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Flüchtige Spur: Kriminalroman
Flüchtige Spur: Kriminalroman
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eBook264 Seiten3 Stunden

Flüchtige Spur: Kriminalroman

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Über dieses E-Book

In Gerda Maria Pflocks Tübingen-Krimi ermittelt ein weibliches Trio.

Die frisch gegründete Detektei von Svenja Dachs kann sich über einen Mangel an Aufträgen nicht beklagen. Mit Hilfe von Freundin Karin und Mutter Elly beschattet sie untreue Ehemänner, spürt Wirtschaftsspionen nach und entlarvt Mobbing-Kollegen, doch die Suche nach dem verschwundenen Geschäftsmann Manfred Berger bleibt zunächst erfolglos. Erst im Lauf ihrer hartnäckigen Ermittlungen, die sie nach Genua, Südfrankreich und in die algerische Wüste führen, kommen die drei Frauen der Lösung näher.

Unterwegs leistet auch Svenjas zehnjähriger Neffe Carlo als Übersetzer und Hilfsdetektiv wertvolle Dienste, bis er in den Hafenanlagen Marseilles beinahe skrupellosen Entführern in die Hände fällt. Schließlich, wieder zurück im beschaulichen Tübingen, als bereits alles klar zu sein scheint, geschieht ein grauenvoller Mord ...
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum6. Dez. 2012
ISBN9783842515383
Flüchtige Spur: Kriminalroman

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    Buchvorschau

    Flüchtige Spur - Gerda Maria Pflock

    49

    1

    Alles begann an einem sonnigen Mainachmittag in Tübingen. Svenja Dachs klingelte stürmisch an der Tür der alten Villa im Schönblick. Karin kam um die Hausecke und rief: »Hier draußen bin ich!«

    Svenja rannte sofort auf ihre Freundin zu und fiel ihr um den Hals. »Du glaubst nicht, was ich vorhabe! Und ich brauche dich dazu! Du willst doch auch wieder arbeiten?«

    Karin war belustigt über den Ausbruch ihrer temperamentvollen Freundin. »Jetzt komm erst einmal mit in den Garten«, sagte sie, konnte sich jedoch nicht bremsen, auf dem Weg dahin die ersten Fragen zu stellen. »Wieso brauchst du mich? Du weißt doch, dass Steffen nicht möchte, dass ich arbeiten gehe.«

    »Aber du willst das doch? Etwas Interessantes tun? Und wenn er es gar nicht merkt? Wenigstens nicht gleich?«

    Karin war von der Begeisterung Svenjas schon fast mitgerissen, obwohl sie noch keine Ahnung hatte, wovon sie sprach. »Komm, setz dich hier zu mir auf die Hollywood-Schaukel und nimm dir etwas zu trinken.« Und nach einer winzigen Pause, während sich Svenja Mangosaft einschenkte und dabei ihren Blick auf den Pool fixierte: »Also los, nun erzähl schon!«

    Svenja brauchte keine Aufforderung, lebhaft loszusprudeln: »Also, ohne dich wird es nicht gehen. Du musst unbedingt dabei sein! Ich will mich nämlich selbständig machen. Da staunst du, was?«

    »Ja, da staune ich wirklich. Aber ich werde nicht mitmachen können. Du weißt doch, dass ich Steffen noch nicht überzeugen konnte, dass ich etwas Nützliches und Befriedigendes machen möchte. Für ihn ist Arbeit nur Geld scheffeln, und er denkt, dass das hier – die Villa, der Pool, der Garten, die Autos – dass das alles sei.« Karin sagte das ganz traurig. »Und er betont immer wieder, dass wir doch alles hätten.«

    »Toll ist das schon alles. Sogar sagenhaft. Aber du sagst doch selbst, dass du noch etwas anderes brauchst. Spannung und Leben! Ich habe schon einen Plan, wie er einfach in die Sache hineingezogen wird. Du wirst also nicht mit ihm streiten müssen.« Svenja lächelte jetzt selbstzufrieden.

    »Na ja, wenn du selbständig bist, lässt sich vielleicht schon etwas arrangieren«, überlegte Karin. »Aber jetzt schieß erst mal los mit deinen Plänen!« Sie gab der Schaukel einen leichten Schubs und lehnte sich gespannt zurück.

    »Ich will ein Detektivbüro gründen.« Triumphierend sah Svenja ihre Freundin an.

    »Wie? Sag das noch mal!«, rief Karin ganz ungläubig. »Wie kommst du denn auf die Idee?«

    »Es ist mir geradezu aufs Auge gedrückt worden. Und du kannst als Werbefachfrau nützlich sein und als ehemalige Redakteurinnen können wir doch beide ganz gut recherchieren.«

    »Also, Judo habe ich auch eine Weile betrieben. Aber so etwas habe ich mir eigentlich nicht vorgestellt.«

    »Eben! Grips brauchen wir und Phantasie. Und wir müssen doch nicht jeden Fall annehmen.«

    »Du denkst, das funktioniert? Wer hat es dir denn aufs Auge gedrückt? Irgendwie klingt es unsinnig und reizvoll!« Karin war schon ganz ungeduldig, was sie noch zu hören bekäme.

    Svenja nahm einen Schluck Saft. »Du erinnerst dich doch an meine Bekannte Hanni Pullacher?«

    »Die Fabrikantenwitwe mit den vielen Pudeln, die auf deiner Gartenparty betrunken war?«

    »Und die hier in deiner Nähe wohnt, genau die. Sie bat mich um einen Gefallen. Sie hat wieder geheiratet, einen hübschen jungen Kerl, dem traut sie nicht mehr. Sie bat mich, ihn auszuspionieren. Sie würde es nicht wagen, eine Detektei zu beauftragen. Und sie würde mich wirklich ganz herzlich bitten und auch ein nettes Sümmchen springen lassen.«

    »Nettes Sümmchen! Und du hast zugesagt?«

    »Ich habe sie ganz empört gefragt, wer ihr verraten hätte, dass ich gerade im Begriff wäre, mich als Detektivin selbständig zu machen.«

    »Und die Idee war dir in diesem Moment gekommen?«

    »Das siehst du genau richtig.« Svenja und Karin schüttelten sich vor Lachen. Die Hollywood-Schaukel geriet in heftige Bewegung.

    Von der Terrassentür ertönte die Stimme des Hausherrn. »Bei euch geht’s aber lustig zu«, rief er sonor und freundlich. »Darf man mitlachen?«

    »Hallo, Steffen, komm und fühl dich wie zu Hause«, kalauerte Svenja. Karin flüsterte ihr schnell zu: »Erzähl alles, aber lass mich draußen.« Steffen kam die wenigen Stufen herunter und begrüßte seine Frau mit einem Kuss und Svenja mit einem herzlichen Händedruck. Während er sich auf einem Gartensessel niederließ, fragte er nach dem Anlass ihrer Heiterkeit.

    Svenja erzählte von Hanni Pullacher und wie sie durch deren Ansinnen endlich auf die Idee gekommen sei, womit sie sich eine selbständige Firma aufbauen könne. Auch Steffen musste mehrmals laut lachen. Aber als Geschäftsmann keimte sofort ein kleines Misstrauen bei ihm auf. »Und wer wird am Telefon sitzen, wenn du unterwegs bist?«, fragte er mit einem Blick auf seine Frau.

    Svenja tat, als bemerkte sie das gar nicht. »Miss Marple natürlich. Meine Mutter Elly. Die ist die Kaffeekränzchen schon lange leid und sehnt sich nach Abwechslung.«

    Man sah Steffen die Erleichterung an. Das hätte ihm noch gefehlt, dass seine Frau womöglich als Telefonistin eingespannt worden wäre! Und vor lauter Erleichterung sagte er: »Habt ihr schon überlegt, dass Karin dir am Anfang bei der Werbung etwas unter die Arme greifen könnte?«

    Svenja und Karin blickten sich an. Karin sagte langsam: »Das ist eine sehr gute Idee. Da könnte ich mir wirklich etwas dazu einfallen lassen.«

    Svenja ergänzte: »Das geht ja alles recht schnell bei dir, hm? Aber es gibt so vieles zu bedenken. Nächste Woche fahre ich erst einmal nach München zu einem Kurzausbildungslehrgang für Detektive. Er dauert zwei Monate, und danach werde ich gleich anfangen.«

    »Dein Existenzgründungskurs vom letzten Jahr wird dir sicher auch nützlich sein.«

    Svenja lachte. »Ja, obwohl ich zu der Zeit noch keine Ahnung hatte, was für eine Existenz das werden soll. Deshalb muss mir jetzt auch der Kurzlehrgang reichen. Und die Steuer macht sowieso mein Mann, der kann mir bestimmt so manchen Ratschlag geben. Das Dumme ist bloß, dass er in eine Kur muss, ausgerechnet, wenn ich vom Lehrgang zurückkomme.«

    Steffen fühlte sich sofort in die Pflicht genommen. »Also, wenn es um Ratschläge geht, kannst du dich auch immer an mich wenden. Außerdem könnte ich dir mit einem kleinen Anfangskredit helfen, falls ihr nicht genügend Geld flüssig habt.«

    »Vielleicht werde ich auf dein Angebot zurückkommen. Das kann ich jetzt noch nicht übersehen.«

    »Wo willst du eigentlich das Büro einrichten?«, fragte Karin, die noch nicht viel mehr wusste, als ihr Mann inzwischen erfahren hatte.

    »Natürlich bei uns, in der Gartenstraße. Wir liegen abgelegen genug, um ein bisschen Diskretion zu garantieren, und parken kann man auch problemlos. Mit den Büros habe ich mir gedacht … du kennst doch die Einliegerwohnung meiner Mutter im Untergeschoss. Vor ihrer Wohnungstür geht rechts noch einmal eine Tür ab. Den Raum dahinter haben wir bisher nur als Abstellraum benutzt.«

    »Aber der zieht sich doch unter deiner ganzen Wohnung hin?«

    »Nein. Genau genommen sind es drei Räume, durch die man auch zum Treppenhaus gelangt. Die beiden mittleren sind Lagerräume. Aber wir wollen alles in den hinteren Raum schaffen, so dass für die Detektei zwei ineinandergehende Zimmer zur Verfügung stehen. Elly ist schon am Ausmisten.«

    »Muss etwas umgebaut werden?«

    »Nein, die Räume sind hell und heizbar. Nur die Beleuchtung wird geändert. Und Elly hat schon Farben gekauft. Sie will in den nächsten Tagen mit Streichen anfangen.«

    »Sie will es selbst streichen?«, fragte Steffen ungläubig.

    »Warum nicht? Wir machen solche Dinge meist selbst.«

    »Ihr werdet vieles bedenken müssen. Ihr braucht wahrscheinlich Kopierer, Fax, Anrufbeantworter, einen Safe, Kameras …«

    »Nein, Kameras nicht. Ich habe früher schon als Fotoreporterin gearbeitet und bin bestens ausgerüstet. Ich habe sogar eine Dunkelkammer im Dachgeschoss, aber die brauche ich nur noch für meine ausgefeilten Schwarzweiß-Aufnahmen. Für die Observationen nehme ich lieber eine Digicam.«

    »Ich sehe, dass das alles schon Hand und Fuß bekommt«, sagte Steffen im Aufstehen. »Ich wollte nur einige Unterlagen holen und muss jetzt leider wieder weiter. Ich hoffe nur, dass das nicht Schule macht und meine Frau nächstens einen Freizeitpark eröffnen will – oder etwas Ähnliches.« Dann verschwand er im Haus.

    »Das war knapp!«, sagte Karin erleichtert.

    »Aber Werbung musst du nicht heimlich machen. Das war seine Idee.«

    »Vielleicht können wir ihm auch noch andere Ideen kommen lassen?« Karin schloss die Augen und dachte nach. »Vielleicht kannst du ihn manchmal um etwas bitten, was er dann aus Zeitgründen auf mich abschieben muss?«

    »Wir werden das Kind schon schaukeln«, lachte Svenja und wippte heftig auf ihrem beweglichen Sitzplatz. Dann fiel Karin noch etwas anderes ein: »Startkapital hast du jetzt schon mit einem Kredit von Steffen.«

    »Daran will ich lieber nicht denken«, seufzte Svenja.

    Karin beklagte, dass sie sich heute Abend erst mal wieder anhören dürfe, wie gut sie es habe, dass sie kein Geld verdienen müsse. »Und wie leid es ihm tut, dass du es nötig hast, Geld zu verdienen, weil dein Mann eben nicht so ein toller Hecht ist wie er.«

    »Na ja, Achim hat wirklich nicht gerade das, was man Glückssträhne nennt. Aber wir können trotzdem ganz zufrieden sein. Jedenfalls ist unsere Finanzlage nicht der Hauptgrund für diese Unternehmung.«

    »Bist du eigentlich glücklich mit Achim?«, fragte Karin unvermutet.

    »Ich möchte keinen anderen – wenn du das meinst. Aber Streit haben wir schon ab und zu.«

    »Wir auch manchmal. Man muss aufpassen, dass man nicht eines Tages zu viel gibt und zu wenig bekommt. Steffen denkt immer, dass er mit teuren Geschenken alles ausbügeln kann.«

    Svenja blicke auf Karins Armband. »Also, mit Smaragden bügeln, das kann Achim ohnehin nicht. Aber es würde mich genauso wenig befriedigen wie dich.«

    »Immerhin verdankst du ihm einen passenden Namen für deine Detektei: Dachs – das klingt doch fast wie Luchs.«

    Svenja lachte. »Ich habe mich schon geärgert, dass ich nicht ›Haus am Österberg‹ nehmen kann, weil es das schon gibt. Aber ›Detektei Dachs‹ ist wirklich gelungen!«

    »Freut mich, dass ich schon etwas beigetragen habe«, kicherte Karin.

    2

    Ein Vogel müsste drei Kilometer fliegen, wenn er von der Riviera zu diesem versteckten Anwesen auf den Hügeln gelangen wollte. Am Ende eines Olivenhains, vor einer kleinen Anhöhe, liegt das Häuschen versteckt vor neugierigen Blicken. Verschachtelt ist es, und das verdankt es seiner Entstehung. Zuerst war da nur ein einziger Raum. Dann kamen Kammern, Abstellräume, ein Stall und eine Überdachung zu der Erhebung hinter dem kleinen Gebäude dazu. Zuletzt wurde, mit viel Glas, auf der Südseite ein Atelier angebaut. Das Ganze hatte natürlich nie eine Baugenehmigung von Nahem gesehen. Diese Art von Bürokratie schien Lorenzo, dem stolzen Eigentümer, völlig absurd. Schließlich störte er hier niemanden, und er konnte seinen Olivenhain von hier aus gut bewirtschaften.

    Einige seiner Geschwister wohnten noch unten im Städtchen. Er, als Jüngster, hatte diesen Hain außerhalb zugesprochen bekommen und sich sofort an den Bau seiner Unterkunft und eines Brunnens gemacht, um niemandem zur Last zu fallen. Hier lebte er nun, mit einigen Schafen, Ziegen und Hühnern, mit seinem Hund Fido und mit zwei Katzen. Mit seinem kleinen Lieferwagen fuhr er manchmal hinunter ans Meer – vor allem dann, wenn es viele Touristen gab. Die waren für ihn eine willkommene Abwechslung.

    Mit der Verständigung ging es ganz gut. In der Schule hatte er etwas Französisch gelernt, und außerdem war er schon zweimal – in der Saison – in Deutschland gewesen, um im Ristorante eines Onkels zu kellnern und mit dem verdienten Geld seine Bauarbeiten voranzutreiben. Auch die Farben und die Leinwand, die er für sein zweites Hobby, außer den Touristenkontakten, brauchte, waren nicht gerade billig. Bisher hatte er noch kein Gemälde verkauft; dabei war er selbst unsicher, ob er sich von seinen Werken nur nicht trennen wollte oder ob er die Befürchtung hatte, enttäuscht zu werden, wenn er sie anböte.

    In der Hauptreisezeit fuhr er oft die Küste entlang nach Genua. Denn er verspürte – trotz einiger Besuche in der Schweiz und einigen Fahrten innerhalb Deutschlands – eine tiefe Sehnsucht nach Ferne, ein richtiges Fernweh. Das trieb ihn immer wieder zum Hafen, wo die großen Fährschiffe riesenhafte Automassen verschlangen – und Menschen, Menschen, ohne Ende. Hier im Hafen träumte er den Traum von Afrika.

    Die abreisenden Passagiere waren meist in Eile, um ihre Passage schnell abzuwickeln. Die Ankommenden strebten zum Teil rasch auf die Autostraßen, zum Teil aber übernachteten sie auch in der Stadt und hatten es nicht ganz so eilig. Und dann gab es noch die Wartenden, die lediglich einen Chance-Platz bekommen hatten. Wenn dann die Fähre noch das letztmögliche Fahrzeug aufgenommen hatte, mussten die anderen kehrtmachen und, sofern sie nicht einfach weiterfuhren, sich einen Schlafplatz sichern. Diese Reisenden hatten nun einige Tage Zeit, bis sie einen sicheren Platz auf einer Fähre bekamen.

    Unter diesen befand sich heute ein sympathischer, sportlich gekleideter Mann mittleren Alters. Lorenzo, für den es nicht schwierig war, ins Hafengelände zu gelangen, da er hier schon öfter gearbeitet hatte und viele Leute kannte, erspähte ihn und ging auf ihn zu. Er erbot sich höflich, in deutscher Sprache, bei der Suche nach einer kleinen Pension behilflich zu sein, denn er kenne sich hier gut aus. Der Mann überlegte kurz und willigte freundlich ein.

    Die Pension war schnell gefunden, und die beiden Männer gingen in ein nahegelegenes Straßencafé. Manfred Gerber hieß er, wie Lorenzo bei der Anmeldung erfahren hatte. Schnell stellte sich heraus, dass Manfred, oder Freddo, wie Lorenzo ihn schon bald nannte, recht gut Italienisch sprach und nicht unbedingt eines Führers bedurft hätte. Aber dieser junge Italiener war Gerber gleich sympathisch gewesen, und er freute sich über die unvermutete Bekanntschaft. Bevor sie sich trennten, lud Lorenzo den Deutschen ein, ihn am nächsten Tag in seinem ruhigen, abgelegenen Häuschen zu besuchen. Sie vereinbarten einen Treffpunkt in einer Bar vor der Abzweigung ins Landesinnere, damit Freddo sich nicht verfahre, da es doch keine offizielle Adresse gab.

    3

    »Wem von uns wird sie eigentlich den Arbeitsplatz wegnehmen?«, fragte Dieter.

    »Wer? Corinna?«, wunderte sich Alf. Zu viert hatten sie sich zu einer Besprechung zusammengesetzt, nur Männer natürlich. Corinna hatten sie geflissentlich übergangen.

    »Unsere Frauenreferentin will bestimmt die Frauenquote durchsetzen. Seit sie im Sender so viel zu sagen hat, sind fast ausschließlich Frauen eingestellt worden.« Dieter war sichtlich besorgt.

    »Aber bei den Wirtschaftssendungen ist es doch üblich, dass sie von Männern gemacht werden«, mischte sich Gerald ein. Und Sylvio fragte: »Glaubt ihr wirklich, dass einer von uns gehen muss? Das funktioniert doch wohl arbeitsrechtlich nicht? Oder?«

    Dieter überlegte. »Mich könnten sie ins Sportressort versetzen, weil ich dort angefangen habe. Es war die einzige Möglichkeit, hier einen Job zu bekommen. Aber das will ich auf keinen Fall mehr machen.«

    »Die Sportredaktion ist doch gut besetzt«, beruhigte ihn Sylvio.

    Alf sagte gedankenvoll: »Aber Dieter ist nicht verheiratet, und das könnte Versetzung bedeuten.«

    »Spekulieren bringt nichts!« Gerald stand auf. »Entweder wir sprechen mit der Sendeleitung, oder wir unternehmen selbst etwas.«

    »Wie ist sie eigentlich?«, wollte Sylvio von den anderen wissen. »Ich habe nämlich noch nichts mit ihr zu tun gehabt.«

    »Oh, scharf ist sie schon. Gut für einen Blondinenwitz«, spöttelte Dieter.

    Alf konterte: »Lass das bloß die Frauenreferentin nicht hören. Das ist bestimmt ein Kündigungsgrund. Diskriminierung am Arbeitsplatz!«

    »Aber euch interessiert doch sicher, warum Blondinen sich in die Ecke stellen, wenn es kalt ist?« Dieter war uneinsichtig.

    »Na, wegen der neunzig Grad.«

    »Der hat doch ’nen Bart! Wir sollten lieber überlegen, was wir am besten tun. Prophylaktisch, meine ich.«

    »Vielleicht macht sie sachliche Fehler. Wir müssen sie genauer im Auge behalten.« Gerald war schon an der Tür. »Bis jetzt habe ich mich noch zu wenig damit beschäftigt.«

    »Ich fürchte, es dauert zu lange, sie zu beobachten«, rief Dieter ihm nach. »Wir müssen uns etwas anderes überlegen.«

    4

    Svenja fuhr zu ihrem Kurs nach München und kam nach Beendigung voller Tatendrang zurück. Elly hatte die bürokratischen Angelegenheiten so weit vorangebracht, dass Svenja nur noch Unterschriften zu leisten hatte. Das Büro war mit dem Nötigsten ausgestattet, und so eröffneten sie noch im Juli.

    Der erste Fall war viel zu schnell abgeschlossen. Hanni Pullacher, die sich immerhin noch zwei Monate hatte gedulden müssen, wurde innerhalb weniger Tage mit Fotos ihres Mannes eingedeckt, die ihr gar nicht gefallen konnten. Ihr Bastian entpuppte sich wirklich als Windhund. Er hatte eine Geliebte Ob dem Viehweidle und eine in der Wilhelmstraße. An beiden Adressen konnte Svenja Fotos von der intimen Verabschiedung machen, nachdem Bastian sich mehr als eine Stunde dort aufgehalten hatte. Svenja hatte Hanni geraten, erst einmal das Testament zu ändern und ihm das anschließend mitzuteilen.

    »Ich will nicht einen Mord an dir aufklären müssen«, sagte sie mit etwas Sarkasmus in der Stimme. »Schließlich habe ich darin noch keine Übung.«

    Aber obwohl Hanni weder sarkastisch noch heiter zumute war, zahlte sie bar und gut.

    Karin hatte inzwischen Entwürfe für ein Werbekonzept gemacht. Und eine erste Anzeige, bewusst unauffällig, war heute in der Tagespresse erschienen. Und nun war Lagebesprechung.

    »War das Inserat für eine Eröffnungsanzeige nicht viel zu klein?«, fragte Elly besorgt.

    »Nein, von Eröffnung wollten wir nicht reden. Die Leute sollen doch Vertrauen in unsere Erfahrung haben. Karin hat das mit Absicht so eingefädelt.« Svenja sah ganz zufrieden aus. Bevor Karin auch etwas hinzufügen konnte, klingelte das Telefon. Elly griff nach dem Hörer.

    »Detektei Dachs, Rhode am Apparat. Guten Tag!« Svenja schaltete den Lautsprecher ein, und alle drei blickten auf das Telefon wie die Schlange auf das Kaninchen.

    Eine Frau meldete sich. Frau Gerber. Ihr Mann sei schon seit einer Woche verschwunden. Sie habe diese Anzeige in der Zeitung gesehen, das sei wie ein Fingerzeig gewesen. Nein, zur Polizei wolle sie noch nicht gehen, der Gatte sei schon einmal für einige Wochen verreist, ohne sich abzumelden. Allerdings habe er damals in der Firma alles geregelt für die entsprechende Zeit, die

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