem Schußwechsel getötet worden. Die Ausführung dieser Überfälle wies beängstigende und zugleich rätselhafte Parallelen auf: Die Täter waren identisch bewaffnet gewesen, hatten Mountainbikes vom Typ Everest benutzt, es aber anscheinend beide nicht für nötig gehalten, sich zur Tatzeit zu maskieren. Über die Identität oder Nationalität der Erschossenen erfuhr man aus der Zeitung keine Zeile. Aber das war nicht alles: Im Wedding hatte sich außerdem ein Verrückter beim Bombenbasteln mit TNT in einer Garage atomisiert und dabei den gesamten Fuhrpark einer Speditionsfirma abgefackelt. – Ja, wo lebten wir denn hier! In Bagdad?

    Die restlichen Nachrichten waren ebenfalls unerquicklich. Ob Iran, Irak, Afghanistan oder Palästina, überall auf der Welt gärte es gefährlich. Nicht nur das! Nach Rinderwahnsinn und AIDS breitete sich jetzt auch die Vogelgrippe rapide in Europa aus. Und den Wetterbericht hätte ich besser auch überblättern sollen. Er gab mir den Rest: Selbst Istanbul vermeldete Mitte Dezember noch wohlige plus siebzehn Grad Celsius!

    Ich faltete frustriert die Zeitung zusammen und musterte die vorbeihastenden Passanten. Seit Tagen hielten sich Regen- und Schneeschauer die Waage. Das einzige Gesicht, auf dem ich so etwas wie ein Lächeln entdeckte, war bezeichnenderweise das der Dame vom Ordnungsamt, als sie einen Strafzettel hinter den Scheibenwischer meines Wagens klemmte.

    Eigentlich hatte ich mir geschworen, nie mehr einen Winter in Berlin zu verbringen, aber wie sagte meine Großmutter immer? „Der Mensch denkt, und Gott lenkt. Wahre Worte! Auch wenn der große Lenker in meinem Fall nicht der Herr im Himmel gewesen war, sondern ein höchst irdischer Sachbearbeiter vom Finanzamt Kreuzberg. Sein Eingreifen bei meinem chronischen Kontotiefststand bedeutete für mich unverkennbare Marschrichtung auf den Schuldturm. Drei Jahre lang war finanziell alles recht gut gegangen, dann kam die Stunde der Wahrheit. Die Tantiemen für den letzten Roman hatte die Finanzkasse eingesackt, und ein neuer Buchvertrag war auch nicht in Sicht. Vielleicht sollte ich es in einem anderen Genre versuchen, etwa ein Sachbuch mit dem Titel „Vom Millionär zum Tellerwäscher schreiben.

    Zum Glück hatte mein Freund Harald mich gebeten, ihn für zwei Monate im Aikikan als Lehrer zu vertreten, und damit quasi in letzter Minute meinen finanziellen Total-Crash abgewendet.

    Als Harald die Sportschule von mir übernahm, und ich mich endlich ausschließlich dem Romaneschreiben widmen konnte, hatte ich über zwanzig Jahre als Vorturner, Muteinflößer und Seelentröster in Personalunion auf der Aikido-Matte gestanden. Zwei Jahrzehnte stets Enthusiasmus verströmenden Animateur zu spielen, waren entschieden genug für ein Menschenleben. Den Veräußerungsvertrag unterzeichnete ich mit größter Erleichterung. Ob in Berlin, ob in Istanbul oder wohin es mich sonst verschlug, ich ging weiterhin regelmäßig ins Aikido-Training, genoß es aber immens, niemandem mehr irgend etwas profimäßig beibringen zu müssen. ‚Nie mehr!‘, hatte ich gedacht. Von wegen! „Es denkt der Mensch, und Gott lenkt!"

    Istanbul, wo ich seit zwei Jahren mitten in Beyoglu wohnte, war bei meinen sporadischen und nicht gerade üppigen Einkünften als Autor historischer Romane ein fatal teures Pflaster, denn ich mußte auch noch die Miete für meine Berliner Wohnung aufbringen. Zweimal war ich mehr oder weniger durch Zufall zusätzlich zu einem größeren Geldbetrag gekommen, aber die hatten leider nicht ewig vorgehalten.

    Irgendwann ging dann alles ruck-zuck. Nicht nur die bösen Briefe vom Finanzamt Kreuzberg fanden ihren Weg bis an den Bosporus, fatalerweise wurde auch meinem langjährigen Ansprechpartner im Verlag gekündigt. Ob sein Nachfolger einen Anschlußvertrag herausrücken würde, stand völlig in den Sternen. So kam es, wie es kommen mußte, denn natürlich war es mir nie gelungen, eine andere Weisheit meiner Großmutter zu beherzigen, die da hieß: „Eugen, spare in der Zeit, dann hast du in der Not!"

    Die Aussicht, dem 3247. Anfänger wieder die Rückwärtsrolle oder einen Handstreckhebel beibringen zu müssen, stimmte mich nicht unbedingt fröhlich, aber Notzeiten sind bekanntlich Zeiten, in denen selbst der Teufel Fliegen frißt, um zu überleben. Ich ging folglich auf Haralds Angebot ein und flog nach Berlin.

    Regentropfen begannen wie fette Insekten gegen die Scheiben des Cafés zu klatschen. Ich verzehrte den letzten Bissen meines Croissants und zündete mir eine Zigarette an. Ich hatte mir vorgenommen, bloß noch nach einer Mahlzeit zu rauchen, und hielt mich auch weitgehend an die selbstauferlegte Regel. – Ach, das Leben war ungerecht! Während in meinem geliebten Beyoglu noch frühlingshafte Temperaturen herrschten, hockte ich in Kreuzberg mit Blick in einen bleigrauen Dezemberhimmel und auf granulatgesprenkelte Bürgersteige.

    Einen kleinen Farbtupfer in all der Düsternis gab es indes. Mir schräg gegenüber saß eine rothaarige Schönheit und arbeitete konzentriert. Das Display ihres Laptops zeigte einen Text. Eine Schwester von der Schreibenden Zunft? Gut möglich. Die Art und Weise, wie sie gelegentlich in die Luft starrte, um dann wieder eine Zeile zu tippen, war mir allzu vertraut. Auch ich schrieb meine Romane bevorzugt in Kaffeehäusern.

    Meine Vielleicht-Kollegin war zwar keine junge Frau mehr, aber deshalb nicht minder attraktiv. Zumal sie kaum zu den Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts gehörte, die in wadenlange aschfarbige Säcke gehüllt ihre Reize verbergen. Sie trug einen schwarzen Mohair-Pullover mit äußerst inspirierendem V-Ausschnitt. Nur eine Halskette aus dunkelgrünen Steinen bot ein klein wenig Sichtschutz. Esmahan erweckte mit ähnlichen Einblicken das Interesse ihrer Mitmenschen. Der Pullover hätte ihr übrigens ebenfalls gestanden.

    Mein Inseltraum fiel mir wieder ein. „Eugen, Träume sind Schäume!", pflegte meine Großmutter ferner zu predigen, um eine weitere ihrer Alltagsweisheiten zu zitieren. Wie richtig!

    Und was Traumarbeit aus Versatzstücken der Realität, Erinnerung und Wunschdenken zu schaffen vermag, ist ja hinlänglich bekannt. Nicht meine Wenigkeit, sondern Hauptmann Celil Turan leistete meiner Geliebten derzeit vermutlich Gesellschaft. Wohl kaum auf einer südlichen Insel unter Olivenbäumen, sondern eher nächtens in ihrem Istanbuler Apartment am Taksim Platz. Das hatte sie zumindest vor einigen Tagen am Telefon angedeutet. Nun, ja, ich gönnte ihr die Zerstreuung. Esmahan war eine bezaubernde Partnerin in jeglicher Hinsicht, aber strikt monogam zu leben, entsprach nun einmal nicht ihrem Naturell. Meinem übrigens auch nicht. Bei Celil war sie im wahrsten Sinn des Wortes in besten Händen.

    Hauptmann Celil Turan arbeitete für eine Spezialtruppe des Kultusministeriums, die dafür sorgte, daß nationale Kunstschätze der Türkischen Republik nicht auf Nimmerwiedersehen außer Landes geschafft wurden. Er, Esmahan und ich hatten bereits gemeinsam das eine und andere Abenteuer – ohne jedwede sexuelle Implikationen! – mit weiteren Mitgliedern dieser Sondereinheit bestanden.

    Meine Womöglich-Kollegin klappte den Laptop mit einem Seufzer zu, bezahlte und stand auf. Ich schaute wie beiläufig in ihre Richtung und musterte sie mit Wohlgefallen. Mit Wohlgefallen und etwas Wehmut, denn seit drei Wochen war ich bereits in der Stadt und begann langsam das weibliche Element in meinem Leben zu vermissen. Dabei mangelte es keineswegs an Gelegenheit. Beim Aikido, der defensiven Kampfkunst, die ich vor Jahren in Japan erlernt hatte, trainiert man grundsätzlich ohne Geschlechtertrennung. Aber Frauen im Aikikan waren für mich tabu. Das war ein mehr notwendiger als hehrer Grundsatz aus meiner Zeit als Besitzer dieser Sportschule. Sich mit Schülerinnen einzulassen komplizierte erstens den Unterricht unnötig und barg zweitens in neunundneunzig von hundert Fällen die Gefahr, daß, wenn die Beziehung platzte, ein Mitgliedsbeitrag auf dem Konto fehlte. Derart finanziell schmerzliche Erfahrungswerte waren mir gleich in den ersten Monaten nach der Gründung der Sportschule zu sammeln vergönnt gewesen. Obwohl ich jetzt bloß als Lehrer auf Zeit fungierte, hielt ich mich zu meiner eigenen Verblüffung weiterhin an das vormals selbstauferlegte Verbot, als würde ich immer noch der Besitzer des Aikikan sein. Dabei gab es durchaus die eine oder andere ansehnlich Aikido-Adeptin auf der Matte. Ich beschloß, mein abstinentes Verhalten vorerst unter der Rubrik „Macht der Gewohnheit" zu verbuchen und ertappte mich dabei, wie ich der Rothaarigen hinterherschaute, bis sie die Zitrone verlassen hatte. – Ich war beileibe nicht der einzige männliche Gast im Café, dessen Blick ihr verträumt folgte.

    Meine Uhr gemahnte mich daran, daß die Pflicht rief. „Ist sie öfter hier?" fragte ich den Kellner, zahlte und gab reichlich Trinkgeld.

    Die Dame wäre heute zum ersten Mal in der Zitrone gewesen, wurde mir beschieden.

    Es schüttete unterdessen wie aus Kübeln. Ich hastete zum Auto.

    *

    Das Morgentraining im Aikikan war wegen des Sauwetters ungewöhnlich schwach besucht, aber da fast nur fortgeschrittene Aikidoka auf der Matte waren, konnte ich endlich wieder einmal ausführlich Waffenabwehr üben. Kurz vor Ende der Stunde sprang der Anrufbeantworter im Umkleideraum zweimal an. Nach dem Training stellte ich die Holzmesser in den Ständer für die Übungswaffen zurück und hörte den AB ab.

    Der erste Anruf war von Bernd, einem Aikidoka, der normalerweise die Vormittagsstunde besuchte. Er war rechtzeitig in Reinickendorf losgefahren, dann aber am Bahnhof Zoo wegen einer Polizeiaktion in der Hardenbergstraße in einen Stau geraten. Ein dritter Mountainbike-Überfall hatte sich ereignet. Bernd hatte mit eigenen Augen gesehen, wie von dem Täter, dem Anschein nach ein Südländer, das Feuer auf die Polizisten eröffnet worden war. – Na, dann mal allen Berlinern eine frohe Weihnachtszeit, wenn es in diesem Stil weiterging!

    Der zweite Anruf war gänzlich anderer Art, aber nicht weniger ungewöhnlich. Er kam von einem Übersetzungs- und Dolmetscherbüro namens Agentur Istanbul. Eine Frauenstimme mit skandinavischem Akzent bat Herrn Eugen Meunier um Rückruf. Die Angelegenheit hätte Eile. Ich kritzelte die Telefonnummer der Agentur auf einen Zettel. Mich hier im Aikikan zu kontaktieren, war wirklich sonderbar, weil außer dem neuen Verlagslektor, den Leuten in der Narr Bar und den Aikido-Schülern niemand wußte, daß ich mich in der Stadt aufhielt.

    Ich wartete, bis ich alleine im Umkleideraum war, und wählte die notierte Nummer. Die Frau, die auf den AB gesprochen hatte, meldete sich sofort.

    Agentur Istanbul, Tove Bredesen am Apparat – Einen Augenblick bitte, Herr Meunier, ich verbinde Sie mit Frau Petrowka."

    Als der Name fiel, erging es mir wie einem Zen-Eleven, den urplötzlich die Erleuchtung ereilt. Himmel, Olga, Olga Petrowka, meine langverflossene Ex! Das erklärte alles. Olga konnte natürlich nicht wissen, daß ich im Prinzip meine Zelte in Berlin abgebrochen hatte und hier ein – hoffentlich nur kurzes – Wintergastspiel gab. Bereits bevor ich den Aikikan losgeworden war, hatten wir uns irgendwie aus den Augen verloren. Unsere kurze Beziehung war glücklicherweise ohne die üblichen endlosen Querelen zu Ende gegangen, weil wir beide schnell begreifen mußten, daß unser Lebensstil einfach nicht kompatibel war. Olga war bekennende Worcaholicerin, ich tendierte eher zum Gegenteil. Schon damals war sie erfolgreich im Übersetzungsbusiness tätig gewesen. Meine Großmutter hätte in ihr vermutlich die ideale Gattin für mich gesehen. Olga, eine knallharte Geschäftsfrau, war zumindest optisch der mütterliche Typ, ein klein wenig füllig – immerhin an den richtigen Stellen –, sie kochte vorzüglich, kleidete sich konservativ, und ihr Konto wies stets ein sattes Plus aus, während ich mich damals schon von Monat zu Monat finanziell durchmogeln mußte.

    „Hallo, Eugen!"

    „Mensch, Olga, jetzt bin ich aber baff. Was verschafft mir denn nach all den Jahren so unvermutet die Ehre?"

    Es war nie Olgas Art, lange um den heißen Brei herumzureden. „Hättest du heute noch ein Stündchen für mich Zeit? Ich habe vor ein paar Wochen einen lukrativen Großauftrag an Land gezogen. Da könnte durchaus für dich etwas abfallen, oder schwimmst du jetzt im Geld?"

    „Wie kommst du zu der Annahme?"

    Sie lachte. „Na, fast immer, wenn ich in einem Feuilleton blättere, wird dein Lob gesungen."

    „Du übertreibst, Verrisse sind auch nicht gerade selten, knurrte ich, „und außerdem sollte es sich sogar bis zu dir herumgesprochen haben, daß man hierzulande mit Romaneschreiben in der Regel zwar zu flüchtigem Ruhm, aber fast nie zu solidem Wohlstand gelangt.

    „Aha, du bist also im Augenblick klamm! Das trifft sich. Deine Fähigkeiten sind nämlich gefragt, mein Lieber."

    Ich runzelte die Stirn. „Da gäbe es außer dem Verfassen von historischen Schinken noch andere. Worauf spielen Madame denn an?"

    Sie kicherte. „Sei unbesorgt, ich habe momentan Wichtigeres zu tun, als mit dir ins Bett zu hüpfen."

    Ich räusperte mich. „Danke für die klaren, aufrichtigen Worte. Aber dann verrate mir doch vielleicht mal einfach, auf welche meiner sonstigen Fähigkeiten du es abgesehen hast!"

    „Wie gut ist dein Japanisch noch, Eugen?"

    „Recht passabel, würde ich meinen. Erst im letzten Jahr war ich wieder länger in Kamakura und auch eine Woche bei Andreas in Kôbe. Weshalb?"

    Als Antwort erhielt ich eine weitere Frage. „Und wie ist es um dein Türkisch bestellt?"

    „He, du hast ja doch nicht bloß im Feuilleton herumgeblättert!"

    „Keineswegs. Deinen Sultan-Selim-Roman habe ich sogar gekauft und gelesen. – Also?"

    „Um ehrlich zu sein, mein Türkisch ist so la la. Für Übersetzungen reicht es auf keinen Fall, wenn dir das im Hinterkopf herumgeistern sollte. Mit der Alltagssprache komme ich hingegen einigermaßen zurecht."

    „Hm, murmelte sie, „schade, aber das ist kein Drama. Bei mir arbeiten derzeit drei festangestellte türkische Mitarbeiter. – Es ist so: Ich könnte dich bei dem Kongreß nämlich gut gebrauchen. Weniger als Übersetzer oder Dolmetscher, sondern mehr als eine Art mehrsprachiger Koordinator, der mir auch bei der Pressearbeit während der Tagung hilft. Japaner werden übrigens ebenfalls erwartet.

    „Red mal bitte endlich Klartext, teure Freundin! Was ist das für ein Kongreß, und was erhoffst du exakt von mir?"

    „Genau das würde ich lieber ausführlicher und in Ruhe bereden. Jetzt geht

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