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Die kurvigen Straßen des kalifornischen Städtchens Sausalito ziehen sich über Hügel bis zum Yachthafen an der Bay von San Francisco. In der Nähe steht ihr braunes Schindelhaus, eine Villa aus dem 19. Jahrhundert, in dem Isabel Allende ihre engste Familie versammelt hat. Ihr Sohn Nicolas, seit ein paar Jahren Leiter ihres Büros, sitzt am Schreibtisch am Empfang, ihre Schwiegertochter Lori arbeitet eine Etage höher. Als ich zur Tür reinkomme, begrüßt mich Isabel mit einer herzlichen Umarmung. Wir kennen uns seit fast vier Jahrzehnten, sahen uns vor der Pandemie regelmäßig in den USA oder in Europa und schreiben uns, früher Briefe, heute E-Mails. Manchmal schickte sie mir handgeschriebene Briefkarten, die sie mit Bildern aus farbenfreudigem Stoff-Patchwork beklebt hatte. Sie arbeitet gern mit den Händen. Bei meinen Besuchen schenkte sie mir wunderschöne Ketten, die sie aus Perlen und Halbedelsteinen selbst gefertigt hatte. Es bereitet ihr große Freude, Schmuck anzufertigen, auch ihren eigenen hat sie selbst kreiert. „Beim Aufziehen der Perlen“, so erklärte sie mir, „ordnen sich meine Gedanken. Perlen sind wie Worte. Man muss sie sorgfältig auswählen und mit Fantasie zusammenstellen.“
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Als ich Isabel an diesem Tag im März erlebe, mag ich nicht glauben, dass sie 81 Jahre alt ist. Lässig gekleidet im Jackett, schwarzer Jeans und schwarzen Sneakers, ihre weißen Haare zu einer flotten Frisur geföhnt, strahlt sie vor Energie. Sie ist eine kleine Person, 1,55 Meter, eine Größe, über die sie sich selbst gern lustig macht. Sie ist temperamentvoll, offenherzig und lacht oft. An den Wänden des Hauses, im Entree und dem Zimmer, in dem sie offizielle Besucher