Alexander der letzte Markgraf: Drama
Von Gerd Scherm
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Über dieses E-Book
Gerd Scherm
Gerd Scherm, 1950 in Fürth geboren und aufgewachsen, lebt seit 1996 mit seiner Frau Friederike Gollwitzer in einem alten Fachwerkgehöft in Binzwangen bei Colmberg. Gerd Scherm ist Schriftsteller und bildender Künstler. Er arbeitete zehn Jahre als Kreativdirektor für Rosenthal und organisierte u.a. die Selber Literaturtage und die Künstlertage auf der Mathildenhöhe in Darmstadt. Sein reiches literarisches Spektrum umfasst Theater-stücke, Romane, Erzählungen, Kurzgeschichten, Satiren, Libretti und Essays. Einer seiner Schwerpunkte liegt in der Lyrik, die er meist in künstlerisch-bibliophiler Ausstattung präsentiert und die auch immer wieder zeitgenössische Komponisten zu Vertonungen anregt. Gerd Scherm war Gastdozent an der Freien Universität Berlin und an der Universität St. Gallen im Fachbereich Kultur- und Religionssoziologie. Er wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und dem Deutschen Phantastik Preis.
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Buchvorschau
Alexander der letzte Markgraf - Gerd Scherm
Scherm
Personen
Meta-Ebene:
Der alte Markgraf Alexander
Peter Prosch, gen. Peterl, Hoftiroler (= Hofnarr)
Rückblenden:
Markgraf Alexander
„Der Wilde Markgraf" (Carl Friedrich), Alexanders Vater
Friederike Luise, Alexanders Mutter
Carl von Gemmingen, Erster Minister in Franken
Friederike Caroline, Alexanders Gemahlin
Claire Clairon, Alexanders Mätresse
Lady Elizabeth Craven alias Milady, Alexanders Mätresse
Carl August von Hardenberg, preußischer Diplomat
Soldatensprecher
Volk, rebellierende Soldaten, Hofstaat, Freimaurerbrüder
(Mehrfachbesetzungen sind möglich – Minimum: 5 H / 3 D)
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Streit mit dem Wilden Markgraf und dessen Tod 1757
Die Freimaurerloge zu Ansbach „Alexander zu den 3 Sternen" – Anspruch und Wirklichkeit humanitärer Ideen ca. 1772 -1774
Mademoiselle Claire Clairon und die Kultur 1775
Nach Amerika – die Revolte im Hafen von Ochsenfurt 1777
Milady amused and not amused 1788
Resignation und Abdankung 1791
Davor, dazwischen und danach insgesamt sieben Szenen auf der Meta-Ebene mit Alexander und Peter Prosch, die letzte zusätzlich mit Lady Craven und Claire Clairon.
Uraufführung am Theater Ansbach, 19. März 2010
Regie: Jürgen Eick
Bühne: Claudia Kucharski
Kostüme: Veronika Stünkel
Aufführungsrechte: Gerd Scherm (gerd@scherm.de)
1. META-EBENE: Benham Castle
Ort: Benham Castle, Berkshire, England, 1806
Personen: Alexander & Peterl
Peterl betritt mit einer Kraxen (Rückengestell der Hausierer) auf dem Rücken und tropfnass das Zimmer in Benham Castle, in dem Alexander bereits am Kamin sitzt. Da ihn der Markgraf nicht beachtet, macht er einige altersschwache clowneske Bewegungen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
PETERL – Kennt Ihro Gnaden mich nimmer?
ALEXANDER – (schweigt)
PETERL (singt) – Die Tiroler sind lustig, die Tiroler sind froh …
ALEXANDER – Ja, ja, freilich kenne ich dich. Du hast mich arg vernachlässigt.
PETERL – In England regnet es ja noch mehr als im Fränkischen.
(Packt aus seiner Kraxen eine Flasche und füllt daraus zwei Gläser, die auf einem Tisch stehen. Ein Glas reicht er Alexander, das andere nimmt er selbst)
Zum Wohl, Durchlaucht!
ALEXANDER (trinkt ohne Erwiderung)
Was willst du von mir? Sag, warum hast du die weite Reise auf dich genommen? Du bist ja auch nicht mehr der Jüngste.
PETERL – Sehr wohl, Durchlauchtigster. Vielleicht komm ich ja wegen dem Geld? Erinnere dich an ein Wiegenfest von Ihro Gnaden, das erste, bei dem ich im Schloss zu Ansbach war! Alle haben nur lutherischsteif gratuliert, aber dann bin ich gekommen.
(wirft sich in Positur wie damals) Allerhöchster Gnadenherr, Peterl gratuliert ihm sehr. Frankens höchster Jubilar, feiert den schönsten Tag im Jahr. Branntwein soll nun üppig fließen, den wir in die Becher gießen. Musikanten spielt! Wir tanzen! Hau’n uns voll den leeren Ranzen. Weil der Markgraf heute lacht, feiert bis die Schwarte kracht!
Da lobte mich Durchlaucht über die Maßen und deine werte Gemahlin, Markgräfin Friederike Caroline, machte eine Wette mit mir. Eine Bouteille Burgunder hab ich eingesetzt, dass ich an deinem Galatag keinen Rausch bekommen werd, welches doch bei mir sehr selten geschah. Und, du erinnerst dich sicher, ich hab es geschafft und das Gewett gewonnen. Am nächsten Tag waren Ihro Gemahlin guten Humors und Ihro Gnaden ebenso und weil ich euch zwei so gut unterhalten hab, setztest du für meine abendliche Rauschlosigkeit eine Leibrente von jährlich 25 Gulden aus.
ALEXANDER – Und jetzt willst du also dein Geld abholen. Wegen der paar Gulden unternimmst du eine so weite Reise?
PETERL – Paar Gulden? Das sind, lasst mich rechnen …
(nimmt die Finger zu Hilfe)
Seit 1789 bis zum Heutigen und mal 25, das macht, äh, nach Adam Ries und Tiroler Recht bestimmt über 500 Gulden! Und die hätt ich jetzt gern, Ihro Gnaden. Auch ein Narr braucht Geld zum Leben. Vor allem im Alter, wenn er keine Rücklagen hat.
ALEXANDER – Schon gut, schon gut. Du sollst das Geld ja haben. Aber ich glaube nicht, dass du nur deswegen gekommen bist. Dein Besuch hat doch bestimmt noch einen anderen Grund, Peterl.
PETERL – Gut, ich geb’s zu. Es ist nicht nur wegen der Leibrente. Nicht wegen der paar Gulden. Ich wollt dich noch einmal sehen, bevor es zu Ende geht.
ALEXANDER – Zu Ende? Erschreck mich nicht! Bist du wohl bald so weit, Peterl?
PETERL – Von mir red’ ich nicht. Um dich ist’s mir. Das hier hat mir keine Ruhe lassen. Dass Ihro Gnaden einfach so aus Ansbach verschwunden seid.
(Nimmt einen Zettel aus der Tasche, wedelt damit in der Luft und liest dann vor)
„Von Gottes Gnaden Wir Christian Friedrich Carl Alexander, Markgraf zu Brandenburg et cetera et cetera entbieten der Ritterschaft und den Vasallen et cetera Untertanen der beiden Fürstentümer et cetera Unseren Gruß und Gnade zuvor und fügen denselben hiermit zu wissen: Dass Wir aus eigenem Antriebe und nach reiflichsten Überlegungen, aus wichtigen Beweggründen et cetera Uns der Regierungsgeschäfte und der damit verknüpften Sorgen und Beschwerden gänzlich zu entledigen, um entfernt von denselben, Unsere übrigen Tage an einem, nach eigenem Gefallen zu erwählenden Ort in Ruhe zuzubringen et cetera et cetera. Ausgefertigt am 2. Dezember 1791."
ALEXANDER – Gut vorgelesen, Peterl. Vor allem das et cetera.
PETERL – Man kann doch nicht einfach so für immer von daheim weggehen! Das Reisen, ja, das ist in Ordnung. Das hab ich auch immer gemacht. Lang bin ich Jahr für Jahr von Tirol ins Bayerische und ins Fränkische und ins Württembergische von Hof zu Hof gezogen. Aber ich bin immer wieder heimgegangen zu meine Leut. Du bist doch früher auch jedes Jahr immer wieder nach Ansbach zurückgekehrt von deinen langen, weiten Reisen. Egal ob von Rom oder London oder Paris. Heimkommen ist doch genauso schön wie weggehen.
ALEXANDER – Ich war in Ansbach daheim, aber nimmer zuhause, Peterl. Ich fühlte mich nicht mehr wohl, schlimmer noch, ich war kreuzunglücklich. Ich wollte weit weg sein von meinen Sorgen. Freiheit wollte ich, tägliche Freiheit und nicht die erdrückende tägliche Pflicht.
Und du, mein Papageno? Verkauft mein Tiroler Vogelhändler immer noch seine Missgeschicke als lustige Piepmätze? Jagst du sie immer noch als Späße von Fürstenhof zu Fürstenhof? Oder ist auch dir so manches