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Every Body Yoga: Yoga für alle
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eBook354 Seiten2 Stunden

Every Body Yoga: Yoga für alle

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Über dieses E-Book

Empowerment auf der Matte

Yoga ist in der westlichen Welt zu einer Sportübung für schlanke, trainierte, weiße Menschen geworden – eine Vermarktungsindustrie, bei der es irrelevant erscheint, was die richtige Yoga-Praxis mit Geist und Wohlbefinden macht, wenn dabei eine Yoga-Pants von der richtigen Marke getragen wird. Unsere Körper müssen dementsprechend schön und optimiert sein. So wird die Yoga-Klasse im örtlichen Studio gerade für Anfänger*innen oft zu einem frustrierenden Erlebnis – denn auch hier scheint es unmöglich, mitzuhalten: zu unbeweglich, zu dick, zu anstrengend und nicht richtig ausgestattet.Jessamyn Stanley ist aufgebrochen, um das zu ändern. Sie macht uns wieder klar, worum es beim Yoga eigentlich geht: zu sich selbst finden, Akzeptanz lernen, Ängste und Sorgen loslassen, zufrieden sein und den Moment so annehmen, wie er ist. Und vor allem: Yoga soll uns helfen – nicht alles noch schlimmer machen.
More than Yoga – eine Reise zu den Wurzeln
Die Autorin nimmt uns mit in das moderne Amerika, in dem Segregation immer noch präsent ist, Haut- und Haarfarben eine Rolle spielen, Körper bewertet werden und Nacktheit ein Tabu ist. Frau sein, fett sein, laut sein, Schwarz sein – ein längst noch nicht fertig gefochtener Kampf. Um den selbstsicher antreten zu können, braucht es geistige Stärke und Selbstbewusstsein – dafür holt Stanley uns auf die Matte. Jessamyn Stanleys kraftvolle Arbeit gegen Fettfeindlichkeit, ihre unausweichliche Dekonstruktion von Körpermythen und nicht zuletzt ihre direkte, witzige und scharfsinnige Sprache sorgen weltweit für Aufsehen. Nun liegt endlich die Übersetzung ihres ersten Yoga-Buchs ins Deutsche vor. Empowerment pur!
How to … für Einsteiger*innen und Fulltime-Yogi*nis
Du kommst nicht mit den Fingerspitzen an die Zehen? Du verlierst das Gleichgewicht bei schwierigen Übungen? Kein Problem! Die Autorin liefert einfache Anleitungen, zeigt Alternativen und gibt ungewöhnliche Tipps für deine ganz individuelle Yoga-Praxis. Dieses Buch liefert Inspiration für Anfänger*innen, neuen Input für Fortgeschrittene und einen Weckruf, um patriarchale Schönheitsnormen über Bord zu werfen. Mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen, 50 Posen und 10 Übungssequenzen für zu Hause.

- Egal, wo du startest – go for it! Jessamyn Stanley reißt alle Grenzen nieder – körperlich und emotional. Beim Yoga geht es um Akzeptanz und das Bewusstsein für dich selbst und deinen Körper. Die Autorin zeigt uns als Schwarze, fette, queere Femme, wie man Stereotypen aufbricht, Idealbilder getrost über Bord wirft und dabei immer auf der Matte bleibt.
- Asana for every Body: Jede Anleitung ist begleitet von zahlreichen Tipps und ungewöhnlichen Alternativen – die dabei helfen, sich den Bewegungen langsam anzunähern, egal welche körperliche Voraussetzung man mitbringt.
- Diversität feiern, Körperlichkeit neu denken: Stanleys Geschichte in Kombination mit den praktischen Anleitungen ist ein starker Beitrag zum Diskurs um Diversity und Body Positivity – und darüber hinaus gibt dieses Buch seinen Leser*innen ein Werkzeug in die Hand, um mit anhaltenden Krisen und Belastungen besser zurechtzukommen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum3. Apr. 2023
ISBN9783706629287
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    Buchvorschau

    Every Body Yoga - Jessamyn Stanley

    Illustration

    „HEY, JESSAMYN, WIE KANN ICH ANFANGEN YOGA ZU MACHEN?"

    Yoga hat mir eine Methode an die Hand gegeben, um den Wahnsinn des Lebens zu akzeptieren.

    Lass es mich so sagen: Hätte ich in den letzten fünf Jahren jedes Mal einen Cent bekommen, wenn jemand diese Frage in meiner Hör-, Lese-, Atemreichweite stellte, dann würde ich mittlerweile abkassieren wie ein Bill Gates. Sobald du dem Internet deinen fetten Arsch in einer Yogahaltung zeigst, wollen scheinbar alle wissen, wie zum Teufel du das geschafft hast.

    Normalerweise stellen mir Leute diese Frage in Situationen, in denen ich keinesfalls eine angemessene Antwort geben könnte, zum Beispiel, wenn ich bei einer Cocktailparty der Freundin einer Freundin darauf warte, dass mein Date aus dem Badezimmer zurückkommt, oder im Supermarkt, nachdem ich den ganzen Tag in der Schlange bei der KFZZulassungsstelle verbracht habe. Und auch wenn ich in einen ganz lockeren und hilfreichen Dialog treten möchte, der in etwa so beginnt: „OH MEIN GOTT, DANKE FÜR DIE FRAGE! NATÜRLICH kann ich dir ABSOLUT in 30 oder weniger Wörtern jede einzelne Information geben, die du brauchst, um mit deiner Yogapraxis zu starten, bin ich nicht wirklich locker und bewahre dabei auch nicht wirklich ein Pokerface. Meine ehrliche Antwort ist einfach zu umfangreich und langatmig für eine angemessene Zusammenfassung, während ich in der alptraumhaften Schlange der KFZ-Zulassungsstelle anstehe, und ich bin normalerweise zu überwältigt, um eine geeignete stichwortartige Antwort zu geben. Daher bin ich mir sicher, dass mein Gesichtsausdruck verrät, was ich denke, nämlich: „WIE ZUR HÖLLE DENKST DU, DASS ICH DIESE FRAGE GERADE JETZT UND HIER, MITTEN IM BIOLADEN, TATSÄCHLICH ANGEMESSEN BEANTWORTEN KÖNNTE?? Die fragende Person weicht dann normalerweise langsam zurück und lässt mich mit der Grimasse eines Trolls stehen, während das Kassenpersonal des Bioladens versucht so zu tun, als seien sie nicht Zeug*innen der peinlichsten menschlichen Interaktion der Welt geworden.

    Wenn du und ich diese Interaktion hatten, entschuldige ich mich. Ich weiß, dass du nur versucht hast, Klarheit über ein Thema zu erhalten, zu dem viele Menschen scheinbar Fragen haben. Das ist wahrscheinlich der Grund, aus dem du (ja, DU, die Person, die diese Worte gerade liest) beschlossen hast, dieses Buch durchzublättern, während du dich in der hintersten Ecke der Buchhandlung vor deinem Tinder-Date versteckst. Oder vielleicht hast du ein Bild von mir auf Instagram gesehen, auf dem ich meinen Körper kopfüber verdrehe oder meine Wirbelsäule auf eine Art verbiege, die so wirkt, als sollte ich definitiv einen Exorzismus durchführen lassen, und dann dachtest du dir: „VERDAMMT, WENN DIESE FAT BITCH DAS KANN, WETTE ICH, DASS ICH DAS AUCH KANN!"

    Vielleicht hast du in der Vergangenheit schon einmal Yoga ausprobiert und es hat sich als absolut erbärmliche Erfahrung erwiesen. Vielleicht hast du dann den Glauben an das Potenzial deiner eigenen Yogapraxis komplett aufgegeben. Vielleicht fandest du es langweilig oder einfach VIEL schwieriger, als du es erwartet hattest. Vielleicht denkst du, dass du und ich einige Gemeinsamkeiten teilen, die du bei anderen Yogalehrer*innen bisher nie feststellen konntest. Denn der springende Punkt, den du von meinem Foto – von einem fetten Girl, das Yoga in seiner Unterwäsche macht – mitnimmst, ist, dass das nicht so schwer sein kann. Also kannst ja vielleicht auch du das, was ich kann. Ich meine, es wird wahrscheinlich ein bisschen Anstrengung und Schweiß kosten, aber du wirst in kürzester Zeit einen Kopfstand und tiefe Rückwärtsbeugen machen können, richtig?

    Ähm, ja … Ich denke, damit hast du absolut recht. Ich denke, wenn du Probleme mit deinem Körper hast oder wenn Scheißgedanken über deinen Körper, seine Form, seine Größe oder Kondition in deinem Kopf wüten, und besonders wenn diese Scheiße in deinem Kopf Yoga betrifft, dann kannst du definitiv viel aus meiner Erfahrung lernen. Denn du hast vollkommen recht: Ich bin fett. Ich bin nicht die Person, die man sich typischerweise als Yogalehrerin oder -praktizierende vorstellen würde. Nicht mal hinter der Rezeption im Yogastudio. Ich weiß, wie es sich anfühlt, eine Außenseiterin zu sein. Ich weiß, wie es sich anfühlt, in einer Umgebung, die eigentlich dafür gedacht ist, Ruhe und Gelassenheit zu unterstützen, stattdessen entmutigt und ausgeschlossen zu werden.

    Die Wahrheit ist, dass du nur einen Kurs in deinem örtlichen Yogastudio besuchen musst, um zu bemerken, dass die moderne westliche Yogawelt sehr vielfältig ist und ihre Praktizierenden in allen Hauttönen, Formen und Größen des fleischfarbenen Regenbogens vorkommen. Aber wenn du nur auf das mediale Verständnis von Yogapraktizierenden achtest, das das stereotype Ideal einer ärztlich anerkannten, westlichen Gesundheit widerspiegelt: schlank, groß und jung, ist es leicht zu sehen, warum du dich ein wenig entfremdet und verloren fühlen könntest.

    2. Das großgeschriebene „S" wird bewusst gesetzt, um eine sozio-politische Positionierung in einer mehrheitlich weiß dominierten Gesellschaftsordnung zu markieren, und gilt als Symbol einer emanzipatorischen Widerständigkeitspraxis von Schwarzen Menschen. (Vgl. https://diversity-artsculture.berlin/woerterbuch/schwarz)

    Dies mag eine enttäuschende Feststellung sein, aber ich war einmal genauso entfremdet und verloren, wie du dich gerade fühlst. Als ich Yoga für mich entdeckte, war ich vollständig unter den Sorgen meines Lebens begraben. Ich war emotional verletzt – Liebe, Verlust und das Leben hatten mein Herz zerschlagen und komplexe Mauern um den Kern meiner Seele errichtet – und ich war, bereits seitdem ich die Gebärmutter verlassen hatte, in den Problemen rund um meinen Körper gefangen.

    Ich bin in einer Vorstadt in den Südstaaten mit einer mehrheitlich weißen Bevölkerung aufgewachsen – und ich war der Inbegriff einer großen, Schwarzen² und schönen afrikanischen Königin, gefangen in einem Meer von dünnlippigen, blasshäutigen Meeresnymphen. Ich fand es fast unmöglich, mich mit meiner afroamerikanischen natürlichen Schönheit zu versöhnen, während mich die eindimensionalen (und sehr, sehr weißen) Darstellungen von Schönheit umgaben. Als meine Pubertät begann, sehnte ich mich die ganze Zeit nach Bestätigung für meine Schönheit, und im Laufe der Zeit entwickelte ich eine Abscheu gegen mein natürlich dickes und krauses Haar. Obwohl ich immer die Dickste, die Langsamste und die Unsportlichste war, vergötterte ich die klischeehafte Schönheit von Cheerleaderinnen. Trotz meines völligen Mangels an natürlicher Flexibilität und Balance versuchte ich dem Cheerleading-Team meiner Middle School beizutreten. Ein paar Jahre später war ich davon besessen, Gewicht zu verlieren. Seinen eigenen Körper ununterbrochen zu hassen? Ja genau, das ist gar kein guter Look! Und ich glaube, es ist nicht übertrieben zu sagen, dass mein Selbsthass aus der Kindheit einige sehr üble emotionale Wunden in Erwachsenengröße hervorgebracht hat. Rückblickend scheinen all diese Erfahrungen direkt auf eine Notwendigkeit für irgendeine Art von Yoga hinzudeuten. Und zwar nicht als eine sportliche Routine, sondern als eine Möglichkeit, um mich nicht mehr wie meine eigene schlimmste Feindin zu verhalten.

    Und es hat funktioniert. Größtenteils. Natürlich hat Yoga mein Selbsturteil nicht auf magische Art und Weise vollkommen gesund, intakt, solide, vernünftig und zuverlässig gemacht. Aber es hat mir eine Methode an die Hand gegeben, um den Wahnsinn des Lebens zu akzeptieren. Meine Yogapraxis hilft mir, die überwältigende, allumfassende Absurdität des Alltags zu überwinden. Sie erlaubt mir, aus meinen alltäglichen Ängsten, endlosen Obsessionen und meiner sinnlosen Wut herauszutreten. Ich weiß nicht, wie es dir ergeht, aber ich habe dieses Gefühl noch nie von anderen körperlichen Übungen oder sportlichen Aktivitäten bekommen. Und das liegt daran, dass Yoga NICHT nur ein reiner Sport ist, sondern ein Lebensweg. Und wenn du es zulässt, wird der yogische Weg jeden Moment deines Lebens umhüllen – jeden Atemzug, jede Interaktion, jeden Blick und jeden Gedanken.

    Wenn westliche Menschen über „Yoga sprechen, dann meinen sie damit fast ausnahmslos „Asana³, auch bekannt als extravagante, gymnastische Körperhaltungen, die irgendjemand in deiner Gegend wahrscheinlich genau in diesem Moment unterrichtet. Asana ist jedoch nur ein Glied eines achtgliedrigen Pfades, und wahre Yogapraktizierende richten ihr Leben danach aus, alle acht Glieder zu verwirklichen, nicht nur die Asana.

    Der achtgliedrige Pfad des Yoga kann Antworten auf die Fragen geben, die uns unser ganzes Leben lang verfolgen. Nicht oberflächliche Fragen wie „Bin ich fett?, „Bin ich hübsch? oder „Werde ich diesen Job bekommen?". Ich rede von den ECHTEN Fragen, den tieferen Fragen, jenen, die sich während unserer Kindheit in unsere Psyche eingraben, den Fragen, die während der Jugend in uns gären und im Erwachsenenalter aufblühen und uns für den Rest unseres Lebens heimsuchen. Was bin ich wert? Verdiene ich Liebe? Was ist meine Bestimmung? Was wäre, wenn meine Träume nicht wahr werden?

    Auch wenn du ein eingefleischter Anti-New-Age-Fitness-Fan bist, eine Person mit absolut keinem Interesse an der „spirituellen" Seite des Yoga, jemand, dem der achtgliedrige Pfad des Yoga scheißegal ist und auch bleiben wird – sogar die säkularsten unter den Praktizierenden sind nicht immun gegen die wahre Kraft des Yoga. Denn es ist mir egal, wie sehr du all deinen Scheiß auf die Reihe kriegst, wir suchen alle nach Antworten, nach Gleichgewicht, nach Frieden.

    Der Wahnsinn meines Lebens endete sicherlich nicht, als ich anfing, Yoga zu praktizieren. Aber was auch immer los war: Meine Praxis war immer für mich da – auch als ich keinen Weg fand, um vom Boden hochzukommen, als ich dachte, dass Selbsthass und Selbstverachtung mein Ende wären, hat meine Yogapraxis mir geholfen, die Tatsache zu akzeptieren, dass Fehleinschätzungen und große Fehltritte zum Leben dazugehören und der Preis sind, den wir dafür zahlen, um in unserem Leben präsent zu sein. Letztendlich hat mir Yoga bewusst gemacht, dass Glück nicht davon kommt, dass wir auf magische Weise bessere Menschen werden. Die Praxis ist eine Erinnerung daran, dass wir es verdienen, heute glücklich zu sein, genau in diesem Moment, weil wir bereits absolut perfekt sind.

    3. Asana = Haltung = Körperhaltung. Ich neige dazu, diese Wörter synonym zu verwenden, um Yoga-Posen zu beschreiben.

    ÄHM, DU HAST MEINE FRAGE IMMER NOCH NICHT BEANTWORTET

    Okay. Wie fängst du also mit deiner eigenen Yogapraxis an? Dieses Buch ist meine Antwort.

    Ich werde dir einen Crashkurs in Yoga geben – ich nenne ihn gerne „Yoga 101" –, in dem ich dir die Grundlagen der Geschichte des modernen Yoga, die Kernelemente des achtgliedrigen Pfades und der verschiedenen Yogastile sowie alle Werkzeuge und Hilfsmittel im Einzelnen erkläre, die deine eigene Yogapraxis zum Leuchten bringen werden. Ich beantworte die Fragen, die wirklich von allen Yoga-Anfänger*innen gestellt werden. Und ich bringe dir das ABC bei – meine wichtigsten Lieblingsyogahaltungen. Das sind die Haltungen, die das Fundament meiner Yogapraxis bildeten, als ich angefangen habe zu praktizieren, und die ich bis heute in verschiedenen Variationen und Flows nutze. Wenn du eine starke Verbindung mit all diesen Haltungen schaffst, wirst du eine solide Grundlage für die Yoga-Asanas entwickeln. Ein Wissen, das du in jedes Yogastudio der Welt mitnehmen kannst. Dann helfe ich dir dabei, all dieses Wissen in einer Reihe von Yogasequenzen zusammenzustellen, die auf spezifische Stimmungen und emotionale Bedürfnisse zugeschnitten sind. Die wunderschönen Yogi*nis, die in diesem Buch vorkommen – Laura, Chrissie, Charlie, Jaclyn –, sind alle ausgebildete Yogalehrer*innen, die nicht unbedingt in die stereotype Schablone von Yogalehrer*innen passen. Genau wie ich. Genau wie du. Wundere dich nicht. Es gibt mehr von uns, als du vielleicht angenommen hast. Ich glaube, der ehrlichste Weg, der jede*n von uns zu einer eigenen Yogapraxis inspirieren kann, liegt darin, die wahren Lebensgeschichten unserer Mitpraktizierenden und Lehrer*innen zu hören. Diese einzigartigen Lebensgeschichten – Geschichten, die mehr Kummer, Verletzungen, Sucht, Verlust und herzzerreißende Momente haben als eine Seifenoper – motivieren uns auf dem yogischen Weg. Gestatte mir, ein paar Geschichten aus meinem eigenen Leben zu erzählen. Denn ich bin kein Engel und ich habe verflucht nochmal Fehler gemacht. Und seien wir ehrlich, wir beide wissen, dass auch du das ein oder andere Mal auf den Hintern gefallen bist. Ganz unter Freund*innen: Tröste dich und schöpfe Mut aus dem Wissen, dass ich deine lebenslange Mitstreiterin bin.

    „IST DAS HIER EINE SEKTE?"

    Ich war die fette, jugendliche Novizin und ich fiel auf wie ein bunter Hund.

    Meine erste Erfahrung mit Yoga war die Hölle auf Erden. Hörst du mir zu? HÖLLE. AUF. ERDEN.

    Ich war 16, als meine Tante Tracy mich zu einer Bikram-Yogastunde mitschleppte. Die jüngste Schwester meiner Mutter, Tracy Baldwin, war für Teenie-Jessamyn der Inbegriff von Glamour – die „jetsettende, inspirierende Karrierefrau" meiner Ursprungsgeschichte. Sie war groß wie eine Amazone und erschreckend schön, hatte einen messerscharfen Verstand und einen Sinn für Humor, der so trocken war wie Roggentoast; eine Weltreisende, die immer mit den wildesten Geschichten nachhause kam, gerade schlüpfrig genug, um ihre Nichte in einen Taumel von Tagträumen zu schicken. Meine Tante hatte sich bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten verlobt, war aber nie tatsächlich vor den Altar getreten und sie trug ihren unverheirateten, kinderlosen Status als ein Ehrenabzeichen. Sie verbrachte einen Teil jedes Sommers damit, mich, meinen jüngeren Bruder und all meine Cousins und Cousinen durch die Mühen der frühen Adoleszenz zu begleiten. Tante Tracy war damit beauftragt, uns die Art von Dingen beizubringen, die Tanten schon seit Generationen weitergeben. Sie war die Frau, die mir beibrachte, wie ich meine Oberlippenbehaarung mit Wachs entferne. Sie war besonders hilfreich, wenn es darauf ankam, bis ins kleinste Detail zu verstehen, wie die eigene Sexualität zu nutzen ist, um Männer zu verwirren, zu irritieren und durcheinanderzubringen, und sie war unser Spracharsenal, wenn es darum ging, unseren Gegner*innen auf dem Spielplatz verbale Bitch Slaps zu erteilen.

    In diesem schicksalhaften Sommer war meine weltgewandte Tante von Bikram-Yoga besessen und ermutigte mich, sie zu einem Kurs zu begleiten. Für diejenigen unter euch, die es noch nie ausprobiert haben: Bikram ist ein Ablauf von 26 Yogahaltungen, die über 90 Minuten hinweg in einem sehr heißen Raum durchgeführt werden. Wie heiß ist sehr heiß? Etwa 40 Grad. Und wenn du eine weinerliche, pummelige Highschool-Schülerin bist, gefangen in einem verschwitzten und brütend heißen Yogastudio, anstatt bei deiner Tante auf der Couch zu campen und sich ihren endlosen Vorrat an VHS-Kassetten reinzuziehen, dann wird eine 90-minütige Yogasession schnell zum Alptraum.

    Ich war die fette, jugendliche Novizin in einem Raum voller fortgeschrittener Yogapraktizierender im mittleren Alter und ich fiel auf wie ein bunter Hund. Die Lehrkraft hatte offensichtlich Zweifel an meiner Fähigkeit, diesen Kurs zu überleben, und mir ging es genauso. Die Hitze des Raumes war komplett unzumutbar. Ich konnte nicht ergründen, wie von heißblütigen menschlichen Wesen tatsächlich erwartet werden konnte, dass sie ganze anderthalb Stunden ohne den geringsten Hauch einer Klimaanlage überleben sollten. Auch der Geruch des Studios war überwältigend. Schweiß und Teppichboden vertragen sich nicht, aber es war von dem Moment an, in dem ich meine Matte ausrollte, absolut klar, dass wirklich niemand in diesem Raum sich für diese ästhetischen Fragen interessierte.

    Schon bevor wir mit der Einstiegsrunde der Pranayama, der Atemarbeit, fertig waren, wollte ich aus dem Unterricht abhauen. In

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