Betreutes Wohnen für ältere Menschen: nachhaltig gestalten und erfolgreich realisieren
Von Lutz H. Michel
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Über dieses E-Book
Wer sich als Leistungsanbieter etablieren will, der muss wissen: Welche Erfolgsfaktoren gibt es? Wie ist das Angebot zielgruppengerecht am Markt zu positionieren? Welche Normen und Standards, welche baulichen Aspekte sind zu beachten?
Autor Lutz H. Michel ist Experte für neue Wohnformen. Er schafft Klarheit im Begriffswirrwarr, gibt einen Überblick zu den verschiedenen Angeboten und praktische Einblicke in die komplexen Wohn- und Dienstleistungsprodukte.
So bietet der Praxisleitfaden Orientierung bei der Konzepterstellung, beim Planen und Realisieren wie auch beim "Betrieb" betreuter Wohnanlagen. Nutzen Sie dieses Buch als wertvolles Werkzeug, um betreutes Wohnen für ältere Menschen nachhaltig zu gestalten und erfolgreich zu realisieren. Darüber hinaus bietet das Buch einen Blick über den Tellerrand nach Österreich und in die Schweiz.
Lutz H. Michel
Dr. Lutz H. Michel FRICS ist Rechtsanwalt und Chartered Surveyor und berät Anbieter-, Wohnungs- und Immobilienverbände, Investoren und Betreiber im Bereich des Immobilienwirtschaftsrechts, spezialisiert auf Rechts- und Managementfragen rund um Serviceimmobilien, hier vor allem die „neuen Wohnformen“, vornehmlich in der DACH-Region, aber auch Spanien.
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Buchvorschau
Betreutes Wohnen für ältere Menschen - Lutz H. Michel
1Einleitung
Betreutes Wohnen ist zurzeit en vogue. Sei es unter der Bezeichnung „Service Wohnen oder „Wohnen mit Service
oder anderweitigen Labeln. Dabei sind zwei Trends unübersehbar: Der erste Trend ist, Betreutes Wohnen mit Tagespflegeangeboten zu verbinden, um so ein tragfähiges ambulant strukturiertes Leistungsmodell für das Wohnen mit Unterstützungsleistungen im Alter zu schaffen. Der zweite Trend zeigt sich in der Kreation von „Residenzangeboten, die auf überaus komfortables Wohnen in Verbindung mit einem breit gefächerten Dienstleistungsangebot für das Leben im Alter abzielen. Ist der erste Trend eher durch die ambulanten Refinanzierungsmöglichkeiten geprägt, so ist der zweite Trend durch das Abzielen auf die „Silver Ager
mit entsprechenden verfügbaren Einkommen charakterisiert.
Dabei ist es sowohl die Immobilienseite, die als Treiber derartiger Angebote auftritt, als auch die Dienstleisterseite, letztere v. a. in Gestalt von Erbringern ambulanter Pflege- und Betreuungsleistungen. Die Immobilienseite lässt sich gegenwärtig stark vom Trend zum „Betongold leiten, die ambulanten Pflege- und Betreuungsdienstleister erkennen in betreuten Wohnformen, so auch im Betreuten Wohnen, die Option, ihre Dienstleistungen lokal zu clustern, um so Effizienzvorteile zu erreichen, sprich: die Ineffizienzen der „fahrenden Dienste
zu vermeiden, ein breiteres Personalspektrum einsetzen zu können, nämlich nicht nur Pflegekräfte, und damit Kundenbindung zu betreiben wie auch neue Kundengruppen zu erreichen.
Beiden Anbietergruppen ist gemeinsam, dass ihnen die Spezifika des „Betreuten Wohnens" vielfach entweder fremd sind oder sie perspektivisch als Wohnungsanbieter oder vice versa Pflegeanbieter an das Thema herangehen. Dabei ist weder das eine noch das andere zielführend: Betreutes Wohnen ist ein komplexes Wohn-/Dienstleistungsprodukt, das eigene Erfolgsfaktoren aufweist.
Dieser Praxisleitfaden soll den interessierten Anbietern Orientierung bei der Konzeptionierung, Planung und Realisierung wie auch dem „Betrieb" betreuter Wohnanlagen geben. Gleichfalls kann er den Beratern und Finanziers als Leitfaden für die Identifikation erfolgversprechender Angebote und kompetenter Anbieter dienen. Und er bietet einen Blick über den Tellerrand nach Österreich und in die Schweiz: Die Beiträge von Jana Bockholdt zu den Tendenzen Betreuten Wohnens in Österreich und von Dr. Markus Leser und Prof. Dr. Lorenz Imhoff zu den Entwicklungen in der Schweiz geben eine Fülle von Anregungen, Wohnen mit Service grenzüberschreitend – vor allem im übertragenen Sinn des Wortes! – weiterzudenken. Ihnen sei hierfür besonders gedankt!
Und last not least: Herzlich sei auch dem Vincentz-Lektorat und hier insbesondere
Bettina Schäfer und Klaus Mencke für die geduldige, kreative und sehr gelungene Umsetzung der Rohtexte und -grafiken des Autors gedankt, die das Buch erst für die geschätzten Leser zu dem gemacht hat, was es sein soll: eine übersichtliche und lesbare Handreichung für die praktische Arbeit!
Köln/Marbella, Juni 2023
Lutz H. Michel
2Strukturen und Grundlagen
2.1Begriff des „Betreuten Wohnens"
Der Begriff „Betreutes Wohnen" und das dahinterliegende Wohnangebot sind in Deutschland schillernd. Betreutes Wohnen ist maßgeblich gekennzeichnet durch zwei Betrachtungsdimensionen:
durch die Eingrenzung dessen, was gemeinhin unter dem Begriff „Betreutes Wohnen" verstanden wird, was relevante Quellen darunter verstehen und was vor dem Hintergrund der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen darunter verstanden werden sollte,
sowie
durch die Abgrenzung zu anderen sog. „Neuen Wohnformen und -konzepten, die „wohnnahe
Betreuungsangebote, wie z. B. ambulant betreute Wohngemeinschaften, sog. gemeinschaftliches Wohnen und anderes, umfassen.
Die Begrifflichkeit „Betreutes Wohnen ist trotz der föderalen Heimgesetzgebung und Standardisierungen nach wie vor schillernd. Unter die Bezeichnungen „Betreutes Wohnen
, „Wohnen mit Service und
Service-Wohnen werden so unterschiedliche Wohnangebote wie Altenwohnheime, Seniorenresidenzen, an Pflegeheime angegliederte Pflegewohnungen, „normale
Wohnungen, die mit einem mehr oder minder inhaltsleeren Servicevertrag mit einem Dienstleister Sicherheit im Alter versprechen, aber auch unverkäufliche und sodann „umgelabelte" Eigentumswohnungen und anderes gefasst. Zudem stellt sich eine begriffliche, nicht sachliche Nähe zum Betreuten Wohnen der Eingliederungshilfe dar, was die babylonische Begriffsverwirrung eher fördert, denn klärt.
Dies findet seinen Grund darin, dass sich der Begriff „Betreutes Wohnen qua lege bis Mitte 2008 nur in einer gesetzlichen Norm, nämlich dem Heimgesetz – und zwar in Abgrenzung zur „heimmäßigen Unterbringung
in § 1 HeimG – fand und ansonsten sich nur die Gerontologie, die Seniorenwirtschaft und am Rande in marginalem Umfang auch die Immobilienwirtschaft mit den konzeptionellen Fragestellungen in Bezug auf serviceorientierte Seniorenwohnkonzepte beschäftigten. Erst mit der Typisierung von Angebotsformen in vielen Landesheimgesetzen ist dies etwas anders geworden. In gerontologischer Hinsicht hat erstmals Saup das Betreute Wohnen wissenschaftlich bearbeitet und es in den Zusammenhang mit selbstständigem Leben und Wohnen im Gegensatz zur „heimmäßigen Unterbringung in stationären Einrichtungen gestellt. Für ihn ist das Betreute Wohnen eine „unterstützende Wohnform
mit der Zielsetzung, so lange und so weitgehend wie möglich Substitut von Pflege und Betreuung in einer stationären Einrichtung zu sein. Dieses Verständnis ist auch für die föderale Regelung dieser Wohnform in den Heimgesetzen prägend geworden.
So findet man mittlerweile 16 Regelungen dieser Wohnform, teils in der Begrifflichkeit Betreutes Wohnen, teils sich davon bewusst absetzend unter Verwendung von Begriffen wie Service-Wohnen oder Wohnen mit Unterstützungsleistungen. Dabei stehen hinter den Begriffen auch differenzierte Definitionen und Abgrenzungen.
Weitere Definitionen und Begriffsklärungen finden sich maßgebend in den Gütesiegeln Betreutes Wohnen Baden-Württemberg sowie Nordrhein-Westfalen sowie in der DIN 77800 – „Qualitätsanforderungen an die Anbieter der Wohnform Betreutes Wohnen für ältere Menschen".
Im Gütesiegel „Betreutes Wohnen Baden-Württemberg" wird unter Betreutem Wohnen die Verbindung der Zielsetzung, auch im Alter ein selbstständiges und unabhängiges Leben in vertrauter Umgebung zu ermöglichen, mit der anderen Zielsetzung, dem im Alter stärker werdenden Bedürfnis nach Sicherheit, nach bedarfsgerechter Unterstützung und Hilfe sowie einer möglichst praktisch und bequemen Gestaltung der Wohnung zu vereinen, also selbstständiges Wohnen mit eigener Haushaltsführung zu fördern und gleichzeitig die Sicherheit bedarfsgerechter Hilfe zu gewährleisten, verstanden. Dieses Verständnis wurde sodann von den zeitlich nachfolgenden Standardisierungsprojekten aufgenommen und weiterentwickelt.
Die Dokumentation zum Qualitätssiegel NRW erspart sich einen eigenen Definitionsversuch und stellt vielmehr auf die Merkmale ab, die sich durchgängig in den Begriffsklärungen finden: seniorengerechtes bzw. barrierefreies oder barrierearmes Wohnen in Selbstständigkeit und Selbstbestimmung mit einer Grundlage an Sicherheit und Unterstützung.
Die DIN 77800 – Betreutes Wohnen entwickelte eine eigenständige Definition, indem die Wohnform „Betreutes Wohnen gegenüber der (gesetzlich geregelten) Wohnform „Heim
abgegrenzt wird.
Die Norm definiert Betreutes Wohnen wie folgt:
„Leistungsprofil für ältere Menschen, die in einer barrierefreien Wohnung und Wohnanlage leben, das Grundleistungen/allgemeine Betreuungsleistungen und Wahlleistungen/weitergehende Betreuungsleistungen umfasst."
Ergänzt wird diese Definition durch eine qualitative Abgrenzung zum Heim:
„Das Leistungsprofil unterstützt eine selbstständige und selbstbestimmte Haushalts- und Lebensführung und die Einbindung in soziale Strukturen der Hausgemeinschaft und des Wohnumfeldes. Das Leistungsprofil des Betreuten Wohnens orientiert sich nicht am Heim im Sinne des Heimgesetzes."
Nimmt man diese Begriffsklärungen zusammen, so ergibt sich eine eigene Begrifflichkeit, die diesem Praxisleitfaden zugrunde gelegt wird:
„Betreutes Wohnen ist ein Leistungsprofil für ältere Menschen, das einerseits die Leistungskomponente „Wohnen in Form einer barrierefreien Wohnung und Wohnanlage und andererseits die Leistungskomponente „Dienstleistungen
in Gestalt der Ausformung eines Grundleistungspakets umfasst. Das Grundleistungspaket ist integrierter Bestandteil des Leistungskonzepts dergestalt, dass es mit dem Wohnen eine vertraglich kombinierte Leistung (Kopplung) darstellt und inhaltlich wenigstens eine Basissicherheit bietet. Die Basissicherheit entsteht in Gestalt der Hausnotrufsicherung, der Beratung und Betreuung in Form allgemeiner Unterstützungsleistungen, ergänzt um die Vermittlung von Wahlleistungen, die ihrerseits fakultativen Charakter besitzen."
Diese Definition korrespondiert mit den ordnungsrechtlichen Regelungen, die Anwendung finden (können) und die bei der individuellen projektbezogenen Gestaltung der Konzepte und Angebotsvarianten zu beachten sind. Relevant ist allein die Verbindung der beiden Leistungskomponenten einerseits und der skizzierte Minimum-Inhalt an Leistungen, insbesondere der obligatorischen Leistungsmodule andererseits.
Neben dem Betreuten Wohnen gibt es eine Vielzahl anderer Angebote, die vom Betreuten Wohnen abzugrenzen sind:
Betreuungs- und Pflegeangebote ohne Wohnkomponente,
Stationäre Betreuungs- und Pflegeangebote,
ambulant Betreutes Wohnen,
ambulant Betreute Wohngemeinschaften/Demenz-Wohngemeinschaften,
Gemeinschaftliches Wohnen,
Mehrgenerationen-Wohnen,
Betreutes Wohnen zu Hause,
Wohnungswirtschaftliche Servicekonzepte für Senioren.
Diese werden nachfolgend abgegrenzt.
2.2Abgrenzung zu anderen „Wohn- und
Betreuungsformen" für das Leben im Alter
Wie bereits soeben angedeutet, grenzt sich Betreutes Wohnen von diversen anderen „Wohn- und Betreuungsformen" ab.
2.2.1Überblick
Die für die Gestaltung ambulanter Wohnkonzepte relevanten Wohn- und Versorgungsformen sind Legion. Sie sind schillernd und auch nur wenige Typen haben – was die Orientierung teils erleichtert, teils aber auch erschwert – eine gesetzliche Regelung erfahren. Das gilt für das „Heimrecht", also die Landeseinrichtungsrechte, wie auch für das Leistungsrecht, also das SGB V und SGB XI, wie auch das SGB XII, und auch das öffentliche Baurecht, also das Bauplanungsrecht wie auch das Bauordnungsrecht.
Nach Obigem sind dabei stets zwei Kernbegriffe mitzudenken: „Leben in einem (privaten) Wohnsetting oder „Leben in einer (institutionalisierten) Einrichtung
.
Es handelt sich um
Betreuungs- und Pflegeangebote ohne Wohnkomponente, also ambulante Versorgung im eigenen privaten zu Hause,
Betreutes Wohnen (Wohnen mit integrierten allgemeinen Unterstützungsleistungen) – hier im Mittelpunkt stehend und oben definiert,
Stationäre Betreuungs- und Pflegeangebote („Altenpflege- und Betreuungseinrichtungen, „EULA’s etc.),
ambulant Betreutes Wohnen (in der Eingliederungshilfe),
ambulant Betreute Wohngemeinschaften/Demenz-Wohngemeinschaften,
Gemeinschaftliches Wohnen (z. B. in Baugruppenmodellen),
Mehrgenerationen-Wohnen (ob nun institutionalisiert oder nicht),
Wohnungswirtschaftliche Servicekonzepte für Senioren („Sozialhausmeister")
und systematisch nicht ganz korrekt: Tages- und auch Nachtpflegeangebote als „teilstationäre" Angebote ohne Wohncharakter.
Die Wohnangebote staffeln sich nach folgender „Servicepyramide":
Abb01.pdfAbbildung 1: Servicepyramide
Will sich ein ambulanter oder stationärer Leistungsanbieter wie aber auch ein Immobilienentwickler/Investor dem Thema annähern, muss er sich die Unterschiedlichkeit der „Typen" bewusst machen:
2.2.2Wohn- und Dienstleistungsformen „jenseits" des Betreuten Wohnens
Betreuungs- und Pflegeangebote in der eigenen Häuslichkeit
Wenn ältere hilfsbedürftige Menschen Hilfsangebote, seien es Betreuungsangebote und/oder pflegerische Hilfen oder nur hauswirtschaftliche Unterstützung in der eigenen Häuslichkeit je nach aktuellem Bedarf von unterschiedlichen Leistungsträgern, selbst organisieren, so liegt kein „Betreutes Wohnen, sondern eine „klassische
ambulante Versorgung im Rahmen des SGB XI und SGB V in Form von „häuslicher (Kranken-)Pflege und Betreuung vor, da es konzeptionell an der organisatorischen Bündelung von Dienstleistungen und deren institutionalisierter Verbindung mit Wohnangeboten fehlt. Daran ändert sich auch nichts, wenn etwa eine Wohnungsgesellschaft eine Kooperation mit einem Pflegedienst im Rahmen eines „Quartierskonzepts
eingeht. Die häusliche Versorgung bleibt „klassische" ambulante Pflege.
Stationäre Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen
Die gegenüber der soeben skizzierten Leistungsform „häusliche ambulante Pflege, aber auch des „Betreuten Wohnens
diametral entgegengesetzte Leistungskonzeption ist die der stationären Pflege in eigens dafür vorgesehenen Einrichtungen, also das klassische Pflegeheim. Unabhängig davon, wie dieser Typ ordnungsrechtlich mit jur. Begriffen belegt wird, maßgeblich ist, dass diese Einrichtungen einerseits strukturell wie aber auch leistungsbezogen den Charakter von „Einrichtungen haben, also die Allokation von personellen und sächlichen Mitteln, die den Zweck haben, die in ihnen lebenden Menschen in allen Belangen zu versorgen. § 13 Abs. 2 SGB XII beinhaltet eine Legaldefinition von Einrichtungen, die insofern als Anhalt genommen werden kann, als sie auf die Gesamtverantwortung für den Hilfeprozess beim Einrichtungsträger abstellt. Entscheidend ist, dass ein „Träger
ein integriertes Wohn-, Pflege- und Betreuungsangebot inkl. Verpflegung unter einheitlicher konzeptioneller Verantwortung macht, das nicht individueller Gestaltung durch denjenigen, der es abnimmt, unterliegt.
Entscheidend ist insofern, dass Wohnen und qualifizierte Dienstleistungen, nämlich hauswirtschaftliche Versorgung, Verpflegung, Betreuung und pflegerische Versorgung, integrierte Teile eines Einrichtungsganzen sind, in rechtlicher und organisatorischer Hinsicht einem Einrichtungsträger zugeordnet sind und dieser die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Hilfebedürftigen übernimmt. Maßgebend ist, dass die Gesamtverantwortung für den Hilfeprozess beim Einrichtungsträger liegt.
Diese Grenzziehung hat immense Bedeutung in Bezug auf die Abgrenzung zu „mehrgliedrigen Verbundangeboten".
Ambulant betreute Wohngemeinschaften
Ambulant betreute Wohngemeinschaften verlangen, dass sich Menschen zum gemeinschaftlichen Zusammenwohnen in einem Haushalt unter gemeinschaftlicher Haushaltsführung zusammenfinden. Sie haben einen gemeinschaftlichen Haushalt zu führen. Dieser kann von einem oder mehreren Dienstleistern unterstützt werden, aber der darf nicht durch ihn „geführt werden: Ist Letzteres der Fall, so mutiert die Wohngemeinschaft zur Einrichtung – siehe oben. Entscheidendes Kriterium für sog. selbstorganisierte Wohngemeinschaften ist die Selbstbestimmung der Mitglieder der Wohngemeinschaft in der Gestaltung ihres Lebensumfeldes, spezifisch in der Wahl der erforderlichen Dienstleistungen und Dienstleister. Die andere Kategorie ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Dienstleister, regelmäßig ein ambulanter Pflegedienst, als Initiator der Wohngemeinschaft agiert, das organisatorische Rückgrat bildet, als maßgeblicher (Pflege-)Dienstleister in der Wohngemeinschaft entweder aufgrund eines gekoppelten Vertragsverhältnisses oder einer sonstigen rechtlichen Gestaltung agiert, die vertraglich wie auch faktisch ein „Alles-aus-einer-Hand
-Dienstleistungspaket bildet. Bei diesen anbietergesteuerten Wohngemeinschaften hat das Mitglied der Wohngemeinschaft auch die Betreuungs-, wenn nicht sogar auch Pflegeleistungen obligatorisch von dem initiierenden Dienstleister zu beziehen.
Abbildung 2: Struktur der ambulant betreuten Wohngemeinschaften
Der entscheidende Unterschied zum Betreuten Wohnen liegt also in Dreierlei: Erstens wird im Betreuten Wohnen ein individueller, selbstständiger Haushalt geführt, wohingegen in Wohngemeinschaften ein gemeinschaftlicher Haushalt gestaltet wird. Zweitens findet das Wohnen im Betreuten Wohnen in einer singulären „Einzelwohnung in Privatheit statt und nicht in einer „Gemeinschaftswohnung
mehrerer Personen. Drittens ist das Leistungsbild der Dienstleistungen gegenüber demjenigen in Wohngemeinschaften einerseits auf selbstständiges Leben fokussiert und andererseits auf „allgemeine Unterstützungsleistungen" reduziert, wohingegen in Wohngemeinschaften die Pflege- und weitergehenden Betreuungsleistungen typbestimmend sind.
Ambulant betreutes Wohnen/Betreutes Wohnen für Behinderte und bei besonderer Hilfebedürftigkeit
Ambulant betreutes Wohnen gem. §§ 53, 54 SGB XII betrifft in der Zielgruppe und in der Leistungsstrukturierung einen vollkommen anderen Sachverhalt als das „Betreute Wohnen für Senioren: hier geht es um die Wiedereingliederung Kranker und Behinderter in ein „normales
Leben.
Gemeinschaftliches Wohnen
Gemeinschaftliche Wohnprojekte sind dadurch gekennzeichnet, dass sich – i. d. R., aber nicht zwingend – ältere Menschen zusammenfinden, um in einer Art „Bauherren-Gemeinschaft sich ein gemeinsames Zuhause zu schaffen. Diese Selbstorganisation des Bauens kann in Bezug auf die Dienstleistungsstruktur in eine Art „Wohnen mit Dienstleistungen
münden, unterscheidet sich dann aber von Betreutem Wohnen dadurch, dass die Mitglieder des gemeinschaftlichen Wohnprojekts regelmäßig in einer Auftraggebergemeinschaft agieren, die derjenigen selbstorganisierter ambulant betreuter Wohngemeinschaften ähnelt. Das klassische Betreute Wohnen weist hingegen eine Dualität zwischen mehreren unabhängig voneinander agierenden Personen ohne eine rechtliche Verbindung untereinander und einem dritten Dienstleister auf, zu dem jeweils getrennte Vertragsverhältnisse begründet werden.
Mehrgenerationen-Wohnen
Die Wohnform des Mehrgenerationen-Wohnens weist als Spezifikum auf, dass es sich um gemeinschaftsorientierte Wohnformen handelt, deren Merkmal die Mischung der Generationen und eine konzeptionelle Integration der Bewohner unterschiedlichen Alters im Hinblick auf wechselseitige Hilfe- und Unterstützungskonzepte ist. Altersbezogene Hilfe und Unterstützungsangebote muss sich der jeweilige Bewohner – ggf. mithilfe sozialer Organisationen – selbst organisieren. Eine Basissicherheit wie beim Betreuten Wohnen findet sich nicht zwingend. Dies hindert nicht, dass sich in einem „Mehrgenerationen-Wohnprojekt" auch Elemente des Betreuten Wohnens finden können, also i. d. R. ein niedrigschwelliges Dienstleistungsangebot.
Betreutes Wohnen zu Hause
Als Abwandlung des Betreuten Wohnens und prinzipiell eine Ausprägung der normalen Versorgung in der Häuslichkeit findet sich ohne die Komponente der Zurverfügungstellung von Wohnraum in Verbindung mit einem Grunddienstleistungspaket die Vorhaltung und Erbringung von seniorenorientierten Dienstleistungen in den eigenen vier Wänden außerhalb einer spezifisch seniorenbezogenen Wohnanlage. Der Leistungsumfang besteht regelmäßig aus dem Hausnotruf und ergänzenden Beratungsdienstleistungen und soziokulturellen Angeboten, nicht jedoch einer lokalen Präsenz von Betreuungsmitarbeitern. Personelle Präsenz gibt es in der Regel in der Form von regelmäßigen Hausbesuchen im Rahmen des Betreuungsangebots. Es handelt sich also um disloziertes „Einzelwohnen" und nicht um geclustertes Wohnen für eine definierte Zielgruppe unter einem Dach.
Wohnungswirtschaftliche Servicekonzepte für Senioren
Die wohnungswirtschaftlichen Servicekonzepte für Senioren beinhalten im Wesentlichen sog. niedrigschwellige Angebote in Form von Vermittlungsangeboten des Wohnungseigentümers, die in der Regel als Wahlleistungen den Hausnotruf und andere hauswirtschaftliche und ähnliche Angebote umfassen. Es handelt sich dabei mehr um wohnungsbezogene Leistungen als um Betreuungsleistungen. In der Regel handelt es sich um individuell von Wohnungsgesellschaften entweder selbst oder über eine Kooperation mit sozialen Dienstleistern und/oder Pflegediensten initiierte und vorgehaltene Dienstleistungskonzepte für ältere Mieter in ihren Wohnungsbeständen. Es handelt sich um ein mehr oder minder unterschiedlich ausgestaltetes, häufig auch auf ehrenamtlichen Strukturen basierendes Angebot, das älteren Menschen helfen soll, weiterhin in ihren angestammten Wohnungen wohnen zu können.
2.2.3Zusammenfassung
Betreutes Wohnen ist also nur das, was ein trägerunabhängiges, auf Selbstständigkeit und Individualität ausgerichtetes Wohnen mit einem Mindestmaß an Sicherheit ist. Die benachbarten Wohnformen weisen grundsätzlich andere Zielsetzungen, Leistungsbilder und auch andere Rahmenbedingungen ordnungs- wie auch