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Genuine Conspiracy: Wenn Du dem Teufel nicht traust, musst Du ihn hintergehen ...
Genuine Conspiracy: Wenn Du dem Teufel nicht traust, musst Du ihn hintergehen ...
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eBook744 Seiten7 Stunden

Genuine Conspiracy: Wenn Du dem Teufel nicht traust, musst Du ihn hintergehen ...

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Über dieses E-Book

Genuine Conspiracy ist ein Atlanta-Thriller, der hinter die Fassade der amerikanischen Elite blickt. Das garantiert jede Menge Action und Spannung pur.

Nach ihrer überstürzten Flucht aus Atlanta warten John und Elaine im beschaulichen Nashville darauf, dass die Bombe zum Skandal um den Wirkstoff Genuine endlich platzt. Doch als auch Wochen später nichts passiert, wird ihnen klar, dass niemand an der schmutzigen Wahrheit hinter dem Wundermittel Interesse hat: die Herstellerfirma NextAce nicht, die Polizei nicht, das Verteidigungsministerium nicht, und der Guvnor schon gar nicht.
Im Gegenteil: Immer noch verschwinden Nacht für Nacht Dutzende Obdachlose von Atlantas Straßen, und John und Elaine wissen nur zu genau, dass sie in den Fängen des Guvnors einen grausamen Tod sterben.

Während John beschließt, nach Atlanta zurückzukehren, um den Guvnor endlich zur Strecke zu bringen, will Elaine einem ganz anderen Geheimnis auf die Spur kommen. Was steckt hinter den stark gesunkenen Kriminalitätsraten, mit denen die Politiker in der Öffentlichkeit punkten? Als sie an der Universität Proben des Trinkwassers analysieren lassen will, gerät sie ungewollt in das Visier der Homeland Security, einer scheinbar staatlichen Behörde, die kein Interesse daran hat, die Wirkung von Genuine im Trinkwasser mit der Öffentlichkeit zu teilen.

Während Elaine erneut untertauchen muss, macht sich John in Atlanta auf die Suche nach dem Guvnor. Er weiß auch schon, wo er beginnen wird. Doch kaum hat er Casher, Ex-Marine und wie er einer der letzten Überlebenden des Genuine-Smart-Programms, ausfindig gemacht, entkommt er nur um Haaresbreite einem Anschlag mit einer Drohne, die nur aus Beständen des Militärs stammen kann ...

Was sagen die Medien?
»Ich kenne NextAce CEO Thomas Hardwick seit über vierzig Jahren. Er ist das Opfer eines Komplotts. Er hat nichts mit all den Skandalen um Genuine zu tun.«
Interview mit Branson Agil im Peachtree Observer

Bereit für die Fortsetzung des Wahnsinns?
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum29. Mai 2024
ISBN9783910674059
Genuine Conspiracy: Wenn Du dem Teufel nicht traust, musst Du ihn hintergehen ...

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    Buchvorschau

    Genuine Conspiracy - Tobias Miller

    Genuine Conspiracy

    Thriller

    Tobias Miller

    Copyright © 2024 Tobias Miller

    Tobias Miller

    c/o Block Services

    Stuttgarter Str. 106

    70736 Fellbach

    https://tobias-miller.com

    Alle Inhalte, insbesondere Texte und Fotografien sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, einschließlich der Vervielfältigung, Veröffentlichung, Bearbeitung und Übersetzung, bleiben vorbehalten.

    Published by: Tobias Miller

    E-Book Distribution: XinXii

    www.xinxii.com

    logo_xinxii

    Besuchen Sie den Autor unter https://tobias-miller.com

    Lektorat: text & geschick, Wiesbaden

    Korrektorat: Dietmar Stehno

    Cover: Christina Hucke GrafikDesign

    Verwendung der Fotos von © shutterstock/Den Rozhnovsky (Drohne) und © shutterstock/A_McIntyre (Skyline Atlanta)

    ISBN: 978-3-910674-05-9 (E-Book)

    ISBN: 978-3-910674-00-4 (Taschenbuch)

    ISBN: 978-3-910674-01-1 (Gebundene Ausgabe)

    Inhalt

    Was in Genuine Madness geschah ...

    Das Buch

    1

    2

    3

    4

    5

    6

    7

    8

    9

    10

    11

    12

    13

    14

    Schlusswort

    Dank

    Der Autor

    Was in Genuine Madness geschah ...

    Ein einziger IQ-Test in der Schule entscheidet über Wohlstand, Gesundheit und Erfolg im Leben: Als der neunährige John Raymond am nächsten Tag das Ergebnis erfährt, weiß er, dass er nie dazu gehören wird. Er ist ein Lame, kein Smart, und wird wie seine Eltern immer Farmer bleiben.

    Zehn Jahre später erhält John einen Anruf von seinem ehemaligen Schuldirektor. Die Regierung sucht Testpersonen für ein geheimes Programm: Ehrgeizige Lames können zu Smarts werden. Der Schlüssel dazu ist die kontrollierte Einnahme von Genuine, einem geheimnisvollen Medikament, das intelligenter, aber auch skrupelloser macht. Voller Hoffnung auf ein anderes Leben lässt sich John Raymond auf das Experiment ein.

    Tatsächlich zeigt Genuine sofort Wirkung: Johns geistige Fähigkeiten explodieren und bisher verschlossene Türen öffnen sich. Doch das Medikament und das Medizinstudium in Atlanta haben ihren Preis. Und anders als die smarte Elaine, die er an der Uni kennenlernt, muss er sein Geld mit dubiosen Jobs für den zwielichtigen Makler Caine verdienen.

    Zu spät merkt John, dass Caine auch mit ihm ein perfides Spiel treibt: Er weiß zu viel über Genuine, und um ihn auszuschalten, dreht Caine John den Stoff- und Geldhahn zu. Das treibt John in die Arme des Guvnors, in der Hoffnung, von ihm weiterhin mit Genuine versorgt zu werden. Doch der Guvnor hat ganz andere Pläne mit John. In den U-Bahn-Tunneln der Stadt betreibt er eine geheime Farm, in der er den betäubten Lames das Hirnwasser abzapft, den Grundstoff für das Wundermittel Genuine. Dorthin verschleppt er auch John.

    Aber nicht nur John und Caine geben vor, jemand anderes zu sein. Als John eines Tages auf der Farm des Guvnors unerwartet aus der Narkose erwacht, erkennt er in Elaine eine der Handlangerinnen des Unterweltbosses. Dass sie für den Guvnor arbeitet, ist allerdings alles andere als freiwillig.

    Johns drohender Tod durch die Gehirnwasserentnahme und der anhaltende Missbrauch durch Caine, mit dem sie bis dahin liiert war, veranlassen sie, mit ihrem alten Leben abzurechnen. Durch ein Ablenkungsmanöver verhilft sie John zur Flucht, schüttelt Caine für immer ab und wendet sich kurz vor der gemeinsamen Abreise mit John in einem anonymen Anruf an den Polizeichef von Atlanta. In Nashville, so die Hoffnung von John und Elaine, beginnt ein neues Leben - weit weg von all den Verbrechen.

    Das Buch

    Nach ihrer überstürzten Flucht aus Atlanta warten John und Elaine im beschaulichen Nashville darauf, dass die Bombe zum Skandal um den Wirkstoff Genuine endlich platzt. Doch als auch Wochen später nichts passiert, wird ihnen klar, dass niemand an der schmutzigen Wahrheit hinter dem Wundermittel Interesse hat: die Herstellerfirma NextAce nicht, die Polizei nicht, das Verteidigungsministerium nicht, und der Guvnor schon gar nicht.

    Im Gegenteil: Immer noch verschwinden Nacht für Nacht Dutzende Obdachlose von Atlantas Straßen, und John und Elaine wissen nur zu genau, dass sie in den Fängen des Guvnors einen grausamen Tod sterben.

    Während John beschließt, nach Atlanta zurückzukehren, um den Guvnor endlich zur Strecke zu bringen, will Elaine einem ganz anderen Geheimnis auf die Spur kommen. Was steckt hinter den stark gesunkenen Kriminalitätsraten, mit denen die Politiker in der Öffentlichkeit punkten?

    Als sie an der Universität Proben des Trinkwassers analysieren lassen will, gerät sie ungewollt in das Visier der Homeland Security, einer scheinbar staatlichen Behörde, die kein Interesse daran hat, die Wirkung von Genuine im Trinkwasser mit der Öffentlichkeit zu teilen.

    Während Elaine erneut untertauchen muss, macht sich John in Atlanta auf die Suche nach dem Guvnor. Er weiß auch schon, wo er beginnen wird. Doch kaum hat er Casher, Ex-Marine und wie er einer der letzten Überlebenden des Genuine-Smart-Programms, ausfindig gemacht, entkommt er nur um Haaresbreite einem Anschlag mit einer Drohne, die nur aus Beständen des Militärs stammen kann …

    Dieses gesamte Land basiert auf einer Lüge – dem amerikanischen Traum. Er ist nichts weiter als ein Hamsterrad, wenn du mich fragst.

    Der Reverend

    1

    Das vertraute Geräusch im Schloss der Wohnungstür zauberte John ein Lächeln ins Gesicht. Elaine. Sie war zurück. Endlich. Er mischte den frischen Rucola-Salat noch einmal durch, stellte die Schüssel auf der Küchenzeile ab und lief ihr entgegen. Doch statt einer zärtlichen Begrüßung huschte sie kommentarlos in die Wohnung hinein, knallte die Tür hinter sich zu und verriegelte im Handumdrehen das Schloss. Keuchend lehnte sie sich mit dem Rücken an die Wand. Der Pony ihres kurz geschnittenen Haars klebte an der schweißnassen Stirn. Und dann war da noch ihr Blick. Pures Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben. Achtlos ließ John das Salatbesteck auf den Boden fallen. Elaine erschrak. Der Rucksack, den sie in der rechten Hand hielt, plumpste auf den Boden. Mit der Linken stützte sie sich auf den Türknauf, als ob sie mit aller Macht verhindern wollte, dass sie zusammensackte.

    »Was ist passiert?«, fragte John und nahm sie in den Arm.

    »Vor der Haustür steht einer der Soldados.« Sie rang nach Luft und war hörbar den Tränen nahe.

    »Aber Elaine … niemand weiß, dass wir hier sind.«

    »Das stimmt nicht. Und das weißt du genau«, fuhr sie ihn an. »Meine Zeugnisse sind alle gefälscht. Irgendwann musste das rauskommen …« Sie zitterte. Zärtlich strich er ihr über den Rücken. Aber sie entspannte sich nicht.

    John dachte nach über das, was Elaine gesehen hatte. Einen der Soldados. Ganz sicher ein dummer Zufall, sagte er sich. Die streunten überall herum. Wenn sie wirklich aufgeflogen wären, dann wäre ein Soldado das kleinste Problem. Also mussten sie entspannt bleiben, logisch denken. Natürlich war Elaine mit einem falschen Namen unterwegs. Wie auch sonst. Ihre Ausweispapiere und Sozialversicherungsnummer hatten sie für viel Geld auf dem Schwarzmarkt gekauft. Er selbst war nirgends registriert und konnte so nur sehr schwer gefunden werden. Die Wohnung hatten sie unter ihrem neuen Alias Caitlin Elaine Smith angemietet. John hatte darauf bestanden, dass sie ihren richtigen Namen als Zweitnamen behielt, damit sie sich nicht ständig in der Öffentlichkeit verplapperte. Als Bonus zu ihrer neuen Identität hatte sie gefälschte Leistungsnachweise einer drittklassigen Uni aus Kanada bekommen. Ihre echten Scheine der Emory University konnte sie nicht mehr verwenden. Die Zeugnisse aus dem Ausland hatten an der Vanderbilt University in Nashville zwar zu einigen Nachfragen geführt, aber nachdem Elaine den IQ-Test problemlos bestanden hatte, waren alle Zweifel der Verwaltung verflogen gewesen. Es gab schlicht keinen Grund, ihre Einstufung als Smart, ihre Nachweise oder Ausweispapiere zu bemängeln. Sie war safe, da war sich John sicher.

    Sie schüttelte den Kopf.

    Er würde trotzdem gehen. Das war der zweite Vorfall dieser Art in der letzten Woche. Sie hatten vereinbart, dass John beim nächsten Mal nachschauen würde. Das machte zwar wenig Sinn, denn wenn die Soldados des Guvnors wirklich vor dem Haus warteten, würden sie ihn sofort erkennen. Aber er wollte sein Gewissen beruhigen und Elaine die Angst nehmen.

    »Schließ hinter mir ab, okay? Dreimal lang, zweimal kurz.« Das war ihr Klopfzeichen.

    Sie hielt ihn fest.

    Er strich ihr übers Haar und schob sie sanft von sich weg. Dann verließ er die Wohnung.

    Auf dem Gang war alles ruhig. Irgendwo dröhnte ein Rap durch eine Wohnungstür. John schüttelte sich kurz, atmete durch und schlich vom dritten Stock, in dem sich ihr Apartment befand, langsam ins Erdgeschoss, öffnete leise die Haustür und prüfte die Umgebung. Nichts. Auf der Straße vor ihrem Apartmentblock herrschte gespenstische Ruhe. Er ging zurück ins alte Ziegelgebäude, schaute in jeden der Flure im ersten und zweiten Geschoss, dann verließ er das Gebäude über die Feuertreppe am Ende des Gangs. Er umrundete ihr Apartmenthaus, passierte eine Gruppe Alleebäume, um gleich darauf über die Feuertreppe am anderen Ende des Blocks wieder auf ihre Etage hinaufzusteigen. Kurz bevor er die seitliche Hauseingangstür aufschloss, blieb er auf dem rostigen Eisengerüst stehen und schaute sich nochmals um. Er lehnte sich nach vorn und stützte sich auf dem Geländer ab. Von hier oben hatte er einen guten Blick auf die Straße und den Fußweg unter ihm. Ein paar Drohnen flogen vorbei. Gelegentlich sah er ein Fahrzeug. Doch weit und breit war niemand zu sehen.

    Mit einem Gefühl der Erleichterung ging er zurück in den   Flur, der zu ihrer Wohnung führte. Genau in dem Moment, als die Tür zur Feuertreppe hinter ihm krachend ins Schloss fiel, kam ein muskulöser Typ in Jeans und schwarzem T-Shirt um die Ecke. Hätte er den nicht früher hören müssen? Woher kam der? Die kurz geschorenen Haare und der finstere Blick waren angsteinflößend, das musste John zugeben. Auf beiden Oberarmen hatte er verzerrte Gesichter tätowiert. Er könnte durchaus ein Soldado sein, aber auch irgendjemand anders, der auf militärischen Look stand. John schnappte nach Luft und hielt kurz inne. Dann lief er den Gang entlang weiter Richtung Treppenhaus, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Als er den Mann passierte, schaute er dem Kerl provozierend in die Augen. Daraufhin zuckte der Typ irritiert mit dem Kopf, lief aber unbeirrt weiter. Kurz bevor John sich noch einmal nach dem mysteriösen Besucher umdrehen wollte, klopfte er an eine Tür. John hörte, wie ein unbekannter Nachbar öffnete. Kurz darauf schloss die Wohnungstür, und der Mann war verschwunden.

    John atmete erleichtert durch. Kein Grund zur Paranoia, sagte er sich. Nur ein ganz normaler Besucher. Normalität in jedem Apartmentblock. Eilig lief er zurück zu ihrer Wohnung.

    Dreimal lang, zweimal kurz. Elaine öffnete nicht, trotz des vereinbarten Klopfzeichens.

    »Alles okay, Schatz. Ein Nachbar den Gang runter hat Besuch.«

    Die Tür ging ein Stück auf, und Elaine ließ ihn hinein.

    »Der Typ sah wenig vertrauenerweckend aus.« Sie schloss die Tür hinter ihm.

    John nickte.

    Elaine ließ den Kopf hängen, so als würde sie sich für ihre Angst schämen. Doch John war im Grunde dankbar, denn sie sprach einfach aus, was sie beunruhigte. Im Gegensatz zu ihm.

    »Hunger?« Er deutete mit dem Kopf Richtung Küche, um sie auf andere Gedanken zu bringen. »Es gibt Salat. Und etwas Reis.«

    Sie legte eine Hand auf seine Schulter und hauchte ein »Danke«. Gemeinsam setzten sie sich an den Esstisch, den John schon gedeckt hatte.

    John verneinte. Seit zwei Wochen, als sie Hals über Kopf aus Atlanta geflohen waren, hörten sie jeden Tag elektrisiert die Nachrichten. Doch Fehlanzeige. Bisher hatte es keine Meldung über die Ereignisse gegeben, die der Grund für ihre überhastete Flucht gewesen waren. Die Medien hatten bisher auch keine Zeile über den Tod von Caine Wrath geschrieben. Und auch kein einziges Wort über den Guvnor und seine Farm. Das war höchst beunruhigend. Sie hatten auf ihrer Flucht aus Atlanta eine Menge Polizeifahrzeuge vorbeifahren sehen. Doch die Live-Berichterstattung im Fernsehen hatte etwas von einem kürzlich ausgebrochenen Schwerverbrecher erzählt, den Drohnen in Midtown aufgespürt hatten. Die Nachrichtenkanäle im Bus auf ihrer Fahrt nach Nashville sendeten zwar aus vollen Rohren, aber sie tappten über die Hintergründe der Ereignisse völlig im Dunkeln. Plötzlich war die Berichterstattung abgerissen. Nachrichtensperre. Das Großaufgebot hatte sich in Windeseile aufgelöst. Seitdem herrschte Funkstille. Aber was war in Midtown Atlanta eigentlich passiert?

    Der Peachtree Observer berichtete zwei Tage nach ihrer Flucht über eine folgenschwere Panne während des Einsatzes. Der angebliche Verbrecher lief noch immer frei herum. Ein Fehler bei der Gesichtserkennung der Drohnen. Mehr Informationen gab es nicht. Und der Guvnor, dessen Machenschaften sie beide fast das Leben gekostet hätte, wurde in den Medien mit keiner Silbe erwähnt, was nur bedeuten konnte, dass er lebte und weiterhin seine Fäden zog. Und dass er möglicherweise nach ihnen suchte. Sie waren hoffentlich weit genug weg, hatten sich in Sicherheit gebracht. Aber der Guvnor hatte Verbindungen nach ganz oben, und diese staatlichen Stellen waren das eigentliche Problem. Irgendjemand im Verteidigungsministerium hielt dem Guvnor den Rücken frei, und dieser jemand hatte seine Finger überall drin. Sie mussten verdammt vorsichtig sein, um nicht aufzufallen, was gar nicht so leicht war bei der totalen Überwachung durch Drohnen mit Gesichtserkennung, Scans in öffentlichen Gebäuden, in Sammeltaxis und sogar in Supermärkten. Sie mieden stark frequentierte Orte, waren fast überall zu Fuß unterwegs und kauften ausschließlich bei einem kleinen Lebensmittelhändler in ihrem Viertel ein, der zwar höhere Preise verlangte, aber noch immer auf die gute alte Bargeldzahlung setzte. Hauptsache Cash. Zudem machte John einen großen Bogen um den Unicampus, auf dem es vor Kameras nur so wimmelte. Jedes öffentliche Gebäude dort verfügte an den frei zugänglichen Eingängen über Kameras mit Gesichtserkennung – aus Sicherheitsgründen, sagte die Unileitung. Er war bisher nur einmal nach Sonnenuntergang dort gewesen, um möglichst wenigen Menschen zu begegnen, die an einer Sonnenbrille bei Nacht und der tief ins Gesicht gezogenen Schirmmütze Anstoß nehmen konnten.

    Für Elaine hatte es mehr Aufwand bedeutet, damit sie sich in ihr neues Leben als Smart in Nashville einfinden konnte. Die Drohne, über die sie den anonymen Tipp über den Standort von Guvnors Farm an den Polizeichef Atlantas gesendet hatte, hatte ihr Gesicht gespeichert. Elaine glaubte zwar, sich komplett verhüllt zu haben, aber es war nicht auszuschließen, dass die Polizei sie trotzdem identifizieren konnte. Sie hatte leider keine künstlichen Kontaktlinsen getragen. Daher hatte sie gleich nach ihrer Ankunft in Nashville einen Friseur aufgesucht, um sich die Haare zu einem kurzen Bob zurückstutzen zu lassen und dunkelbraun zu färben. Vor zwei Wochen hatte er das übertrieben gefunden, aber da waren sie auch noch davon ausgegangen, dass die Polizei den Guvnor hinter Schloss und Riegel bringen würde. Ein Irrtum, wie sich herausstellen sollte. Mittlerweile war er überzeugt, dass Elaine mit ihrer Vorsicht recht gehabt hatte. Allerdings erwischte er sie immer noch bei kleinen Nachlässigkeiten. Unter neckendem Gekicher hatte er sie erst an diesem Morgen erinnert, sich ihre roten Augenbrauen und die blonden Wimpern nochmals nachzufärben, bevor sie das Haus verließ. Der Kontrast zwischen ihrem dunklen Haar und den hellen Brauen hatte unnatürlich gewirkt und wäre sofort aufgefallen. Mit einem wütenden Schnauben war sie ins Bad gestürmt und hatte ihrer Tarnung auf die Sprünge geholfen.

    Wieso hatte der Einsatz nach Elaines anonymem Tipp überhaupt schiefgehen können? Sie hatte dem Polizeichef genau beschrieben, wo sich der Eingang zu den Tunneln befand. Warum waren die Einsatzkräfte dann unverrichteter Dinge wieder abgezogen? Und wenn das Ministerium die Polizei überwachte, warum waren die Einsatzkräfte überhaupt ausgerückt? Wer war für das große Chaos, dass an diesem Tag entstanden war, verantwortlich? John irritierte die Ungewissheit über die wahren Hintergründe, aber Elaine machte es total fertig.

    »Ich habe mit den zwei Schreinereien gesprochen«, versuchte John sie abzulenken.

    »Ach ja, und? Wie lief’s?«

    »Melden sich Ende der Woche, ob sie eine Aushilfe benötigen. Richtig einstellen wollen sie mich ohne Papiere nicht …«

    »Klingt doch positiv.«

    »Bei der einen hatte ich ein gutes Gefühl, ja.«

    Sie lächelte erstmals.

    »Wie war’s bei dir? War der Pathologiekurs okay?«, fragte John.

    »Ja, schon«, sagte sie nachdenklich. »Die Arbeit mit echten Toten ist mir bedeutend lieber.«

    John wusste, was sie meinte. Sie hatte auf der Farm des Guvnors narkotisierten Lames Hirnwasser abgezapft. Die lebenden Toten, so hatte sie die armen Seelen getauft. Lame Livestock nannte sie der Guvnor. John schnaufte auf. Die Ungewissheit ihrer Lage belastete ihn ebenfalls, auch wenn er es sich nicht anmerken ließ. Klar, sie hatten genügend Geld – fürs Erste. Er hoffte auf einen Aushilfsjob in der Schreinerei, um etwas dazuzuverdienen. Außerdem würde er sich verdächtig machen, wenn er den ganzen Tag in der Wohnung verbrachte. Es gab immer wieder Nachbarn, die verdächtige Subjekte an die Behörden meldeten. Elaine könnte ihrem Medizinstudium nachgehen, gemeinsam mit ihm die Vergangenheit vergessen und die angenehmen Seiten des Lebens genießen, solange sie unauffällig blieben. Das Geld reichte für sie beide, um eine Zukunft aufzubauen, wenn sie vernünftig blieben. Und: Elaines Smart-Status brächte ihm nach ihrem Studiumabschluss die eine oder andere Annehmlichkeit, die ihm als Lame verwehrt war. Wenn nur der Guvnor nicht wäre …

    »Gibst du mir den Reis rüber?«, fragte sie, weil er geistesabwesend auf seinen halb gegessenen Salat starrte. Er bugsierte umständlich und extra langsam den Reis aus der Schüssel auf ihre Teller. Mit dem Job als vorübergehender Hausmann könnte er sich für eine Weile anfreunden. Aber letztlich reichte ihm das alles nicht. Er wollte sein Leben zurück. Sein Leben ohne Angst.

    »Die Revolution bleibt aus, Elaine.«

    Wieder starrte sie ihn an. Ihre hellblauen Augen fixierten ihn.

    »Die Polizei macht nichts.«

    »Ich weiß«, antwortete sie zerknirscht und sah ihn herausfordernd an. Er liebte diese Seite an ihr, diesen frechen Blick. Sie hatte einen Gedanken im Kopf, ließ ihm aber den Vortritt, ihn zu formulieren. Gott, in diesen Momenten würde er sich zu gern zu ihr hinüberlehnen, sie intensiv küssen, mit den Händen durch ihr Haar fahren und sich in ihrem Duft verlieren. Er würde seine Finger über ihren Rücken gleiten lassen und ihr Oberteil … Wenn sie sich nur fallen lassen könnte … Sie schliefen nicht einmal im selben Zimmer. Sie war noch nicht bereit dafür, sagte sie. Sie wolle es langsam angehen lassen. Das war in Ordnung für ihn, machte aber die Enge in ihrem Leben nicht erträglicher.

    »Wir müssen rausfinden, warum nichts passiert ist«, sagte John mit ernster Miene und legte seine Hand auf ihre. »So gehts nicht weiter. Im Obdachlosenheim in Atlanta gibt es jemanden, der vielleicht mehr weiß.«

    Elaine nickte, senkte dabei aber den Blick und stocherte lustlos im Reis.

    »Ich muss zurück nach Atlanta«, sagte er.

    »Wir müssen zurück.«

    »Nein.«

    Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

    »Du studierst weiter. Ich mach das allein.«

    »Das ist unfair.«

    »Du kannst dein Smart-Leben weiterführen. Ich nicht. Das ist unfair.« Er gab ihr ein herausforderndes Lächeln zurück.

    Zuerst erhielt er nur ein Schniefen als Antwort. Dann folgte ein: »Wir hatten abgemacht, dass das niemals zwischen uns steht.«

    »Tut es auch nicht. Aber es macht keinen Sinn, wenn du dein Studium drangibst. Wir haben viel Geld in deine neue Identität investiert, damit du ganz regulär Ärztin werden kannst. Die alten Daten von der Emory University und vom Lame Dome Hospital hat ein Hacker gelöscht. Alles, was die Behörden noch haben, ist ein Drohnenvideo, auf dem du nicht leicht zu erkennen bist. Halt dich raus, bis die Sache vorbei ist.« Er zwängte seine Finger zwischen ihre und verschränkte so ihre Hände miteinander. »Ich fahre morgen und bin so schnell wie möglich wieder hier.«

    Sie nickte, schaute dann jedoch aus dem Fenster in den Abendhimmel. Allein zurückzubleiben, das gefiel ihr nicht, nahm John an. Aber es war die beste Entscheidung für sie beide. Er würde den Obdachlosen suchen, der ihm bei der Flucht geholfen hatte. Sie waren beide Teilnehmer des Genuine-Smart-Programms gewesen. Er wusste bestimmt mehr, als er John vor der übereilten Abreise erzählt hatte. Mit dem Wissen würde er sich hoffentlich Schritt für Schritt vorarbeiten, bis er herausfand, warum die Polizei den Guvnor nicht hatte hochgehen lassen. So war der Plan. Aber vielleicht würde es nichts bringen, nach Atlanta zu fahren, überlegte John. Vielleicht fand er gar nichts heraus. Aber irgendetwas mussten sie ja tun, verscheuchte er die leisen Zweifel in seinem Kopf.

    ****

    Detective Morrison saß mit einem gehörigen Brummschädel am Schreibtisch und starrte unablässig auf den Glasbildschirm. Der heutige Tag versprach, nur wenig produktiv zu werden. Das war nicht weiter schlimm, denn als der Neue in der Abteilung erwarteten alle, dass er den Ball erst einmal flach hielt. Keine Hektik machte. Außerdem fand seine offizielle Begrüßung erst um 9:00 Uhr statt, bis dahin gehörte er eigentlich noch nicht einmal richtig dazu. In der Zwischenzeit reichte es aus, sich den Arbeitsplatz einzurichten und in die eine oder andere digitale Akte hineinzuschauen, die auf der Prioritätenliste weit oben stand. Er öffnete die erste Datei und stellte fest, dass die Kollegen kürzlich einen Drogendealer festgenommen hatten, der seine berauschende Ware vor dem Fulton County Courthouse in Downtown angeboten hatte. Morrison fand das ebenso frech wie dämlich, auch wenn der Dealer die vermutlich gut zahlende Kundschaft damit direkt auf ihrem Weg von der Arbeit abfing. Er scrollte weiter. Bei der Beweisaufnahme angekommen, überflog er die Substanzen, die bei ihm gefunden wurden. Dann verschwammen die Buchstaben vor seinen Augen. Mit einem Stöhnen schloss er das Dokument und erhob sich. So würde das nichts werden. Er musste am ersten Tag zwar nicht die Welt retten, aber irgendetwas Nützliches sollte sich schon finden lassen. Einen kräftigen Kaffee bräuchte er dafür noch, sonst war er nicht arbeitsfähig. Hätte Jessie, die dunkelbraune Riesenpudeldame, mit der er zusammenlebte, ihn an dem Morgen nicht freudig begrüßt, wäre er überhaupt nicht wach geworden. Den Wecker hatte er ignoriert, obwohl der sich alle fünf Minuten mit einem penetranten Sirenengeräusch in Erinnerung gerufen hatte.

    Wie war er eigentlich nach Hause gekommen? Auf dem Weg zur Kaffeemaschine versuchte er, die letzte Nacht so gut wie möglich zu rekonstruieren. Zwei der neuen Kollegen hatten ihn in ein Speakeasy in Midtown eingeladen, um seine Beförderung zum Detective zu feiern. Das Lokal hatte den Charme einer legendären Kneipe aus der Prohibition weitestgehend bewahrt. Der öffentlich einsehbare Teil war eine regulär betriebene Pizzeria. Ein Roboter bediente Kundschaft oder bestückte Drohnen für die Auslieferung. Am Ende des Vorraums stand ein Bücherregal, dem der gewöhnliche Besucher keine Aufmerksamkeit schenkte. Doch das war Absicht. Einige wartende Kunden nutzten das Angebot manchmal zum Stöbern, aber nur einige Insider wussten, dass sich die eigentliche Attraktion des Lokals dahinter verbarg. Der Trick der Eingeweihten bestand darin, das richtige Buch zu erwischen, damit sich die als Regal getarnte Tür öffnete, um den Blick auf die verborgene Bar freizugeben. Seine beiden neuen Kollegen kannten den entscheidenden Schlüssel: das mittlere Buch von Mark Twains gesammelten Werken. Zwei erstaunte Ausrufe Morrisons später hatten sie an der Bar Platz genommen. Nachdem die Kollegen den Barkeeper über Morrisons Beförderung aufgeklärt hatten, gab es für ihn einen Whiskey seiner Wahl aufs Haus. Danach hatte er aufgehört zu zählen. Erst spendierte er eine Runde und dann die Kollegen ihm. Das Spiel wiederholte sich – mehrfach. An die Zeit nach Mitternacht konnte er sich beim besten Willen nicht mehr erinnern.

    Am Automaten angekommen orderte er einen XXL-Kaffee und zahlte per Gesichtsscan. Ein silbrig-glänzender Arm reichte ihm Sekunden später das Getränk, was er zum Anlass nahm, sich über das militärisch kurz geschorene Haar zu fahren und zum Ende des Flurs zu gehen, um dort ein paar Minuten ungestört den Blick zu genießen. Das Polizeipräsidium war ein unspektakulärer Zweckbau, aber der Architekt hatte auf jedem Korridor einen raffinierten Trick verbaut: einen Infinity Hallway. Anstatt eines sauber eingerahmten Fensters mündete der Gang in einer blitzblanken Glaswand, die sich über den gesamten Querschnitt des Flurs erstreckte. Verkaterten Betrachtern machte die Illusion zu schaffen, dass das Gebäude dort offen war und ein Schritt zu viel einen Sturz über zwanzig Stockwerke bedeutete. Morrison versicherte sich der Glaswand durch einen Stupser mit der Schuhspitze, dann lehnte er sich mit der Schulter dagegen. Der Blick über Atlanta war atemberaubend. Als Stadtkind liebte er die Megabauten, und allein wegen dieses täglichen Ausblicks bereute er es nicht eine Sekunde, zur Polizei gegangen zu sein. Noch mehr mochte Morrison allerdings die Tatsache, dass bei den meisten ausgeschriebenen Jobs keine Ausgrenzung der Lames vorgenommen wurde, auch wenn er selbst ein Smart war und es ihn eigentlich nicht zu interessieren brauchte. Aber für ihn war das eine Frage der Gerechtigkeit. Es mochte wichtig sein, dass der Polizeichef ein Smart war. Aber an solchen Bürojobs hatte er kein Interesse. Für alle anderen Positionen konnte sich jeder Lame oder Smart bewerben, der dann das normale Einstellungsverfahren erfolgreich durchlaufen musste. Zwar gab es einen IQ-Test, doch das Ergebnis spielte keine große Rolle. Im Gegensatz zu den Antworten auf Persönlichkeitsfragen und dem Verhalten in Rollenspielen, die die Kandidaten in Gruppensituationen testeten, um ihre Teamfähigkeit zu prüfen. Morrison hatte all die Prüfungen problemlos bewältigt, weil er die Antworten und das notwendige Verhalten vorhersagen konnte. Wäre es nach seiner Mutter und seinem Stiefvater gegangen, hätte er nach dem Psychologiestudium in einer renommierten Werbeagentur angefangen. Stattdessen entschied er sich für eine Laufbahn als Polizist – sehr zur Missbilligung seiner gesamten Familie. Dabei hatte er schon immer einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn gehabt. Als Smart war ihm die Polizeischule leicht gefallen und seit dem mühelos bestandenen Abschluss war es mit seiner Karriere steil bergauf gegangen. Mit leichter Hand überholte er die Lame-Kollegen und zeigte deutlich mehr Engagement als die wenigen smarten Mitstreiter. Mit seinen fünfundzwanzig Jahren war er der jüngste Detective Georgias. Darauf war er insgeheim verdammt stolz, auch wenn er das nie zugeben würde.

    Die Wirkung des Kaffees setzte endlich ein und sein Blick öffnete sich. Er drehte sich um.

    »Hey, Milchgesicht, schon da?« Morrison zuckte zusammen und hatte Mühe, seinen Kaffee in der Hand zu halten. Er hasste diese Anrede, schluckte den Ärger aber herunter und grinste seinen Kollegen an.

    »Macaulay!«, flötete er. »Lange keinen Zombie gesehen.« Er spielte auf die aufgequollene Visage des Kollegen an.

    »Sehr witzig«, Macaulay zog die Lippen hoch und zuckte mit den Schultern. »Sandra hat mir heute Morgen ein Glas Wasser ins Gesicht geschüttet«, grunzte er mürrisch. »Wer saufen kann, kann auch arbeiten«, äffte er seine Frau in übertrieben hoher Tonlage nach.

    »Oaach, mein Kopf«, unterbrach der Langhaarige sein Gedankenkarussell.

    »Willkommen im Club.« Morrison nickte und prostete Macaulay mit dem Kaffeebecher zu. »Nimm ’nen großen. Das hilft.«

    Macaulay klopfte ihm auf den Arm und zog sich selbst einen Kaffee, während Morrison zurück zu seinem Schreibtisch lief.

    Er stellte den Becher ab, prüfte sein Holofone, das er am Platz hatte liegen lassen, und runzelte die Stirn. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Das Gerät zeigte einen Anruf in Abwesenheit. Carter Maxwell. Morrison kannte zwar den Namen, hatte den Polizeichef aber bisher nicht persönlich kennengelernt. Maxwell hatte sich bestimmt verwählt. Er nahm einen großen Schluck Kaffee und atmete tief durch. Und wenn nicht? Ein Rückruf konnte nicht schaden …

    ****

    Elaine umarmte John zum Abschied. Sie fuhr mit der Hand durch sein Haar, küsste ihn zärtlich auf den Mund und legte ihren Kopf auf seine Schulter.

    »Bin bald zurück«, sagte er überzeugend genug, damit sie ihn gehen lassen würde. Aber jetzt noch nicht. Einen Moment lang wollte sie ihn noch bei sich halten, die neue Vertrautheit der letzten beiden Wochen genießen.

    Natürlich hatte er recht mit seiner Reise nach Atlanta. Von Nashville aus würden sie nichts erfahren und schon gar nichts erreichen. Ein Anruf bei der Polizei würde nichts bringen, außer unangenehmen Fragen. Sie mussten sich vor Ort umschauen, sonst würden sie nicht schlauer werden.

    John hatte eine vage Idee, wo er ansetzen konnte. Sein Kontaktmann war dieser Obdachlose Casher, von dem er ihr erzählt hatte. Der Kerl hatte ihm nach der Flucht aus den U-Bahn-Tunneln mit einer Dusche im Obdachlosenheim und frischen Kleidungsstücken ausgeholfen. Er hatte außerdem behauptet, Teil des Genuine-Smart-Programms gewesen zu sein. John glaubte ihm. Und vielleicht hatte Casher noch mehr Informationen. Und dann war da noch Caines Haus, das in die Luft geflogen war. Außer einer kargen Nachricht im Peachtree Observer über eine Gasexplosion in Midtown hatte es weder eine öffentliche Berichterstattung noch ein offizielles Statement gegeben. Das konnte alles überhaupt nicht wahr sein. Die Polizei müsste doch ermitteln … eins und eins zusammenzählen. Er löste sich aus ihrer Umarmung.

    »Ich melde mich, sobald ich etwas weiß. Mach dir keine Sorgen.«

    Sie nickte. Das war leicht gesagt. Sie hatten ja keine Ahnung, wo der Guvnor steckte. Und ob er mit seinen Soldados in Midtown Atlanta noch immer sein Unwesen trieb. »Sei vorsichtig.«

    »Gehst du an die Uni?«

    »Okay.« Ein letzter Kuss. »Ich muss los, sonst verpasse ich den Bus. Eine Wasserflasche nehme ich noch mit.«

    Sie ließ ihn gehen.

    John war sehr eigen, fast paranoid, was das Trinkwasser betraf. Er bestand auf gekauftem Flaschenwasser, auch wenn es um ein Vielfaches teurer war als das aus dem Wasserhahn. Selbst zum Zähneputzen nahm er das Nass aus der Flasche. Er hatte ihr von einer Studie berichtet, die sein ehemaliger Mitbewohner Raoul irgendwo aufgetrieben hatte. Das Trinkwasser sei kontaminiert. Der Guvnor hätte ebenfalls etwas in dieser Richtung gesagt, behauptete John. Die unterirdische Farm produzierte angeblich nicht nur Genuine für NextAce, sondern verunreinigte damit auch gezielt die Wasserversorgung. Elaine hatte ihre Zweifel. Warum sollten sie das tun? Ihr gegenüber hatte der Guvnor das nie erwähnt, obwohl sie monatelang dort gearbeitet hatte. Das war jetzt auch egal. Sie wollte sich nicht mehr daran zurückerinnern, wie Caine und der Guvnor ihre medizinischen Fähigkeiten ausgenutzt hatten, um Lames das Hirnwasser auszusaugen, das die Genuine-Maschinerie am Laufen hielt.

    Elaine war sich sicher, dass die Aussage des Guvnors gegenüber John ein Bluff war. Es ergab einfach keinen Sinn, Genuine ins Trinkwasser zu mischen. Wenn der Wirkstoff intelligenter machte, was hatte die Regierung davon? Außerdem hatte sie weiß Gott nicht das Gefühl, dass die Leistungssteigerung des Gehirns bei ihren Mitmenschen bislang angekommen war. Sie würde selbst herausfinden müssen, ob an der Behauptung etwas dran war und zu welchem Zweck der Stoff beigemischt wurde.

    John hatte darauf bestanden, dass sie wie immer an die Uni gehen sollte, während er sich in Midtown Atlanta umsehen würde. Sie sollten kein unnötiges Risiko eingehen. Elaine fand seine Vorsicht übertrieben. Sie würde ihren Teil einbringen und versuchen, in der Wassergeschichte zu recherchieren. Doch je mehr sie darüber nachdachte, desto unwahrscheinlicher kam ihr Johns Paranoia vor. Aber sie musste ihm nicht auf die Nase binden, was sie darüber dachte. Vermutlich ließ er sich nur durch handfeste Fakten vom Gegenteil überzeugen. Vor allem, wenn sie die Untersuchung selbst durchgeführt hatte. Genau dort würde sie ansetzen. Sie hatte kürzlich ihr erstes Laborpraktikum an der Vanderbilt University absolviert. Die Leiterin war ihr sympathisch. Vielleicht könnte sie ihr nach Feierabend eine Wasseranalyse abschwatzen. Dafür müsste sie nicht extra nach Atlanta fahren. Und John würde sie erst später davon berichten.

    ****

    Morrison setzte die NextAce-Linse auf. Mit einem Klick auf dem Bildschirm stellte er eine Verbindung zum Büro des Polizeichefs her und schloss die Augen. In den Großraumbüros der Detectives war die Kommunikation über die Linse die beste Möglichkeit, die Kollegen nicht bei der Arbeit zu stören. Er hätte auch zum Holofone greifen können, aber er wollte nicht gleich am ersten Arbeitstag unangenehm auffallen.

    »Morrison, wie läuft Ihr Start als Detective?« Carter Maxwell hatte sich also doch nicht verwählt. Der Polizeichef saß in einem großzügigen Büro und sprach in den NextAce-Converter, der seine Worte in neuronale Signale umwandelte.

    »Bestens, Sir. Bin froh, Teil der Drogenfahndung zu sein.« Carter Maxwell war alt geworden, dachte Morrison, der um die geringere Empfindlichkeit des Converters wusste. Seine Gedanken würden nicht beim Polizeichef ankommen. Maxwells weißes Haar bildete einen krassen Kontrast zur dunklen Haut. Dicke Brillengläser vergrößerten seine Augen auf unnatürliche Weise, als schaute er durch Flaschenböden. Auf Fotos, die der Detective von ihm kannte, hatte er offensichtlich Kontaktlinsen getragen.

    »Sie hatten mich angerufen, Sir?«, dachte der Detective, als ihm die Pause unangenehm wurde.

    »In der Tat. Entschuldigen Sie bitte meine etwas unorthodoxe Art, Sie direkt zu kontaktieren, ohne dass wir uns persönlich kennen. Ich habe mir Ihre Akte geben lassen. Sie sind ein Smart mit Ambitionen. Ihr Verhalten war stets vorbildlich. Ich mag das.«

    »Danke, Sir.«

    »Ähm, wie soll ich sagen … Sie sind neu in der Drug Investigation Unit und ich habe eine etwas ungewöhnliche Anfrage. Haben Sie mal Undercover gearbeitet?«

    »Nein, Sir. Nur reguläre Ermittlungen. Davor war ich Drohnenpilot.«

    »Ah ja, das hab ich gesehen. Ich habe hier einen Fall, der, sagen wir, spezielle Qualitäten erfordert.«

    »Wie meinen Sie das?« Mit einem Mal war Morrison neugierig. Es war sehr ungewöhnlich, dass der Polizeichef sich um konkrete Polizeiarbeit kümmerte. Dafür hatten sie ihren Captain.

    »Ich suche jemanden mit frischen Ansichten. Von außen. Ohne Vorgeschichte.«

    »Aha. Mmh. Und wofür?«

    »Der Fall erfordert absolute Diskretion. Sie berichten nur an mich. Klar?«

    »Okaaaaay?«

    »Und sie ermitteln ohne ihren Partner. Nach der Arbeit. Vorläufig zumindest. Ist das ein Problem?«

    »Nein, Sir. Kein Problem. Eine Anmerkung …«

    »Ja?«

    »Irgendwelche Einwände?«, fragte Maxwell.

    »Nein«, dachte Morrison.

    Maxwell grunzte zufrieden, bevor er endlich konkreter wurde.

    »Haben Sie von dem Großeinsatz in Midtown vor zwei Wochen gehört?«

    »Yep. Ein flüchtiger Häftling aus dem Fulton County Jail.«

    Maxwell verzog die Mundwinkel, bevor sich ein gequältes Lächeln abzeichnete. »Das ist die offizielle Version.«

    »Und was ist die inoffizielle?«

    Maxwell antwortete nicht sofort und schaute zur Seite. Morrison wartete einfach ab. Dann hob der Polizeichef die Schultern und sagte langsam: »Wir hatten einen anonymen Tipp bekommen. Übrigens, nicht zum ersten Mal. Die Kurzfassung lautete: In den U-Bahn-Tunneln gäbe es eine kriminelle Bande, die Lames erst kidnappen und dann ermorden würde. Das Problem ist nur: Bisher hatten wir bei unseren Razzien nie etwas gefunden. Die U-Bahn-Tunnel waren immer leer gewesen. Geradezu aufgeräumt. So wie auch dieses Mal. Ich möchte, dass Sie sich dort noch mal genauer umsehen.«

    Auf dem Bildschirm des Detectives blinkte eine Datei auf.

    »Ich erwarte ihre Einschätzung. Und die geht nur an mich, klar?«

    Morrison nickte mit dem Kopf. »Trotzdem verstehe ich noch nicht, warum ich, Sir?«

    Maxwell lächelte. »Weil es vermutlich einen Informanten gibt. Möglicherweise jemand hier beim Atlanta PD. Sie sind neu, also ein quasi unbeschriebenes Blatt, Morrison. Ich kann Sie also aus dem Kreis der Verdächtigen ausschließen. Das ist der Hauptgrund.« Maxwell atmete hörbar ein. »Ich verlasse mich auf Sie.«

    »Ich werde Sie nicht enttäuschen, Sir« dachte Morrison, weil er überhaupt etwas erwidern wollte. Dann fragte er: »Noch eine Frage: Haben Sie eine konkrete Vermutung, wer der Informant sein könnte?«

    »Nein«, antwortete Maxwell. »Das ist ja das Problem. Bei solchen Großeinsätzen sind schon in der Planung viele Kollegen involviert. Es könnte ihr Partner oder sogar ihr Chef sein. Alles ist möglich. Jeder ist verdächtig – bis auf Sie. Behalten Sie Ihre Recherchen deshalb unbedingt für sich.«

    Der Polizeichef verabschiedete sich und beendete das Gespräch. Morrison entspannte und lehnte sich im Stuhl zurück. Das fing ja prima an. Direkt an seinem ersten Tag bekam er einen Spezialauftrag. Aber lag Maxwell mit seinem Verdacht überhaupt richtig? Und worum war es bei dem missglückten Zugriff überhaupt gegangen? Vielleicht war an seiner Theorie auch nichts dran. Auf jeden Fall machte ihn die Sache neugierig. Er öffnete die Datei, die Maxwell ihm geschickt hatte. Es war ein Video, die die NextAce-Linse direkt vor sein geistiges Auge projizierte.

    »Dies ist eine persönliche Nachricht an den Polizeichef des Atlanta PD. Eine Bande Schwerverbrecher in Midtown kidnappt Lames, setzt sie unter Drogen und hält sie in den U-Bahn-Tunneln gefangen. Sie nehmen ihnen Hirnwasser ab und bringen sie danach um. Sehen Sie in der stillgelegten Midtown-Station nach. Es gibt einen als Notausgang getarnten Eingang im Keller des Gebäudes 10th Avenue auf West Peachtree Street.«

    Das war alles. Die Nachricht war fünfundzwanzig Sekunden lang und von einer Frau mit übergestülptem Pulli gesprochen worden. Morrison schätzte sie auf Mitte, Ende zwanzig. Den GPS-Koordinaten der Drohne nach stand sie ein Stück entfernt von der Civic Center Station. Laut Datumsstempel stammte das Video vom Tag des Großeinsatzes vor zwei Wochen.

    Morrison hielt das Video für wenig überzeugend. Daraufhin eine großangelegte Polizeiaktion zu starten, fand er arg übertrieben. Allerdings hatte Maxwell erwähnt, dass das nicht die ersten Hinweise dieser Art waren …

    Trotzdem hielt Morrison die Anschuldigungen für eine zugegeben fantasievolle Räuberpistole, die sich irgendwelche subversiven Elemente ausgedacht hatten. Der Detective hatte fast sein ganzes Leben in Midtown verbracht und kannte die Gegend wie seine Westentasche. Wenn organisierte Kriminelle die U-Bahn-Tunnel unter der Stadt als Gefängnis missbrauchten, hätte das auffallen müssen. Wahrscheinlich war die Anruferin nur eine Irre, die sich wichtig machen wollte. Neben der Civic Center Station lag der Fernbusbahnhof. Wahrscheinlich hatte sie sich nach dem Anruf längst aus dem Staub gemacht. Und trotzdem … Maxwell hatte ihn um etwas gebeten, und er würde einen Teufel tun, diesen Auftrag auf die leichte Schulter zu nehmen. Morrison gab den Gedankenbefehl zum nochmaligen Abspielen der Nachricht, da klopfte ihn jemand auf die Schulter.

    Morrison riss sich benommen die NextAce-Linse vom Kopf und sprang so heftig auf, dass er für einige Sekunden um Gleichgewicht rang. »Sorry. Los geht’s«, sagte er zu seinem Kollegen und folgte Macaulay.

    ****

    Er hatte an diesem Morgen den ersten Bus aus Nashville genommen. Auf der Fahrt war ihm Elaine nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Widerwillig hatte sie sich mit einer langen Umarmung verabschiedet, seine Locken durchwühlt und ihn innig geküsst. Er spürte noch immer das Kribbeln ihrer Berührungen in seinem Körper. Er musste lächeln. Irgendetwas hatte sich zwischen ihnen verändert, aber er traute seinen Gefühlen noch nicht.

    Die Sperrholztür zum Obdachlosenheim stand offen. An diesem Tag saßen allerdings keine Männer auf der Straße. Der Bürgersteig vor dem Gebäude war wie leer gefegt. Das war seltsam. Was würde er tun, wenn er Casher nicht anträfe? Darüber hatte er kaum nachgedacht. Er war sich absolut sicher gewesen, dass der Obdachlose sich noch dort aufhielt. Er war sein Leidensgefährte beim Genuine-Smart-Programm – der einzige weitere Teilnehmer, den er zufällig aufgespürt hatte.

    Er betrat das heruntergekommene Gebäude, schaute sich neugierig um. Vor ihm wartete ein älterer Herr. Er stand wie ein Rezeptionist neben einem unansehnlichen Holztisch und schaute ihn freundlich an. »Ah, ein Neuzugang. Wie heißt du, mein Sohn?«

    »Nein, nein. Ich suche Casher, Sir.«

    Der Empfangsposten kicherte mit einem kehligen Laut, der auf unzählige Zigaretten schließen ließ. »Stimmt. Du siehst auch nicht aus, als würdest du hierhergehören.« Der Mann sah ihn freundlich an. »Casher sitzt gleich da hinten am Tisch. Ich bin übrigens Reverend Ismael und helfe hier aus.«

    John stellte sich ebenfalls vor.

    »Sie sind Priester?«

    »Einer der wenigen weißen Baptistenprediger im Süden, ja.«

    John schaute den Reverend überrascht an. In seinem Heimatort war er zwar jeden Sonntag mit seinen Eltern in der Kirche gewesen, aber seit der Teilnahme im Genuine-Smart-Programm hatte er keine Zeit mehr für diese Tradition gehabt. Und es auch nie bereut. Der Priester in seiner Heimatstadt, Father Jacob, war ein kleiner, rundlicher Mann mit Glatze gewesen. Er hatte oft schlechte Laune, die er durch übertriebene Strenge an den Kindern und Jugendlichen ausließ. Seine Körperfülle ließ ihn wie ein Gurkenfass aussehen. Die Robe war das Einzige, was Father Jacob Autorität verlieh und wenn er mit der Arbeit fertig war und sie ablegte,

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