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Tilt: Die Welt in Schräglage?
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eBook321 Seiten4 Stunden

Tilt: Die Welt in Schräglage?

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Über dieses E-Book

Menschen hetzen, konsumieren, funktionieren. Sie brennen aus, leben egoistisch und sind sich zunehmend selbst am nächsten. Sie schalten ab, suchen Entspannung mit Alkohol und Drogen.
Menschen führen Kriege, gerne mit dem Banner voraus, auf dem steht "Im namen Gottes!", wollen selbst so akzeptiert werden wie sie sind, woran sie glauben, sind aber nicht bereit, anderen in gleichem Maße entgegenzutreten.
Menschen grenzen Menschen aus, vor allem dann, wenn sie anders sind. Menschen haben Angst vor dem Anderssein und bekämpfen die Ursache ihrer Angst mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln.
Menschen stellen sich über alle, über die Natur, über die Tiere und entschuldigen ihr Handeln mit ihrer Intelligenz.

...
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum11. Aug. 2014
ISBN9783735749017
Tilt: Die Welt in Schräglage?
Autor

Kirsten Maria Scholz

Kirsten Maria Scholz Geb. 14.04.1974 in Rendsburg/ Schleswig- Holstein Als kleine Leseratte verschlang sie eine Abenteuergeschichte nach der anderen und liebte es, in ihre Phantasiewelten abzutauchen. Selbst einmal solche Geschichten schreiben zu können, die zudem noch andere Menschen lesen würden, war lange Zeit allerdings ein Traum. Erst im Alter von 37 Jahren offenbarte sich ihr die Möglichkeit. Von längerer Depression gebeutelt hing sie ihren Beruf als Krankenschwester schweren Herzens an den Nagel. Wo jedoch eine Tür sich verschließt, öffnet sich eine andere. Es entstand 2012 die Wintergeschichte „Robert und die Weihnachstwichtel“. 2013 folgte das erste Abenteuer der beiden Murmeltiergeschwister „Arthur und Isolde auf Wanderschaft“, bei dem sie die Illustration selbst gestaltete. Immer schon sehr am sozial- gesellschaftlichem Miteinander und dem politischen Geschehen interessiert, stellt sie in „TILT- Eine Gesellschaft in Schräglage?“ nun offen und durchaus provokant die Frage, wie weit die Menschheit noch belastbar und in der Lage sein wird, den zunehmenden Anforderungen standzuhalten oder ob sie nicht bereits vor dem Kollaps steht.

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    Buchvorschau

    Tilt - Kirsten Maria Scholz

    2021.

    Schneller, höher, weiter

    Im eigentlichen Sinne war dieser Spruch einmal auf den Sport bezogen, denn nur, wer schneller lief, höher sprang oder weiter den Diskus oder den Speer warf, konnte ganz oben auf das Treppchen steigen. Da dem Menschen jedoch von Natur aus Grenzen gesetzt waren (und immer noch sind), die er schwer akzeptieren konnte (und immer noch nicht akzeptieren kann), kamen angeblich schlaue Menschen auf die Idee, mit leistungssteigernden Substanzen nachzuhelfen. Doping sollte (und soll) den Sportler zu nahezu grenzenlosen Leistungen verhelfen.

    Mittlerweile hat der Ansporn, immer besser zu werden, in nahezu allen Bereichen unseres Lebens Einzug gehalten, so dass es für den Einzelnen immer schwieriger erscheint, mit diesem Bestreben mitzuhalten, geschweige denn, sich gar zu entziehen.

    Die Menschen, sie wollen heutzutage immer und überall über alles auf dem Laufenden gehalten werden, permanent erreichbar, ja, ständig in der Lage sein, sich über das „Weltgeschehen", wann und wo immer sie es wünschen, informieren zu können und sich gleichzeitig mit unnötigen und unwichtigen Neuigkeiten berieseln zu lassen.

    Warum nur, frage ich mich? Hört die Welt auf, sich zu drehen, nur weil ich kleiner Erdenbürger nicht zeitgleich darüber informiert werde, was auf der anderen Halbkugel geschieht oder was sich einer meiner 567 virtuellen Freunde des sozialen Netzwerkes gerade Neues gekauft hat oder wie er aussah, als er 1,8 Promille auf der letzten Party intus hatte? Was hat ein 16-jähriges Mädchen immens Wichtiges zu regeln, dass es nicht bis zum Nachmittag warten kann, sondern in der Schule, am besten noch während des Unterrichts, per Handy oder Smartphone erledigt werden muss?

    Wie sehr kann eine Hausfrau am Weltgeschehen beteiligt sein, dass sie an der Kasse im Supermarkt, ein anscheinend ultrawichtiges Telefonat mit ihrer Freundin führen muss und dabei nicht nur den ganzen Laden unter-, sondern zudem den gesamten „Verkehr" aufhält?

    Gibt es einen tieferen Sinn dafür, dass man, gerade in den Stadtbus eingestiegen, den Freund anrufen muss, um ihm mitzuteilen, man sei gleich in fünf Minuten zuhause und freue sich so?

    Auf diese Fragen können wohl die wenigsten eine wirklich plausible Antwort geben, weil es objektiv betrachtet schlichtweg keine gibt.

    Beruflich sehr engagierte Menschen glauben allerdings gerne, dass sie unersetzlich seien. Die Annahme, nur sie können den „Laden" am Laufen halten, spricht schon für sich. Dabei ist fast jeder in unserer heutigen Arbeits- und Berufswelt nur eine Nummer, die Personalnummer, und ersetzlich. Allerdings ist ein ständig klingelndes Handy der augenscheinliche Beweis, die Bestätigung und nicht zuletzt Balsam für das eigene Selbstbewusstsein.

    Eine permanente Furcht, etwas Wichtiges zu verpassen, nicht mitreden zu können oder nicht mehr zur Masse dazuzugehören, treibt uns an, ständig „online zu sein. Wobei „Wichtiges natürlich Ansichtssache ist. Das Mitteilen von Aktivitäten bei sozialen Netzwerken ist für einen Großteil der Bevölkerung zum ständigen Begleiter ihres Alltages geworden, aber was bitteschön ist daran wichtig? Wichtig für wen und vor allem wozu? Bleibt die Zeit stehen, gibt es einen zweiten Urknall oder fällt gar ein Sack Reis in Hamburg um, wenn man sich einmal abschaltet oder etwas nicht zeitgleich mitbekommt oder postet?

    Anstatt sich über den erlebten Augenblick zu freuen, ihn zu genießen und zu erleben, wird sofort ein Foto ins Internet gestellt mit einem kleinen Vermerk, wo, wann und mit wem dieses „Event stattfand, frei nach dem Motto „mach ich Foto, tu ich facebook. Den Augenblick selbst aber nimmt niemand mehr wirklich wahr. Das dabei entstandene Gefühl, an das man sich später mit Freude zurückerinnern wird, gerät zunehmend in den Hintergrund.

    Es scheinen immer weniger Menschen, vor allem die Jüngeren unter uns, in der Lage zu sein, zu fühlen, innezuhalten und zu erleben. Zu viele Termine stehen an, dass der Tag gerne einmal 30 statt 24 Stunden haben könnte. Zudem müssen alle Aktivitäten und Neuigkeiten zeitgleich gepostet und unter das Volk gebracht werden. Das Leben macht keinen Spaß, wenn man es nicht teilen kann! Wobei mit „teilen nur das Verbreiten bloßer Information gemeint ist, nicht aber, etwas gemeinsam zu unternehmen. Es geht schon lange nicht mehr darum, das Gefühl der Verbundenheit mit der Freundin zu spüren und auch dankbar darüber sein zu können, denn gemeinsame Erlebnisse verbinden. Heute zählt, dass möglichst viele erfahren, was man gerade gemacht hat und dass diese es „liken. Unwichtig wird, ob es einem selbst gefällt.

    Leider sind es nicht nur erwachsene Menschen, die sich diesem Druck der ständigen Erreichbarkeit und des Informationsflusses aussetzen und vor allem unterwerfen. Die Gruppe der Smartphone- User wird zunehmend jünger. Was das für die langfristige Entwicklung der Kinder bedeuten könnte, mag ich gar nicht in Erwägung ziehen. Erschreckend zu beobachten ist, dass das Handy oder Smartphone, generell das permanent Online- Sein ein Teil der Kindheit und des Teenageralltages geworden zu sein scheint. Ein Tag oder gar eine Woche ohne Handy ist für die meisten nicht nur gar nicht vorstellbar, allein der Gedanke an ein solches Experiment versetzt sie regelrecht in Panik.

    „Ohne mein Handy bin ich doch nichts! oder „Was soll ich ohne Smartphone denn machen?, „Ich kann dann mit niemandem chatten, nichts posten, mit niemandem sprechen!" sind nur einige Aussagen, die ich in Gesprächen mit Jugendlichen zu hören bekommen habe. Dass man Freunde, also reale Freunde, nicht die virtuellen im Netz, natürlich auch ohne Smartphone treffen und mit ihnen etwas unternehmen, ja, sich auch unterhalten könnte, scheint absolut abwegig. Haben junge Menschen sich nichts mehr zu sagen?

    Sind sowohl das Handy als auch das Internet Mittel zur Persönlichkeitsbildung oder gar fester Bestandteil der eigenen Persönlichkeit, so dass wirklich das Gefühl verspürt wird, ein Teil des eigenen Ichs verschwindet, wenn auch das Handy verschwindet? Sind Jugendliche ohne Handy nicht lebensfähig? Ein privater TV- Sender plante im Sommer 2014 eine neue „Abenteuershow": Jugendliche sollten sich ohne Handy oder Smartphone in eine ihnen unbekannte Stadt begeben und dort einen Tag zurechtkommen.… Ohne Worte!…

    Das Smartphone zur Bildung und Steigerung des Selbstbewusstseins? Bedenklich, wenn Kinder und Jugendliche sich und ihre Persönlichkeit von einem kleinen Gerät abhängig machen, ohne dem sie sonst aufgeschmissen zu sein scheinen, sich ausgegrenzt, nicht dazugehörig, ja, wertloser fühlen. Noch bedenklicher, wenn diese Abhängigkeit sich zur Sucht entwickelt. Wenn sich alles nur noch um ein Online- Spiel dreht, die Schule vernachlässigt wird und das wirkliche Leben immer mehr mit der virtuellen Welt verschmelzt. Wenn die Mädels sich ohne Smartphone regelrecht nackt fühlen, nicht einmal eine Mahlzeit ohne ihren Wegbegleiter einnehmen oder gar zur Toilette gehen können, sind die Grenzen einer normalen, gesundheitlich vertretbaren Nutzung eindeutig überschritten.

    Wie schön war doch „damals" die gute, alte Zeit, als man sich zu festen Zeiten verabredet und keine Möglichkeiten hatte, außer über den Festnetzanschluss, den Termin einfach fünf Minuten vorher abzusagen, weil etwas Anderes (Wichtigeres?) dazwischen gekommen war. Als es weder Handy noch das Internet gab, waren Verabredungen verbindlicher als heute, wollte man den Freund oder die Freundin nicht versetzen oder gar verprellen. Heute wird sich über die Befindlichkeiten des anderen weniger Gedanken gemacht.

    Traf man sich „damals, war der Freund oder die Freundin die „Hauptattraktion, nicht das Handy. Man konzentrierte sich voll und ganz auf das Gespräch und nestelte nebenbei nicht permanent mit dem Smartphone herum. Solch ein Verhalten empfinde ich persönlich als äußerst unhöflich, respektlos und signalisiert eindeutiges Desinteresse, obwohl die Smartphone- Hörigen das vehement abstreiten würden. Man hörte zu, ohne den anderen zu unterbrechen, nur um ihm die aktuellste Meldung von Mr. Xy zu zeigen. Verstehe ich ohnehin nicht… ich kann es nachvollziehen, dass sich jemand den Freunden im Netz widmet, wenn er zuhause vor Langeweile nicht weiß, was er mit sich anfangen soll. Aber doch nicht, wenn mir eine leibhaftige Person gegenübersitzt! Allerdings agieren unsere Politiker in diesem Fall als äußerst schlechtes Vorbild. Anstatt den Rednern im Bundestag zuzuhören und so vielleicht den einen oder anderen Gedanken aufzunehmen, tippen und verschicken auch sie munter Kurzmitteilungen, allen voran die Bundeskanzlerin, oder verlassen den Plenarsaal für angeblich wichtige Telefonate. Wie ist es den jungen Menschen plausibel vermittelbar, dass so ein Verhalten schlichtweg unhöflich ist, wenn doch die Politiker es vorleben? Wie sollen Schüler verstehen, dass man dem referierenden Mitschüler durchaus zuhören sollte, weil es zumindest der Anstand geziemt?

    Ein zusätzliches und durchaus beängstigendes Phänomen ist das Cybermobbing. Betroffen von verschiedensten Formen der Diffamierung, Belästigung und Nötigung sind vor allem Jugendliche. Nicht selten werden Identitäten geklaut, um in fremden Namen zu mobben oder gar Käufe zu tätigen.

    Besondere Angriffsflächen bieten Kinder und Jugendliche, die auch im realen Leben Opfer von Ausgrenzung werden oder bereits wurden und zudem pubertär ohnehin hoch empfindlich sind. Perfide am Cybermobbing ist im Vergleich zum klassischen Mobbing, dass das Opfer sich nicht entziehen kann. Es findet keinen Schutzraum, denn auch ein Schulwechsel oder Umzug beendet kein Mobbing im Internet. Die Traumatisierung eines Cyber- Opfers ist nicht selten höher als beim herkömmlichen Mobbing in der Klasse.

    Jemanden unter falschem Namen im Netz bloßzustellen, anstatt sich direkt mit dem anderen auseinander zu setzen, ist meines Erachtens ein Akt der absoluten Feigheit und demonstriert mangelndes Selbstbewusstsein und mangelnde Intelligenz.

    Die meisten Täter wissen gar nicht, was sie einem Opfer antun, wenn sie ein peinliches Video ins Netz stellen. Insofern ist eine Sensibilisierung wichtig, d.h. sowohl den Täter die einschneidenden und traumatisierenden Auswirkungen ihres Agierens klarzumachen, aber auch dem Opfer den Rücken zu stärken. Gegen Cybermobbing muss man sich zu Wehr setzen! Es werden immer neue Bildungsreformen angestrebt, da sollte es doch möglich sein, gerade solche Themen, die zwar nicht zwingend reine Wissensvermittlung darstellen, dennoch alltagsgebräuchlich von enormer Wichtigkeit sind, in den Lehrplan einzubringen.

    Sehr zu begrüßen ist, dass Internetmobbing zukünftig als Straftat angesehen und verfolgt wird. Beleidigungen, peinlich intime Momente und Hetzkampagnen gegen eine andere Person ins Netz zu stellen, ist damit kein Kavaliersdelikt mehr!

    Im handylosen Zeitalter konnte man Busfahren, seinen Cappuccino im Café trinken, sich in aller Ruhe mental im Wartezimmer auf den Zahnarztbesuch vorbereiten oder beim Supermarkt an der Fleischtheke seine Bestellung aufgeben, ohne von Klingeltönen oder lauten Gesprächsteilnehmern belästigt zu werden. Mal ehrlich, es interessiert doch wirklich niemanden, ob der Arbeitskollege einer unbekannten Person ein Arschloch ist oder die Nachbarin wieder einmal das Treppenhaus nicht gewischt hat. Und schon gar nicht, ob die Jaqueline das T- Shirt von Chantale angezogen hat, was sie eigentlich nicht sollte. Wobei das ja noch harmlose Gesprächsthemen sind. Richtig belästigt fühle ich mich bei verbal heftig ausgefochtenen Beziehungsproblemen. Nicht selten verspüre ich den Drang, der Person ihr Smartphone zu entreißen, um ihrem Gesprächspartner am anderen Ende den Tipp zu geben, sich endlich zu trennen, wurde sie doch bereits zum dritten Mal betrogen.

    Schalten diese Menschen ihr Hirn eigentlich aus, wenn sie ihr Handy einschalten? Oder merken sie nicht, dass sie gar nicht alleine im Bus stehen? Ist es ihnen vielleicht sogar egal, ist es einfach völlige Ignoranz gegenüber den Mitmenschen?

    Wer schreibt heute überhaupt noch einen Brief per Hand? Wie, das kann man auch? Ja, es gibt dieses Beförderungsunternehmen, früher als Deutsche Post bekannt, das nicht nur Pakete von Online- Händlern oder behördliche Korrespondenz befördert, sondern auch Postkarten und Briefe von Privatpersonen, also Menschen wie Sie und ich. Ich spreche von Briefen, die mit größter Sorgfalt geschrieben werden, in ganzen Sätzen und richtigen Worten, vielleicht auch auf schönem Brief- und nicht auf Linienpapier aus dem Collegeblock. Briefe, in denen man statt „LOL" (laugh out loud) einfach beschreibt, wie sehr einen etwas erfreut hat. Wie sich zunächst ein Kribbeln in der Bauchgegend kitzelnd bemerkbar gemacht hat, man zu glucksen anfing bis das Kichern wie ein explodierender Vulkan als lautes Lachen aus einem herausbrach, so dass einem vor lauter Anstrengung und Freude Tränen über die heißen Wangen liefen.

    Ein Brief ist mehr als eine schlichte Mitteilung, er ist sehr viel persönlicher. Der Verfasser nimmt sich Zeit, macht sich in einem ruhigen Moment, vielleicht bei einer Tasse Tee oder einem Becher Kaffee, an die durchaus anspruchsvolle Arbeit. Er wählt jedes einzelne seiner Worte mit Bedacht, möchte er doch nicht, dass der Brief später wie das Heft eines Erstklässlers aussieht, fehlt ihm doch die Löschtaste. Er filtert sein eigenes Gedächtnis, forscht nach spannenden und interessanten Erlebnissen, trennt Wichtiges von Belanglosem und überlegt individuell, was für den Adressaten passend sein könnte. Ein Brief ist sehr intim und in keinster Weise nur etwas für die ältere Generation! Leider wird er immer stiefmütterlicher behandelt und rückt ständig weiter ins Abseits! Wer aber schon häufiger einen handgeschriebenen Brief von einer guten Freundin oder einem langjährigen Freund erhalten hat, weiß, wovon ich spreche!

    Die Technik, sie wächst unaufhaltsam und scheinbar ohne Grenzen. Der Fortschritt wird schneller und schneller und der Mensch, er hinkt, ja, er hetzt ihm geradezu hinterher. Im Gegensatz zur Technik sind den Menschen sehr wohl Grenzen gesetzt, rein psychischer und physischer Natur. Fällt in einer Produktion eine Maschine aufgrund von Wartung oder Reparatur aus, wird sie kurzerhand durch eine andere ersetzt. Der Mensch gönnt sich keine Zeit für Regeneration oder Reparatur, da es für diese Zeit so schnell keinen adäquaten Ersatz gibt und es zu Einbußen in der Arbeits- und Produktionsqualität kommen könnte. Wer krank ist, sieht zu, dass er schnellstmöglich wieder einigermaßen auf die Füße kommt. Dabei wird jedoch keine vollständige Genesung angestrebt, sondern nur ein einigermaßen fitter körperlicher Zustand, so dass die Kollegen durch den Ausfall keine Extraarbeit mehr leisten müssen. Aus Angst, im Beruf schnell ausgemustert und von einer anderen Arbeitskraft ersetzt zu werden, schleppt man sich krank zur Arbeit oder reißt eine Überstunde nach der anderen, obwohl man bereits an den eigenen Grenzen angekommen ist. Die Schlange derjenigen, die nur warten, dass man strauchelt und einen Arbeitsplatz frei macht, ist lang. Wer sich zudem ständigen Reizen und wachsenden Anforderungen aussetzt, der überfordert sich, sowohl seinen Körper, aber auch den Geist, und dekompensiert irgendwann.

    Die ständige Erreichbarkeit, die zunehmenden Außenreize und nicht zuletzt der permanente Lärmpegel, sowohl im Arbeitsleben, als auch in der Freizeit, überfordern unsere Sinne. Das Resultat sind gereizte und vor allem ausgereizte Menschen. Burn- out lässt grüßen und ist branchenübergreifend in aller Munde! Die Anforderungen am Arbeitsplatz nehmen zu, ebenso die ständige Angst um den eigenen Arbeitsplatz und dem dadurch verbundenen sozialen Abstieg. Während „früher" die Freizeit entschleunigt auf einen nach einem anstrengenden Arbeitstag gewartet hat und wirklich zum Aufladen der eigenen Akkus genutzt werden konnte, geht die Hektik und der Stress in der Freizeit weiter, zum Großteil selbst gewählt, weil auch hier der Druck vorhanden ist, mit der Umwelt mitzuhalten und sich nicht aus dem sozialen Gefüge auszuklinken. Denn wer eine Verabredung zum wiederholten Male absagt, wird irgendwann nicht mehr gefragt.

    Die leergelaufenen Akkus können so nicht mehr vollständig aufgeladen werden, der Mensch baut zunehmend ab. Er lebt, um zu arbeiten! Sollte man nicht eher arbeiten, um zu leben?

    Die vor sieben Jahren von der Bundesregierung eingeführte Elternzeit, die damals u.a. auch ins Leben gerufen wurde, um die Geburtenrate in Deutschland anzukurbeln, hat diesbezüglich keinen Erfolg gebracht. Für mich signalisiert das eindeutig, dass es den Menschen nicht primär um die finanzielle Absicherung während der ersten Monate nach der Geburt des Kindes geht. Die Sorgen und die „Belastungen, die „Arbeit hören doch nicht auf, nur weil das Kind etwas älter ist und tagsüber für einige Stunden in die KiTa oder zur Schule geht. Es werden auch nicht mehr Kinder geboren werden, wenn die Regierung die Elternzeit jetzt ausweiten möchte und wahrscheinlich auch wird. Die Menschen, die noch am Anfang des Erwerbslebens stehen und Familien gründen wollen, sind bereits müde. Und das bereits in jungen Jahren! Müde vom Leben, das ihnen alles abverlangt: permanente Aufmerksamkeit und Erreichbarkeit, absolutes Funktionieren, Flexibilität und Mobilität und nicht zuletzt strenge Disziplin. Sie fühlen sich einfach nicht in der Lage, sowohl körperlich als auch psychisch, den Anforderungen, die das Leben im Jahre 2014 an sie stellt mit der zusätzlichen Belastung einer größeren Familie dauerhaft standzuhalten.

    Denn wer nicht mithalten kann, fliegt, nicht nur aus dem Job, sondern auch aus dem gesellschaftlichen System. Die Krankheitstage wegen psychischer Erkrankungen steigen kontinuierlich, was sicherlich nicht darauf zurückzuführen ist, wie einige schlaue Menschen meinen, dass man sich heute eher traut, öffentlich bekanntzugeben, dass man psychisch angeschlagen ist. Einige vertreten gar die Meinung, es zähle quasi zum guten Ton, einen Therapeuten zu haben. Was für ein Irrglaube, der allerdings von der eigentlichen Problematik hervorragend ablenkt. Dabei ist es schlichtweg der ständig wachsende Stress, dem wir uns aussetzen, sowohl im Berufs- als auch im Privatleben, dem wir uns anscheinend nicht so ohne weiteres entziehen können. Es ist ein Teufelskreis, der dann erst unterbrochen wird, wenn man zusammenbricht!

    Für mich sehr erschreckend zu beobachten, ist die zunehmende Tendenz, dass sich bereits Kinder und Jugendliche diesem Stress ausgesetzt sehen, damit aufwachsen und schon im Alter von 14 oder 15 Jahren das Gefühl des Ausgebranntseins kennen. Schlafstörungen, Müdigkeit und Abgeschlagenheit sind meist der Beginn, gefolgt von Konzentrationsschwächen und dem Phänomen, sich plötzlich nichts mehr merken zu können. Die sogenannte Lernblockade ist ein mittlerweile verbreiteter Ausdruck dieser Erscheinung, der man mit psychologischer Hilfe entgegenzuwirken versucht. Die Schüler lernen und lernen, lesen einen Text drei- oder viermal, ohne etwas zu behalten oder gar zu verstehen. Es folgt unweigerlich ein Gefühl von Panik durch die Unfähigkeit, sich partout keine neue Lerninhalte merken zu können, die morgige Klassenarbeit zu „versemmeln". Schließlich nagen Versagensängste am eigenen Selbstbewusstsein. Die Angst, das Klassenziel nicht zu erreichen oder nur mit einem schlechten Abschluss die Schule zu verlassen, von dem aber ihr gesamtes zukünftiges Leben abhängig zu sein scheint, stürzt die Jugendliche in eine Gedankenspirale, der sie sich nur schwer entziehen können.

    Die Pubertät ist eine ohnehin verwirrende und „schreckliche" Zeit, wie aber sollen die Jugendlichen heute mit dieser zusätzlichen Belastung überhaupt zur eigenen Identität finden!?

    Die Schule verlangt den Schülern einiges ab, sehr viel mehr, als viele ältere Menschen zu wissen glauben. Ich wage die These, dass die Anforderungen um einiges höher sind als noch vor 20 Jahren zu meiner Schulzeit. Rückblickend kann ich mit Sicherheit sagen, dass meine Schulzeit die entspannteste Zeit meines Lebens war. Wenn ich jetzt die heutigen Schüler anschaue und davon ausgehe, dass auch ihre Schulzeit, die entspannteste Zeit ihres Lebens sein sollte, dann läuft es mir kalt den Rücken hinunter.

    Ein sehr guter mittlerer Schulabschluss ist heute das Minimum, das es zu erreichen gilt, will man nicht als Hartz IV- Empfänger enden. Zumindest wird das den Schülern, nicht zuletzt von Lehrern und der Politik immer wieder vorgebetet. Während vor 20 Jahren ein guter Hauptschulabschluss eine sichere Eintrittspforte für eine lebenslange Laufbahn als Handwerksgeselle mit Aufstiegschancen darstellte, hat ein heutiger Absolvent einer Hauptschule schlechte bis gar keine Chancen auf einen guten Ausbildungsplatz.

    Nahezu jeder Realschüler will nach seinem Abschluss das weiterführende Gymnasium besuchen, auch wenn er nicht über den nötigen Notendurchschnitt verfügt und so dem Niveau eines Gymnasiums gar nicht gewachsen wäre. Es scheint ein ungeheurer Druck auf den Schülern zu lasten, der ihre Wahrnehmung trügt. Sie feilschen um jede Note für einen besseren Durchschnitt und werten es als Ablehnung ihrer Gesamtperson, wenn sie keinen Schulplatz bekommen. Sie übersehen dabei komplett, dass es nicht der eigentliche Notendurchschnitt ist, der ihnen das Tor zum Abitur verschließt, sondern das mangelnde Grundwissen, um dem Unterricht auf dem Gymnasium folgen zu können. Eine „normale" Ausbildung in einem Handwerk oder einem kaufmännischen Beruf ist für sie keine Alternative, wollen sie doch nicht als Versager gelten. Die eigenen Ziele sind bereits im Jugendalter extrem hoch gesetzt, ebenso die Angst in der gesellschaftlichen Hierarchie ganz unten zu stehen. Ich denke, es ist ein Zusammenspiel aus falsch wahrgenommener Stärken und Schwächen einfach aufgrund fehlender oder unzureichender Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung und der Angst, als Hartz IV- Empfänger zu enden, was die Schüler hindert, sich angemessene und erreichbare Ziele zu setzen.

    Egal in welcher Talkshow es um Bildung in Deutschland geht, immer wieder kristallisiert sich heraus, dass ein Abschluss an einer Hauptschule „minderwertig" erscheint. Wie muss sich ein Schüler fühlen, der diese Schule besucht und bestrebt ist, das Beste zu leisten? In meinen Augen sind solche Aussagen absolut demotivierend und demütigend! Kein Wunder, dass sich Schüler irgendwann so verhalten, wie es ihnen angedichtet wird.

    Der Trend und das Bestreben der Schulen ist es, Kinder ganztätig zu beschäftigen. Schule von 8–16h, von Montag bis Freitag, erinnert mich sehr stark an das Arbeitsleben der Erwachsenen. Die Erkenntnis einiger Politiker, dass Schüler heutzutage mehr Stunden in der Schule verbringen als der durchschnittliche Angestellte auf der Arbeit, kommt zwar spät, aber es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Forderung, in der Schule eine 35- Stunden- Woche einzuhalten, ist sehr redlich, dennoch geht es nicht nur um die Anwesenheit der Schüler im Schulgebäude. Leider haben Kinder nach Schulschluss nicht wirklich frei. Wenn die arbeitende Bevölkerung sich etwas entspannt auf dem Sofa ausstrecken kann, finden Schüler keine Zeit, um den Kopf frei zu bekommen und Kräfte für den nächsten Tag zu sammeln. Abends steht das Lernen und Vor-, Aus- und Nachbereiten an. Wie schrecklich! Wann finden Kinder und Jugendliche eigentlich noch Zeit für sich? Zeit, einfach nur Kind oder Teenie zu sein? Zeit zu spielen, sich selbst zu entdecken und kennenzulernen, die eigene Identität zu finden, die für das Bestehen in unserer Ellenbogengesellschaft so immens wichtig ist? Zeit, Freunde zu treffen? Nur, wem die Gelegenheit geboten wird, sich selbst kennen zu lernen, weiß, wo seine Stärken und Schwächen liegen. Der Ernst des Lebens beginnt doch noch früh genug!

    Kinder lernen von klein auf, zu funktionieren, werden regelrecht „gedrillt, Höchstleistungen zu erbringen. Sie lernen dabei jedoch nicht für ihr Leben, wie die letzte PISA- Studie aus dem Jahre 2014 belegte. Sie „prügeln sich Faktenwissen in ihr Kurzzeitgedächtnis, lernen nur von einer Klassenarbeit oder von einem Schulprojekt zum nächsten. Komplexere Zusammenhänge zu erarbeiten oder bereits Erlerntes aus einem anderen Schulfach einzubringen, stellt viele Schüler vor eine schier unlösbare Aufgabe. In meiner Hausaufgabengruppe stelle ich dieses Phänomen immer wieder fest. Während die SchülerInnen bereits wissen, wie man beispielsweise im Deutschen eine Inhaltsangabe oder Charakterisierung schreibt, ist es ihnen absolut fern, dass solch ein Text im Englischen dem gleichen Aufbau unterliegt, nur in einer anderen Sprache. Der Hinweis: „Mach es wie im Deutschen!" stellt viele Schüler vor ein Rätsel. Auch sich themenübergreifend aus anderen Fächern bereits Erlerntes zunutze zu machen, fällt vielen Schülern auch in höheren Klassenstufen sehr schwer.

    Die teilnehmenden Schüler der PISA- Studie hatten definitiv Faktenwissen, waren jedoch nicht in der Lage, auftretende Alltagsprobleme zu lösen. Das kostengünstigste Ticket am Fahrkartenautomaten zu erstehen, stellt sie vor eine schier unlösbare Aufgabe, ebenso der Ausfall ihres Handys. Während wir in unserer Jugend zunächst einmal auf Fehlersuche gingen oder einfach etwas ausprobierten, erstarren die Jugendlichen von heute ihn ahnungsloser Handlungsunfähigkeit.

    Der normale Schulunterricht an Ganztagsschulen endet meistens kurz nach dem Mittag, der Nachmittag ist verplant mit AGs oder Werkstätten, ich nenne sie „Kurse zur Beschäftigung und Aufbewahrung. Sie werden nicht selten von Ehrenamtlichen ohne pädagogische Vorkenntnisse abgehalten, obwohl mir auch in diesen Nachmittagsstunden eine Betreuung durch Fachkräfte sehr sinnvoll erscheint. Ich selbst durfte die Erfahrung als Ehrenamtliche in einer dieser „Werkstätten machen. Eine Kraft für die Werkstatt „Hausaufgabenhilfe" war kurzfristig ausgefallen und da ich bereits Erfahrungen

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