Aus Omas Nähkästchen und Opas Geigenkasten: Heitere und weitere Geschichten
Von Elke Ottensmann
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Elke Ottensmann
Elke Ottensmann, 1968 in Alpirsbach geboren, lebt heute mit ihrer Familie in der Nähe von Kaiserslautern. Sie schreibt am liebsten über das wahre Leben.
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Buchvorschau
Aus Omas Nähkästchen und Opas Geigenkasten - Elke Ottensmann
Der SCM Verlag ist eine Gesellschaft der Stiftung Christliche Medien, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.
ISBN 978-3-7751-7280-6 (E-Book)
ISBN 978-3-7751-5413-0 (Lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book:
Beate Simson, Pfaffenhofen a. d. Roth
4. Auflage 2016
© der deutschen Ausgabe 2012
SCM-Verlag GmbH & Co. KG
71088 Holzgerlingen
Internet: www.scmedien.de;
E-Mail: info@scm-verlag.de
Die Bibelverse sind, wenn nicht anders angegeben, folgender Ausgabe entnommen:
Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Umschlaggestaltung: Jens Vogelsang, Aachen
Titelbild: fotolia.com
Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach
Inhalt
Statt eines Vorworts
Unverhofft kommt oft – der Auftakt
Ihre Augen haben es nicht gesehen
Zum Verwechseln ähnlich
Ein Licht strahlt auf
Der Grundstein wird gelegt
Trautes Heim
Raus aus dem Alltag – Urlaubsgeschichten
Ein Konzert mit Folgen
Oma fliegt nach Amerika
Schlesische Klöße und schwäbischer Kartoffelsalat
Aus demselben Holz geschnitzt
Der lächelnde Dalmatiner
Wo sind die Gentlemen geblieben?
Wenn ein alter Baum verpflanzt wird
Fleißige Hände
Wenn Engel reisen
Aller guten Dinge sind drei
Ein Licht verlöscht
Der Ton macht die Musik
Immer einen Schritt voraus
Soloauftritt
Blickwechsel
Alles zu seiner Zeit
Von ganzem Herzen
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
GeigeStatt eines Vorworts
»Um Himmels willen, wenn das der Schriftsteller ist, dann macht er aus uns am Ende noch einen Roman!«
»Und gar einen ungezogenen Film!«
»Meine Herren, das ist bereits geschehen, aber sie brauchen keine Besorgnisse zu haben, ich habe alles so stark übertrieben, dass kein Mensch sich wiedererkennt. Ich will auch gerne öffentlich bekennen, dass ich die ganze Geschichte von A bis Z erlogen habe. Die Schule, den Direktor, die Lehrer und die kleine Eva, ja sogar mich selbst habe ich erfunden.«
Mit diesen Worten des verschmitzt lächelnden Herrn Pfeiffers, preisgekrönter Schriftsteller in dem Klassiker aus den 1930er-Jahren »Die Feuerzangenbowle« endet die uns allen bekannte Komödie.
Das Besondere an dem hier vorliegenden Buch ist, dass die Geschehnisse und beschriebenen Personen eben nicht erfunden sind. Die geschilderten Erlebnisse haben sich tatsächlich so ereignet, wie in den Geschichten berichtet wird. Die Charaktere werden dabei nicht übertrieben geschildert, eventuelle Ähnlichkeiten mit tatsächlich lebenden Menschen sind kein Zufall, und die genannten Personen werden sich darin wiedererkennen. Ich habe nichts erlogen oder erfunden.
Es sind Alltagsgeschichten, wie nur das Leben sie schreiben kann, geführt von der Hand des Meisters alles Lebens, unserem Gott.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
GeigeUnverhofft kommt oft – der Auftakt
Die Geburt ihres dritten Kindes stand kurz bevor; das spürte Johanna Seidel. Einen genau errechneten Geburtstermin hatte sie zwar nicht, auch Begriffe wie Ultraschalluntersuchung, CTG und Dopplersonografie wären ihr unbekannt gewesen. Einen blauen Mutterpass, den sie während ihrer Schwangerschaft zu den Kontrolluntersuchungen mitbringen würde, besaß sie nicht. »Was für Kontrolluntersuchungen?«, würde sie vermutlich fragen. Sie hatte sich ganz einfach ihrer Dorf-Hebamme anvertraut, so wie es die anderen werdenden Mütter auch taten. Damals, im Jahr 1936, kannte man es nicht anders. Wegen einer Schwangerschaft zum Arzt zu gehen, war nicht üblich und wäre zu teuer gewesen.
Die herbeigerufene Hebamme hatte Johanna schon bei ihren ersten beiden Schwangerschaften betreut und dafür gesorgt, dass ihre zwei Jungen wohlbehalten das Licht der Welt erblickten. Johanna und ihre Hebamme waren Freundinnen geworden. Als die Hebamme noch einmal mit ihrem Hörrohr an Johannas dickem Bauch lauschte, nickte sie zufrieden. »Die Herztöne des Babys sind laut und deutlich zu hören. In ein paar Stunden wirst du dein Baby in den Armen halten«, so ihr aufmunternder Befund.
Sie sollte recht behalten. Kurze Zeit später platzte Johannas Fruchtblase, woraufhin heftige Wehen einsetzten. Drei Stunden später war das Köpfchen zu sehen, und mit geschicktem Griff zog die erfahrene Hebamme mit der letzten Presswehe einen kleinen Jungen heraus. Er war gesund, aber sehr klein und zierlich. Mit einem Gewicht von 2 300 Gramm war er wesentlich leichter, als es seine beiden großen Brüder Günther und Walter bei deren Geburt gewesen waren. Einen Namen hatten sich seine glücklichen Eltern bereits überlegt, für den Fall, dass es ein Junge werden sollte: Werner sollte der Kleine heißen. Die Hebamme hatte Klein-Werner bereits gewaschen und in ein warmes Tuch gewickelt, um ihn dann seinem Vater vorzustellen, der im Wohnzimmer ausharrte. »Herzlichen Glückwunsch, Arthur! Ihr habt wieder einen kleinen Jungen, getreu dem Motto: Aller guten Dinge sind drei!«
Behutsam legte sie ihm das Baby in die Arme, als plötzliches ein lautes Stöhnen von Johanna zu ihnen drang. Rasch eilte die Hebamme zu ihrer Patientin zurück. »Johanna, was hast du denn?«, fragte sie erschrocken. »Ich habe solch schreckliche Schmerzen, wie vorher bei den Wehen«, presste Johanna hervor. »Was kann denn das nur sein?«
Einem Impuls folgend legte die Hebamme nochmals ihr Hörrohr an Johannas Bauch und lauschte. »Da sind immer noch Herztöne zu hören, und deine eigenen sind es ganz gewiss nicht! Hannchen, du musst jetzt stark sein: es kommt noch ein Baby!«
So erblickte 15 Minuten später ein zweites Baby das Licht der Welt. Noch ein kleiner Junge, der eineiige Zwillingsbruder von Werner. Er war noch etwas zarter und leichter mit einem Gewicht von 2 100 Gramm. Damit hatte keiner gerechnet. Zu keiner Zeit der Schwangerschaft waren der Hebamme doppelte Herztöne aufgefallen; andere Untersuchungen hatte Johanna schließlich keine gehabt.
Endlich konnte der inzwischen recht besorgte frischgebackene Vater über sein doppeltes Glück informiert werden. Nachdem der anfängliche Schock über das unverhoffte Baby überwunden war, machte sich große Freude bei den Eltern und großen Brüdern breit.
Zunächst blieb der Kleine namenlos – Johanna und Arthur hatten nämlich nur einen männlichen Vornamen ausgesucht. Doch schon bald hatten sie auch für ihn einen Namen gefunden: Reinhard.
Da die beiden Jungen sich sehr ähnlich sahen, und um Verwechslungen zu vermeiden, bekam Werner ein blaues Bändchen um sein rechtes Handgelenk gebunden.
Kurze Zeit später konnte Arthur sich einen Spaß aus der Zwillingsgeburt machen, als seine Schwester Frieda ihn fragte: »Ist das Baby schon da?«, antwortete Arthur verschmitzt lächelnd: »Ja.« Ungeduldig wollte Frieda wissen: »Was ist es denn nun, ein Mädchen?« Arthur grinste: »Nein.« »Ein Junge?« – »Nein.« »Ja, was ist es denn dann?« – »Zwei Jungen!«
So wurde mein Vater geboren, der kleine Junge mit großem Überraschungseffekt. Es war der Beginn eines bewegten Lebens für die Zwillingsbrüder und ihre Familie.
Damals ahnte noch niemand, dass zwei Jahre später meine Mutter nicht sehr weit entfernt vom Heimatort meines Vaters in Schlesien zur Welt kommen würde.
Doch meine Eltern sollten sich erst 25 Jahre später ganz woanders begegnen.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
GeigeIhre Augen haben es nicht gesehen
Werner und Reinhard wurden in eine liebevolle, von tiefem Glauben geprägte Familie hineingeboren. Während sich die dunkle Wolke des Zweiten Weltkriegs zusammenbraute, hielt die Familie in ihrem Heimatort Waldenburg in Schlesien fest zusammen. Sie schöpften Kraft in der Musik und ihrer evangelischen Kirchengemeinde. Gemeinsames Musizieren mit Klavier und Geigen war für sie Bestandteil des normalen Alltags. Wenn der Vater abends von seiner Tätigkeit bei der Bergbauverwaltung heimkam, setzte sich die Familie oft zusammen, um Kirchenlieder zu singen. Diesen Musikschatz konnte ihnen auch niemand nehmen, als ihnen durch den Krieg beinahe alles genommen wurde.
Im Sommer 1946 waren Werner und Reinhard zehn Jahre alt. Die Deutschen hatten den Krieg verloren, Schlesien war in polnische Hand übergegangen. Die noch verbliebenen Deutschen wurden reihenweise von den Polen evakuiert.
An einem warmen, sonnigen Tag war die straßenweise Evakuierung auch bei ihnen angekommen. Bewaffnete Kommissionen trieben die Menschen ohne Ankündigung aus ihren Häusern und Wohnungen, um sie gen Westen abzutransportieren.
Es war helllichter Vormittag, Arthur war beim Bergbau, Johanna mit Werner und Reinhard zu Hause. Die Zwillinge konnten nicht in die Schule gehen, weil dies für Deutsche bei Strafe verboten war.
Vom Fenster im ersten Stock aus beobachteten sie miteinander, wie die bewaffneten Männer der polnischen Miliz immer näher kamen. Schließlich erreichten sie die Hofeinfahrt. Die Vertreibung schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein.
Johanna hatte zu beten begonnen. Ihre Jungen stimmten mit ein, das Gebet ihrer Mutter war ihnen wohlbekannt. Es war ein Lied von Johann Heermann aus dem Gesangbuch: »Treuer Wächter Israel«. Vor allem die dritte Strophe beteten sie nun immer wieder:
»Jesu, der du Jesus heißt, als ein Jesus Hilfe leist! Hilf mit deiner starken Hand, Menschenhilf hat sich gewandt. Eine Mauer um uns bau, dass dem Feinde davor grau, er mit Zittern sie anschau.«
Während sie dies beteten, geschah etwas so Unglaubliches