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GNOMUS: oder Der König, der nicht lachte
GNOMUS: oder Der König, der nicht lachte
GNOMUS: oder Der König, der nicht lachte
eBook226 Seiten2 Stunden

GNOMUS: oder Der König, der nicht lachte

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Über dieses E-Book

Gnomus ist ein rothaariger Zwerg und dient am Hofe König Barbarussas. Dem König ist das Lachen vergangen, als seine drei Töchter verschwanden und sein Königreich mit einem Fluch belegt wurde. Gnomus soll ihm sein Lachen zurückbringen. Das gelingt ihm allerdings nicht, und so hat sein Gegenspieler, der finstere Rusputin, leichtes Spiel und sorgt dafür, dass Gnomus in Ungnade fällt. Dem geplanten Anschlag auf sein Leben entkommt er zwar, findet sich jedoch in einem Haus auf Krähenfüßen wieder, in dem mindestens eine Hexe wohnt.

Wird der kleine Kerl verzaubert?
Kann er entkommen?
Und wird der König sein Lachen finden? 

Machen Sie sich in diesem Märchen für Erwachsene auf einige deftige Szenen gefasst. Denn sowohl am Hofe als auch in der Hütte geht es mitunter heiß zu.
Empfohlen zur Lektüre für Menschen ab 18 vollendeten Lebensjahren.
Mit einem Titelbild von Gerd Scherm.
SpracheDeutsch
Herausgeberp.machinery
Erscheinungsdatum24. Sept. 2018
ISBN9783957659279
GNOMUS: oder Der König, der nicht lachte

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    Buchvorschau

    GNOMUS - F. A. Peters

    7

    Prolog

    »Wie kann man uns, den König Barbarussa, nur zum Lachen bringen?«, rief Gnomus mit der Stimme seines Königs aus. Der Zwerg Gnomus war, wie sonst sein Herrscher, in königlichem Purpur gekleidet, mit einer kleinen Krone auf seinem Kopf. Auf allen vieren krabbelte er auf der Bühne umher. Seinen Hintern, blank und prall, streckte er dem Publikum entgegen. Ein hoher Aufschrei!

    »Skandalös!«, rief das Publikum. »Wie obszön!« Wieder andere kicherten verhalten und fragten sich: Wie konnte der Narr den König nur so kompromittieren? Was war nur in ihn gefahren?

    Ein Klingeln … Hälse wurden gereckt.

    »So seht! Ein Hund!«, riefen die Höflinge, als ein Spaniel auf die Bühne sprang. Dieser Hund nun war gewandet in ein moosgrünes Kostüm, daran Glöckchen eingenäht, und das weinrote Narrenkäppchen mit den hängenden Eselsohren, wie sonst Gnomus eines trug, bedeckte keck des Hundes Kopf. Vier Schnabelschühchen tapsten über die Bühnenbretter.

    »Da kommt der Gnomus!«, riefen sie. »Hahaha! Der Hund ist Gnomus!«

    Die Blicke der Höflinge wandten sich unsicher zum goldenen Königsthron, und ihr Lachen erstarb sogleich. Der König saß wie immer tief in sich versunken und sah träge vor sich hin. Aus der Nase quoll ihm weißer Schleim. Hermanus, ein flachköpfiger Zwerg und echter Stocknarr, hockte auf der linken Armlehne des Throns und fütterte den König mit Haferschleim, in dem Krötenbeine lagen.

    »Mmmhh, lecker Hapse, Hapse für die Babba, Babba«, sagte der Stocknarr Hermanus und streckte seine Zunge aus dem trockenen Mund heraus. »Löffelchen, noch eins, noch!«

    Der König würgte, doch der goldene Löffel wurde ihm gnadenlos in den Mund gedrückt.

    Neben dem Thron lehnte Rusputin, des Königs einziger Berater, und sein Blick war so finster und schneidend, wie man es von ihm kannte. Die schwarz gekleidete Gestalt Rusputins beugte sich tief hinab zum Haupte Barbarussas.

    »Und das lasst Ihr Euch gefallen, mein guter König? Dieser Wicht dort ist dem Teufel näher als dem Himmel!«

    Barbarussa hustete. Ein Stückchen Schleim landete auf seinem rot-grauen Bart, der ihm bis auf die Beine, die dünnen, herunterging.

    Der Spaniel hechelte ganz aufgeregt, und die Glöckchen an seinem Narrenkostüm klingelten. Gnomus schnalzte, woraufhin der Hund zu seinem blanken Hintern rannte und daran schnupperte.

    »Vielleicht, wenn Gnomus Ihro Gnaden am Arsche leckt?«, rief Gnomus und schnalzte ein weiteres Mal.

    Die Menge hielt nun nichts mehr, und sie brach in schallendes Gelächter aus, als der närrische Spaniel dem Zwerg den Allerwertesten abschlabberte.

    Gnomus stimmte in das Lachen ein. Er wusste, dass er ein riskantes Spiel spielte. Es könnte ihm durchaus den Kopf kosten, oder die Zunge, wie beim Schalknarren Luca de Borria, seinem alten Kumpan, dem man die Zunge herausgeschnitten und ihn dann gesteinigt hatte. Doch wollte Gnomus sich nicht länger als Narr demütigen lassen. Wie sehr sehnte er sich zurück nach seiner Freiheit, als er noch Musiker gewesen war! Ohne Rechte zwar, aber frei! Wie sehr sehnte er sich zurück nach seiner Musik, die er gespielt hatte in der ganzen Welt! Hier am Hofe hatten sie ihm alles genommen: sein freies Leben, seine schöne Limonenholzvioline und am Ende auch seinen Namen. Einfach alles! Nun wollte er es dem König und Rusputin ordentlich heimzahlen – ihnen allen! Sollen sie ihn nur verbannen! Sollen sie ihn nur zum Tode verurteilen! Nichts lieber als das! Nur dieses Leben, das seinen Namen nicht verdiente, konnte er keinen weiteren Tag ertragen.

    Der Spaniel schlabberte an Gnomus’ Hintern und jaulte vor Freude.

    »Oh wie herrlich, unser lieber Gnomus!«, schrie Gnomus in der Verkleidung des Königs. »Ach, wie du uns zum Lachen leckst! So treib uns den Fluch aus! Ja! Jaa! Unser kleiner König, Karol Malenki! Mehr! Mehr! Mehr!«

    Die Leute hielten sich schon die Bäuche, schnappten nach Luft. Die Narrenkappe des Spaniels verrutschte. Er wackelte mit dem Schwanz, legte seine Vorderpfoten auf den Rücken des Zwerges und brachte sich in Position. Gnomus streckte seine Zunge weit heraus und verdrehte die Augen.

    »Ja, Gnomus! Jaa! Besorg's uns nur richtig!«, rief er. »Nun wackel schön mit beiden Schwänzen! Ooh, ja!«

    Die Hofdamen hielten sich pikiert ihre Hände vor die Augen, doch zwischen ihren Fingern linsten neugierige Blicke hindurch. Der Spaniel jaulte vor Lust!

    Rusputin flüsterte König Barbarussa ins Ohr: »Jetzt ist mir alles klar, mein guter König: Gnomus ist der zweite Kuckuck, den uns die Hexe ins königliche Nest gesetzt hat! Er kam hierher unter Vorspiegelung falscher Tatsachen! Ja, dieser Gnomus ist im Bunde mit der Hexe!«

    Barbarussa räusperte sich und blinzelte träge.

    »Wollen mir Ihre Hoheit etwas mitteilen?«

    »Ich …«, kratzte die Stimme des Königs.

    Rusputin nickte. »Oh, Ihre Hoheit wünschen, dass ich mir all jene notiere, die nicht lachen?«

    »Nein … Kerk–«

    »Wie bitte?« Rusputin spitzte die Lippen. »Entschuldigt! Ich kann Euch gerade so schlecht verstehen. Habt Ihr ›Kerker‹ gesagt?«

    Der König gähnte und blinzelte.

    »Oh ja, mit Vergnügen, mein guter König! Eine sehr, sehr weise Entscheidung, wenn mir diese Bemerkung erlaubt ist, und überaus gerecht all jenen gegenüber, die so treu an Eurer Seite stehen! Was habt Ihr bitte mit Gnomus vor?«

    »Gnom– jaa … Gnomuu… Möcht– hmmm …« König Barbarussa senkte sein Haupt und schnarchte. Ein Schwall grauen Schleims sickerte ihm aus der Nase und über den Bart.

    Rusputin gab der königlichen Leibgarde ein Zeichen.

    »Ergreift den verhexten Zwerg! Ergreift Gnomus!«

    Die blaue Wildkatze

    »Nur für eine Nacht, Gnomus«, flüsterte Rusputin, der mit seinen Krähenaugen durch die Gitterstäbe der Zellentür starrte. »Morgen lassen wir dich wieder frei.«

    »Ja ja, frei!«, entgegnete Gnomus scharf. »Das erzähl einem anderen!«

    »Ich stehe immer zu meinem Wort. Morgen bist du ein freier Mann. Und bevor ich es vergesse: Zieh das hier an! Purpur steht dir nicht.« Rusputin drückte ein klingelndes Stoffbündel durch das Gitter. Gnomus’ Narrenkostüm. »Deine Narrenschuhe stehen vor der Tür.«

    Das Gesicht des königlichen Beraters – oder besser Einflüsterers – verschwand.

    Gnomus trat gegen die eisenbeschlagene Tür. Er war allein und wurde wieder zu Honobulbus – zumindest ein Teil von ihm.

    Ein freier Mann …, überlegte er. Pah! Wahrscheinlich werden sie mich zurück in die Menagerie stecken, zu den Affen und Papageien! Scheiß Tier- und Zwergenknast! Er musste an den Schimpansen Cocoitus denken und schmunzelte: Cocoitus und Lecksal, der Papagei. Wenigstens könnte er sich in der Menagerie nachts wieder durch die lose Fensterscheibe hinausschleichen, den Fröschen am Teich zuhören und ein wenig singen. Er wäre dann immer noch ein Gefangener; seine Situation hätte sich nicht verbessert. Wer wusste, wie sie ihn jetzt behandelten, nachdem er dem ganzen Hofstaat seinen Arsch entgegengestreckt hat? Ihm dämmerte, dass er einen Fehler begangen hatte. Einen schweren Fehler!

    Und wenn Rusputin doch die Wahrheit sagte? Wenn sie ihn wirklich freiließen? Diese Möglichkeit bestand immerhin. Ja … Wozu brauchten sie ihn denn noch? Der König konnte nie mehr lachen; so viel stand mal fest. Aber wussten das auch die Höflinge? Sie hatten ihre letzte Hoffnung auf ihn gesetzt – und er hatte kläglich versagt, ihnen den Arsch gezeigt! Er könnte sich ohrfeigen!

    Honobulbus malte sich aus, wie er am nächsten Tag als freier Mann das Schloss verließ: Das Tor in der hohen, von Efeu umrankten Mauer durchschritt, am Fluss und an den Pappeln vorbei, immer weiter … auf die hohen Berge zu, über die er vor vier Sommern in dieses unholde Reich gekommen war. Ob sie mir die Violine wiederjeben? Die brauchen sie doch nicht mehr. Musik und Tanz sind eh verboten. Ja, er könnte wieder ganz er selbst sein! Und er müsste nicht mehr in dieser feinen Sprache sprechen, die sie ihm andressiert hatten – wie einem Papagei, der irgendwann lernte, »Lora will Namm, Namm!« zu krächzen, weil er wusste, dass man ihm dann sein Leckerli gab. Wer biss schon in die Hand, die einen fütterte? Nein! Wie dumm war er gewesen! Wie dumm, den Menschen zu vertrauen! Niemandem konnte man vertrauen. Niemandem!

    Honobulbus sah sich in der Zelle um: ein hoch liegendes Fenster, eine Holzpritsche, direkt an der steinernen Wand. Eine verbeulte Metallschüssel. Es zog kalt herunter. Am Fenstergitter bewegte sich etwas. Eine weiße Feder, die von einem Lüftchen in diese oder jene Richtung gedrückt wurde.

    Er setzte sich auf die Pritsche. Das Holz gab knarrend nach. Und wenn sie mich hier drinnen lassen? Für lange Zeit? Für immer …

    An der Wand waren Zeichen eingeritzt. Gaunerzinken … Ein Kreis, durch den ein Pfeil ging: Hier abhauen …, dachte Honobulbus. Sehr witzig!

    Wieso hatte er sich nur auf diese Aufgabe eingelassen? Den König wieder zum Lachen bringen! Was steckte überhaupt dahinter? Warum war der König so traurig? Irgendwann hatte er es aufgegeben zu fragen. Die Leute wurden ja immer gleich so schmallippig. »Wir wissen nichts!«, sagten sie dann, oder: »Uns darfst du nicht fragen!« Heuchler! Weshalb musste er immer zum Nebelberg gehen, sich in Abstand zur Krötenbrücke halten und die Raben und Krähen beobachten, die den Berg umkreisten? Vor allem nach drei weißen Räbinnen Ausschau halten? Dem König berichten? Was sollte das alles? Warum stellte er sich erst jetzt diese Fragen, wo es zu spät war?

    Der Stallbursche Georg hatte ihm von geraunten Gesprächen erzählt, die er belauscht und nur bruchstückhaft verstanden hatte: »Die Hexe auf dem Nebelberg …«, »Die gläserne Wundervioline der Hexe …«, »Verleiht unendlich viel Macht …«, »Der Fluch der Hexe …«

    Eine Weile hatte er an diese schaurigen Geschichten fast geglaubt und konnte sich der Krötenbrücke nicht auf zwanzig Schritte nähern. Ach was! Sie hatten ihn nur ängstlich gemacht mit ihrem Wahn! Waren eigentlich alle Menschen meschugge? Menschen!

    Was passierte wohl, wenn er jetzt ein kleines Liedchen anstimmte? Hmm? Kämen sie und stächen ihm die Augen aus? Er musste an seinen alten Kumpan Luca denken. Gut, dem schnitten sie die Zunge raus.

    Die Spielleute … Vor seinem inneren Auge tauchten sie auf, seine alten Zwergengefährten: Blasius, Helenya, Swain, Arbellius, Kuloi … die »Klein, aber Ohos!«-Truppe. Artistik, Wahrsagerei und Musik. Eine irre Mischung! »Schnullipulliii! Jetzt geht's los hier!«, hatten sie immer gerufen. Was hatten sie alles gemeinsam durchgestanden! Den Inquisitor Cochon … Die Flucht aus dem Gefängnis … Den Wettbewerb beim Comte in Antibes … Das Labyrinth mit dem Wundertier … Die gefährliche und aufregende Reise zum Hofe Barbarussas. Schon so lange her. Alles vorbei. Wo damals Blasius und die anderen wohl abgeblieben waren?

    Honobulbus legte sich auf die Holzpritsche und blickte zum Fenster hoch, dessen Gitter im Mondlicht glitzerte. Die Feder rührte sich nicht mehr …

    Die Gedanken huschten ihm nur so im Kopf herum. Dachte er an dieses, hatte er jenes schon wieder vergessen. Hallanda und Jollobos … seine Eltern. Er sah die Wegelagerer vor sich. Die durchgeschnittenen Kehlen seiner Eltern, ihre durchwühlten Taschen. Nur die Noten hatten sie dagelassen. Lieblos darauf herumgetrampelt, alles voll Dreck!

    Er dachte an die Wildkatze. Angliana … seine treue Gefährtin. Immer wieder mal tauchte sie auf. Hatte sich an ihn geschmiegt. Er fühlte jetzt fast ihr langes, weiches Fell an seinen Fingerspitzen und den erdigen Geruch, den sie verströmte. Seine Angliana! Wann hatte er sie zuletzt gesehen? Vor der Schlossmauer, damals, als sie auf den Einlass warteten … Ja, das Tier musste instinktiv gespürt haben, dass etwas in der Luft lag. Unheil!

    Honobulbus Gedanken spülten Erinnerungen vom Rand seines Bewusstseins heran, flossen dahin zurück, ins Nirgendwo. Die Welle überschlug sich, begrub Gedanken unter sich. Die nächste Welle strömte heran, mit neuen, noch seltsameren Gedanken …

    Was war das? Ein blaues Leuchten … hinten an der Wand. Und es näherte sich! Die Bewegungen des Lichtflecks wirkten geschmeidig. Über dem Fleck erschien ein zweiter; darunter schälten sich zwei senkrechte Streifen aus der Dunkelheit. Das Etwas schlich direkt auf ihn zu.

    »Hab keine Angst, Honobulbus!«, ertönte die Stimme einer Frau. »Ich bin es nur: Angliana.«

    »A-Angliana? Unmöglich!«

    Die Gestalt einer Katze – einer blau leuchtenden Katze.

    »W-Wie bist du überhaupt hier rinnjekommen?«, fragte Honobulbus. »Und seit wann leuchtest du?«

    »Wie bist du hier hereingekommen?«, entgegnete die Katze Angliana.

    Honobulbus lachte auf. »Und seit wann kannst du sprechen?!«

    Angliana sprang auf die Pritsche und setzte sich an das Fußende. Ihre grün leuchtenden Augen fixierten ihn. Sie balancierte auf seinen Beinen entlang und legte sich auf seinen Bauch. Es fühlte sich gut an. Warm und weich. Angliana schnurrte – und leuchtete immer noch blau.

    »Bitte streichel mich!«, sagte sie. »Ich brauche das jetzt!«

    »Was machst du denn hier?«

    Behutsam ließ er seine Hände durch ihr Fell gleiten. Es fühlte sich eigentlich an wie immer. Ihr erdiger Geruch …

    »Ja, so! So ist es schön«, schnurrte sie. »Noch etwas mehr hinter dem linken Ohr! Ja, genau dort!«

    »Wo warst du denn die janze Zeit?«

    »Du kennst mich doch: Heute hier, morgen dort, niemals ganz an einem Ort.«

    Honobulbus schmunzelte. »Dichtest du jetzt?«

    »Ich möchte dir eine kleine Geschichte erzählen, Honobulbus Lemoncello.«

    »Eine Jeschichte? Ick will aber schlafen!«

    Angliana starrte ihn mit funkelnden Augen an. »Tust du das nicht schon? Schlafen?«

    Und so begann die blaue Wildkatze, zu erzählen:

    Es war einmal ein König, der errichtete sein Schloss auf dem Land einer bösen Hexe. Die Ältesten hatten ihn stets vor der Nähe des Nebelberges gewarnt, dem Heim des unholden Waldweibes, doch wollte der König nicht auf sie hören.

    Er ließ das prächtigste Schloss aller Königreiche erbauen. Ein riesiger Wald lag in der Nähe, und man konnte so viel Holz roden, wie man nur wollte. Holzfäller aus dem ganzen Land wurden angeheuert, und alles lief prächtig – bis es zu den ersten seltsamen Vorfällen kam.

    Zunächst verhüllte dichter Nebel den Wald. Der Nebel war so dicht, dass man kaum atmen, geschweige denn arbeiten konnte. Dann kam es zu drückenden Regenfällen und Hagelschlag, die ein Arbeiten schier unmöglich machten. Niemand konnte sich das erklären.

    Irgendwann verschwanden die ersten Holzfäller. Sie ließen ihre Arbeit einfach liegen, gingen tief in den Wald hinein und waren niemals mehr gesehen. Der König aber ließ sich davon nicht beirren. Neue Holzfäller wurden angeheuert. Die Arbeiten am Schloss mussten schließlich vorankommen! Und es wurde größer und größer …

    Als alle vier Flügel errichtet waren, da entschied König Barbarussa – so sein Name – einen fünften Flügel zu errichten. Seine Baumeister sagten, dies sei völlig unmöglich, doch Barbarussa ließ sich nicht beirren.

    »So wird es gemacht!«, befahl er; und so wurde es gemacht.

    Das Schloss war endlich erbaut und erstrahlte in prächtigem Glanze, der sich durch die zahlreichen Spiegel, die man in den hallenartigen Räumen aufgestellt hatte, noch endlos vervielfältigte. All überall brannten Fackeln in silbernen Haltern, und Kerzen flackerten in goldenen Kronleuchtern.

    Prächtige Feste wurden gefeiert. Es wurde über alle Maßen getrunken, geschmaust, getanzt und geliebt! Die Prinzessinnen vieler Länder rissen sich förmlich um König Rotbart, wie man Barbarussa auch nannte. Liebestrunken krallten sich zarte Hände in seinen feuerroten Bart und in andere haarige Gefilde des Königs.

    Bald schon war eine Frau gefunden, die Barbarussa als die Seine auserkor: Prinzessin Zitarsia aus dem Hause Limoninas. Und die Hochzeit des Königspaares war die prächtigste aller Zeiten, und man sollte sich daran noch nach Jahrhunderten erinnern.

    Königin Zitarsia schenkte Barbarussa drei wunderbare Töchter: Saloma, die Älteste, liebte das Tanzen und die Malerei. Ihre Bilder zierten die Wände des ganzen Schlosses und wurden von allen bestaunt. Sophia, die Mittlere, las leidenschaftlich gerne und dichtete ergreifende Verse, die man auf Festen und bei anderen Gelegenheiten bewundern konnte. Die jüngste Tochter, das zarte Mädchen Euterpia, wusste mit ihrem Flötenspiel den Hof zu verzücken.

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