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Menschen ohne Geschichte sind Staub: Queeres Verlangen im Holocaust
Menschen ohne Geschichte sind Staub: Queeres Verlangen im Holocaust
Menschen ohne Geschichte sind Staub: Queeres Verlangen im Holocaust
eBook149 Seiten1 Stunde

Menschen ohne Geschichte sind Staub: Queeres Verlangen im Holocaust

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Über dieses E-Book

Eine Untersuchung, die für das Erinnern an queere jüdische Opfer während des Holocausts und für ein Ende der Stigmatisierung eintritt.

Queere Geschichte des Holocaust, also die Frage nach gleichgeschlechtlichem Verlangen unter den Holocaustopfern, ist bis in die heutigen Tage eine Leerstelle geblieben. Dies liegt an einer weitreichenden Homophobie der Häftlingsgesellschaft in KZs und Ghettos, was dazu führte, dass die Stimmen dieser Menschen weitgehend aus den Archiven getilgt sind. Anna Hájkovás Text baut auf bestehender Forschung zu Homophobie auf und macht den Versuch, die Geschichte dieser ausradierten Menschen zu schreiben.
Die Untersuchung ist dabei gleichzeitig eine Geschichte der Sexualität des Holocaust und nimmt in Augenschein, dass die Beziehungen im Lager mitunter ausbeuterisch und gewaltsam waren, wobei die Übergänge fließend waren. Hájková setzt sich mit einigen besonderen Fällen von Jugendlichen (unter anderem Anne Frank) und Erwachsenen auseinander, es geht um romantische, erzwungene und abhängige Beziehungen, um romantische Sexualität und sexuellen Tauschhandel. Sie zeigt die Gleichzeitigkeit von queerer und Hetero-Sexualität und argumentiert, dass wir von einem ausschließlichen Konzept der sexueller Identität Abschied nehmen und von Akten und Praktiken sprechen müssen, um das Verhalten der Opfer verstehen zu können.
SpracheDeutsch
HerausgeberWallstein Verlag
Erscheinungsdatum21. Mai 2024
ISBN9783835386396
Menschen ohne Geschichte sind Staub: Queeres Verlangen im Holocaust
Autor

Anna Hájková

Anna Hájková, geb. 1978, ist Reader in modern European continental history an der University of Warwick, Großbritannien, wo sie das Centre for Global Jewish Studies leitet. Sie ist Historikerin der jüdischen Holocaustgeschichte und Autorin von »The Last Ghetto: An Everyday History of Theresienstadt«. Hájková ist Pionierin auf dem Gebiet der queeren Holocaustgeschichte. Veröffentlichungen u.a.: The Last Ghetto: An Everyday History of Theresienstadt (erscheint 2020); Medicine in Theresienstadt, in: Social History of Medicine, 33,1 (2020); Die letzten Berliner Veit Simons: Holocaust, Geschlecht und das Ende des deutsch-jüdischen Bürgertums (Co-Autorin, 2019). Auszeichnungen: Catharine Stimpson Prize for Outstanding Feminist Scholarship 2013.

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    Buchvorschau

    Menschen ohne Geschichte sind Staub - Anna Hájková

    Anna Hájková

    Menschen ohne

    Geschichte sind Staub

    Queeres Verlangen im Holocaust

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

    in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    © Wallstein Verlag, Göttingen 2024

    www.wallstein-verlag.de

    Umschlaggestaltung: Filip Kraus

    ISBN (Print) 978-3-8353-5641-2

    ISBN (E-Book, pdf) 978-3-8353-8638-9

    ISBN (E-Book, epub) 978-3-8353-8639-6

    Inhalt

    Vorwort von Tessa Ganserer

    Vorbemerkung der Autorin zur zweiten Auflage

    Den Holocaust queer erzählen

    Die queere Archivlücke

    Homophobie der Überlebenden

    Queeres Verlangen in Theresienstadt

    Schlussfolgerung

    Menschen ohne Geschichte sind Staub

    Homophobie

    Margot Heuman

    Kinship

    Nate Leipciger

    Anne Frank

    Melania Weissenberg

    Jiří Vrba

    Schlussfolgerung

    Anmerkungen

    Vorwort

    von Tessa Ganserer

    Meine Aufgabe als Politikerin sehe ich darin, mich für ein gutes sowie diskriminierungsfreies gesellschaftliches Miteinander und Gleichberechtigung einzusetzen. Dabei sind mir die Rechte marginalisierter Personen und hier die Rechte queerer Menschen ein besonderes Anliegen. Denn von Gleichheit in Recht und Gesetz kann auch in der Mitte der zwanziger Jahre des einundzwanzigsten Jahrhunderts noch lange nicht die Rede sein. So müssen auch heute noch lesbische Mütter ihr gemeinsames Kind adoptieren, während bei verheirateten heterosexuellen Paaren der Ehemann automatisch als Vater anerkannt wird – ganz ohne Nachweis, dass er auch tatsächlich der Erzeuger ist. Transgeschlechtliche Menschen müssen sich auch heute noch einer demütigenden und pathologisierenden psychologischen Zwangsbegutachtung stellen, nur damit der Rechtsstaat sie so akzeptiert, wie sie sind. Rechtliche Benachteiligungen, die die aktuelle Ampelkoalition im deutschen Bundestag bald beenden möchte. So entstehen meine Zeilen, während wir gerade über den Gesetzentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz verhandeln. Noch bevor dieses Buch die Druckerei verlassen hat, hat der Deutsche Bundestag mit großer Mehheit das Sebstbestimmungsgesetz verabschiedet. Das entwürdigende sogenannte Transsexuellengesetz gehört damit der Vergangenheit an. Auch stehen die Reform des Abstammungsrechtes und andere Vorhaben noch aus.

    Doch die Vehemenz mit denen in Teilen unserer Gesellschaft Stimmung gegen transgeschlechtliche und non-binäre Menschen gemacht, wie energisch und aufwändig gegen deren berechtigte Forderung nach einem Selbstbestimmungsgesetz vorgegangen wird, zeigt nachdrücklich, wie tief auch heute noch gesellschaftlich bedingte Stigmatisierungen und Vorurteile verankert sind.

    Homosexuelle Männer wurden im Nationalsozialismus verfolgt und in Konzentrationslagern ermordet. Eine strafrechtliche Verfolgung setzte sich auch im Nachkriegsdeutschland fort. Sie wurden daher lange nicht als Verfolgte anerkannt und hatten damit auch keinen Anspruch auf Entschädigung. Gleichgeschlechtliche Liebe unter Frauen war zwar (in Deutschland) offiziell nicht strafbar, doch wir wissen heute, dass auch lesbische Frauen vom Nazi-Regime nicht verschont geblieben sind. Sie wurden mithilfe anderer Paragraphen verfolgt – aufgrund »Erregung öffentlichen Ärgernisses«, Prostitution oder als »Asoziale«, die den Behörden als Vorwand dienten, um frauenliebende Frauen ins Gefängnis oder gar KZ zu bringen. Die Verfolgung war fast immer intersektional, das heißt als Widerstandskämpferinnen, Jüdinnen oder Schwarze Frauen – und wegen Queerness. Diese Art der Verfolgung lesbischer Frauen hörte auch nach Kriegsende nicht auf. Auch in der Bundesrepublik drohte ihnen beispielsweise der Entzug des Sorgerechts. Transgeschlechtliche Menschen mussten sich bis 2011 zwangssterilisieren lassen. Daran wird deutlich, wie tief sich Vorurteile und Abwertungen von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in den Gesetzgebungen festgesetzt haben und wie schwer es ist, diese aus den Gesetzestexten zu entfernen.

    Zwar nehmen gesellschaftliche Einstellungen und rechtliche Regulierungen gegenseitigen Einfluss aufeinander, dennoch ist die Arbeit auch dann nicht getan, wenn alle rechtlichen Ungerechtigkeiten beseitigt sind. Stigmatisierungen, Ausgrenzungen, Diskriminierungen, Benachteiligungen und Gewalt als Ausdruck gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, sind nicht einfach per Gesetzesbeschluss aus der Welt zu schaffen. Wir wissen aus Studien, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- & intergeschlechtliche sowie non-binäre Menschen (zusammen als queer benannt) noch immer alltäglichen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Ebenso wissen wir, dass explizit queerfeindliche Positionen in Teilen der Gesellschaft vertreten werden. Diesbezüglich haben wir also kein Erkenntnis-, sondern ein Akzeptanzproblem.

    Dabei hat sich ohne jeden Zweifel in den 55 Jahren nach Stonewall weltweit und auch bei uns in Deutschland einiges zum Guten gewendet. In vielen Ländern wurden in mühevollen und langwierigen Prozessen Rechte erstritten (wie z. B. die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare). Queere Menschen haben heute einen deutlich besseren Zugang zu Informationen und anderen queeren Personen, als das vor dem ›Internetzeitalter‹ der Fall war. Außerdem ist eine stetige Akzeptanzzunahme gegenüber sexueller und geschlechtlicher Vielfalt festzustellen. Allerdings zeigen aktuelle Erhebungen ebenfalls, dass diese Akzeptanz auch wieder verloren gehen kann.

    Dennoch sind wir weit davon entfernt, in Deutschland von gleichberechtigten, diskriminierungsfreien Lebensverhältnissen zu sprechen. Bei einem Blick über den deutschen Tellerrand ist zu betonen, dass in vielen Ländern queere Menschen auch heute noch staatlich verfolgt werden. In den letzten Jahren sind darüber hinaus nicht nur rechtliche Rückschritte in Ungarn, Polen oder Russland zu verzeichnen, sondern auch in einigen Bundesstaaten der USA hat sich die Rechtslage deutlich verschlechtert. Und bei uns in Deutschland lassen Populist_innen und Rechtsextreme, Ultraorthodoxe sowie weitere radikale Kräfte keine Gelegenheit aus, um Hass zu verbreiten, der wie Gift in die Gesellschaft hineinsickert. Wenn wir also nicht aufpassen, können wir die Erfolge der rechtlichen Selbstbestimmung, die Freiheit unbehelligt lieben zu können und alle weiteren rechtlichen Fortschritte auch ganz schnell wieder verlieren.

    Gewiss muss die Politik hier Haltung zeigen, Akzeptanz vorleben, für diese werben und vor allem die finanziellen und personellen Ressourcen für eine gute Akzeptanzarbeit bereitstellen. Dort, wo fehlende Akzeptanz in Hass und Gewalt umschlägt, muss sich der Rechtsstaat schützend an die Seite Betroffener stellen. Hassverbrechen müssen konsequent geahndet werden. Aber für ein gutes gesellschaftliches Miteinander ist nicht allein die Politik am Zug – vielmehr sind wir alle gefordert. Wir alle sind gefordert dafür zu sorgen, dass sich die grausame Geschichte des Nazi-Regimes nicht wiederholt.

    Damit queere Menschen nicht weiterhin Gefahr laufen, Opfer faschistischer Bewegungen zu werden, ist ein differenziertes Wissen über Leid und Unrecht sowie eine angemessene Sichtbarkeit in der Geschichte Nazi-Deutschlands hilfreich. Unwissenheit und Unsichtbarkeit über die Vergangenheit sind ein Nährboden für Vorurteile und Ablehnung – beides hat bereits in den letzten Jahren wieder spürbar zugenommen.

    Menschen ohne Geschichte sind Staub. Durch die Kenntnis über menschliche Schicksale werden Geschichten emotional, die sonst im Wald der Fakten bedeutungslos blieben. Wir Menschen sind zwar rationale Wesen, aber vor allem unsere Empathie-Fähigkeit ist ein wichtiges Mittel gegen den Hass. Wenn Schicksale ein menschliches Antlitz bekommen, wenn wir die Schicksale dieser Menschen in ihren Facetten erfahren, können wir auch leichter verstehen.

    Ohne die bedeutende Arbeit von Dr. Anna Hájková wüssten wir kaum etwas über das Leben queerer Menschen während der Nazi-Diktatur. Mit ihrer umfangreichen und tiefschürfenden Forschung hat sie einzigartiges und wertvolles Wissen erarbeitet. Queere Menschen im Holocaust haben dadurch einen Namen und eine Geschichte erhalten. Es ist mir daher eine große Ehre, dieses Buch von Dr. Anna Hájková mit einem Vorwort einzuleiten. Ich wünsche allen eine berührende und gewinnbringende Lektüre.

    Vorbemerkung der Autorin zur zweiten Auflage

    Es ist ein großes Privileg, dass mein kurzes Buch über queere Holocaustgeschichte in erweiterter zweiter Auflage erscheinen kann. Zuspruch und Ermunterung vieler Kolleg_innen auf der ganzen Welt sind hierfür auch ein Grund. Mein Dank gilt vor allem meinen Freunden und Freundinnen François Guesnet, Benjamin Hett, Martin Winter, Ervin Malakaj, Laurie Marhoefer und Jennifer Evans. Sie sind mir eine Inspiration, großzügig und geduldig zu bleiben und die Dinge zu hinterfragen. »We’re all smart. Distinguish yourself by being kind«, sagt ein englisches akademisches Sprichwort: »Wir sind alle klug. Unterscheide dich, indem du freundlich bist.« Es ist eine Maxime, die wir Akademiker_innen uns öfter zu Herzen nehmen sollten. Mein Lektor bei Wallstein, Florian Welling, war eine große Hilfe, konstruktiv und verständnisvoll, ihm danke ich ihm von Herzen.

    Die erste Auflage von Menschen ohne Geschichte sind Staub hatte noch einen anderen Untertitel und wurde in einem der ersten Lockdowns geschrieben. Anfang Januar 2021 brach in Großbritannien die Alpha-Variante von Covid-19 aus. Für drei Monate war alles geschlossen – für mich gerade auch die so wichtigen Bibliotheken, Schwimmbäder und Cafés. Ich verließ mich auf die Großzügigkeit von Freund_innen, Kolleg_innen und Fremden auf Twitter, die mir Literatur empfahlen, PDFs ihrer eigenen Publikationen teilten oder mir ganze Passagen abfotografierten.

    Das hier nun vorliegende Buch umfasst zwei überarbeitete und erweiterte Fassungen meiner bei Wallstein publizierten Arbeiten. Sie lassen sich beide zusammen als Monografie lesen, aber auch getrennt voneinander. Das namensgebende zweite Kapitel erschien in der Reihe Hirschfeld Lectures der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld im Juni 2021 – zwei Jahre später war es ausverkauft. Für diese zweite Auflage konnte ich wieder jene Arbeit mit wissenschaftlicher Literatur wieder leisten, die mir während der Pandemie nicht möglich war. Die Fußnoten bieten punktuell Einblick in die in diesen Jahren erschienene Forschungsliteratur. Hinzugefügt habe ich zudem ein neues Kapitel, und zwar über den tschechischen Holocaustüberlebenden Jiří Vrba. William Jones’ Forschung inspirierte mich dazu, Aspekte zu sexueller Gewalt in dem Abschnitt zu Nate Leipciger neu zu interpretieren. Der konservative Backlash und Verbote in den Jugendbibliotheken in den USA gaben Anlass, eine neue Passage in dem Abschnitt zu Anne Frank aufzunehmen.

    Meine Freundin Margot Heuman starb im Mai 2022. Sie mochte das Kapitel, das ich über sie schrieb, und bei meinem letzten Besuch Anfang April 2022 bei ihr in Arizona lag das »kleine gelbe Buch« prominent in ihrem Wohnzimmer. Leser_innen der ersten Ausgabe wird vielleicht auffallen, dass Margots Freundin »Emma« nun einen neuen, ihren eigentlichen Namen trägt. Als Margots Nachruf in der New York Times erschien, verwendete die Journalistin den

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