Eine Stimme aus dem Jenseits?: Die neue Praxis Dr. Norden 50 – Arztserie
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Ophelia war am Freitag nach der Schule mit dem Zug nach Bergmoosbach gefahren, um ihre Freundin Emilia Seefeld zu besuchen. Wie immer, wenn Ophelia in Bergmoosbach war, unternahmen sie und Emilia auch dieses Mal einen Ausflug hinauf zum Wasserfall, der zu der kleinen Gemeinde im Allgäu gehörte. Die Mädchen trugen beide schwarze Leggins, rote Wanderschuhe, weiße T-Shirts und rote Regenjacken, ihre »Beste Freundinnen-Wanderkleidung«, die sie sich bei einem Besuch Emilias in München gemeinsam gekauft hatten. Von der Brücke aus, die über den Wasserfall führte, bot sich ihnen ein großartiger Blick in das Tal mit dem malerischen Dorf, dem schönsten Dorf in den Allgäuer Alpen, wie Ophelia stets betonte. Nolan, der Familienhund der Seefelds, ein Berner Sennenhund mit treuherzigen braunen Augen, begleitete die beiden. Er war außer sich vor Freude, als ihm klar wurde, dass es in Richtung Wasserfall ging. Er liebte es, über die Hochwiese zu toben und das Wasser zu beobachten, das sich über die Felsen in die Tiefe stürzte. »So ein bisschen Einsamkeit tut hin und wieder gut«, stellte Ophelia fest, nachdem sie den gewundenen Weg durch den Wald hinaufgelaufen waren und die Hochwiese erreichten, die hinüber zum Wasserfall führte. Die Sonne stand hoch über den Bergen, tauchte sie in gleißend helles Licht, das sie wie weiße Riesen am Horizont erscheinen ließ. Ein Adler flog nicht weit von ihnen entfernt über die Wiese hinweg, stürzte sich zu Boden, um gleich darauf mit einer Beute wieder aufzusteigen. »Die einen müssen sterben, damit die anderen überleben können. Das ist wohl ein Naturgesetz«, stellte Ophelia nachdenklich fest, als sie dem Adler nachschaute, der auf einen der höheren Gipfel zusteuerte, die das Tal umschlossen. »Und hier auf dem Land täglich zu beobachten. Du bist ein Stadtkind, Süße, du würdest es hier auf dem Land nicht lange aushalten«, sagte Emilia lächelnd und warf ihr langes kastanienfarbenes Haar in den Nacken. »Du hast deine Kindheit in Toronto verbracht und hast dich trotzdem schnell hier eingewöhnt.« »Ich hatte keine Wahl«
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Buchvorschau
Eine Stimme aus dem Jenseits? - Carmen von Lindenau
Die neue Praxis Dr. Norden
– 50 –
Eine Stimme aus dem Jenseits?
Unveröffentlichter Roman
Carmen von Lindenau
Ophelia war am Freitag nach der Schule mit dem Zug nach Bergmoosbach gefahren, um ihre Freundin Emilia Seefeld zu besuchen. Wie immer, wenn Ophelia in Bergmoosbach war, unternahmen sie und Emilia auch dieses Mal einen Ausflug hinauf zum Wasserfall, der zu der kleinen Gemeinde im Allgäu gehörte. Die Mädchen trugen beide schwarze Leggins, rote Wanderschuhe, weiße T-Shirts und rote Regenjacken, ihre »Beste Freundinnen-Wanderkleidung«, die sie sich bei einem Besuch Emilias in München gemeinsam gekauft hatten.
Von der Brücke aus, die über den Wasserfall führte, bot sich ihnen ein großartiger Blick in das Tal mit dem malerischen Dorf, dem schönsten Dorf in den Allgäuer Alpen, wie Ophelia stets betonte. Nolan, der Familienhund der Seefelds, ein Berner Sennenhund mit treuherzigen braunen Augen, begleitete die beiden. Er war außer sich vor Freude, als ihm klar wurde, dass es in Richtung Wasserfall ging. Er liebte es, über die Hochwiese zu toben und das Wasser zu beobachten, das sich über die Felsen in die Tiefe stürzte.
»So ein bisschen Einsamkeit tut hin und wieder gut«, stellte Ophelia fest, nachdem sie den gewundenen Weg durch den Wald hinaufgelaufen waren und die Hochwiese erreichten, die hinüber zum Wasserfall führte.
Die Sonne stand hoch über den Bergen, tauchte sie in gleißend helles Licht, das sie wie weiße Riesen am Horizont erscheinen ließ. Ein Adler flog nicht weit von ihnen entfernt über die Wiese hinweg, stürzte sich zu Boden, um gleich darauf mit einer Beute wieder aufzusteigen.
»Die einen müssen sterben, damit die anderen überleben können. Das ist wohl ein Naturgesetz«, stellte Ophelia nachdenklich fest, als sie dem Adler nachschaute, der auf einen der höheren Gipfel zusteuerte, die das Tal umschlossen.
»Und hier auf dem Land täglich zu beobachten. Du bist ein Stadtkind, Süße, du würdest es hier auf dem Land nicht lange aushalten«, sagte Emilia lächelnd und warf ihr langes kastanienfarbenes Haar in den Nacken.
»Du hast deine Kindheit in Toronto verbracht und hast dich trotzdem schnell hier eingewöhnt.«
»Ich hatte keine Wahl«, entgegnete Emilia leise.
»Du hast recht, die hattest du nicht«, stimmte Ophelia ihr zu. »Tut mir leid, das hätte ich nicht sagen sollen«, entschuldigte sie sich, als Emilia sie anschaute und sie die Traurigkeit in ihren hellen grauen Augen erkannte.
»Du darfst alles sagen, du bist meine Freundin, du musst nicht jedes Wort vorher überlegen. Außerdem ist es ja wahr, ich habe mich hier ziemlich schnell eingelebt, was ich allerdings nie für möglich gehalten hätte.«
»Dein Opa hatte wohl recht, als er deinem Vater vorschlug, seine Praxis hier in Bergmoosbach zu übernehmen, weil ein Ortswechsel euch helfen würde, eure Trauer zu bewältigen.«
»Ja, ich denke schon. Wären wir nicht nach Bergmoosbach gekommen, hätte Papa Anna nicht kennengelernt und Jonas wäre nicht auf die Welt gekommen. Ich bin sicher, Mama hat gewollt, dass Papa wieder glücklich wird. Und ich bin davon überzeugt, dass sie und Anna beste Freundinnen geworden wären, hätten sie die Chance gehabt, sich zu begegnen.«
»Nachdem, was du mir von deiner Mutter erzählt hast, habe ich keine Zweifel daran, dass sie und Anna sich gut verstanden hätten«, stimmte Ophelia Emilia zu. Emilias Vater hatte in Kanada Medizin studiert und dort ihre Mutter, eine junge Malerin aus Montreal, kennengelernt. Die beiden hatten geheiratet und bald darauf war Emilia zur Welt gekommen. Als Emilia vierzehn Jahre alt war, kam ihre Mutter bei einem Autounfall ums Leben und ihr Vater folgte der Bitte seines Vaters, in seine alte Heimat zurückzukehren. »Ich finde es schön, dass du hier bist«, sagte Ophelia und streichelte Emilia über die Schulter.
»Inzwischen bin ich hier zu Hause, alles ist gut«, entgegnete Emilia. »Es war eine gute Idee von deiner Mutter und meinem Vater, sich nicht aus den Augen zu verlieren.«
»Das war auf jeden Fall eine gute Idee«, stimmte Ophelia ihr zu. Ihre Mutter hatte vor ihrer Geburt ein Jahr in Toronto an derselben Klinik wie Sebastian gearbeitet und die beiden waren danach in Kontakt geblieben. Da sich ihre Familien gut verstanden, war daraus inzwischen eine enge Freundschaft geworden.
»Ich bin auch froh, dass wir uns begegnet sind«, sagte Emilia, und in diesem Moment konnte sie wieder lächeln.
»Was hat er?«, fragte Ophelia, als Nolan plötzlich stehen blieb und die Ohren aufstellte.
Sonst lief er immer geradewegs auf die Brücke, sobald sie die Hochwiese erreichten. Dort hockte er sich hin und jaulte den Wasserfall an, was vermutlich eine Art Begrüßungsritual war. Jetzt aber stürmte er auf die Klamm zu, bremste kurz vor der Brücke ab, hockte sich neben einen Busch mit weit verzweigten Ästen und hob den Kopf. Es war das Zeichen, dass er etwas entdeckt hatte. Genauso hatte es ihm die Hundetrainerin der Bergwacht während seiner Ausbildung zum Rettungshund beigebracht.
»Komm, sehen wir nach«, sagte Emilia und eilte über die Wiese.
Nolan bellte aufgeregt und lief an der Klamm entlang, in deren Tiefe der Bach floss, der von dem Wasserfall gespeist wurde und ins Dorf hinunterrauschte. Ganz offensichtlich hatte er etwas entdeckt, auf das er Emilia und Ophelia unbedingt aufmerksam machen wollte.
»Da liegt jemand!«, rief Ophelia, als sie und Emilia über den Abhang hinaus in die Tiefe schauten. »Offensichtlich ein Wanderer.«
»Ja, vermutlich«, stimmte Emilia ihr zu, als sie den Mann sah, der in etwa 10 Metern Tiefe auf einem Felsvorsprung lag. Er trug blaue Kniebundhosen, rote Socken, Wanderschuhe und einen hellen Pullover. Der weiße Rucksack, den er auf dem Rücken getragen hatte, war auf die Seite gerutscht und drückte auf seinen rechten Arm.
»Hallo! Können Sie uns hören?!«, rief Emilia, als der Mann, der auf der Seite lag, seinen Blick nach oben richtete.
»Hallo, wie geht es Ihnen?!«, sprach Ophelia ihn an, weil sie den Eindruck hatte, dass er sie anschaute.
Aber der Mann schloss gleich wieder die Augen. Er war offensichtlich zu schwach, um zu antworten.
»Ich rufe meinen Vater an«, sagte Emilia und holte ihr Telefon aus ihrer Jackentasche.
»Emilia, alles gut bei euch?«, hörte Ophelia Sebastian Seefeld fragen, der sich gleich meldete.
»Ophelia und mir geht es gut, aber hier oben am Wasserfall liegt ein Mann in der Klamm. Er war gerade kurz bei Bewusstsein, hat uns aber nur angesehen und gleich wieder die Augen geschlossen.«
»Wie tief liegt er?«
»Auf dem ersten Felsvorsprung, direkt neben der Brücke.«
»Bleibt dort, bis wir da sind, und beruhigt ihn, sollte er wieder wach werden.«
»Geht klar, Papa.«
»Dann bis gleich.«
»In Ordnung, bis gleich. Er