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Krieg der Delphine
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eBook532 Seiten7 Stunden

Krieg der Delphine

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Über dieses E-Book

Seit den Haikriegen vor einem Jahr ist es zwischen Delphinen und Haien sehr friedlich im Atlantik geworden. Doch bei der Versammlung der Meereskönige wird plötzlich beschlossen, dass in Zukunft die Meermenschen den Delphinen in Krisenzeiten nicht mehr beistehen dürfen. Nicht nur der Meereskönig von Ankerstadt ist deswegen aufgebracht, auch Meister Soda vom Kriegsrat der Delphine ist erbost. Delphine und Meermenschen zu entzweien, könnte durchaus ein Auftakt zur nächsten Krise im Atlantik sein, fürchten die Delphine und auch ihre Freunde aus Ankerstadt.

Als dann auch noch Gerüchte aus dem Mittelmeer auftauchen, dass Delphinmännchen und Meermänner auf unerklärliche Weise verschwinden, wird die Vorahnung immer mehr zur Gewissheit. Die Zeit des Friedens wird bald vorbei sein.

Können sich die tapferen Atlantikdelphine auch in diesem Buch wieder mit Charme und Witz beweisen?

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum6. Dez. 2020
ISBN9783748767275
Krieg der Delphine

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    Buchvorschau

    Krieg der Delphine - E. Dence

    Prolog

    Werte Eltern, liebe Kinder. Bitte beachtet die Altersempfehlung bei allen Büchern, denn es werden auch Bücher geschrieben, welche nicht von Kindern oder Jugendlichen verstanden würden oder gelesen werden sollten. Dieses Buch wurde hauptsächlich für Kinder, Jugendliche und jung Gebliebene geschrieben.

    Auch im fünften Teil der Reihe »Geschichten von unter der Meeresoberfläche« wird es wieder spannend. Die Handlung spielt grob ein Jahr nach den Büchern »Der Lausedelphin« und »Roberta und der ägyptische Mumiendelphin«. Aber auch die Spezialagentin des Kriegsrates, bekannt aus den Büchern »Spezialagentin Nordstrom« und »Spezialagentin Oma Nordstrom«, hat eine Nebenrolle.

    Es gibt einige neue und viele bereits bekannte Charaktere. Es ist nicht erforderlich, die anderen Bücher gelesen zu haben, um dieses Buch genießen zu können. Natürlich macht es aber auch Spaß, etwas mehr über die vergangenen Abenteuer der Protagonisten zu wissen. ;-)

    Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.

    Im Westen viel Neues

    Ein Jahr ist es schon her, da wurden die Delphinsiedlungen von gleich zwei bösen Haiarmeen überfallen. Mit Hilfe der Meermenschen aus Ankerstadt gelang es den tapferen Atlantikdelphinen sich zu behaupten. Sogar freundliche Haie hatten auf der Seite der Delphine gekämpft und so haben die Haiführer Adolf und Benito nicht nur den Krieg verloren, sie hatten damit sogar das Gegenteil erreicht. Vielerorts haben Haie und Delphine neuen Respekt füreinander gewonnen und sogar Freundschaften geschlossen. Das Leben im Atlantik ist für die verspielten Delphine seitdem friedlicher und schöner als jemals zuvor.

    »Noch viel zu lernen du hast, junger Padawan«, säuselte Meister Soda mit sanfter und freundlicher Stimme. Ignazius hechelte so heftig, dass er vorerst gar nichts erwidern konnte. Es war aber auch irgendwie seine eigene Schuld. Meister Soda hatte Herrn Mondschein, den Kommandant des Wächterpostens in Ignazius‘ Heimatsiedlung, besucht und war von einem Boten mit einem dringenden Auftrag in den Nordwesten des Atlantiks geschickt worden. Sofort hatte sich Ignazius freiwillig gemeldet, um den alten Meister zur Sicherheit zu begleiten und das, obwohl der Drittklässler doch nur zu Besuch am Posten gewesen war und noch gar nicht dort arbeitete. Da Delphine nicht so lang lebten wie andere Völker, waren sie nur drei Jahre Kind, schwammen danach drei Jahre lang zur Schule und schon mit sieben Jahren waren sie erwachsen und schwammen zur Arbeit.

    Als sich Ignazius, der eigentlich ein ziemlicher Schnellschwimmer war, über die langsame Reisegeschwindigkeit beschwert hatte und er dem alten Delphin auch noch angeboten hatte, dass er sich bei Ignazius‘ Rückenflosse einhaken solle, damit sie schneller vorankommen würden, war etwas Seltsames passiert. Der Meister war plötzlich verschwunden gewesen und zum Erstaunen des Jungdelphins schwamm der alte Recke fast einen halben Kilometer weit entfernt. Natürlich hatte Ignazius gleich wieder aufgeschlossen, aber der sanftmütig lächelnde Meister hatte sofort wieder die Geschwindigkeit erhöht und war dem Jungdelphin davongesaust. Eine regelrechte Verfolgungsjagd hatte begonnen und immer wenn Ignazius geglaubt hatte, er hätte den alten Meister bald eingeholt, legte dieser entweder an Geschwindigkeit zu oder er blieb einfach stehen, sodass Ignazius vorbeischoss. Kaum war Ignazius wieder zurückgeschwommen, raste der alte Delphin schon wieder davon. Doch jetzt war der Meister ganz stehen geblieben und aufgetaucht, denn Ignazius war auch ganz weit zurückgefallen. Endlich konnte der junge Delphin rasten und er sah den immer noch lächelnden Meister erstaunt an.

    »Offensichtlich du der ausgeklügelten Technik meiner Schwanzflosse nicht folgen konntest«, erklärte der lächelnde Meister. Ignazius hatte sich sehr schnell wieder erholt und erwiderte verblüfft, »Normalerweise kann ich das recht gut, aber nicht bei so einer hohen Geschwindigkeit. Meine Freundin Roberta und ich passen uns immer gut aneinander an und die schnellen Bewegungen von den flinken Futterfischen, die gerne Haken schlagen, kann ich schon perfekt wahrnehmen. Da werde ich wohl noch etwas üben müssen. Schwimmen wir weiter?« Der Meister war erstaunt, wie schnell der Jungdelphin wieder fit war. Doch er musste ablehnen, »Zur Versammlung der Meereskönige ich dringend geladen wurde. Du mich jetzt leider verlassen musst, junger Padawan.« Ignazius wusste zwar noch immer nicht, was ein Padawan war, aber er hatte verstanden, »Na gut. Dann schwimme ich zurück zu Herrn Mondschein. Viel Spaß, Meister Soda.« Noch bevor der Meister sich verabschieden konnte, war Ignazius auch schon wieder verschwunden. Endlich konnte der Meister sein freundliches Lächeln aufgeben und jetzt war er es, der ungeniert hechelte, »Röchel, hust. Unglaublich die Energie des Jungdelphins ist.« Langsam wendete der alte Meister und schwamm ziemlich erschöpft der Versammlung entgegen. »Schon jetzt er viel schneller schwimmt, als ein ausgebildeter Wächterdelphin es vermag und das auch noch über so lange Distanz. Seeigeln in der Schwanzflosse er hat, der kleine Lausedelphin«, flüsterte der alte Meister, dem erst jetzt gerade aufgefallen war, dass Ignazius in seinem Alter doch eigentlich gar nicht außerhalb der Siedlung spielen durfte.

    »Noch viel zu lernen du hast, junges Fräulein«, kicherte Spezialagentin Oma Nordstrom, als ihre Enkeltochter Roberta endlich keuchend eintraf. Die Spezialagentin wartete an der Oberfläche, damit ihr Enkelkind gleich ordentlich durchatmen konnte und schneller regenerierte. »Du bist zu … schnell für mich, … Oma«, keuchte Roberta, wirkte dabei aber glücklich und hocherfreut. »Du hast wohl vor, demnächst schneller als deine alte Oma zu schwimmen, habe ich das Gefühl«, kicherte Oma Nordstrom. Roberta hörte auf zu hecheln, grinste breit und nickte freudig. »Das habe ich mir gedacht. Aber jetzt musst du heimschwimmen. Du hast ja schon den ganzen Tag mit Nadjeschda und mir in der Großen Westsiedlung verbracht und verabschiedet hast du dich auch schon. Wenn du schnell schwimmst, bist du sicher daheim, bevor es dunkel ist«, zwinkerte Oma ihrer Enkeltochter zu. »Du hast recht. Danke für das Wettschwimmen, Oma. Ich werde fleißig weitertrainieren, damit ich so schnell werde wie du und Ignazius. Ich hab dich lieb. Bis bald«, verabschiedete sich Roberta und war schon in Richtung ihrer Heimatsiedlung davongesaust. Kurz schaute Spezialagentin Oma Nordstrom ihrer Enkeltochter nach und fing dann plötzlich an heftig zu hecheln. Schließlich röchelte sie, »Verdammt, jetzt muss ich hart trainieren. Ich kann sie ja jetzt schon kaum mehr abhängen und Ignazius soll so schnell sein wie ich? Ächz.« Seufzend und sehr viel langsamer machte sich Spezialagentin Oma Nordstrom auf den Weg zurück zur Großen Westsiedlung. Nadjeschda würde sich sicher freuen zu hören, wie schnell Roberta schon schwimmen konnte. Mit Roberta und Ignazius waren zwei erstaunliche Schnellschwimmer herangewachsen, die Oma Nordstrom demnächst durchaus alt aussehen lassen könnten.

    »Noch viel zu lernen du hast, junge Tochter«, grummelte die Große Hammerhaidame Larissa. Eigentlich war sie gar nicht so groß, denn sie war ja nur viereinhalb Meter lang und verglichen mit anderen Großen Hammerhaien war sie sogar recht klein. Die junge Tochter hingegen war gerade erst erwachsen geworden und mit ihren sechseinhalb Metern Länge einen guten halben Meter länger als es Große Hammerhaie normalerweise werden. Allerdings war sie aber erheblich länger als die eigene Mutter und für ihr Alter war sie heute ungewöhnlich übermütig. Am Rücken ihres schlanken aber muskulösen Körpers röchelte der Delphin, der sich mit einer Seitenflosse an Klaras vorderer Rückenflosse eingehakt hatte. »Entschuldigung, kleine Mama«, kam die freche Antwort und artig grinste das große, erwachsene Mädchen entschuldigend nach Art der Haie, was in ihrem Fall sehr passend war. Bei dieser Art zu grinsen, werden die Lippen hochgezogen und die Zähne zusammengebissen. Dabei versucht man noch recht große und unschuldige Kulleraugen zu machen, als könnte man niemand etwas Böses tun. »Das funktioniert nur bei kleinen Babyhaien«, grummelte Mama Larissa. »Dir wäre Lunge schon fast zweimal heruntergefallen und das ist nicht lustig in seinem Zustand«, setzte sie fort. Klara zog die Mundwinkel nach unten und runzelte die Stirn. »Aber ich dachte, Onkel Lunge geht es besser, wenn er auf Kur bei den warmen Meeresströmungen der Unterwasservulkane im Süden war«, argumentierte Klara, doch sie hatte den schlechten Zustand leider auch schon selbst bemerkt. Larissa nickte und seufzte, »Dieses Mal hat die Kur noch weniger geholfen als letztes Mal. Ich fürchte, wir müssen Lunge gleich zum Arzt bringen, wenn wir zurück in seiner Einsiedlerhöhle sind.«

    Roberta und Ignazius hatten sich kurz vor Ankerstadt zufällig auf ihren Heimweg getroffen. Gemeinsam sausten sie der heimatlichen Siedlung, die von allen seit den Haikriegen nur mehr Mondscheinsiedlung genannt wurde, entgegen. »Wo kommst du schon wieder her?«, erkundigte sich Roberta, die ja alleine ihre Freunde in der Großen Westsiedlung besuchen geschwommen war. »Wettschwimmen mit Meister Soda. Hab aber verloren«, freute sich Ignazius und seine Augen funkelten. Roberta musste lachen und dann erwiderte sie, »Oma hat mich auch geschlagen. Ist es nicht toll, dass wir irgendwann so schnell schwimmen werden wie die beiden?« Auch Robertas Augen funkelten. Schnellschwimmen war der Lieblingssport der beiden verliebten Jungdelphine. »Schlafen wir heute in der alten Nordstromhöhle oder in der alten Seesternhöhle?«, erkundigte sich Ignazius, aber er kannte die Antwort bereits. »Wir schlafen lieber bei dir, da ist mehr Platz. Außerdem sind in deiner Seesternhöhle ja die vielen tollen Leuchtsteine der Meermenschen montiert. Ich glaube, ich werde in der Verwaltung Bescheid geben, dass die alte Nordstromhöhle neu vergeben werden soll. Vielleicht könnte ja dein Freund Lunge zu uns in die Siedlung ziehen und die Höhle übernehmen, wenn er wieder von seiner Kur zurück ist?«, sprach Roberta ihre Gedanken laut aus. Ignazius wurde sofort langsamer und er wurde auch etwas verlegen. »Najaaaa. Wenn du die Höhle zurückgibst, dann würden wir ja wie ein echtes Paar zusammen wohnen. Oder täusche ich mich da?«, Roberta hatte ihre Geschwindigkeit gekonnt an sein Bremsmanöver angepasst und nickte ihn grinsend an. Sie hatte dabei auch leicht gerötete Wangen, denn Ignazius hatte es jetzt laut ausgesprochen, dass sie wie Ehedelphine zusammenleben würden. Ignazius nickte auch, »Wenn wir unsere Eltern und Geschwister im Pazifik besuchen, werden sie sich sicher darüber freuen. Ich glaube aber nicht, dass Lunge in die alte Nordstromhöhle umziehen will. Irgendwie kommt er mit allen anderen Meeresbewohnern gut zurecht, nur mit anderen Delphinen möchte er nicht viel zu tun haben. Deswegen lebt er ja auch alleine.« Roberta dachte kurz nach und argumentierte, »Das Krankenhaus in Ankerstadt wäre gleich in der Nähe, weil die Mondscheinsiedlung so nahe an Ankerstadt liegt. Es wäre sicher ein Vorteil, wenn ihn Meermenschenärzte behandeln könnten, wenn seine Gesundheit noch schlechter wird.« Ignazius antwortete, »Lunge wird doch schon von Ärzten versorgt, hat er mir erzählt. Die machen sogar Hausbesuche bei ihm in der Höhle. Allerdings hat er mir noch nicht verraten, aus welcher Meermenschenstadt sie zu ihm kommen.« »Dein Lunge ist wohl genauso dickköpfig wie meine Nadjeschda. Er will nicht bei Delphinen wohnen und sie will noch immer nicht ihren Liebsten suchen schwimmen, von dem sie sich vor langer Zeit getrennt hat. Sie mag zwar als Postenkommandantin in der Großen Westsiedlung der Hammer sein, aber in zwischendelphinischen Beziehungen hat sie noch enormen Aufholbedarf. Die beiden Sturköpfe können sich die Flosse geben.« Ignazius und Roberta nickten einvernehmlich. Bei den Delphinen war es durchaus üblich, ein nettes Angebot, wie eine Einladung in die Siedlung zu machen oder mit einem gut gemeinten Rat einem Freund zu helfen. Überreden oder gar Überzeugen kam bei Delphinen nicht in Frage, denn Delphine respektierten den freien Willen anderer Delphine, auch wenn diese sich nicht allzu klug verhielten. Nur die bösen Lügendelphine versuchten alle anderen zu manipulieren, ohne auf einen freien Willen Rücksicht zu nehmen. Zum Glück waren aber alle Lügendelphine im Kerker unter der Delphinhauptstadt eingesperrt und konnten keinen Schaden mehr anrichten.

    Von Meermenschen und Seehexen

    Arthur, der Kommandant der Elitegarde von Ankerstadt, tat sich heute schwer beim Schwimmen. Er hatte seine prunkvolle Garderüstung an, die mit zahlreichen unnützen Schnickschnack verziert war. Außerdem hatte er einen übergroßen, verzierten Hüftbeutel an der einen Seite des Gürtels und auf der anderen Seite hatte er ein Breitschwert, das aber für einen ernsten Kampf vollkommen ungeeignet war. Außerdem hingen lange, verzierte Lederbänder von seinem Gürtel herab und verdeckten seine grüne Flosse zur Hälfte. Dadurch konnte er auch nicht so schnell schwimmen, wie er es wollte. Der prunkvoll verzierte Brustpanzer aus edlem Metall machten ihn zusätzlich schwer und unbeweglich. Doch hatte er seit gestern eine schwere Aufgabe übernommen, denn der Meereskönig von Ankerstadt war auf der Versammlung der Meereskönige und Arthur musste ihn vertreten. Da die Königin, die hauptsächlich als Ärzten im Krankenhaus von Ankerstadt arbeitete, auch nicht in der Stadt der Meermenschen war, fiel es ihm zu, nach dem Rechten zu sehen und das beinhaltete auch auf die drei Prinzessinnen von Ankerstadt aufzupassen. Um die älteste Prinzessin musste er sich nicht mehr sorgen, denn diese war schon erwachsen und verheiratet, aber Kamilla und Niki waren ein anderes Thema.

    Aus den Augenwinkeln sah Arthur immer wieder einen roten Haarschopf hinter Felsen oder Korallen auftauchen. Der Haarschopf hatte außerdem ein kurzes, freches Zöpfchen, was sehr zum Charakter von Prinzessin Niki passte, die die jüngste der drei Schwestern war. Es wäre unhöflich von Arthur gewesen eine Prinzessin anzusprechen, um ihr mitzuteilen, dass sie sich nicht sehr gut versteckte und er von ihrer Anwesenheit wusste. Niki wurde eben schnell langweilig, wenn ihre Eltern in wichtigen Angelegenheiten unterwegs waren. Normalerweise nahm Frau Doktor Seestern ihre Tochter gerne mit, aber dieses Mal ging es nicht, hatte die Ärztin entschieden.

    Doch jetzt war es eher die mittlere Prinzessin, Kamilla, die dem Kommandanten Sorgen bereitete. Seit kurzem war sie als Rekrutin in die Elitegarde eingetreten, aber irgendwie kollidierte ihr Rekrutenstatus immer wieder mit der Tatsache, dass sie auch eine Prinzessin war. Ihr treuer Leibwächter Valentin wurde zu ihrem Ausbilder, damit er auch weiterhin ihr Leibwächter bleiben konnte. Seufzend und langsam mühte sich der Kommandant in Richtung des lauten Gelächters, dass er abermals vernommen hatte. Dabei war der Auftrag für die beiden doch so einfach gewesen.

    »Ich kann deinen grün geschuppten Po sehen, Rekrutin«, kicherte Valentin und amüsierte sich köstlich. Die Flüche, die seine Rekrutin daraufhin ausstieß, konnte man natürlich auch hören. Valentin schwamm ganz aufrecht einen halben Meter über dem Meeresboden, damit er besser sehen konnte, was vielleicht ein wenig unfair war. Unter seinem dichten Vollbart konnte man das freche Grinsen erkennen, wenn man genau hinsah. Seine Elitegarderüstung war schon etwas schäbig, denn im Außendienst hatte er natürlich seine Kampfrüstung an. Trotzdem wirkte der muskelbepackte Wächter sehr imposant. Oberhalb der grünen Schwanzflosse wurde er von der Hüfte aufwärts immer breiter und breiter. An seinem gewaltigen Brustkorb hingen auch zwei enorm muskulöse Arme wie dicke Äste. Wenn Valentin seine Muskeln anspannte und posierte, schien es so, als würden sogar seine gewaltigen Muskeln noch Muskeln bekommen. Die Rekrutin, die sich jetzt wütend erhob, war das komplette Gegenteil, denn sie war schlank und sehr zierlich. Sie hatte schon wieder beim Robben am Boden versucht schneller zu sein und hatte zusätzlich zu den Armen noch ihre Flosse benutzt. Dadurch war ihr Hinterteil zu hoch gewesen und die Anschleichübung war deshalb fehlgeschlagen. Ihre Rekrutenrüstung, die lediglich aus abgewetzten Leder bestand und die auch keine Verzierungen aufwies, ließ sie gerade zusätzlich sehr unprinzessinnenhaft aussehen. Lediglich anhand ihrer langen Nase, die ein wenig an einen Delphinschnabel erinnerte, konnte sie in dieser Aufmachung von anderen Meermenschen als Kamilla, Prinzessin von Ankerstadt, identifiziert werden. Die Nase hatten alle drei Prinzessinnen von ihrem Vater geerbt, allerdings hatte Kamilla das wunderschöne, blonde Haar ihrer Mutter und auch ihre feinen Gesichtszüge. Doch jetzt war ihr Gesicht knallrot und sie fluchte, »Bitte um Erlaubnis einen Moment wieder eine Prinzessin sein zu dürfen, Herr Ausbilder.« Valentin griff sich seinen Vollbart und kraulte ihn nachdenklich. Was hatte seine Rekrutin bloß vor? »Erlaubnis erteilt«, antwortete der Hüne.

    Arthur war gerade rechtzeitig eingetroffen, um die beiden überfälligen Meermenschen bei einer Anschleichübung zu ertappen. Eigentlich war das gar nicht Inhalt ihres Auftrages gewesen und sie hätten schon zu Mittag wieder zurück sein sollen. Jetzt war es später Nachmittag und Arthur war leicht verärgert darüber, dass er die Prinzessin und ihren Ausbilder hatte suchen müssen. Er beobachtete schweigend das Geschehen, packte seinen dichten, langen Vollbart und kraulte ihn nachdenklich.

    »Du blöder ARSCH! Was fällt dir ein, mir auf mein königliches Hinterteil zu starren und das auch noch herauszuposaunen!«, brüllte die Rekrutin. Valentin zuckte zusammen und gleich darauf hechtete er hinter einen Felsen in Deckung und vergrub sich halb im schlammigen Meeresboden, der an dieser Stelle besonders weich war. Im nächsten Moment segelte ein tonnenschwerer Felsblock über Valentins Versteck und krachte gut einhundert Meter entfernt gegen ein paar Korallensträucher, die natürlich geplättet wurden. Noch zehn Meter schrammte der schwere Felsblock über den Meeresboden und kam dann zum Stillstand. Valentin sprang aus der Deckung und brüllte, »Prinzessinnenzeit vorbei, Kamilla! Sag mal, spinnst du? Du sollst doch nicht dauernd mit schweren Felsen nach mir werfen. Du könntest mich ja auch treffen!« Kamilla rümpfte die Nase und griff in ihren Equipmentbeutel. Sofort hatte sie eine dunkelgrüne, extra saure Seegurke in der Hand, aber diese auch zu essen, dazu kam es nicht mehr.

    Arthur schwamm ein Stück vor und brüllte, »Stillgeschwommen!«

    Kamilla und Valentin schwammen stramm am Stand und hatten die Arme seitlich an ihren Körper gepresst. Beide grinsten möglichst unschuldig nach Art der Haie. So in etwa sahen Haie aus, die erwischt wurden, nachdem sie etwas ausgefressen oder jemand gefressen hatten. Ebenso wenig gut wie bei Haien funktionierte das bei anderen Meeresbewohnern. Lediglich Meermenschenkinder konnten hoffen mit dieser Taktik durchzukommen, denn da wirkte so ein Grinsen sogar süß. Bei Erwachsenen wirkte es eher dämlich.

    »Ihr hättet schon zu Mittag zurück sein müssen und jetzt finde ich euch hier beim Rumblödeln«, knurrte Arthur. Kamilla hatte noch die Seegurke in der Hand und Valentin schielte besorgt auf die junge Rekrutin. Sie hatte ihre Meermenschengabe der Enormen Kraft angewendet, als sie den Felsblock aus dem Meeresboden gerissen und dann auch noch geworfen hatte. Würde sie nicht bald eine dieser Seegurken essen, dann würde sie von einer unendlichen Müdigkeit übermannt werden und einfach einschlafen. Diese speziellen Gaben waren sehr selten unter den Meermenschen und sie hatten fast immer einen Preis. Kamillas Augen standen schon auf Halbmast und sie fing bereits an, weniger stramm zu schwimmen und statt dessen ein wenig zu torkeln. »Iss schon deine Seegurke«, befahl Arthur barsch. Sofort war ein lautes und gieriges Knacksen zu hören, als Kamilla die erste Seegurke verspachtelte. Aber, das war nicht genug, denn sie hatte zu lange mit der Seegurke gewartet. Sofort holte sie eine zweite Seegurke und verschlang diese ebenso gierig. Erst dann atmeten Kamilla, aber auch Valentin, erleichtert aus. Arthur erinnerte sich unwillkürlich an früher, als Kamilla den Trick mit der Seegurke noch nicht gekannt hatte. Immer wenn sie etwas Schweres gehoben hatte, hatte Valentin dann auf sie aufgepasst, während die Prinzessin friedlich schlummerte. Er hatte auch immer so getan, als ob er diese schweren Gegenstände gehoben hätte, aber in Wirklichkeit war es immer Kamilla gewesen. Diese Gaben waren ja auch selten und die freundlichen Meermenschen hielten sie eher geheim.

    Arthur war auch erleichtert, daher fuhr er mit weniger Schärfe in der Stimme fort, »Wie ist der Zustand der südlichen Luftpipeline?« Da Kamilla und Valentin rot wurden und zum Meeresboden blickten, hatten die beiden wohl lieber gespielt, anstatt ihren Job zu erledigen. Arthur schluckte seinen Ärger hinunter und befahl, »Rekrutin Kamilla. Erkläre mir doch noch einmal, warum die Luftpipeline für uns Meermenschen so wichtig ist.« Kamilla seufzte verlegen, »Die Luft ist so wichtig, damit wir den Wasserstand in den Gebäuden unserer Stadt verändern können. An der Luft lassen sich viele Arbeiten besser und schneller erledigen. Wir können an der Luft auch ein Feuer machen, um zu kochen oder um Dinge wie Glas herzustellen. Wir können an der Luft auch besser am Schulunterricht teilnehmen und auch kranke Meeresbewohner können an der Luft besser im Krankenhaus verarztet werden.« Arthur nickte, »Du hast nur vergessen zu erwähnen, dass viele Meermenschen auch gerne an der frischen Luft schlafen, weswegen alle Schlafzimmer in ganz Ankerstadt auch den Wasserstand absenken können. Das solltest du wissen, denn du gehörst auch zu den Anwendern dieser Vorzüge. Du schläfst ja selbst gerne an der frischen Luft, soweit ich weiß.« Valentin kicherte, während Kamillas Kopf immer roter wurde. »Das ist doch eine Sache für Rekruten. Ich bin zu viel Höherem bestimmt«, schmollte Kamilla, aber der Denkfehler, dass eigentlich sie selbst jetzt die Rekrutin war, kam ihr nicht in den Sinn. Valentins Kichern wurde lauter, aber es kam keine neue Schelte vom Chef der Elitegarde. »Und was schlägst du vor, was du tun solltest?«, erkundigte sich Arthur mit sanfter Stimme. Bei Kamilla war seine Toleranzgrenze immer schon sehr hoch gewesen, da er die alle drei Prinzessinen sehr mochte. Kamilla überlegte, »Wir haben doch im Unterricht gelernt, dass die einzigen natürlichen Feinde der Meermenschen Haie und Seehexen sind. Nur hat schon seit hunderten von Jahren niemand mehr eine dieser bösen Seehexen gesehen. Ich schlage vor, ich schwimme lieber auf die Jagd nach Seehexen, als mich um eine banale Luftpipeline zu kümmern.« Valentin brach in schallendes Gelächter aus, dann prustete er, »Seehexen gibt’s doch nur im Märchen. Da kannst du lange suchen, muahahaha.« Arthur kraulte seinen Bart und runzelte die Stirn. Natürlich waren Seehexen nur ein Märchen, aber das Verhalten von Valentin störte ihn gerade doch sehr, da sich Kamilla zu kränken schien. »Und wie willst du eine Seehexe erkennen?«, erkundigte sich Arthur nachdenklich. Kamilla blühte auf und strahlte, »Aber die haben doch BLAUE Flossen. Wir Meermenschen haben grüne Flossen und die Seehexen haben blaue. Das weiß doch jedes Kind. Außerdem können die Seehexen andere Meeresbewohner mit ihrem Blick versteinern. Wir müssen also nur nach größeren Ansammlungen versteinerter Meeresbewohner Ausschau halten und so finden wir dann die verruchten Seehexen.« Valentin wälzte lachend über den Meeresboden und hielt sich schon den Bauch. Kamilla jedoch vibrierte vor Aufregung. Aus den Augenwinkeln bemerkte Arthur, dass der rote Schopf, der ihm gefolgt war, auch vibrierte. »Also gut, du hast zwei Wochen Zeit, um mir eine Seehexe zu bringen. Valentin begleitet dich, um dich aus Schwierigkeiten herauszuhalten«, befahl Arthur. So hatte Kamilla ein kleines Abenteuer, denn sie konnte ja nicht finden, was gar nicht existierte und Valentin würde sich vielleicht nicht mehr so auffällig über Kamillas Ideen lustig machen. Valentin gefror das Lächeln im Gesicht. Er rappelte sich auf und grinste verlegen. Dann stammelte er, »Chef … Chef … Aber es … gibt doch gar keine Seehexen.« Kamilla jubelte, sauste hinter den Felsen, hinter dem sie ihre Anschleichübung in den Sand gesetzt hatte und kam mit ihrem Rekrutenspeer wieder hervor. Schließlich waren Wächter der Elitegarde allzeit bereit. Valentin hob seinen Dreizack vom Meeresboden auf und stützte sich schwer auf ihn. Die Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Schon wieder musste er eine der Prinzessinnen bei ihren Abenteuern begleiten. »Wo soll ich nur anfangen? Wo soll ich nur anfangen?«, kreischte Kamilla beinahe hysterisch vor lauter Aufregung. »Ein Stück südlich der Delphinsiedlung namens Große Westsiedlung ist doch ein weitgehend unerforschtes Gebiet, weil es dort keine Meermenschenstädte gibt. Vielleicht gibt es dort ja Seehexen im Überfluss?«, überlegte Arthur laut. Kamilla zitterte und vibrierte. Dann rief sie, »Bis baaaald!«, und sauste los Richtung Westen. Der rote Haarschopf zitterte und vibrierte, dann sauste der Haarschopf auch los. Allerdings sauste er im Zickzack von Deckung zu Deckung Kamilla hinterher. Arthur schielte auf den roten Haarschopf und befahl, »Und pass mir gut auf die Prinzessin auf, Valentin.« Valentin hatte den roten Haarschopf auch bemerkt, daher seufzte er, nickte und schwamm den beiden Prinzessinnen hinterher. Aus der Ferne rief Kamilla, »Ich bin jetzt Rekrutin. Auf mich muss keiner mehr aufpassen.« Entweder war Kamilla die Anwesenheit ihrer Schwester tatsächlich nicht aufgefallen oder sie spielte einfach nur perfekt mit, denn Niki spielte schon ihr ganzes, junges Leben lang gerne Verstecken und sie mochte es ja gar nicht, wenn man sie darauf aufmerksam machte, dass man sie entdeckt hatte.

    »Da vorne ist die Delphinhöhle von Lunge«, informierte Larissa, aber das wusste ihre Tochter natürlich. Eigentlich hatte sie das nur gesagt, damit auch Lunge mitbekam, dass die lange Reise aus dem Süden gleich zu Ende war. Unendlich langsam schlug er die Augen auf und nickte. So schlapp hatte Larissa ihn noch nie erlebt. Es war fast so, als hätte er alle Energie verloren.

    »Hallo? Ist jemand zu Hause?«, erkundigte sich Klara vom Höhleneingang aus. Sofort stürmte eine Ärztin in langem, weißen Kittel aus dem Höhleneingang. »Hallo, Andrea. Gut, dass du da bist«, seufzte Larissa erleichtert. Es war gut, dass die beiden Großen Hammerhaidamen Bescheid gegeben hatten, wann sie in etwa zurück sein würden. Lunge wurde sofort in den unteren Höhlenbereich gebracht und wie ein Futterfisch auf den länglichen Esstisch gelegt. Die Ärztin Andrea begann gleich mit der Untersuchung und schon nach ein paar Minuten schüttelte sie traurig den Kopf. »Lunge hat eine Lungenentzündung. Ich vermute, er hat bei einer unruhigen See eine eiskalte Strömung abbekommen und da sein Immunsystem nicht besonders gut ist, hat es ihn so schlimm erwischt«, erklärte die Ärztin und streichelte den armen Delphin. »Was können wir nur tun?«, erkundigte sich Klara besorgt, aber auch ihre Mutter war unruhig geworden. Die beiden Haie mochten den freundlichen, kranken Delphin sehr und kannten ihn schon viele Jahre. Vor allem Klara war betroffen, denn sie hatte Schuldgefühle. Als sie noch ein Babyhai gewesen war, wurde sie von einem schurkischen Lügendelphin in einen Ölteppich gejagt und Lunge hatte sie aus dem Ölteppich gerettet. Bei der Rettungsaktion war seine eigene Lunge mit Öl verklebt worden. Klara hatte nur einige Jahre einen Husten gehabt, der aber vollkommen verschwand, je älter sie wurde. Bei Lunge war es umgekehrt gewesen. Andrea hatte gemeinsam mit anderen Ärzten sehr viel Öl aus Lunges Lunge abgesaugt, aber es war unmöglich gewesen alles Öl zu entfernen. Das verbliebene Öl hatte sich im Lauf der Jahre immer mehr in der Lunge verbreitet und die Bronchien verstopft, weswegen Lunge immer schlechter atmen konnte. »Ich habe alles mit dabei, um eine entzündungshemmende Salbe zu machen. Wir legen Lunge auf das Podest dort drüben, dann kann er direkt mit dem Kopf in der Deckenblase schlafen und die heilende Salbe einatmen. Viel mehr können wir leider nicht tun«, erklärte die Ärztin. Larissa und Klara ließen den Kopf hängen.

    »Bitte schwimmt doch noch bei mir in der Siedlung vorbei und gebt meinem Mann und meiner Tochter Bescheid, dass ich hier bleiben werde. Mein Mann soll mir die große Medizintasche vorbeibringen. Macht ihr das bitte für mich?«, fragte die Ärztin freundlich, nachdem Lunge auf das Podest gelegt worden war und er mit Hilfe der Salbe friedlich schlummerte, denn die Ärzte gaben oft ein Schlafmittel in ihre genialen Heilsalben. Die Heilsalbe wurde auf die Höhlendecke gestrichen, damit sie dort langsam verdampfen und ihre Wirkung entfalten konnte. Klara und Larissa waren einverstanden und boten an, dass sich die Haie aus der nahe gelegenen Haisiedlung um die Versorgung mit Futterfischen und Seegurken kümmern könnten. Andrea musste trotz der schlimmen Lage schmunzeln, denn vermutlich wollten die Haie nur jeden Tag Lunge besuchen, um nach seinem Zustand zu fragen, ob es ihm schon besser ging. »Aber natürlich nehme ich eure Hilfe gerne an. Wir werden das gemeinsam durchstehen«, freute sich die Ärztin. Nachdem Klara und Larissa sich verabschiedet hatten und verschwunden waren, setzte sich die Ärztin müde auf die Steinbank hinter dem langen Esstisch. Die Liegemulden für Delphine, damit diese auch bequem am Esstisch essen konnten, befanden sich gegenüber der Steinbank und waren sogar mit frischem Seegras von Nadja, der Tochter der Ärztin, ausgelegt worden. Leider würde dort jetzt länger kein netter Delphin liegen und der Ärztin Gesellschaft leisten. Erschöpft legte sich Andrea flach auf die Sitzfläche der Bank, legte ihre blaue Flosse auf den Esstisch und schlief ein.

    Die Mondscheinsiedlung

    »Guten Morgen, meine Lieben. Ich hoffe, ihr seid zu Hause«, erklang Frau Mondscheins Stimme aus der Wohnhöhle der Familie Seestern/Nordstrom. Roberta hatte noch behütet unter der Seitenflosse ihres geliebten Lausedelphins geschlummert und schmatzte genüsslich, als sie erwachte. »Wir sind gleich bei ihnen, Frau Mondschein. Guten Morgen!«, rief Roberta und lächelte in das Gesicht eines glücklichen Ignazius, der wohl schon vor ihr aufgewacht war und sie beim Schlafen beobachtet hatte.

    Wusch

    Ein, »Guten Morgen, Frau Mondschein«, war von dem schnellen Schatten über der alten Lehrerin gekommen, welcher die Stimme von Ignazius zu haben schien.

    Wusch

    Ein, »Ich bring ihnen Frühstück«, war von einem Schatten unter ihr gekommen. Gemütlich schwamm die alte Lehrerin zum Esstisch und senkte sich langsam in eine mit Segeltuch ausgelegte Liegemulde.

    Klatsch, Klatsch, Klatsch

    Noch bevor Frau Mondschein ordentlich bei Tisch lag, lagen auch schon drei leckere Futterfische auf drei Plätzen. Als Frau Mondschein sich gemütlich auf das Segeltuch kuschelte, materialisierte sich ein frecher Lausedelphin ihr gegenüber und drei Seegurken schwebten hinunter und landeten neben den Futterfischen. Roberta materialisierte im nächsten Moment neben Ignazius und grinste schelmisch. Zum Glück war die alte Delphindame es schon gewöhnt, dass die beiden nicht einmal auf engstem Raum langsam schwimmen konnten. Sie bedankte sich recht herzlich und begann herzhaft zu essen.

    »Da hinten ist ein, ähm, Katzenhai, den du füttern könntest. Ich habe ja genug Futterfische für drei gejagt«, schlug Kamilla vor. Valentin starrte auf den roten Schopf des, ähm, Katzenhais und verschwand kurz mit einem Futterfisch und einer gelben, süßlich schmeckenden Seegurke in die Richtung des kleinen Schelms.

    Kaum war Valentin zurück und setzte sich zu seinem eigenen Futterfisch, machte es PATSCH und die gelbe Seegurke war zurück und auch noch mitten auf Valentins Kopf gelandet. »Was sie bloß gegen die gelben Seegurken hat. Sie mümmelt doch den ganzen Tag ohnehin die dunkelgrünen Seegurken«, grummelte Valentin leise. Aus Richtung des, ähm, Katzenhais waren zuerst ein Kichern und dann laute Schmatzgeräusche zu hören. Kamilla wurde rot, nahm sich die gelbe Seegurke und warf sie gekonnt in Richtung der Schmatzgeräusche. Dann rief sie, »Ich bin sicher, die Mutter des, ähm, Katzenhaies hört es gar nicht gern, dass das kleine Katzenhaimädchen sich einseitig nur von Futterfischen ernährt und seine Seegurke nicht essen will.« Die Seegurke kam nicht mehr zurückgeflogen, statt dessen gab es mit einem KNACKS und ein paar Würgegeräuschen einige Änderungen in der Geräuschkulisse. »Bewundernswert, wie gut du mit, ähm, Katzenhaien umgehen kannst«, lobte Valentin und wandte sich wieder seinem Futterfisch zu. »Ach, übrigens, die gelben Seegurken haben die wichtigen Vitamine. Die dunkelgrünen Seegurken spenden nur kurzfristig viel Energie«, erklärte Kamilla, damit auch Valentin verstand, warum das richtige Gemüse für die Ernährung so wichtig war.

    Andrea wischte sich die blaue Schwanzflosse aus dem Gesicht. Ihre Tochter Nadja hatte offensichtlich sehr unruhig geschlafen, weil es ihrem Freund Lunge so schlecht ging. Der obere Teil von Lunges Höhle war einfach prächtig. Eigentlich war dieser ja direkt im Freien über der Meeresoberfläche und die im Kreis angelegten Liegeflächen waren von einem hohen Steinkranz umgeben. Durch die Felsen konnte man von vorbei fahrenden Schiffen nicht gesehen werden und so war es auch möglich unter einem wunderbaren Sternenhimmel direkt an der frischen Luft zu schlafen. Normalerweise würde hier Lunge friedlich schlummern, da ihm das Schlafen unter Wasser wegen seiner geringen Lungenkapazität schon nahezu unmöglich war. Andrea ließ ihre Tochter schlafen und tauchte durch den langen Gang schräg abwärts in die untere Höhle ab, die derzeit zusätzlich von zwei besorgten Großen Hammerhaidamen belegt wurde, die ebenfalls noch schliefen. Sofort kontrollierte die Ärztin den Zustand des Delphins und dann atmete sie erleichtert aus. Sein Zustand hatte sich zumindest nicht verschlechtert, doch jetzt brauchte sie für die nächsten Schritte der Behandlung ein paar Futterfische. Lunge würde ab jetzt mit Futterfischen gefüttert werden, welche mit der besten Medizin gefüllt waren, die Andrea aufbieten konnte.

    Leise schwamm sie vor die Höhle und wich erschrocken zurück. Ein dutzend unschuldig grinsender Katzenhaie und drei normale unschuldig grinsende Hammerhaie warteten bereits und sie hatten auch schon einen kleinen Berg Futterfische angehäuft. Es hatten sich sogar ein paar Seegurken zu den Futterfischen verirrt, obwohl diese normalerweise eher nicht auf der Speisekarte von Haien standen. Andrea bedankte sich im Flüsterton und dann erklärte sie den besorgten Meeresbewohnern ebenso leise, wie es um Lunge bestellt war, damit diese auch Bescheid wussten.

    Der morgendliche Ausflug von Spezialagentin Roberta Nordstrom dauerte länger als gewöhnlich. Bei ihrer Patrouille hatte sie Haie entdeckt, die in der Nähe der Einsiedlerdelphinhöhle jagten und ihre Beute genau vor den Höhleneingang ablegten. Offiziell wusste die Spezialagentin gar nicht, wer da wohnte, das hatte sie dem Delphin Lunge versprochen. Die seltsame Blauflossenmeerjungfrau, die gerade aus dem Höhleneingang gekommen war und mit den Haien flüsterte, kannte sie offiziell natürlich auch nicht, da Blauflossenmeerjungfrauen ja nicht existierten. Vor vielen Jahren war sie sogar mit einigen dieser Wesen befreundet gewesen, aber da sich die Spezialagentin so viel Sorgen gemacht hatte, irgendwann dem Kriegsrat der Delphine berichten zu müssen, hatte eine freundliches Blauflossenmeerjungfraukind einen Gedächtniszauber an der Spezialagentin angewandt. Für ein paar Wochen hatte die Spezialagentin tatsächlich alles vergessen, was sie mit ihrer kleinen Blauflossenmeerjungfraufreundin Tolles erlebt hatte, doch wenn Kinder zaubern, dann lässt die Wirkung nach ein paar Wochen oder Monaten nach. Bei den schönen Erinnerungen musste die Spezialagentin sofort schmunzeln, aber das Schmunzeln verging ihr, als sie die besorgten Blicke mancher Haie sah. Einige schienen beruhigter zu sein, andere schienen nervöser zu sein. Roberta Nordstrom wusste, hier war etwas ganz und gar nicht in Ordnung. Sie beschloss, später noch einmal vorbeizusehen und sich dezent zu erkundigen, was hier eigentlich los war. »Ich hoffe, Andrea ist später noch hier«, flüsterte sie leise und sauste zurück zur Großen Westsiedlung.

    »Was? Ich hab doch gestern erst Bescheid gegeben, dass die Nordstromhöhle wieder verfügbar ist und schon hat sich jemand gemeldet? Dann sollten wir heute noch die Höhle gründlich durchputzen, wenn bald erste Interessenten kommen!«, schrie Roberta entsetzt auf. Frau Mondschein runzelte die Stirn, »Ich hab mir deine alte Höhle doch gerade erst angesehen, Roberta. Sie ist doch tadellos in Ordnung. Bist du dir sicher?« Ignazius kicherte, »Roberta will nur sicherstellen, dass die neuen Bewohner die Höhle auch zu würdigen wissen und damit zufrieden sind. Wir putzen einfach kurz durch und das passt dann schon« Robertas Kopf wurde etwas rot und sie nörgelte, »Putz gefälligst gründlich und nicht einfach nur einfach kurz durch.« Frau Mondschein rollte die Augen nach oben. Das Nörgeln lag Roberta immer noch im Blut. Das hatte sie eindeutig von ihrer Großmutter, der Spezialagentin.

    Nadja war endlich erwacht und natürlich war sie sofort zu Lunge gesaust. Sie kam gerade rechtzeitig, damit sie ihn aufwecken und mit einem Futterfisch füttern durfte, den ihre Mutter schon vorbereitet hatte. Larissa, Klara und Andrea sahen bei der Fütterung des kranken Delphins natürlich gespannt zu. Als Lunge geendet hatte und sich leise röchelnd bedankt hatte, nickte er seinen Freunden noch kurz zu. Dann legte er sich wieder hin und schlief sofort wieder ein, doch dieses Mal hatte er ein kleines Lächeln im Gesicht. »Oh, wie er schnarcht. Ich glaube, es geht ihm besser«, säuselte Nadja leise. Aber ihre Mutter schüttelte traurig den Kopf, »Das sind nur seine rasselnden Bronchien in der Lunge, kleiner Schatz. Lunge hat noch einen langen Weg vor sich. Ich glaube, im Moment ist er stabil.« Nadja ließ sofort die Schultern wieder hängen und sie war schlagartig auch sehr deprimiert, denn Lunge war ihr bester Freund. Larissa bemerkte, wie die Stimmung kippte, daher flüsterte sie, »Das Wochenende ist vorbei und ich gebe heute wieder Unterricht in meiner Haischule. Nadja, du kommst mit und hilfst mir bitte. Das bringt dich auf andere Gedanken.« Klara zumindest lächelte gleich wieder, denn das war eine gute Idee. Hier herumzuliegen und Lunge beim Leiden zuzusehen, wäre zermürbend für jedes Gemüt. Ein Arzt oder eine Krankenschwester kann mit kranken Patienten ja vielleicht umgehen, aber die Familie und die wirklich guten Freunde konnten das oft nicht sehr gut. Es war besser, den Delphin in der Obhut von Andrea zu lassen und sich abzulenken. Nadja willigte ein und damit sie schneller in der Haisiedlung waren, durfte sie auch auf Klara reiten. Doch irgendwie waren trotzdem alle ein wenig schwermütig, denn für sie alle gehört Lunge praktisch zur Familie, obwohl er eigentlich ein Delphin war.

    »Tralla-lalla-laaaa«, trällerte Ignazius und nahm wieder den Schwamm auf. Sorgfältig wischte er den wenigen Staub vom Höhlenboden. Keine Supergeschwindigkeit. Kein schnell-schnell. Ignazius war gründlich und er hatte auch die Idee gehabt, die Verbindungstunnel der gesamten Höhle durchzupusten, damit sie auch staubfrei waren. Durch diese kleinen Verbindungstunnel gab es immer eine Zirkulation des Wassers in jeder Delphinhöhle und so gab es immer in allen Teilen der Höhle frisches Wasser. Es war eine der zahlreichen Erfindungen der Meermenschen, die das Leben der Siedlungsdelphine angenehmer machten.

    Roberta starrte ihren braven Lausedelphin verdutzt an, denn sie hatte schon von Delphinen gehört, die eher schlampig und faul bei der Hausarbeit waren. Vor allem die selten vorkommenden Lügendelphine waren bekannt dafür, dass sie keine Flosse im Haushalt rührten.

    »Ich hab noch nie ein Delphinmännchen gesehen, dass so viel Spaß bei der Hausarbeit hatte«, ertönte eine weibliche Stimme hinter Roberta, die sich erschrocken umdrehte, während Ignazius brav weiterputzte. Sie erschrak sogar so sehr, dass ihr eigener Putzschwamm aus dem Schnabel fiel. Eine ältere und eine junge Delphindame sahen Roberta belustigt an. »Du hattest deinen Putzschwamm aber auch ordentlich im Einsatz«, lobte die ältere Dame. Roberta grinste und erklärte, »Ich habe hier früher gewohnt und wir wollen die Höhle so schön putzen, dass sich die neuen Bewohner auch wohl fühlen.« Ignazius hatte den restlichen Sand vom Boden geschrubbt und legte seinen Schwamm neben den von Roberta. »Hallo, meine Damen. Roberta? Wieso machst du nicht ein Führung und ich bringe die Schwämme zurück zum Versorgungsstützpunkt. Ich kann auch gleich etwas zum Essen mitnehmen, wenn ich zurückkomme«, schlug Ignazius vor. Die beiden Damen waren aus irgend einem Grund sprachlos, wie höflich und zuvorkommend Ignazius war. Den halben Tag lang hatten die beiden Jungdelphine geputzt und jetzt war ohnehin Zeit für eine Pause. Die Idee gefiel Roberta, also wurde alles so gemacht, wie ihr Liebster es vorgeschlagen hatte.

    »Chef. Die Ratsfrau Gitte ist in der Siedlung«, informierte ein Wächterdelphin Herrn Mondschein. »Soso«, sagte Herr Mondschein. Ihm war gar nicht gemeldet worden, dass der Hohe Rat der Delphine der Siedlung einen Besuch abstatten wollte. Der Hohe Rat war der zivile Verwaltungsrat in der Delphinhauptstadt und der beschäftigte sich jedoch hauptsächlich mit Planung und Umsetzung von Siedlungsbauprojekten oder Siedlungsausbauten. Herr Mondschein hakte die Sache geistig ab, denn wenn der Besuch ihm gegolten hätte, wäre einer der Meister vom Kriegsrat gekommen, die ja für die Sicherheit und für alle Wächterposten zuständig waren. Der Besuch war daher sicherlich privater Natur und der alte Delphin war natürlich so höflich, nicht seinen Schnabel in alles hineinzustecken, was ihn vermutlich gar nichts anging. Andere Delphine waren natürlich neugieriger und manche sogar regelrechte Delphinplauderbeutel. Herr Mondschein vermutete daher, dass er bald ohnehin erfahren würde, was die Ratsfrau hierher gebracht hatte, ob er wollte oder nicht.

    Nur noch die Blauflossenmeerjungfrauärztin und der Einsiedlerdelphin waren in der Höhle. Die Spezialagentin war schon seit dem späten Vormittag auf der Lauer gelegen, aber es hatte sich offensichtlich ausgezahlt. Flink sauste sie in Bodennähe auf den Eingang zu und war auch gleich in der Delphinhöhle verschwunden.

    »Psssst. Andrea. Was ist denn hier los?«, erkundigte sich die Spezialagentin besorgt, als sie den röchelnden, schlafenden Delphin sah. Andrea schwamm mit ihrer Delphinfreundin nach draußen und erklärte ihr den schlechten Zustand von Lunge.

    »Das ist schlimm. Wie nimmt es denn unsere kleine Nadja auf?«, fragte die Spezialagentin besorgt. Andrea seufzte, »Nicht gut. Und auch die Haie sind sehr niedergeschlagen.« Traurig senkte Roberta Nordstrom den Kopf, »Es ist zwar gut, dass wir damals befreundet geblieben sind, nachdem ich mein Gedächtnis wiedererlangt hatte, aber jetzt geht es mir umso mehr zu Herzen. Ihr seid mir in den Jahren so lieb geworden wie eine eigene Familie.« »Ich bin froh, dass du gekommen bist, dann kann ich endlich offen reden. Wenn es Lunge nicht bald merklich besser geht, fürchte ich das Schlimmste«, seufzte Andrea. Roberta Nordstrom war fassungslos, denn sie wusste, was gemeint war. Im schlimmsten Fall könnte Lunge an dieser furchtbaren Lungenentzündung sogar sterben und das machte sie sehr traurig. Schließlich kannte sie Lunge schon ewig, da er als Kind in ihrer alten Wohnsiedlung aufgewachsen war und sogar mit ihrem Sohn gemeinsam gespielt hatte. Sie mochte den armen Delphin schon seit damals, aber nicht einmal ihr Sohn oder ihre Schwiegertochter, die auch in Kindertagen dabei gewesen war, wussten über ihren gelegentlichen Kontakt mit dem exzentrischen Einsiedlerdelphin Bescheid. »Dann kümmere dich gut um deinen Patienten und sag ihm einen schönen Gruß von mir. Ich komme ab jetzt regelmäßig vorbei und wenn du etwas brauchst, dann sag es einfach. Ich bin für euch da«, versprach die Spezialagentin. Andrea war erleichtert, eine so gute Freundin unter den Delphinen zu haben wie Roberta.

    Nachdem sie gegessen hatten, fingen die Besucherinnen ein nettes Gespräch an. »Also, dass wir beide aus der Hauptstadt sind, wisst ihr schon. Aber ich bin nicht einfach nur Gitte, ich bin Ratsfrau Gitte und arbeite für den Hohen Rat der Delphine. Ich bin aber privat hier und helfe meiner Lieblingsnichte eine passende Höhle zu finden«, begann die ältere Delphindame. »Dann kennen sie sicher auch meine Oma, Spezialagentin Nordstrom«, freute sich Roberta. Ignazius lächelte und da das Gespräch wohl für Roberta interessanter werden würde als für ihn, packte er die

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