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Quecksgold: Zeit der Grillen
Quecksgold: Zeit der Grillen
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eBook279 Seiten3 Stunden

Quecksgold: Zeit der Grillen

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Über dieses E-Book

Zacharias Abel war immer ein Sucher. Als er in eine Krise gerät, fragt er sich nach dem Geheimnis seines Lebens. Er kommt ins Grübeln, als der Sommer besonders früh beginnt und das Jahr extrem heiß wird. Eine Reihe von Umbrüchen lassen Zacharias an der Welt zweifeln: der Klimawandel, die Veränderungen in der Medienwelt, das Internet oder der Beginn der Finanzkrise. Außerdem hat er Probleme in seiner Familie und in der Liebe. Sie sind durchsetzt von Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend. Kurz: Zacharias Abel ist in einen Ameisenhaufen des Daseins getreten. Dennoch scheitert er nicht – dank der Quantenphysik, einer positiven Sicht auf das Leben und einem Hauch von Ironie.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum24. Sept. 2015
ISBN9783738695625
Quecksgold: Zeit der Grillen
Autor

Bert Ruben Rotgerber

BERT RUBEN ROTGERBER, Jahrgang 1948, lebt in Trebur/Hessen. Handwerkerlehre, Abitur am Hessen-Kolleg, Studium der Publizistik, Politik und Ethnologie in Mainz. Langjähriger TV-Journalist (SWR) und Autor. Er ist geschieden und hat zwei erwachsene Söhne. Mit QUECKSGOLD legt Rotgerber sein erstes Buch vor.

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    Buchvorschau

    Quecksgold - Bert Ruben Rotgerber

    Alchimist‹‹

    AUFBRUCH

    Zacharias Abel saß in seinem Garten und veränderte sich: Er tat nichts, er dachte nichts; er nahm auf, was um ihn war, ohne davon berührt zu sein.

    Die Jahreszeit war diesmal anders, als alle Jahre zuvor; der Goldflieder war kaum verblüht, da hatte sich schon der Sommer in den Frühling gedrängt.

    Seine Hitze machte die Halme kurz und die Ähren früh reif. In einer Zeit, in der sonst die Sommertage erst beginnen, stand schon jetzt mancher Haselstrauch mit pergamentdürren Blättern am Zaun.

    Viel zu früh.

    Nur der Klatschmohn entfaltete sein feuriges Rot und der Löwenzahn trieb seine Wurzeln tiefer ins Erdreich als sonst.

    Eifriges Wässern half da nicht viel.

    Das Gras in seinem Garten hatte Zacharias schon längst aufgegeben und an die Trockenheit verloren.

    Die Behörden hatten den Wassernotstand verhängt, denn die Landschaft im Ried zeigte wieder Risse.

    Sie waren tiefer als sonst.

    Folgen eines großen Wasserbedarfs, der über die Jahre zugenommen hatte.

    Die Großstadt will trinken, Fahrzeuge müssen im Sommerlicht glänzen, Industrie und Gewerbe, aus deren PR-Etagen dieser Weltglanz ausgeht, dürfen nicht trocken bleiben – Kühlwasser, Klärfluter, Nassreinigung: Bedarf in allen Bereichen und überall Verbrauch.

    Es war zum Lauf der Dinge geworden, seit Dampf und Ruß aus Maschinen den Wolkenhimmel mehr und mehr geprägt und das Antlitz der Erde verändert hatten.

    Die meisten Menschen nahmen es nicht wahr.

    Wie sollten sie auch sehen, dass Wasserdampf das heitere Blau am Himmel da oben, zwar wenig mehr, aber zunehmend stärker eintrübte?

    Geschah das alles doch so langsam, dass einer die Veränderungen gar nicht bemerken konnte, wenn sein Auge dafür nicht aufmerksam genug war.

    Viele Jahrzehnte ist es inzwischen her, das mit der Dampfmaschine. Kraftwerke sind es in unserer Zeit, die Atome spalten, Kohle verbrennen oder massenhaft Müllmengen beiseite schaffen. Fetter weißer Wasserdampf quillt dann unablässig aus den großen Trichtern eleganter Stahlbetontürme.

    An nasskalten Herbsttagen, wenn der Sommer nicht rechtzeitig weicht, steigt nebliger Flaum empor.

    Warm ist dann auch das Wasser im Fluss, denn die Meiler strahlen Wärme ab in die Elemente.

    Wohlig und angenehm lebt es sich in solchen Gefilden.

    Flusskrebse kriechen heran und vermehren sich stärker als üblich.

    Auch der Mensch fröstelt kaum an klammen Tagen in seinen Büros, Werkshallen oder Unterkünften.

    In einer solchen Zeit kommt niemand auf die Idee, der Wolf könnte zurückkehren zu den kommoden Biotopen der Vorstädte oder in die schicken Naturgärten denkmalgeschützter Trabantendörfer und deren friedliche Idylle stören.

    Fortschritt und Harmonie kamen Zacharias in den Sinn.

    Warum zum Teufel aber diese plötzliche Wassernot?

    In der Zeitung hatte er wieder einen Bericht über den drohenden Wassermangel gelesen.

    Leben wir nicht inmitten einer alten Flusslandschaft?

    Auen umsäumt von dichtem Buschwerk und reichem Bewuchs; Sumpftümpel und fette Grasflächen prägen den Uferkorridor am großen Strom.

    Schleppt dieser Strom nicht seit Urzeiten gewaltige Wasser mit sich – vom Band der Alpen, bis hin zum Meer?

    Überflutet er nicht – mehr oder weniger regelmäßig – mit unbändiger Gewalt das Land an seinen Ufern?

    Und ist es nicht derselbe starke Strom, den der mächtige Frost in den zwanziger Jahren zum letzten Mal bezwingen konnte?

    Wie ein Stanzteil der Zeit, zeigt ein Foto mit gezacktem Rand, den Vater zusammen mit anderen Männern vom Dorf: alle im Mantel, mit Mütze, ohne Schal, die Frauen mit Fuchspelz um den Hals und in Schuhen mit Riemchen – alle zusammen auf einer Eisfläche aus Rheinwasser.

    Zu ihren Füßen eine Tafel aus Schiefer, mit Kreide vermerkt:

    ››3. März 1929‹‹.

    Als Kind hatten ihn die Eltern beim Angucken dieser Bilder immer wieder daran erinnert – an das Ereignis von damals.

    Damals habe es auf dem Fluss ein Schlachtfest gegeben, erzählten sie, und gar ein Karussell habe das Eis getragen, und eisig sei die Luft gewesen, und das Blut sei gefroren, und das Fleisch.

    Heute gefriert der Eisschrank das Fleisch und die entzogene Wärme entweicht aus dem Luftschlitz vor der Wand.

    Der Strom für die Kälte kommt vom Meiler im Ried, geleitet über ein Netz von Kabeln, Leitungen und Strängen.

    Energie für uns alle!

    Der warme Wind an diesem frühen Sommertag so kurz nach dem Winter – es war erst Anfang Februar – machte alles leicht und weich, was im Garten schon fast verdorrt oder gerade noch grün war.

    Wellenartig pulsierten die Zweige im Wind und ihre Blätter brachen silbrig das Licht.

    Zwischen den Schatten am Boden vertrockneten schon die ersten Halme der härteren Gräser.

    Mit Mähen war da nicht viel; seit Wochen hatte es nicht mehr geregnet.

    Über dem Hochrot der Dächer spannte der Himmel eine gertenweite hellblaue Fläche und um die elfte Stunde hatte sich die Sonne eingebrannt.

    Aus den Mörtelrillen der Backsteinmauer von nebenan holten sich die Spatzen kleine Larven oder Eier, vielleicht auch Sandkörner?

    An den alten Mauersteinen trieben dicke Adern von wildem Wein empor.

    Die trugen im Herbst dunkle Beeren unterm scharlachroten Blätterkleid.

    Aus einer Astader war eine Ranke von der Backsteinwand gerissen.

    Jetzt trieb sie am Boden mühsam frische Wurzeln in die harte Erde.

    So wuchs ein neuer Steckling ran, mühsam zwar, doch ganz vernabelt mit dem filigranen Astwerk seines Stammes.

    Mit dem Handrücken wischte sich Zacharias Schweiß von der Stirn.

    Im Schatten unterm Gartensitz hatte sich die Katze einen Platz ergattert; die Augen leicht geschlossen, langgestreckt und spannungslos, zuckte sie zuweilen mit den Ohren.

    Sie war matt.

    In dieser Zeit war sie des Nachts oft unterwegs.

    Und wäre es der Morgen eines Sonntags gewesen, dann hätten schon die nahen Kirchturmglocken dem frischen Tag ihr Geläute geschlagen – mild und versöhnlich.

    Geräusche von der Straße und von den Handwerkern aus der Nachbarschaft ergänzten die Anmutung einer halben Stille, bestimmten sie – wie es werktags üblich ist – das Klangklima des späten Morgens.

    Eine Kreissäge nervte aus der Ferne; Zacharias hörte Häuser wachsen.

    Die Brandung des Windes ließ ab und an den Blätterschirm des Nussbaums rauschen.

    Von irgendwoher zog ein Duft von Waldmeister durch die Luft.

    Zacharias Abel fühlte sich wohl in diesem Spiel.

    Die Ärmel über die Armbeugen gekrempelt, die oberen Knöpfe gelöst, unterm Baumwollhemd die graue Brust mit der feuchtwarmen Haut; die Sonne wollte sie eher röten als bräunen.

    Seine Arme ruhten auf den Narben der Holzlehnen des alten Gartensessels. Seinen Kopf hoch zum Himmel gerichtet – fast ein bisschen unbequem, um jeden Sonnenstrahl zu fangen – fügte er sich der Gegenwart.

    So saß er still und fühlte den Tag, spürte innig was ihn umgab, und was Zeit und Raum ihm flüsterten.

    Seine Gedanken waren bei Jesa.

    Sie ist das flüssige Gold allumfassender Liebe!

    Der Klopfring am Hauseingang zerhämmerte die Andacht des versonnenen Moments.

    Jäh war sein Schlummer gebrochen und sein Verstand hell wach.

    Zacharias stand auf.

    Hinter der Hausecke, der Briefträger.

    ››Ah, die Post … – Gmorg’n!‹‹

    Leicht erschrocken und nicht drauf gefasst, vom Garten her angesprochen zu werden, kam der Bote näher.

    Ihn schien die Hitze nicht zu belasten.

    ››N-tach!‹‹ entfuhr es tief aus seinem Rachen.

    Nach kurzem Wortwechsel über die Hitze und die extreme Trockenheit, und dass man es gut habe, bei diesen Temperaturen schon spät morgens im Garten zu sitzen und zu ruhen, hinterließ der Mann ein Bündel Post – darunter Briefe vom Wasserwerk und der Ortsverwaltung.

    Dann ging er.

    ››Alla dann! – bis morgen.‹‹ dröhnte sein kehliger Bass.

    Die Wasserrechnung war soweit in Ordnung; neu waren die Gebühren der Gemeinde für den Kanal: viel Abwasser – hohe Kanalgebühr!

    Weil mit den Jahren zuviel Regenwasser ins Kanalnetz floss, setzte die Gemeinde den Preis hoch.

    Viele Höfe, zumeist jene der Bauern und die der Neubürger in den Siedlungen, waren völlig versiegelt.

    Stein an Stein gereiht, Platte an Platte gepresst oder teerüberzogen, liegen die Freiflächen zwischen allen Bauten.

    Und im Herbst, wenn feuchtfaules Blattwerk lästig wird und den Menschen viel Arbeit macht, sind die Hofstücke gut zu säubern.

    Und regnet es einmal kräftiger – selten genug wie viele in diesen Tagen meinten – findet das Wasser seinen Weg direkt zum Abwasserkanal.

    Nur hier und da zeigt der glatte Beton hässliche Risse oder es stören holprige Kanten die gleichförmigen Reihen der Betonknochen, sodass das Regenwasser kaum Platz findet zum Versickern.

    Mehr und mehr Menschen spürten inzwischen, dass das nicht gut sein konnte – dass früher oder später was ganz Schlimmes passieren würde.

    Und tatsächlich: Immer häufiger gab es Anzeichen dafür, dass längst was aus dem Lot geraten war, ja dass diese Unwucht Ursache sein könnte für Ereignisse, wie das ungewöhnlich mächtige Hochwasser des vorigen Jahres.

    Nun gut: Jahrhundertfluten hatte es schon immer gegeben.

    So berichten Analen ››...von dem großen Meer, das dämonisch von Westen wogt.‹‹ Anno 1883 sei das gewesen, und in beinahe vergessenen Versen steht gereimt: ››... immer höher steigt die gewaltige Fluth‹‹– mit th, und ››lässt Häuser erzittern vor des Sturmes Wuth!‹‹ – mit th.

    Aber dass bei starkem Regen sofort die Flüsse anschwellen, wie unlängst wieder, das war ungewöhnlich.

    In Sturzfluten schießt das Wasser zu den Deckeln der Kanäle und durch dicke Rohre in nahe Bäche, bis hin zum Strom.

    Dem hebt es rasch den Pegel an und treibt sogleich – der Enge trotzend – seine Wut unaufhaltsam über alle Ufer.

    Wer will dem Fluss die Rache verübeln?

    Die Kinder haben daran ihre Freude; weil eindrucksvoll ist es schon: weite Flächen unter Wasser!

    Stille Stellen im Feld, an denen sie sonst auf Fahrrädern Erkundungen treiben oder im wilden Herbstwind ihre bunten Drachen zum Himmel jagen.

    Dort stehen bei Flut lauter Buschkronen im See.

    An flacheren Stellen lassen angefaulte Holzstümpfe die Umrisse von Kuhweiden erahnen.

    Manchmal setzt sich auf einen der Strünke ein Vogel nieder: Ruheplätze inmitten der Flut!

    Auch treibt da so allerlei Zeug.

    Ein ruhiges Spiel der Weite!

    Zuweilen hebt ein Tier kreischend zum Anflug an; längt tief seine Flugbahn über die Fläche, schnappt sich geschickt einen Halm aus dem flachen Wasser oder einen der flinken Wasserläufer – und flattert der nächsten Baumspitze zu.

    Dann wieder Stille!

    Schrill und kurz jaulte das Handy.

    Zacharias hatte es neben sich auf dem Holzklotz abgelegt.

    Sein Ton peitschte das SMS-Signal durch sein Ohr – und fast hätte er vor Schreck das Glas mit Mineralwasser umgestoßen.

    Zacharias griff eilig nach dem Gerät.

    Ein leichter Druck mit dem Daumen, dabei die Hand etwas kreisend, um Spiegelung zu meiden – im Display eine eilige Nachricht von Rita:

    WASSER IST ALLE – BITTE NEUES BESORGEN!!!

    UNTERWEGS

    Für das alte Flickzeug, das er gottlob noch in der brüchigen Satteltasche hatte, war Zacharias heilfroh; ohne den zähen Klebstoff und die spröden Gummiflicken hätte er den Schlauch nicht reparieren können und sein Rad schieben müssen.

    Kein erfreulicher Gedanke bei diesen hohen Temperaturen – und die Sonne hatte den Zenit noch nicht erreicht.

    Jetzt konnte er weiterfahren; der Schlauch war dicht und hielt – vorerst jedenfalls.

    Erst aber versuchte er noch den schwarzen, fettigen Schmutz an seinen Fingern mit dürren Grasbüscheln abzuwischen.

    Das war mühsam und gelang ihm nur unzureichend.

    Unruhig flimmerte die Luft über den Betonplatten des Feldwegs und leichte Windwirbel drehten Staub hoch.

    Seine Sandalen waren mit dem hellbraunen Puder gleichermaßen bedeckt wie die Füße.

    Im Nacken war es ihm unangenehm auf der Haut, denn der Fahrtwind kühlte den feuchten Haaransatz so kräftig ab, dass es weh tat.

    Zacharias rieb immer mal mit der Hand über die kalte Stelle.

    Wenige Meter noch, dann konnte er auf den Weg zum nächsten Aussiedlerhof einbiegen.

    Dort lagen frische Weidenblätter herum.

    Wer hier mit dem Rad vorbei kommt, ergreift meist die niedrigen Astpeitschen des großen Baums, der mit seinen vollen Ästen eine kurze Wegstrecke im Schatten hält und reißt Blätter oder junge Triebe weg.

    So war an der Stelle ein Portal entstanden, das geradezu einlud, in die Ferne zu schauen.

    Wer einen Blick dafür hat, empfindet den Ort als Idylle!

    Zacharias fuhr seit Jahren immer mal wieder hier vorbei.

    Das weite Feld und der Saum der Auen dahinter zogen ihn magisch an.

    Der Beton des Feldwegs war besonders heiß an diesem Tag und die Luft darüber flimmerte.

    Das machte den Weg länger als er tatsächlich war.

    Hätte ihm nicht der laue Fahrtwind Linderung gebracht – der salzige Schweiß wäre ihm nur so über den Rücken gelaufen.

    Jeder Tritt in die Pedale wog von Mal zu Mal schwerer und mit Mühe erreichte Zacharias den nächsten Hof.

    Inmitten der Felder lebten Mensch und Tier eng beisammen.

    Kühe lagen matt im Stall und muhten.

    Sie litten in diesen Tagen besonders stark unter den Fliegen.

    Ein Hofhund kam angerannt.

    Bellend drohte er Bisse an.

    Eines jener abgerichteten Tiere, die Fremde nicht dulden!

    Enttäuscht, dass keine Gefahr droht, taperte der Hund davon: mit hängender Zunge und bereit für den nächsten Einsatz.

    Ein Stück weiter, am steilen Damm, musste Zacharias sein Rad hochschieben.

    Anstrengend war das in der Hitze des Nachmittags, aber die Anhöhe öffnete ihm den Blick zum Strom.

    In der Ferne lockte eine Bank unter einer ausgewachsenen Erle, umringt von dichtem Gebüsch, dahinter üppige Kopfweiden und Schilf.

    Die Mühe, dort hinzukommen war erträglich, aber Zacharias sank ziemlich erschöpft auf ihr verwittertes Holz.

    Wie vielen Menschen war diese Bank wohl schon Rast-und Ruheplatz gewesen – und wer hat sie wohl gezimmert?

    In welchem Wald mag ihr Holz gewachsen sein, aus dem sie ist?

    Das Grübeln darüber schwemmte ihm Gedanken wie Treibholz heran.

    Zacharias war müde, schlapp, und nahezu unfähig, all diese Zwänge der Sinne verträglich zu verarbeiten.

    Fast zwanghaft gerieten ihm wilde Überlegungen durcheinander; ungeordnet und turbulent huschten Fetzen von Gedanken vorbei, glitten ab, wallten hoch, spreizten sich ein, klemmten und klammerten sich fest.

    Eine drückende Spannung legte sich quer in seinem Kopf.

    Vorboten eines nahen Wechsels?

    Die Schwüle erdrückte sein Gemüt.

    Es lag was in der Luft, das er insgeheim zu kennen schien und das er irgendwie auch körperlich spürte.

    Es war wieder soweit: Selten hatte er sich getäuscht!

    Beklommenheit kam auf, ja Unheil drohte – so jedenfalls deutete er die Spannung in sich und um sich herum.

    Er roch es geradezu.

    Wie von Panik gepackt bestieg Zacharias sein Rad, besprang eilig den Sattel und fuhr voller Hast drauflos.

    Die Richtung kam nicht aus dem Kopf; den Weg heimwärts schlug er intuitiv ein.

    Einen Takt schneller als sonst trat er in die Pedale, gerade so, als wolle er fliehen.

    Deutlich spürte er seine Muskeln unter der Anspannung krampfen, besonders in den Beinen und im Bauch.

    Das ging eine ganze Zeit so.

    Endlich gebot ihm sein Kopf den nötigen Einhalt.

    Obwohl abgehetzt, ließ Zacharias ruhig und beinahe gelassen das Rad rollen, atmete wieder reichlicher, tiefer und gleichmäßiger, so lange, bis er allmählich ein neues Gleichgewicht gefunden hatte.

    Der Tritt in die Pedale drehte wieder rund und mit Gleichmaß, und in seinen Körper kehrten Gelassenheit und Gefasstheit zurück.

    Im Blickschatten flog eilig ein Vogel vorüber.

    Zacharias hatte es noch nicht richtig bemerkt – der Himmel über ihm war mittlerweile tief dunkel und bedrohlich geworden.

    Jeden Moment musste es geschehen: holprig der Donner, kurz der Blitz – grell und hart!

    Wie oft schon hatte Zacharias Abel in seinem Leben ein Gewitter erlebt, überall gleich oder wenigstens ähnlich: in Häusern, im Zug, im Auto oder eben im Freien.

    Wie vor zwei Jahren, auf dem Schauinsland, als er mit seiner Familie ein Wochenende im Breisgau verbrachte.

    Da kommt jedes Mal ein Drang nach Schutz auf: Das quälende Bedürfnis, den ewigen Gewalten der Natur zu entgehen und verschont zu bleiben vor jeder Gefahr und vor aller Bedrohung.

    Tatsächlich: erste Donnersalven!

    Den Gedankenblitz danach, schnell Schutz unter einem Baum zu finden, verwarf er.

    Weit und breit keine Buche in Sicht – und ein Reigen aus Gewitterkaskaden um ihn herum.

    Das mit dem Schutz vorm Gewitter unter dem Buchenbaum, das hatte ihm seine Großmutter Babette erzählt.

    Ach ja – sich tief seiner Kindheit besinnen: an einen gelösten Gewittertag nach der Heuernte denken, an den fruchtigen Duft des nassen Grasschnitts, an Geruch von Kamille und Klee – auf einmal, hier und jetzt?

    Eines Kindertages wurde es ebenso duster im Zimmer wie jetzt.

    Der Bube Zacharias saß bei der Großmutter – allein, wie so oft.

    Babette blickte vor sich hin – einfach so.

    Eine einfache Frau, auf dem Feld zu Hause und im Stall.

    Sie hatte noch Zeit zwischen der schweren Arbeit – einfach so.

    Was sie tat, tat sie mit Bedacht, sachte und behutsam – einfach so.

    Wie oft saß sie nur stumm und still, ruhte und sann vor sich hin – jedenfalls schien es ihm so.

    Gutmütig war sie und freundlich, wie kaum ein anderer Mensch in Zacharias’ Kindheit.

    Eine alte Frau, mit dem Wind ihrer Jahre im

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