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Chroniken der Milchstraße: Todeskommando Tschangan - Band Eins der Saga
Chroniken der Milchstraße: Todeskommando Tschangan - Band Eins der Saga
Chroniken der Milchstraße: Todeskommando Tschangan - Band Eins der Saga
eBook478 Seiten6 Stunden

Chroniken der Milchstraße: Todeskommando Tschangan - Band Eins der Saga

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Über dieses E-Book

Das Jahr 2299

In der Milchstraße tobt ein grausamer Konflikt.
Nach mehr als vier Jahren des zähen Ringens zeichnet sich ein Sieg des Bündnisses zwischen der Interstellaren Union und den Pon-Arikanern über das Volk der Kehhl'daaraner ab.
Beunruhigende Gerüchte über eine angebliche Superwaffe der Kehhl'daaraner trüben jedoch die Freude über den bevorstehenden Sieg, könnte die tatsächliche Existenz dieser Waffe doch alles ändern.
Das FLEETCOM der United Space Navy beauftragt deshalb zwei ihrer besten Männer, Zeb. J. Curwen und Runako Thenga, damit, der Sache auf dem Grund zu gehen. Dabei werden sie vom zwielichtigen Schmuggler Cillian Withman und dessen geheimnisvolle Freundin Jennifer Brooks unterstützt.
Man begibt sich auf eine gefahrvolle Reise ins tschanganische System ...
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum19. Aug. 2015
ISBN9783735768759
Chroniken der Milchstraße: Todeskommando Tschangan - Band Eins der Saga
Autor

Martin V. Horvath

Martin V. Horvath wurde am 10. 9. 1976 in Neunkirchen in Niederösterreich geboren. Er schreibt schon seit seinem zehnten Lebensjahr Geschichten. Als leidenschaftlicher Science-Fiction Fan hat er sich dieser Literaturgattung verschrieben.

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    Buchvorschau

    Chroniken der Milchstraße - Martin V. Horvath

    Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; die drei Schwestern, Zeit ist ihre Mutter.

    Das eine kann ohne das andere nicht existieren.

    Kennst du die Vergangenheit, so begreifst du die Gegenwart. Begreifst du die Gegenwart, so siehst du die Zukunft.

    Alles ist eins: der Anfang und das Ende, welches wiederum ein Anfang ist.

    Alles ist eins: Alles ist Anfang und Ende zugleich. Das ist die Natur des Universums.

    – Zitat von Pedokus dem Älteren

    Pykejonischer Philosoph

    Inhaltsverzeichnis

    Eins

    Zwei

    Drei

    Vier

    Fünf

    Sechs

    Sieben

    Acht

    Neun

    Zehn

    Elf

    Zwölf

    Dreizehn

    Vierzehn

    Fünfzehn

    Sechszehn

    Siebzehn

    Achtzehn

    Neunzehn

    Zwanzig

    Einundzwanzig

    Zweiundzwanzig

    Dreiundzwanzig

    Vierundzwanzig

    Fünfundzwanzig

    Sechsundzwanzig

    Siebenundzwanzig

    Achtundzwanzig

    Neunundzwanzig

    Dreißig

    Einunddreißig

    Zweiunddreißig

    Dreiunddreißig

    Vierunddreißig

    Fünfunddreißig

    Sechsunddreißig

    Siebenunddreißig

    Achtunddreißig

    Eins

    Ein seltsamer Ort außerhalb von Raum und Zeit, ein bizarres Fragment des unendlichen Multiversums – ein absonderliches Paralleluniversum, zu dem ein menschliches Geschöpf kein Portal besaß.

    Er existierte in der Vergangenheit sowie in der Gegenwart und Zukunft, in allen drei Zeitebenen und in keiner.

    In jenem wundersamen Bereich des Multiversums kam es zu einer Zusammenkunft von Wesen, deren Natur die ihrer Umgebung an Eigentümlichkeit noch übertraf.

    Sie besaßen keinen Körper, nichts Greifbares, Materielles – pure Energie, einzig allein Gedanken – das war alles. Eine Existenzform, derart weit über der Menschlichen, dass sie dem Göttlichen nahe kam.

    Einst in grauer Vorzeit, da waren sie dem Menschen nicht unähnlich, humanoide Wesen aus Fleisch und Blut. Doch vor fünf Jahrtausenden machte ihre Evolution einen gewaltigen Sprung nach vorne, der Geist trennte sich vom Körper, wurde zu reinem Geist.

    Weil diese Lebewesen physisch nicht existierten, verfügten sie über keinerlei Sprechorgane. Verbale Kommunikation betrieben sie seit Äonen nicht mehr, ihre Unterhaltungen verliefen rein über die geistige Ebene. Die Art ihrer Verständigung war derart exotisch, dass ein Mensch sie nie begreifen würde.

    Hätten sie jedoch Münder, würden sie kommunizieren wie Sterbliche, dieses Gespräch würde folgendermaßen ablaufen:

    »Schon bald wird sich die Prophezeiung erfüllen!«, gab der Erste von sich.

    Der Erste: Er war der Erste, der den Wandel in die neue Existenzebene vollzog. Und er war derjenige, der sein Volk schon in den Tagen, in denen es noch körperliche Form besaß, anführte. Auch aus diesem Grund hatte er den Platz des Ersten inne.

    »Bist du dir da sicher?«, gab der Zweite zur Antwort.

    Der Zweite: In den alten Zeiten, in denen ihr Volk noch stofflich existierte, da besaß der Zweite den Körper einer wunderhübschen Frau. Doch das hatte keine Relevanz mehr. Jetzt, wo sie körperlose Wesen aus reiner Energie waren, da war der Unterschied zwischen den Geschlechtern trivial geworden.

    »Ja, ich bin mir sicher! Ich habe unsere Kinder beobachtet, ihren Weg durch die Zeit verfolgt. Sie sind bald so weit, unser Vermächtnis in Empfang zu nehmen. Der Tag ist nicht fern, an dem der Auserwählte das Licht der Welt erblickt.«

    »Kannst du dir sicher sein, dass die Bilder, die du gesehen hast, richtig interpretiert wurden?«, wollte der Dritte wissen.

    Der Dritte: In der Ära der Körperlichkeit, da war er ein Schwerverbrecher, zahlreiche Leute starben durch seine Hand. Doch auch das hatte keine Bedeutung mehr. Alles was vor der Zeit des Erwachens – wie jenes Volk den Übergang in die Körperlosigkeit bezeichnete – geschah, war ohne Bedeutsamkeit. Mit der Leiblichkeit endete eine Welt, eine Neue wurde geschaffen.

    »Ich habe gesehen, wie unsere Kinder den Trabanten ihres Heimatplaneten betreten. Bald werden sie zu weiteren Welten vorstoßen. Ja, ich bin mir sicher! Wenn du es mir nicht glaubst, schlage ich vor, du siehst es dir selbst an«, erwiderte der Erste keck.

    Das war typisch für den Ersten, er konnte manchmal ziemlich unverschämt sein.

    »Was ist mit dem Auserwählten? Ich habe seinen Lebensweg studiert. Was ich sehen konnte, war nicht ermutigend. Ich wurde Zeuge seines Todes, als er das Geschenk vernichtet. Dieser Lauf der Ereignisse widerspricht unseren Plänen«, gab der Vierte von sich.

    Der Vierte: In dieser Runde war er der Vierte, jedoch der Zweite, der den Übergang vollzog. In seiner vormalig körperlichen Form existierte er als einflussreicher Politiker. In gewisser Weise war er das noch immer, ein wichtiger Berater des Ersten und dessen Freund.

    »Auch wenn wir in die Zukunft blicken können, so sehen wir uns außerstande zu wissen, wie sie sich entwickelt. Die Zeit ist wie ein Fluss, der sich durch die Landschaft schlängelt. Es gibt verschiedene Strömungen, zahlreiche Nebenflüsse. Auch wir, die außerhalb des Zeitenstromes leben, können nicht wissen, welchen Weg das Wasser von der Quelle aus nimmt, bis es sich schließlich in den Ozean ergießt. Alles wird sich fügen wie es will.«

    »Der Tod des Auserwählten wäre eine Katastrophe. Die Vernichtung des Geschenks erst recht. Du weißt genauso gut wie ich, dass eine große Dunkelheit über diese Galaxis kommen wird. Nur das Geschenk kann unsere Kinder davor bewahren, von ihr verschluckt zu werden.

    Unter keinen Umständen darf das Geschenk vernichtet werden! Denn ohne die Macht des Geschenks haben unsere Kinder keine Chance, der Dunkelheit zu entrinnen«, warf der Fünfte ein.

    Der Fünfte: Sein stoffliches Leben war das eines Gesetzeshüters. Auch wenn dieses Leben fünf Jahrtausende in der Vergangenheit lag, so hatte er seine Fähigkeiten als Ermittler nicht eingebüßt. Und sie werden bald wieder gebraucht. Der Erste hatte die Absicht, ihn auf eine wichtige Mission zu schicken. Davon ahnte der Fünfte in diesem Moment jedoch nichts.

    »Wie ich gerade sagte, können auch wir die Zukunft nicht vorhersehen«, hielt der Erste dagegen. »Was Surya gesehen hat, muss nicht zwangsläufig eintreten. Ich bin zuversichtlich, dass alles gut wird.«

    »Und ich hoffe, dass du damit recht hast«, meinte der Dritte.

    Hätten die Wesen Köpfe, würden die anderen nun zustimmend nicken.

    »Wir müssen abwarten. Es wird sich zeigen, welchen Weg der Fluss der Zeit nehmen wird«, sprach der Erste in einem feierlichen Ton. »Und Zeit haben wir genug. Uns gehört die Ewigkeit.«

    Zwei

    Irak

    Sommer 2004

    Eine karge Berglandschaft. Schroffe Felsen, enge Schluchten, bleierne Hitze.

    Ein altersschwacher Jeep fuhrwerkte auf einer Schotterpiste durch die Berglandschaft. Mühsam rollte er eine Steigung hinauf, der Motor röhrte, der Fahrer kämpfte mit der Gangschaltung.

    »Verfluchte Schrottkarre!«, tobte er. Kies knirschte unter den Rädern, das gequälte Heulen des Motors wurde stärker. Der Fahrer trat das Gaspedal durch und betete dafür, dass diese verdammte Rostlaube nicht den Geist aufgab.

    Ein erleichtertes Seufzen drang aus dem Mund des Mannes, als der Jeep die Steigung überwunden hatte, nun gemächlich eine abschüssige Stelle hinunterrollte. Das Heulen war verklungen, jetzt tuckerte der Motor wieder sanft vor sich hin.

    Der Fahrer warf einen Blick zu seinem GPS-Empfänger, um eine Antwort auf die Frage zu bekommen, wie weit es noch zum Ziel war.

    Der Mann, der diesen verrosteten Jeep über eine staubige Schotterpiste lenkte, hörte auf den Namen Gregory West. Er war Archäologe von Beruf, arbeitete für das Britische Museum.

    Als er sich dazu entschloss, in den Irak zu gehen, um dort Ausgrabungen zu machen, hielten ihn seine Kollegen für leichtsinnig. Es war lebensgefährlich in Tagen wie diesen im Irak zu arbeiten. Seit dem Sturz des Saddam-Regimes war die Sicherheitslage im Irak katastrophal, immerzu gab es Anschläge von Aufständischen. Ausländer wurden am laufenden Band entführt, nicht selten fand man Tage später ihren abgeschlagenen Kopf irgendwo am Straßenrand. Leute wie Gregory West waren besonders gefährdet, denn West war britischer Staatsbürger, gehörte zu jener Sorte Leute, die im Visier von Al-Kaida und ihren Sympathisanten lagen.

    West war sich im Klaren darüber, in welch großer Gefahr er sich begab, doch er ignorierte sie, seine Neugier war größer als Furcht und Vernunft. Er musste einfach in den Irak, um die Hinterlassenschaften der alten mesopotamischen Kulturen zu erforschen. Er war geradezu besessen davon, schon seit den Tagen seiner Kindheit.

    Das war auch der Grund, weshalb er diese Reise in ein Dorf namens Nukhayb, welches sich etwa zweihundert Kilometer nördlich von Bagdad in dem von Kurden kontrolliertem Gebiet befand, auf sich nahm. Dort, genauer gesagt in den umliegenden Bergen, soll es Höhlen geben, in denen uralte Artefakte zu finden waren.

    Der Jeep fuhr in eins der unzähligen Schlaglöcher. West wurde durchgeschüttelt, ein ärgerliches Murmeln kroch über seine Lippen. Er hasste diese Straße!

    Er steuerte diesen vom Rost zerfressenen Geländewagen in eine enge, unübersichtliche Kurve. Stark abfallende Felswände versperrten die Sicht, weshalb er den anderen Wagen erst spät bemerkte.

    Bremsen quietschten, Kies knirschte. Ein Glück, dass er schnell reagiert hatte, sonst wäre er mit dem anderen Fahrzeug kollidiert. Der Fahrer des anderen Wagens lenkte ihn behutsam an Wests Jeep vorbei, blieb stehen, kurbelte das Seitenfenster hinunter, fluchte auf Arabisch. Dann stieg er aufs Gaspedal und brauste davon.

    West ließ zischend Luft aus seiner Lunge entweichen, er hatte einen ziemlichen Schreck bekommen. Ein Autounfall hätte ihm gerade noch gefehlt. Der Motor heulte protestierend auf, als er aufs Gas stieg, der alte Jeep sich wieder in Bewegung setzte.

    In den nächsten Minuten ließ West seine Gedanken kreisen.

    Er fragte sich, was ihn dort in Nukhayb erwartet. Seinem Informanten zufolge sollen in den vielen Höhlen wertvolle Artefakte aus der babylonischen Zeit zu finden sein. In den letzten Jahren hatte man Keilschrifttafeln, Tonkrüge und einiges mehr in den Höhlen gefunden. Vor Kurzem war eine Neue entdeckt worden. Da sie erst kürzlich entdeckt wurde, war West zuversichtlich, dass sie noch nicht von den Leuten der Gegend geplündert wurde, wie es bei den anderen oft der Fall war.

    West hatte keinen Grund, an den Worten seines Informanten zu zweifeln. Bislang erwiesen sich die Hinweise, die Muhammad ihm gab, stets als korrekt.

    Der Jeep kämpfte sich eine weitere Steigung hinauf, erneut gab der Antrieb ein klagendes Geräusch von sich. Und diesmal mischte sich unglücklicherweise auch noch ein leises Zischen hinzu. Aus dem Kühlergrill stieg Dampf auf, der Motor war eindeutig überhitzt.

    »Verdammte Karre! Mach mir jetzt bloß nicht schlapp!«, schimpfte er. Zum Glück hatte er ein Satellitentelefon und ausreichend Wasser bei sich, bei einer Panne in dieser unwirtlichen Gegend war beides unverzichtbar.

    Muhammad war zwar eine zuverlässige Informationsquelle, doch von Autos verstand er offenbar nichts. Die Transportmittel, die er West zur Verfügung stellte, gehörten auf einen Schrottplatz und nicht auf die Straße. Wochenlang war West mit einem vergammelten Range Rover durch die Gegend gefahren, bis die Kiste in der Nähe der Ruinen von Babylon den Geist aufgab. Er musste mit dem Taxi zurück nach Bagdad. Als West Muhammad das Problem erklärte, versprach dieser seinem britischen Freund schnell Abhilfe zu schaffen. Zwei Tage später kam er mit diesem Jeep daher. Er sah so aus, als stamme er aus dem Zweiten Weltkrieg. Vielleicht war dem so.

    Der Wagen wurde angehalten, mit einem missmutigen Grummeln auf den Lippen stieg West aus dem Jeep. Er umrundete das Gefährt, öffnete die Heckklappe, nahm ein Paar Handschuhe aus dem Rucksack mit seiner Ausrüstung. Schließlich wollte er sich nicht die Finger verbrennen.

    Kurz darauf stand er vorm Jeep, die Motorhaube war geöffnet, vom Motor stieg mächtig viel Dampf auf, West direkt ins Gesicht. Sieht nicht gut aus, ging es ihm durch den Kopf.

    Als er in Nukhayb ankam, dämmerte es bereits, wie erwartet. West war froh hier zu sein – froh, dass er es überhaupt hierher geschafft hatte. Als aus dem Kühlergrill Dampf aufstieg, befürchtete er schon, festzusitzen. Zum Glück sprang der Wagen wieder an, als der Motor abgekühlt war.

    Mit letzter Kraft kämpfte sich der Jeep eine Böschung hinauf, dieser alte Klepper von einem Geländewagen hatte in letzter Zeit eindeutig zu viele Steigungen überwinden müssen, das hielten seine korrodierten Eingeweide nicht mehr aus.

    Vom dahinscheidenden Tage kündete alleinig ein orangeroter Lichtschein, der die Gipfel der Berge im Westen einhüllte, rot glühende Wolken im Osten, deren Feuerglut von der aufziehenden Dunkelheit zunehmend verschluckt wurde.

    Der Mond lugte zwischen spitzen Gipfeln hervor, in einer Pracht, wie man sie in Europa nur selten zu Gesicht bekam.

    Als der Jeep die Anhöhe überwunden hatte, nun in einen schmalen Talkessel hineinrollte, da erblickte West das Dorf. Einfache, für diese Gegend typische Lehmziegelbauten lehnten sich beiderseits an die steilen Felswände. Weitere Gebäude standen entlang der schmalen Schotterstraße. Licht flutete aus zahlreichen Fenstern in die Nacht, die langsam aber sicher das Land in ihren Besitz nahm.

    Der Wagen rollte durch das Dorf. Zu jener späten Stunde waren nur noch wenige Leute anzutreffen. West sah eine Gruppe alter Männer, die sich vor einem Haus angeregt unterhielten, eine Mutter scheuchte ihre Kinder ins Haus. Das Dorf legte sich schlafen.

    Der Jeep hielt vor einer kleinen Behausung am anderen Ende des Dorfes, hinter ihr ragten steil abfallende Felsen auf. Dort oben, versteckt zwischen den Felsen, soll jene dunkle Höhle sein, deretwegen er hergekommen war.

    Vor dem Haus stand ein junger Orientale, schlaksige Gestalt, braun gebrannter Teint. Ein dichter, rabenschwarzer Bart, Haare in derselben Kolorierung und dunkle, aufgeweckt blickende Augen. Es war Muhammad. Ein alter Mann in der traditionellen Tracht der Menschen dieser Region leistete ihm Gesellschaft. Auf einen Hirtenstock gestützt stand er da. West vermutete, dass es sich bei dieser Person um Abu Al-Mawardi handelte, dem Ziegenhirten, den Muhammad erwähnt hatte, jener Mann, dem die Entdeckung der Höhle zu verdanken war.

    West stellte den Motor ab, die rostige Tür gab ein grässliches Quietschen von sich, als er aus dem Wagen stieg.

    »Salam aleikum«, begrüßte Muhammad ihn.

    »U aleikum assalaam«, gab West zurück. Die Männer umarmten sich, klopften sich gegenseitig auf den Rücken.

    West maß Muhammad mit gespielter Verärgerung: »Welch Schrottkarre hast du mir da wieder aufgeschwatzt? Ich wäre damit beinahe liegen geblieben!«

    »Ist ein guter Wagen«, behauptete Muhammad. »Aber wenn du was Besseres willst, kann ich mir bei den Amis ja einen Hummer ausborgen.«

    Das war ein Scherz. Ein ziemlich schlechter. In Zeiten wie diesen machte man solche Witze nicht. Deswegen konnte West nicht sonderlich darüber lachen.

    Die drei Männer gingen in das bescheidene Haus des Hirten.

    Er stellte West seine Familie vor: seine Frau, die drei Söhne und zwei Töchter.

    Im Gemeinschaftsraum des Hauses kamen alle zusammen. Bei Tee erzählte Al-Mawardi, wie er die Höhle entdeckte. »Es ist drei Tage her, seitdem ich meine Ziegen den steilen Weg hinter dem Haus hinauftrieb. Ich gehe oft diesen Weg, schon seit Jahren, noch nie ist mir diese Höhle aufgefallen.«

    Der Mann sprach Arabisch, weshalb Muhammad die Worte übersetzen musste. Als West ihn fragte, weshalb der Hirte diese Höhle nie zuvor sah, obwohl er sich ständig in dieser Gegend aufhielt, musste West erst warten bis Muhammad die Frage und die Antwort übersetzt hatte.

    Der Hirte gab folgende Antwort: »Die Felsen sind steil und brüchig, es kommt oft zu Steinschlag. Die Höhle ist wahrscheinlich lange Zeit verschüttet gewesen und bei einem kürzlich stattgefunden Steinschlag freigelegt worden.«

    Die Worte des Hirten leuchteten ihm ein, vermutlich war dem so.

    Er fragte den Hirten, ob er in der Höhle war. Al-Mawardi verneinte. Er hatte zwar einen Blick hineingeworfen, doch das war alles.

    »Wissen noch andere davon?«, harkte West nach.

    Erneut verneinte Al-Mawardi. Außer ihm und Muhammad kannte niemand die Lage der Höhle.

    West war froh darüber, bedeutete dies doch, dass sich wie erhofft noch keine Räuber über die Höhle hergemacht hatten.

    Er war ganz kribbelig, konnte es kaum erwarten, einen Blick in diese Höhle zu werfen. Doch damit musste er bis morgen warten, heute war es zu spät dafür.

    Nach dem Gespräch brachte Al-Mawardi seinen Gast in einen schlichten Raum, in dem er sich zu Ruhe begeben konnte.

    West bedankte sich und bereitete sich auf die Nachtruhe vor. Nach der anstrengenden Fahrt war er froh, sich ausruhen zu können. Es dauerte nicht lange und der Schlaf bemächtigte sich seines Bewusstseins.

    Wie aus dem Nichts erschien eine seltsame Gestalt im Dorf, ging zielstrebig auf die Gruppe alter Männer zu, die sich vor einem Haus versammelt hatte und sich gegenseitig Geschichten erzählte.

    »Vor Kurzem ist ein Europäer eingetroffen. Ich will wissen, wo er ist!«, sprach der Fremde mit gebieterischer Stimme.

    Einer der Alten sah die Gestalt, die in eine weiße Robe gekleidet war – eine tief ins Gesicht gezogene Kapuze verbarg dieses vor neugierigen Blicken – trotzig an. Worte in einer herausfordernden Klangfarbe kamen aus dem Mund: »Wer will das wissen? Wer bist du, was hast du in unserem Dorf verloren, und was willst du von diesem Europäer?«

    »Du stellst zu viele Fragen … alter Mann!! Es wundert mich deshalb, dass du trotzdem ein gutes Alter erreicht hast. Neugierige Leute sterben normalerweise jung. Vielleicht hast du ja sehr viel Glück gehabt in deinem Leben. Ich rate dir, es nicht zu strapazieren.!«

    »Er ist beim Ziegenhirten Al-Mawardi zu Gast«, gab ein anderer Mann Auskunft.

    »Danke!«, sprach der Fremde, wandte sich ab, bog um eine Hausecke und verschwand.

    Am nächsten Morgen beim ersten Hahnenschrei, jungfräuliche Sonnenstrahlen küssten das Land, war West wieder auf den Beinen.

    Er holte einen prall gefüllten Trekkingrucksack – in dem sich all das Zeug befand, welches ein Archäologe für eine Ausgrabung benötigte – aus dem Jeep, schnallte ihn sich auf den Rücken. Es gab noch einen Zweiten, den Muhammad bekam. Das Abenteuer konnte beginnen.

    Sie folgten jenem steilen Pfad, den Al-Mawardi beschrieben hatte, der sich zwischen schroff aufsteigenden Felsen hindurch hoch in die Berge hinauf schlängelte.

    Die Meter schmolzen unter ihren Stiefeln dahin, Minuten enteilten, das Dorf im Tal schien zu schrumpfen, sich zu einer Miniatur zu wandeln, als sie immer weiter emporstiegen.

    In den frühen Morgenstunden war es noch recht kühl, eine sanfte Brise fächelte West ins Gesicht, brachte Erfrischung. Er war froh darüber. In der Hitze der Mittagssonne wäre solch ein Aufstieg eine mörderische Tortur.

    Nach einer Weile stieß Muhammad einen Schrei aus und deutete auf ein kleines Loch in einer Felsspalte oberhalb des Pfades – dort, wo er eine Wende nach rechts vollführte. Das musste die gesuchte Höhle sein.

    West blickte drein wie ein Kind vorm Weihnachtsbaum, und im Moment fühlte er sich auch wie an Weihnachten.

    Er schnallte den Rucksack ab, stellte ihn auf den Boden, kramte darin herum, fischte ein Stäbchen heraus und knickte es. Eine chemische Reaktion bewirkte, dass es zu leuchten begann. Dann stieg er eine Böschung hinauf. Schotter knirsche unter seinen festen Wanderstiefel, Steinchen kullerten den Hang hinunter. Er hielt die Leuchte in das Loch, welches gerade mal so groß war, dass man hindurchschlüpfen konnte. Im matten Schein des Leuchtstabes erblickte er eine Wand und Stalaktiten. Mehr war im Moment nicht zu erkennen. Um mehr zu sehen, musste er in die Höhle.

    Er ging auf die Knie, zwängte sich durch das schmale Loch.

    Er erhob sich wieder, ließ den Leuchtstab wandern. Das diffuse grünliche Licht des Stabes offenbarte, dass er sich in einer Grotte befand. Aus zerborstenem Gestein gluckerte Wasser. Am Boden erblickte er das, was er zu finden hoffte: Tontafeln! Einige waren zerbrochen, viele jedoch noch intakt. Dazwischen standen mehrere Tonkrüge.

    Er führte den Stab an eine der Tafeln heran, um sie genauer unter die Lupe zu nehmen. Ja, es war eindeutig eine Keilschrifttafel. Den Schriftzeichen nach zu urteilen, stammte sie aus sumerischer Zeit.

    West begab sich wieder zu dem Loch, steckte den Kopf hindurch und rief: »Muhammad, hol die Ausrüstung!«

    Muhammad nickte, packte Wests Trekkingrucksack und kletterte den Hang hinauf. Dort angekommen, stellte er ihn vor dem Eingang ab, dann entledigte er sich seines Eigenen. Er holte aus dem einen Rucksack alles heraus, was West für seine Arbeit brauchte. Zuerst eine Lampe, die mehr Licht bot als der Leuchtstab. Muhammad reichte sie West durch das Loch hindurch.

    West stellte sie auf den Boden und drehte sie auf. Jetzt erst, als das Licht stärker war, bemerkte er es. Da war eine verborgene Nische, und darin lag etwas. Der Gegenstand war etwa so groß wie ein menschlicher Körper, Stoff umhüllte ihn. Er wurde sich sogleich bewusst, dass diese Höhle eine Grabkammer war und in dieser Höhlung der Leichnam lag.

    Er nahm die Lampe wieder auf, trat bedächtig an die Nische heran, bückte sich und ließ die Lampe über das Bündel wandern. Der Leichnam war in Leinen gewickelt, wie er feststellte.

    Er platzierte die Lampe neben sich, nahm ein Messer zur Hand und begann behutsam den Kokon aus Leinen aufzuschneiden. Fauliger Geruch stieß ihm entgegen. Er riss das Leinen auseinander. Aus dem geschaffenen Spalt lugte ein zu einer schauerlichen Fratze verzehrtes, mumifiziertes Gesicht, hervor.

    West war verzückt. Eine Mumie! Hier im Norden des Iraks. Ein Jahrhundertfund!

    Wie für eine Mumie zu erwarten, war der Leichnam ziemlich gut erhalten. Geschwärzte Haut zog sich über die Knochen, am Kopf waren noch Büschel von Haaren. Die purpurne Toga, die der Verstorbene bei seiner Beerdigung getragen hatte, war ebenfalls in einem verhältnismäßig guten Zustand.

    Wests Blick fiel auf ein Schmuckstück, das auf der Brust der Mumie ruhte.

    Es war ein Medaillon von mindestens zehn Zentimeter Durchmesser. Er war irritiert, als er es genauer betrachtete. Irgendwas war seltsam daran.

    Er beugte sich nach vorne, um das Kleinod gründlicher zu mustern. Da waren Schriftzeichen eingraviert, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Es handelte sich nicht um Sumerisch, auch nicht um Babylonisch, noch um eine andere Schrift, die er kannte, es war etwas ganz anderes. West stand vor einem Rätsel.

    Als noch geheimnisvoller erwies sich jedoch das Medaillon selbst. Es gab ein seltsames irisierendes Leuchten von sich. Es schimmerte im Lichte seiner Lampe nicht so, wie ein Gegenstand aus Metall es normalerweise tat.

    War das Medaillon überhaupt aus Metall? Oder bestand es aus einem ganz anderen Material? Perlmutt vielleicht.

    Nein! Perlmutt irisierte zwar auch, jedoch nicht in der Art, wie es dieses Medaillon tat.

    Aus irgendeinem Grund kam das verwirrende Gefühl über ihn, dass dieses Medaillon irgendeine Energie abstrahlt.

    Quatsch!, schallte er sich.

    Seine linke Hand streckte sich nach dem Schmuckstück, die Finger umfassten es und er erlebte seine nächste Überraschung. Es fühlte sich nicht wie Metall an, sondern wie – Haut!

    Er erhielt keine Gelegenheit, über jene bizarre Eigenschaft dieses Medaillon nachzudenken, denn unerwartet hallte von draußen ein gellender Schrei herein. Er meuchelte die Stille, ließ West schaudern. Es war ein entsetzter Todesschrei, der aus Muhammads Kehle drang.

    Panik packte West wie die Pranke eines Untiers. Etwas Schreckliches war geschehen. Angst schnürte seine Kehle zu, das Herz begann zu rasen. Das Medaillon entglitt seiner Hand, fiel in den Staub.

    Er stürzte sich auf das Loch, wollte so schnell wie möglich raus aus der Grotte, um zu erfahren, welch schreckliches Schicksal Muhammad ereilt hatte.

    Doch das konnte er nicht. Ein Mann versperrte ihm jäh den Weg.

    West hatte keine Ahnung, wie der Fremde in die Grotte kam, hatte nicht bemerkt, dass jemand durch das Loch gekrochen war. Es könnte natürlich sein, das seine Sinne so sehr auf die Mumie konzentriert waren, dass er die Annähung dieses Mannes nicht bemerkte. Oder der Unbekannte war schon in der Höhle, bevor West sie betrat. Das plötzliche Auftauchen des Fremden war ihm genauso ein Rätsel wie das Medaillon.

    Wo auch immer diese mysteriöse Person hergekommen war, in West reifte die Überzeugung: Was auch immer mit Muhammad geschehen war, dieser Mann trug die Verantwortung dafür.

    West starrte den Mann entsetzt an.

    Es war eine seltsame Gestalt, ein Hüne von mindestens zwei Meter Körperlänge, gekleidet in eine eng anliegende weiße Kleidung, darüber ein weiter Umhang mit Kapuze in derselben Farbe. Das Gesicht war nicht zu erkennen, der Unbekannte hatte einen Schal um Nase und Mund gewickelt. Nur der Nasenrücken und die Augen waren zu erkennen.

    Die Augen! Es waren Augen, die West das Blut in den Adern gefrieren ließ. Mein Gott! – Sie hatten violette Pupillen!

    Waren es Kontaktlinsen? Vielleicht. Doch nicht allein die Farbe der Augen, auch der Blick ließ West erschaudern. Diese Augen strahlten pure Kälte aus, es war der Gesichtsausdruck eines gewissenlosen Killers.

    »Was haben Sie mit Muhammad gemacht?«, brach es aus ihm hervor. Er fühlte sich seltsam, eine Mischung aus Furcht und Zorn durchströmte ihn.

    Die Hand mit jenem Messer, mit dem er das Leinen durchtrennt hatte, zitterte.

    Es handelte sich um ein Jagdmesser mit ziemlich scharfer Klinge. Doch es gab ihm kein Gefühl der Sicherheit. West war überzeugt, dass dieser Mann ihm das Messer ohne Mühe abnehmen und es gegen ihm verwenden konnte.

    »Ich habe ihn getötet«, erwiderte der Fremde emotionslos. »Dasselbe werde ich jetzt auch mit Ihnen machen.«

    In dem Moment, in dem diese Worte zwischen den Lippen des Hünen hervorkamen, fraß die Angst die Wut. West hatte den Eindruck, als würde das Herz für einen Wimpernschlag stehen bleiben, um dann wie verrückt zu schlagen – gleich einem Irren gegen seine Rippen hämmern, als wollte es aus seinem Körper heraustreten, um vor dem Unvermeidlichen zu flüchten.

    Das Messer löste sich von der rechten Hand.

    »Weshalb? … weshalb wollen Sie mich töten? Ich habe Ihnen nichts getan!«, presste er mühsam hervor. Das blanke Grausen trocknete seine Kehle aus, ließ ihn erstarren.

    »Sie haben etwas gefunden. Etwas, das nicht gefunden werden darf. Jetzt noch nicht, es ist zu früh«, erklärte der Fremde mit seiner unheimlichen, abgestumpften Stimme. »Sie hätten diese Grotte nie betreten dürfen, Professor West. Wären Sie in Bagdad geblieben, hätte ich nur diesen Muhammad und den Ziegenhirten beseitigt.«

    Der Hüne hielt einen Moment inne, dann zeigte er zum ersten Mal Emotionen, als er einen Fluch ausstieß. »Verdammt! Das hätte ich gleich nach der Entdeckung der Grotte machen sollen, dann hätten Sie nie von ihrer Existenz erfahren und ich müsste Sie nun nicht töten. Dummer Fehler! Dem Großmeister wird das sicher nicht gefallen.«

    Welcher Großmeister?, schoss West ein Gedanke durch den Kopf. Was zum Teufel wird hier gespielt?

    Er wusste, dass er auf diese Frage nie eine Antwort bekommen wird. Für ihn war sicher, dass er aus dieser Grotte nicht mehr lebend rauskommt.

    Als diese Erkenntnis über ihm kam, wurde er etwas ruhiger, gab sich seinem Schicksal hin. Das Einzige, was er noch machen konnte, war beten, dass es schnell und schmerzlos ging.

    Der Fremde griff unter seinen Umhang. Dabei fiel Wests Blick auf ein seltsames Tattoo auf dem Handrücken des rechten Unterarmes.

    Eine Erinnerung blitze in seinem Geist auf. Dieses Zeichen hatte er schon einmal gesehen. Erst kürzlich. Es befand sich auf diesem mysteriösen Amulett. Überrascht riss er die Augen auf.

    In Wests Kopf begann es zu arbeiten. Er fragte sich, ob es einen Zusammenhang zwischen der Mumie und diesem Unbekannten gab. Zwischen ihm und dem seltsamen Medaillon. Wer war jener Großmeister, von dem der Mann sprach? Gehörte er einer geheimen Bruderschaft an? So viele Fragen, doch keine Zeit, sie zu beantworten.

    West wünschte sich, dem Tod entrinnen zu können, damit er die Gelegenheit bekam, all jene Rätsel zu lösen. Doch der Sensenmann hatte kein Erbarmen mit ihm. Er hatte beschlossen, dass West hier und jetzt sein Ende findet: Schluss! Aus! Basta! Ende der Vorstellung!

    Der Fremde richtete den Lauf einer seltsamen Waffe auf ihn, sie sah irgendwie futuristisch aus. Ein gleißendes Licht blendete West. Instinktiv hob er die Hände. Es war das Letzte, was er in seinem Leben tat, denn Nanosekunden später war Gregory West nicht mehr, hatte sich in Luft aufgelöst, so als hätte er nie existiert.

    Die Gestalt steckte die Waffe weg, warf einen Blick auf das Medaillon, das West hat fallen lassen. Dort wo es jetzt lag, sollte es bleiben, mindestens für die nächsten dreihundert Jahre.

    Er machte kehrt, zwängte sich durch das Loch ins Freie. Dort war keine Spur von Muhammad und den beiden Trekkingrucksäcken zu finden, auch sie waren verschwunden.

    Der Unbekannte schritt den Geröllhaufen hinab, folgte anschließend den Pfad hinunter ins Tal.

    Doch schon nach einigen Schritten blieb er stehen, warf seinen Umhang zurück, zog erneut die Waffe, zielte auf einen Felsen direkt über dem Loch. Ein feuriger Strahl schoss aus dem Lauf der Waffe, schlug in den Felsen ein. Es krachte und knirschte, dann brach der Felsen aus der Wand und fiel genau vor das Loch. Die Grotte war versiegelt, das Geheimnis bewahrt. Er hatte seinen Auftrag zum größten Teil erledigt, nur noch eins war übrig: der Ziegenhirte! Auch er musste verschwinden. Bei Anbruch der Nacht wird er ins Dorf gehen, um auch das zu erledigen.

    Er wollte sich gerade in Bewegung setzen, als seine Ohren ein Geräusch vernahmen, ein Laut, der den Hünen vor Schreck zusammenfahren ließ. Genauer genommen waren es zwei Laute. Zuerst horchte er den Klang von knirschendem Kies, dann – Klatschen! Da war eindeutig jemand.

    Der Hüne sah sich um, erblickte eine Gestalt, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte, die gerade hinter einem Felsen hervorkam.

    Der Fremde hatte seltsame geschuppte Haut, aus dem Hinterkopf ragten Hörner. Eine Knochenplatte, an der Stirn beginnend, sich zum Hinterkopf ziehend, bedeckte das Haupt. Bernsteinfarbige Augen mit mandelförmigen Pupillen.

    »Das hast du gut gemacht!«, sprach der Fremdling in einem hämischen Ton.

    »Wer bist du?«, fragte der Hüne herrisch.

    »Ich bin dein Ende und all derer die so sind wie du!«, entgegnete der Fremde kryptisch. »Schon bald wird das Ende deines Ordens kommen. Dann wird niemand mehr da sein, der am Tag der Entscheidung den Auserwählten beschützen kann.«

    Dem Hünen lag eine Frage auf der Zunge, doch sie wurde nie ausgesprochen. Denn plötzlich geschah etwas Seltsames mit dem Fremden. Ausgehend von der Nase breitete sich eine silberne Metallschicht über seinen ganzen Körper aus, er verwandelte sich in eine lebende Silberstatuette. Doch damit war die Metamorphose nicht abgeschlossen. Der Unbekannte streckte die Hände von sich. Erstaunt beobachtete der Hüne, wie sich die Fingerspitzen in Staub verwandelten. Dieser Prozess breitete sich auf den ganzen Körper aus, bis der Fremde nur noch eine silbern glänzende Staubwolke war.

    Das Schauspiel hatte nur wenige Sekunden gedauert.

    Der Hüne grübelte über das, was da gerade vorgefallen war, stellte sich Fragen. Doch nur für einen Moment, schon bald war sein Denken wieder voll auf seine Aufgabe gerichtet. Er setzte den Weg nach Nukhayb fort.

    Am 4. August 2004 verschwanden im kleinen Dorf Nukhayb im Norden des Iraks drei Menschen unter mysteriösen Umständen. Was dort geschah, wurde nie geklärt.

    Drei

    295 Jahre später:

    Bahia de Angeles

    Vereinigte Republik Kalifornien

    Montag, der 18. Dezember 2299

    6:54 Ortszeit

    An der Westküste des nordamerikanischen Kontinents brach ein neuer Tag an. Die Schemen der Nacht wichen zur Seite, überließen der Helligkeit des Tages das Zepter.

    Die Sonne lugte zaghaft zwischen den schneebedeckten Gipfeln der San Gabriel Mountains hervor, beglückte die noch im Schlaf liegende Natur mit ihren wärmenden Strahlen, Schatten tanzten über die Landschaft. Wie ein zarter Schleier lag Dunst über der Bucht, ein sanfter salziger Meeresduft erfüllte die Luft.

    Auf der Veranda eines Hauses in Santa Monica, direkt an der Angel Bay gelegen, da stand ein Mann und sah gedankenverloren auf sie hinaus.

    Von hier aus bot sich ihm ein herrlicher Blick auf die gegenüberliegende Seite, wo die Skyline von Bahia den Himmel küsste. Die Glasfassaden der atemberaubenden Wolkenkratzer brachen die Lichtstrahlen, welche die erwachende Sonne der nach ihnen lechzende Natur schenkte. Das Licht des Leben spendenden Sterns transformierte Gebäude zu funkelnde Edelsteine.

    Bahia de Angeles , in früheren Tagen unter dem Namen Los Angeles bekannt, war mit einer Bevölkerungszahl von vierunddreißig Millionen die größte Stadt des Planeten. Jene Bauwerke, die sich in Downtown Bahia dem Himmel entgegen reckten, konnten sich rühmen, die Höchsten auf dem Planeten zu sein, die meisten davon waren an die fünfhundert Meter hoch. Das Auffälligste von allen trug den Namen Federal Bank of Terra Building. Eine gewaltige Nadel, die eintausendneunhundertsiebzig Meter in den Himmel stach.

    Der Blick des Mannes wandte sich einem Gebilde zu, das nicht minder eindrucksvoll war. Die Griffith Bridge , die auf zwei Kilometer die Bay überspannte und Downtown mit der Stadt Angel Bay City verband. Die gewaltigen weißen Pfeiler der Hängebrücke ragten über zweihundert Meter in die Höhe. An den dicken Stahltrossen waren in den letzten Tagen Feuerwerkskörper angebracht worden, die am Sylvesterabend abgefeuert werden

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