Der Führungshappen
Von Jana Assauer, Mona Schnell, Sandra Echemendia und
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Über dieses E-Book
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Buchvorschau
Der Führungshappen - Jana Assauer
Führungs-Happen
Mehr als 200 Jahre Führungswissen in einem Buch
Jana Assauer
Mona Schnell (Hrsg.)
Inhalt
Vorwort
1. Sandra Echemendia – Interkulturelle Teams führen
!! Die wichtigsten Führungs-»Happen«
Über Sandra Echemendia
2. Bernhard Fanger – Führen im Mittelstand mit engagierten, kreativen und gesunden Mitarbeiter:innen
!! Die wichtigsten Führungs-»Happen«
Über Bernhard Fanger
3. Silke Grotegut – Karriereplanung für Führungskräfte
!! Die wichtigsten Führungs-»Happen«
Über Silke Grotegut
4. Gudrun Happich – Herausforderungen bei Führung im C-Level
!! Die wichtigsten Führungs-»Happen« für C-Levels
Über Gudrun Happich
5. Teresa Hertwig – Hybride Führung in Unternehmen
!! Die wichtigsten Führungs-»Happen« für hybride Führung
Über Teresa Hertwig
6. Birgit Kersten-Regenstein – Führung mit Integrität und Empathie
!! Die wichtigsten Führungs-»Happen«
Über Birgit Kersten-Regenstein
7. Nicole Pathé – Führungskräfte als Relationshipmanager
!! Die wichtigsten Führungs-»Happen«
Über Nicole Pathé
8. Uta Rohrschneider – Individuell und motivorientiert führen
!! Die wichtigsten Führungs-»Happen«
Über Uta Rohrschneider
9. Jörg Roos – Die Kunst, fnanzielle Führung einfach zu gestalten
!! Die wichtigsten Führungs-»Happen«
Über Jörg Roos
10. Uwe Rühl – Führung in Krisenzeiten
!! Die wichtigsten Führungs-»Happen«
Über Uwe Rühl
11. Dr. Cornelia Tanzer – Wirksam führen durch ein breites Verhaltensrepertoire
!! Die wichtigsten Führungs-»Happen«
Über Dr. Cornelia Tanzer
12. Ursula Vranken – Handeln und gestalten: Die neue Rolle für Führungskräfte im Middle Management
!! Die wichtigsten Führungs-»Happen« für Middle Manager
Über Ursula Vranken
13. Paul Weißhaar – Individuelle Führung nach der Chamäleon-Methode
!! Die wichtigsten Führungs-»Happen«
Über Paul Weißhaar
14. Über den Montagshappen Verlag
15. Unsere Bücher
Fuck Up – Geschichten, die in keinem Lebenslauf stehen
Kommunikations-Happen
Die Chamäleon-Methode
Keine Kompromisse
Unfassbar entspannt
Alle externen Links und QR-Codes wurden bis zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Buches geprüft.
Etwaige spätere Änderungen kann der Verlag nicht beeinflussen. Deshalb ist die Haftung des Verlags ausgeschlossen. Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.
ISBN Hardcover 978-3-98640-019-4
ISBN Softcover 978-3-98640-011-8
ISBN e-pub 978-3-98640-012-5
ISBN PDF 978-3-98640-013-2
Text: Jana Assauer, Kürten | https://bildungsbotschaft.de, Mona Schnell, Hamburg | https://monaschnell.de, Petra Folkersma, Wismar | https://www.schreibweise.info/, Petra Walther, Bonn | https://petra-walther-text.de/,
Lektorat: Jana Assauer, Kürten | https://bildungsbotschaft.de, Mona Schnell, Hamburg | https://monaschnell.de, Sarah Adamus, Konstanz | https://sarahadamus.de, Petra Walther, Bonn | https://petra-walther-text.de
Cover, Satz & Layout: Marion Lehmann, Hamburg | https://frau-lehmann.net
Autor:innenfotos: Miri Fenske | Kimberly Jobson | Volker Lau | Marlene Mondorf | Stefanie Päffgen | Birgitta Petershagen | Dorothee Piroelle | Caroline Pitzke | Ines Schäfer
© 2024 Montagshappen Verlag UG (haftungsbeschränkt), Hamburg Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt.
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Vorwort
Führung – Ein Evergreen
Kaum ein Thema begegnet uns in unserer Arbeit als Journalistinnen und PR-Partnerinnen so häufig wie das Thema Führung. Denn Führungskräfte beeinflussen die Art der Zusammenarbeit in Unternehmen, die Gesundheit und somit das Leben ihrer Mitarbeiter:innen. Sie tragen immer mehr Verantwortung für gesamtgesellschaftliche Themen wie Diversität, Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit. Aktuelle Umfragen zeigen, dass dabei fast zwei Drittel der Führungskräfte mit Erschöpfung und Überforderung kämpfen.
Es wäre so schön, wenn es ein Rezept gäbe, nach dem jede Führungskraft und jede:r Selbständige dasselbe Leadership-Süppchen kochen könnte. So einfach ist es leider nicht. Führung bedeutet Komplexität, Eigenverantwortung, Individualität, gewürzt mit einer großen Prise Change und gesteuert von immerwährender Transformation.
Obwohl Führungskräfte häufig vor ganz individuellen Herausforderungen stehen, haben wir Deutschlands Top-Führungsexpert:innen nach ihrem wertvollsten Wissen befragt, von dem jede einzelne von ihnen profitieren kann. Herausgekommen ist ein Sammelband mit hoher gesellschaftlicher Relevanz, der soziale Aspekte ebenso einbezieht wie harte Zahlen, Daten und Fakten.
Dieses Buch gibt Ihnen einen umfangreichen Überblick, egal ob Sie noch am Anfang Ihrer Karriere stehen oder bereits in einer Position im Topmanagement. In guter Montagshappen-Manier betrachten wir Führung aus verschiedenen Perspektiven und schauen genau hin, welche Aspekte erfolgreiche Führung heute prägen.
Unsere Expert:innen teilen ihre mitunter jahrzehntelange Erfahrung, die sie in Führungspositionen und bei der Arbeit mit Führungskräften gesammelt haben. Sie erzählen aus der Praxis, geben ihr wichtigstes Wissen zum Besten und liefern tiefe Einblicke in ihren jeweiligen Bereich. Ihre Sicht basiert auf mehr als 200 Jahren Erfahrung. So viele geballte Kenntnisse werden Sie so schnell nirgendwo sonst finden.
Wir sind sehr stolz auf dieses Leitwerk zum Thema Führung, bedanken uns bei allen Beteiligten und wünschen viel Freude beim Lesen und Lernen.
Ihre Herausgeberinnen
Jana Assauer & Mona Schnell
1
Sandra Echemendia – Interkulturelle Teams führen
»Kontrolle ist eine Illusion. Kontrolle suggeriert nur eine scheinbare Sicherheit, die es nicht gibt.«
Serial Entrepreneur Sandra Echemendia weiß um die Bedeutung von gemeinsamen Werten für den Erfolg von Unternehmen. Nach Konzern-Stationen wie beispielsweise der Autostadt in Wolfsburg arbeitet sie inzwischen als Business Consultant und leitet die internationale Soul2Soul Business Community von ihrer Wahlheimat Bali aus.
Frau Echemendia, Sie haben von ihrer Basis in Indonesien aus gerade eine internationale Entrepreneur Community gegründet. So eine Gemeinschaft ist ja ein interkulturelles Team. Welche Herausforderungen ergeben sich bei der Führung solcher interkulturellen Teams?
Das stimmt. Es gibt jedoch einen Unterschied. Die Soul2Soul Community, über die Sie sprechen, hat eine gemeinsame Vision: Alle sind Entrepreneure und wollen international wirklichen Impact erzeugen. Natürlich geht es ums Verkaufen: darum, in dem, was jede:r einzelne tut, erfolgreich zu sein. Es geht aber auch um gemeinsame Werte und darum, anderen Menschen etwas zu geben, was sie weiterbringt. Im Grunde sind wir eine internationale Mastermind auf hohem Level, in der sich jede:r gegenseitig unterstützt und in der wir voneinander profitieren.
Wo ich gerade darüber spreche, hat das tatsächlich auch viel mit der Idealvorstellung von interkulturellen Teams zu tun. Aus der Praxis weiß ich aber, dass es häufig leider nicht so optimal abläuft. Meine Erfahrung zeigt, dass die Führung interkultureller Teams starke Nerven braucht. Während meiner Zeit in einem Konzern hatte ich zum Beispiel ein zehnköpfiges Team, in dem acht verschiedene Nationalitäten vertreten waren. Das war unglaublich faszinierend, brachte aber auch täglich neue Herausforderungen mit sich. Die Kommunikation untereinander gestaltete sich oft schwierig, was zu Konflikten führte. Manchmal gab es richtige Reibereien, weil sich die Teammitglieder nicht richtig verstanden.
Um solche Teams erfolgreich zu führen, braucht es Belastbarkeit, Nervenstärke, außergewöhnliche Kommunikationsfähigkeiten, Offenheit dafür, auch einmal die Perspektive zu wechseln, Teamfähigkeit und Souveränität im Umgang mit Konflikten. Und diese Fähigkeiten sollten bestenfalls alle Teammitglieder mitbringen, damit die Zusammenarbeit gelingt. In meinem Beispiel hat es nach einiger Zeit tatsächlich geklappt. Dann kannten sich die Teammitglieder sehr gut und der Umgang mit Konflikten hat sich verbessert. Wenn jemand seinen Standpunkt äußerte, schafften die anderen es, angemessen darauf zu reagieren. Meinungsverschiedenheiten wurden akzeptiert.
Mein Fazit aus dieser und anderen wirklich interessanten Erfahrungen: Es ist möglich, interkulturelle Teams zu führen, aber es erfordert mehr Arbeit, als man zunächst denkt. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Annahme »Wie ich bin, so ist der andere« oft nicht zutrifft. Das gilt übrigens für alle Teams, auch ohne interkulturellen Background. Ich erinnere mich an eine Situation, in der zwei Mitarbeiter zwei Jahre lang nicht miteinander sprachen und sich sogar weigerten, im selben Raum zu arbeiten. Ein unhaltbarer Zustand. Also habe ich mich mit ihnen zusammengesetzt und ließ sie miteinander reden. Dabei stellte sich heraus, dass sie nie wirklich im Streit lagen. Es gab lediglich Missverständnisse über gegenseitige Erwartungen, die aber nie adressiert wurden. Nachdem sie offen darüber gesprochen hatten, konnten sie sogar darüber lachen. Jetzt arbeiten sie wieder im selben Raum und reden miteinander. Es hat nur eine halbe Stunde gedauert, um das Problem zu lösen.
Als Führungskraft darf ich nicht einfach akzeptieren, dass Konflikte ungelöst bleiben. Vielmehr sollte ich kontinuierlich kommunizieren, bei Bedarf externe Unterstützung hinzuziehen und Mediation anregen. Die Fähigkeit zum Perspektivwechsel hatte ich bereits erwähnt. Diese Fertigkeit braucht jede:r im Team. Ist sie nicht vorhanden, muss sie gefördert werden. Trotzdem fühlt sich die Arbeit mit interkulturellen Teams manchmal an, als würde man einen Sack Flöhe jonglieren.
Ähnliches erlebe ich hier in Indonesien. Es geht um unterschiedliche Gewohnheiten und Kulturen, in denen z. B. Pünktlichkeit anders bewertet wird. Dann gilt es, Kompromisse zu finden, die für alle akzeptabel sind, so dass sich niemand respektlos behandelt fühlt. Auch hier braucht es intensive Kommunikation und klare Strukturen. Damit bin ich beim Thema Selbstreflexion. Man muss sich fragen, was einem aufgrund der kulturellen Prägung wichtig ist und die Fähigkeit haben, sich in andere hineinzuversetzen. Das hängt alles zusammen.
Selbstreflexion ist ein schönes Stichwort. Das gehört doch inzwischen zu den Must-haves von Führungskräften, oder nicht? Welche weiteren Fähigkeiten sind Ihrer Meinung nach erforderlich?
Absolut, in den letzten zwanzig Jahren habe ich gelernt, welche Bedeutung besonders die Fähigkeit zur Selbstreflexion hat. Dazu gehört übrigens auch das Wissen, wann ich den Spiegel von anderen brauche. In den meisten Fällen werden Ihre Mitarbeitenden Sie nicht von sich aus spiegeln – gerade wenn auch noch kulturelle Unterschiede hinzukommen. Hier in Indonesien reden die Menschen gern um den heißen Brei herum und kommen nicht so richtig zum Punkt. Im Privaten mag das funktionieren, da kann man auch einfach mal Loslassen. Im Business gilt es jedoch zu jonglieren und einen gemeinsamen Nenner zu finden.
Aber auch in Teams aus demselben Kulturkreis gibt es an dieser Stelle Probleme. Denn sobald ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, bekommen wir selten eine unverfälschte Meinung – unabhängig von der Position. Deshalb braucht eine Führungskraft eine so ausgeprägte Fähigkeit zur Selbstreflexion. Falls ich das heute noch nicht kann, muss ich das lernen oder trainieren.
Unabhängig davon halte ich Empathie für eine sehr wichtige Persönlichkeitseigenschaft. Sie muss nicht übermäßig ausgeprägt sein, aber jede:r braucht die Fähigkeit sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Führung hat sehr viel mit Empfindungen zu tun. Es geht darum, ein Gespür für andere Menschen, für Dynamiken, Stimmungen und Teams zu entwickeln. Denn der Führungsalltag besteht nicht selten aus Zuhören und Sprechen. Dafür braucht es notwendigerweise auch das aufrichtige Interesse an den Menschen. Wer nicht gerne mit anderen zusammenarbeitet und sich nicht in sie hineinversetzen kann, sollte auf keinen Fall eine Führungsposition anstreben.
Ich möchte an dieser Stelle den Unterschied zwischen einer Fachkraft und einer Führungskraft betonen. Früher führte der Weg auf der Karriereleiter ausschließlich über die Führungsschiene. Inzwischen haben viele erkannt, dass nicht jede:r für die Führungsrolle geboren ist. Und Fachkompetenz bedeutet nicht gleichzeitig Führungskompetenz. Ich habe in meinen Consultings viele Führungskräfte kennengelernt, die lieber ihren Job weiterhin fachlich gut machen würden. Sie hatten aber oft keine Wahl. Zum Glück hat dieses Modell langsam ausgedient und die Erkenntnis, dass Spezialisten genauso wertvoll sind wie Führungskräfte, setzt sich immer weiter durch.
Führungskräfte sollten sich auf Menschen konzentrieren, um die Ziele des Unternehmens mit denen des Teams in Einklang zu bringen. Das bedeutet, die Richtung vorzugeben, eine Meinung zu haben. Führungskräfte sollten Stabilität und Beständigkeit ausstrahlen, ebenso wie Standhaftigkeit und Ehrlichkeit. Sie brauchen Rückgrat und Selbstreflexion, um offen zuzugeben, wenn die Dinge einmal nicht gut laufen. Sie müssen aber selbst keine Fachkräfte sein, dafür haben sie Spezialisten, die ihnen zur Seite stehen. Beides ist wichtig, gleichwertig und ermöglicht die berufliche Weiterentwicklung.
Das soll übrigens nicht heißen, dass eine Führungskraft ihr Fachgebiet nicht kennen muss. Ich persönlich bin ein Anhänger des Prinzips »Leading by example«. Ich habe die Aufgaben, die meine Mitarbeiter:innen übernehmen sollen, immer zuerst selbst erledigt. Das klappt aber nicht immer.
Wenn ich zum Beispiel als Projektleiterin ein Team von zehn Spezialisten führe, die alle auf unterschiedliche Bereiche spezialisiert sind, dann kann ich nicht alle Aufgaben übernehmen, und das ist auch gut so. Sie dürfen in ihrem jeweiligen Spezialgebiet besser sein als ich.
Es ist nicht meine Aufgabe, ihre Arbeit zu machen, sondern ihre Arbeit zu leiten und sie dabei zu unterstützen, ihre Arbeit so gut wie möglich zu machen.
Wenn ich mich als Führungskraft aber nicht überall auskenne, bedeutet das nicht gleichzeitig einen Kontrollverlust?
Ich halte Kontrolle für eine Illusion. Kontrolle suggeriert nur eine scheinbare Sicherheit, die es in der heutigen Zeit einfach nicht gibt. Wer das nicht erkennt, hat wahrscheinlich schon andere grundlegende Probleme. Oft sind es die Menschen, die sich wundern, dass nichts mehr so funktioniert wie früher, obwohl alles immer noch genauso gemacht wird. Die Realität ist, dass es Kontrolle nicht gibt. Am besten ersetzen wir sie durch Vertrauen. Das heißt aber nicht, dass ich Dinge nicht nachhalten muss.
Wenn ich Rahmenbedingungen klar kommuniziere, kann ich meinen Mitarbeitenden vertrauen. Vor allem, wenn ich sie gut einarbeite, ihnen das nötige Wissen vermittle und klar sage, was ich erwarte. Auf diese Weise kann ich darauf vertrauen, dass sie ihren Aufgabenbereich angemessen erfüllen. Dann kann ich mich an den Ergebnissen messen lassen. In Bereichen wie der Produktion gibt es sicherlich andere Anforderungen, die auch einmal eine Vier-Augen-Kontrolle erfordern. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich dem Mitarbeiter misstraue oder dass er seine Arbeit nicht richtig macht, sondern das sind Vorschriften. Im medizinischen Bereich, um ein anderes Beispiel zu nennen, sind andere Kontrollen relevant.
Wenn es um Menschen geht, muss ich als Führungskraft loslassen können. Ich kann nicht ständig hinter meinen Mitarbeitenden her sein und sie überprüfen, aus Angst, dass sie ihre Arbeit nicht richtig machen oder aus generellem Misstrauen. Bei mir bekommen alle von Anfang an ein gewisses Grundvertrauen. Das ist mir wichtig und das erwarte ich auch, wenn mich jemand kennenlernt. Trotzdem delegiere ich Aufgaben und fasse nach – zum Wohle der Mitarbeitenden, aber auch für das Unternehmen. Als Führungskraft muss ich sicherstellen, dass Aufgaben erledigt werden und andere darauf bauen können.
Und damit sind wir wieder beim Menschenbild. Wenn ich Menschen grundsätzlich skeptisch gegenüberstehe und ihnen nicht traue, dann muss ich mich wirklich fragen, ob ich der oder die Richtige für eine Führungsposition bin. Das meine ich nicht böse oder vorwurfsvoll. Aber Führung kann auf Vertrauen nicht verzichten.
Wie sieht denn heutzutage ein idealer Chef oder eine ideale Chefin aus?
Ich glaube nicht an eine allgemeingültige Vorstellung von einer idealen Führungskraft. Wer zu welchem Unternehmen und zu welchem Team passt, hängt stark von der Kultur ab und wie gut meine eigenen Werte und meine Persönlichkeit mit meinen Fähigkeiten und Talenten in Einklang damit stehen. Die Beziehung muss wechselseitig funktionieren. Als Führungskraft frage ich mich: »Passt meine Individualität zum Unternehmen und umgekehrt.« Geht das zusammen, hat man bereits einen großen Schritt getan.
Für mich persönlich steht besonders die Selbstverantwortung im Fokus. Ich frage mich immer, ob ich am richtigen Ort bin, ob ich mich dort wohl fühle und ob meine Position meinen Vorstellungen von Arbeit und Selbstverwirklichung entspricht. Ich halte es nicht für sinnvoll, ein Idealbild zu formen und dem zu entsprechen. Denn das existiert nicht. Wenn wir glauben, es gäbe den idealen Chef oder die ideale Chefin, jagen wir einer Illusion hinterher.
Welche Faktoren betrachten Sie als Hygienefaktoren in der Führung? Welche halten Sie für besonders wichtig?
Arbeitszeit und Arbeitsmittel spielen die größte Rolle. Ich bin immer wieder überrascht, wie oft es Engpässe bei so grundlegenden Dingen wie einer guten und effizienten Arbeitsausstattung zu bemängeln gibt. Besonders in deutschen Unternehmen erlebe ich, dass ein vernünftiger PC und ein stabiles W-LAN, Grundvoraussetzungen für effizientes Arbeiten, nicht gegeben sind. Auch im internationalen Kontext spielt Schnelligkeit eine große Rolle. Es muss geklärt sein, dass alle die notwendigen Zugänge haben und stets über die richtigen und aktuellen Informationen verfügen. Nur so kann ich als Führungskraft gewährleisten, dass mein Team stets und rechtzeitig benötigte Informationen bekommt. Es kostet unglaublich viel Zeit und Mühe, wenn jemand den ganzen Tag mit verschiedenen Abteilungen, eventuell auf verschiedenen Kontinenten, telefonieren muss, um Freigaben oder Berechtigungen zu erhalten. Auch weitere Rahmenbedingungen wie die Anzahl von Meetings und deren Effektivität spielen eine Rolle. Oft geraten Menschen mit Projekten ins Hintertreffen, weil die Zeit fehlt, die eigentliche Arbeit zu erledigen und sie mit unnötigen Tätigkeiten beschäftigt sind: Funktionieren die Telefone und digitalen Geräte einwandfrei oder müssen sie ständig hin und her geschaltet werden? Haben sie alles zur Hand, was sie brauchen, um ihre Arbeit gut zu machen, sei es ein einfaches Werkzeug oder Sicherheitsausrüstung? Es fängt bei Kleinigkeiten an und hört bei den Grundvoraussetzungen auf: Haben Mitarbeitende das Gefühl, dass sie ohne Angst nach Hause gehen und sich krankmelden können, wenn nötig? Das Vertrauen, dass ich mich im Krankheitsfall auskurieren kann, spielt eine große Rolle. Gibt es einen Backup oder verfolgt mich das Gefühl, dass alles zusammenbricht, wenn ich einmal Urlaub mache. Gibt es die Möglichkeit für ausreichend Pausen und stehen dafür Räume zur Verfügung. Selbst, dass jemand, der im Verkauf arbeitet, mal eben etwas trinken kann zwischendurch, kann einen Unterschied machen.
Ich hätte ehrlichweise erwartet, dass all das selbstverständlich ist. Sind solche Faktoren heutzutage wirklich noch ein Thema?
Sie würden sich wundern, in wie vielen Firmen es keine Möglichkeit gibt, sich etwas zu Essen zu kochen oder bezahlbar und vor allem auch nahrhaft in der Kantine zu essen. Viele Unternehmen haben zum Beispiel günstige Baumöglichkeiten außerhalb von Städten mit guter Nahverkehrsanbindung genutzt und die Mitarbeitenden sind auf das Auto angewiesen oder müssen sehr lange Fahrtwege mit Bus und Bahn in Kauf nehmen. Auch starre Arbeitszeiten stehen einem komfortablen Arbeitsweg häufig entgegen. Klingt banal. Es macht zum Beispiel für Pendler einen großen Unterschied, ob sie morgens eine Stunde zu früh vor der Tür stehen, weil sie 15 Minuten zu spät wären, wenn sie eine spätere Bahn nehmen würden. Auch die Möglichkeit wenigstens ein paar Tage in der Woche von zuhause oder an einem anderen Ort zu arbeiten, kann einen Unterschied machen.
Stellen Sie sich vor, Sie fangen als Berufseinsteiger:in irgendwo