Die Wahrheit zwischen den Farben
Von Laura Nieland
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Über dieses E-Book
Seine Kunst weckt Bewunderung, aber auch Neid und Misstrauen. Als er mit seinem Schaffen die falschen Leute erzürnt, droht ihm die Inquisition. Wenn er das Geheimnis weiterhin hütet, muss er einen hohen Preis dafür zahlen. Doch seine Fähigkeiten zu offenbaren, birgt auch ein Risiko …
Die Wahrheit zwischen den Farben ist ein packender Roman über die Macht der Kunst, die Grenzen des Sehens und die Suche nach dem eigenen Platz in der Welt.
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Buchvorschau
Die Wahrheit zwischen den Farben - Laura Nieland
Die Wahrheit zwischen den Farben
Laura Nieland
Copyright © 2024 Litur Verlag
Covergestaltung von Nadine Dela
Coverabbildung von ezstudiophoto, Feoktistova / Adobe Stock
Lektorat: Marie Döling – www.writeinpieces.jimdofree.com
Korrektorat: Marie Döling – @write_in_pieces
ISBN E-Book 9783000787157
www.litur.de
Inhaltsverzeichnis
Die Wahrheit zwischen den Farben
Danksagung
Die Wahrheit zwischen den Farben
Kutschen donnerten über Paris' Asphalt, sodass der Staub wie Nebelschwaden über den Straßen waberte. Es war ein Tag im Sommer, der jedem anderen glich, und doch schien er besonders. Kein Wölkchen wagte es, die Perfektion des azurblauen Himmels zu stören. Über der Île de la Cité erhob sich Notre Dame wie eine Königin auf ihrem Thron, umringt von Bäumen, deren üppiges Grün ihrer grauen Fassade huldigte, während auf der Pont Neuf geschäftiges Treiben herrschte. Die Damen trugen ihre Kleider spazieren. Ihre Frisuren türmten sich auf ihren Köpfen wie Kunstwerke, gemeißelt aus Porzellan. Mit ihren Fächern wedelten sie sich eine Brise ins Gesicht, die sie an diesem heißen Tag gebrauchen konnten, bevor sie durch die Schnürung ihrer Kleider in Ohnmacht fielen.
Die Luft war geschwängert vom Hufschlag der Pferde, dem Knarren der Kutschen und den Gesprächen der Herrschaften. Unter ihnen, unter der Brücke, die wie eine Burgmauer über der Seine schwebte, verlief ein Weg am Quai de Conti. Dort spürte man nichts von dem Treiben über ihnen.
Boote ankerten am Steg, der unter dem Quai verlief, trieben träge in der Sonne und wurden von den Wellen des Flusses geschaukelt. Verliebte Pärchen schlenderten mit Blick auf die Île de la Cité, kicherten, während die leicht nach Fisch stinkende Luft besser roch als je zuvor.
Dort an der Seine, unter dem duftenden Blauregen, der die Wand zum Quai de Conti hinaufkletterte, saß ein Maler. Wie jeden Tag. Vom ersten Sonnenstrahl, der sich im Wasser spiegelte, bis zum letzten, der die Stadt mit rotgoldener Farbe übergoss. Stundenlang verharrte er, malte voller Leidenschaft mit einem steten Lächeln im Gesicht.
Trotz seiner Blindheit, erfreute er sich einer großen Beliebtheit bei Touristen und Herrschaften, die so manches Mal Porträts von sich anfertigen ließen. Nach getaner Arbeit bestaunten sie das Werk voller Entzücken, unterhielten sich noch einige Minuten mit dem Künstler und gaben ihm anschließend einige Centimes. Manchmal ließen gut betuchte Herrschaften auch mehrere Franc in die Mütze fallen.
Der Mann freute sich über jedes Klingeln, viel mehr aber noch über die Menschen, die mit ihm sprachen und seine Arbeit bewunderten. Was ihn jedoch gänzlich entzückte, war das Gefühl, wenn die Leute seine Malerei verstanden.
Für ihn war es eine Leidenschaft, Kunst zu erschaffen. Es erfüllte ihn. Gleichermaßen verlangte die Kunst nach ihm wie ein Säugling nach der Brust der Mutter. Doch das Schwere daran war das Missverständnis der Menschen und die immergleiche Frage, die ihn begleitete: Waren seine Bilder etwas wert, wenn die Menschen nicht verstanden, was er versuchte, ihnen zu sagen?
Viel zu oft hatte er gehört, wie der Maronen-Verkäufer sich darüber brüskiert hatte, dass ein Blinder nicht malen könne, besonders keine Porträts. Er nannte ihn einen Betrüger, Stümper und an ganz schlimmen Tagen sogar einen Wahnsinnigen.
Zwar war der Maler, der den ehrenwerten Namen Manuel Epiphane trug, blind, aber nicht unfähig, zu sehen. Und schon gar nicht war er taub. Er lauschte dem Flüstern des Windes und den Vögeln, die ihm regelmäßig einen Besuch abstatteten.
»Mein lieber Herr«, erklang eine Frauenstimme. »Ich habe nicht viel Geld, aber … würden Sie ein Porträt von mir anfertigen?«
Manuel blickte auf, der silberne Schein seiner Augen reflektierte das Sonnenlicht, während ein Lächeln auf seine Lippen trat. »Bitte.« Er deutete auf den Schemel vor ihm. »Wenn Sie kein Geld haben, müssen Sie mir keines geben. Kunst sollte auch für die sein, die es sich nicht leisten können.«
Zögerlich lächelte die Frau, nicht sicher, ob sie dieser Bitte Folge leisten sollte. Ihr graues Kleid, das sicherlich einst weiß gewesen war, war übersät von Flicken verschiedener Farben und Stoffe, die sie irgendwie hatte aufbringen können. Geld für ein neues Kleid war nie ausreichend gewesen. Sobald sie sich auf dem wackeligen Hocker niederließ, legte sie ihre Hände in den Schoß.
»Wie heißen Sie, meine Liebe?«, fragte Manuel, während er nach seinen Farben tastete. Vor die Schälchen geritzte Zeichen halfen ihm, sich zu orientieren.
Die Frau beobachtete ihn gebannt bei der Auswahl seiner Farben, noch immer irritiert, aber auch neugierig. »Sophie Madeleine«, sagte sie mit einem Klang in der Stimme, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen.
Manuel, der im Laufe seiner Kindheit blind geworden war, wusste sehr wohl, wie Menschen aussahen. Wie