Man nennt mich Retti-Palais
Von Gerd Scherm
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Über dieses E-Book
Wie ergeht es einem Haus, das von seinem Erbauer nie bewohnt wurde? Gerd Scherm leiht dem Bauwerk seine Stimme, lässt das Palais im fränkischen Ansbach von sich und seinen Gefühlen erzählen. Das Haus spricht von seiner Wut und seinen Enttäuschungen, seinen Sehnsüchten und Hoffnungen, seinen Erinnerungen und Ängsten. Und es macht den Baumeister Leopoldo Retti für sein späteres Schicksal verantwortlich.
Gerd Scherms Text ist ein poetisches Nachdenken über Bauwerke und Behausungen.
Gerd Scherm
Gerd Scherm, 1950 in Fürth geboren und aufgewachsen, lebt seit 1996 mit seiner Frau Friederike Gollwitzer in einem alten Fachwerkgehöft in Binzwangen bei Colmberg. Gerd Scherm ist Schriftsteller und bildender Künstler. Er arbeitete zehn Jahre als Kreativdirektor für Rosenthal und organisierte u.a. die Selber Literaturtage und die Künstlertage auf der Mathildenhöhe in Darmstadt. Sein reiches literarisches Spektrum umfasst Theater-stücke, Romane, Erzählungen, Kurzgeschichten, Satiren, Libretti und Essays. Einer seiner Schwerpunkte liegt in der Lyrik, die er meist in künstlerisch-bibliophiler Ausstattung präsentiert und die auch immer wieder zeitgenössische Komponisten zu Vertonungen anregt. Gerd Scherm war Gastdozent an der Freien Universität Berlin und an der Universität St. Gallen im Fachbereich Kultur- und Religionssoziologie. Er wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und dem Deutschen Phantastik Preis.
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Buchvorschau
Man nennt mich Retti-Palais - Gerd Scherm
Man nennt mich Retti-Palais, aber das ist nicht das, was ich bin. Und so möchte ich auch nicht heißen. Schon lange nicht mehr.
Was ich bin?
Ein Haus, sicher, auf jeden Fall, aber ehrlich gesagt, klingt mir das zu profan, zu gewöhnlich.
Und Retti-Palais möchte ich schon gar nicht heißen.
Wegen ihm, wegen Leopoldo Retti, dem Mann, der mich verraten hat.
Nun bin ich da, ohne ihn, aber mit seinem Namen – „das Retti-Palais".
Dabei fühle mich gar nicht als „ein Das", als ein Neutrum, ganz und gar nicht. Ich denke, im Prinzip bin ich feminin.
Heimat möchte ich sein, genau Heimat und die Heimat ist weiblich.
Immer schon, weil Frauen ein Zuhause ausmachen.
So wie erst Menschen Architektur zur Wohnung machen, machen Frauen eine Wohnung erst zum Zuhause.
Jedenfalls aus meiner Sicht. Und ich bin ja ich, deshalb darf ich das.
Aber die Frage ist doch nicht nur was, sondern auch wer bin ich? Wie sollte ich wirklich heißen?
Vielleicht „Villa", das klingt sehr schön.
„Villa wäre eine mir genehme Bezeichnung, ja „die Villa
, das gefällt mir.
Doch zurück zu Leopoldos Verrat, der mich bis heute kränkt. Einst sollte ich für ihn da sein,