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DIE ONEDIN-LINIE: ZWEITER BAND - DER REEDER: Die große Seefahrts- und Familien-Saga!
DIE ONEDIN-LINIE: ZWEITER BAND - DER REEDER: Die große Seefahrts- und Familien-Saga!
DIE ONEDIN-LINIE: ZWEITER BAND - DER REEDER: Die große Seefahrts- und Familien-Saga!
eBook362 Seiten4 Stunden

DIE ONEDIN-LINIE: ZWEITER BAND - DER REEDER: Die große Seefahrts- und Familien-Saga!

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Über dieses E-Book

Kapitän James Onedin, ein Mann mit eiserner Tatkraft, plant das Geschäft seines Lebens: Er gibt einen dampfgetriebenen Stahlriesen in Auftrag. Die übereilt geschlossene Ehe seiner Schwester Isabel mit dem wohlhabenden Werftbesitzer und Konstrukteur Elmer Frazer kommt ihm gerade recht. Onedin setzt alles auf eine Karte...

 

Cyril Abraham (* 22. September 1915; † 30. Juli 1979) war ein englischer Schriftsteller und Drehbuchautor. Die BBC-Serie Die Onedin-Linie - von der ARD in den Jahren 1971 bis 1980 ausgestrahlt - gilt als sein bekanntestes Werk. Weitere Berühmtheit erlangte er durch seine Mitwirkung als Autor an der legendären TV-Serie Mit Schirm, Charme und Melone.

Der Reeder spielt in der rauen Welt der Seefahrt: Spannend und lebendig verwoben mit der Familiensaga der Onedins erzählt Cyril Abraham von den letzten Tagen der ruhmreichen Frachtsegler, welche auf den Weltmeeren kreuzten, ehe das neue Zeitalter der dampfbetriebenen Stahlriesen begann.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum26. Sept. 2021
ISBN9783748795766
DIE ONEDIN-LINIE: ZWEITER BAND - DER REEDER: Die große Seefahrts- und Familien-Saga!

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    Buchvorschau

    DIE ONEDIN-LINIE - Cyril Abraham

    Das Buch

    Kapitän James Onedin, ein Mann mit eiserner Tatkraft, plant das Geschäft seines Lebens: Er gibt einen dampfgetriebenen Stahlriesen in Auftrag. Die übereilt geschlossene Ehe seiner Schwester Isabel mit dem wohlhabenden Werftbesitzer und Konstrukteur Elmer Frazer kommt ihm gerade recht. Onedin setzt alles auf eine Karte...

    Cyril Abraham (* 22. September 1915; † 30. Juli 1979) war ein englischer Schriftsteller und Drehbuchautor. Die BBC-Serie Die Onedin-Linie - von der ARD in den Jahren 1971 bis 1980 ausgestrahlt - gilt als sein bekanntestes Werk. Weitere Berühmtheit erlangte er durch seine Mitwirkung als Autor an der legendären TV-Serie Mit Schirm, Charme und Melone.

    Der Reeder spielt in der rauen Welt der Seefahrt: Spannend und lebendig verwoben mit der Familiensaga der Onedins erzählt Cyril Abraham von den letzten Tagen der ruhmreichen Frachtsegler, welche auf den Weltmeeren kreuzten, ehe das neue Zeitalter der dampfbetriebenen Stahlriesen begann.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers.

    DER REEDER

    Erstes Kapitel: Das Gelobte Land

    Die Pampero glitt wie ein grauer Schatten durch den über dem Meer hängenden Frühnebel, während sich Anne, in einen warmen Wollmantel gehüllt, die Augen aus dem Kopfe starrte, um den ersten Anblick Amerikas nicht zu verpassen.

    Sie hatten Lissabon vor achtunddreißig Tagen bei strahlendem Winterwetter verlassen, ein großer weißer Vogel, der seine Schwingen auszubreiten schien, und hatten die Klipperroute in südwestlicher Richtung genommen. Eine breite Wind-Wasserstraße, die sich in großem Bogen quer über den Atlantik zog und die Pampero in eine endlose Wasserwüste führte. Am tiefsten Punkte des Bogens schlug der Wind um und blies von jetzt an stetig aus Südost. Die Segel wurden gebrasst, das Schiff legte sich auf die andere Seite, und der Bug schnitt durch die tiefgrüne See, während sie Kurs auf das Karibische Meer und von dort nach Norden in Richtung auf den kalten Himmel und die schiefergraue See der amerikanischen Küste nahmen.

    Anne fand, dass die Pampero wirklich das schönste Schiff sei, das sie je gesehen hatte.

    Weiß gestrichen, mit der Galionsfigur einer dürftig bekleideten Jungfrau mit langen, wallenden Locken und einer trichterförmigen Muschel, die sie an die Lippen hielt, Zierplanken und Heck reich geschnitzt und teilweise vergoldet, war die Pampero zweihundert Fuß lang und fünfunddreißig Fuß breit, und ihr weithinausragender Bug war scharf wie ein Messer. Die Masten aus gelber Fichte ragten einhundertzwanzig Fuß über die Decks hinauf und trugen die Last von sechsunddreißig Segeln. Eine Riesenwolke schneeweißer Segelleinwand, die das Schiff zügig durch das Wasser trieb und ein langes, schäumendes Kielwasser hinter ihm zurückließ.

    Unter dem Achterdeck lag der Speiseraum; er war die Eleganz par excellence aus prächtigem spanischem Mahagoni, mit Säulen, die mit Gold abgesetzt waren, und einer weiß-goldenen Decke. Ihre eigene Kajüte war ein Traum von verschwenderischem Luxus. Mit weißem Seidenholz getäfelt, einem türkischen Teppich auf dem Boden, Sessel und Sofa mit blauen Samtüberzügen, schweren, mit Plüsch eingefassten Fenstervorhängen und einem Esstisch aus poliertem Nussbaum und Einlegearbeiten aus Perlmutt, war er, fand Anne, ein Raum von unübertrefflicher Pracht, während die Einrichtung ihres Schlafzimmers einem türkischen Sultan alle Ehre gemacht hätte. Sie erinnerte sich, dass sie beim Eintreten das Gefühl gehabt hatte, die Tür zu Aladins Höhle aufzumachen, denn der frühere Besitzer der Pampero, der arme, ertrunkene Narr, Captain Thomas, hatte den Eingang mit Brettern vernagelt und Bibeltexte über den Türstock geschrieben, mit denen der Betrachter ermahnt wurde, dem göttlichen Zorn zu entfliehen und sich vor den Fallstricken des Teufels in acht zu nehmen.

    Die Decke war mit japanischer Ledertapete und die Wände mit Seidenbrokat bezogen. An der Wand stand ein herrliches Himmelbett mit grüner Decke, deren Quasten bis auf den Parkettboden hinunterreichten, der wie Honig glänzte. Da war sogar ein mit Gold verzierter Kleiderschrank aus Ebenholz mit einem großen Kristallspiegel – ein beinahe männlich wirkendes Möbelstück, das missbilligend auf den weiblichen Flitterkram ihres Toilettentisches mit seinem gerafften Volant und den Musselinrüschen herabblickte, die den kleinen Toilettenspiegel mit seinen Schleifen und Putten umgaben.

    Nach der engen Unterbringung auf der Charlotte Rhodes mit ihren schmalen Einzelkojen und niedrigen Deckenbalken, an denen man sich ständig den Kopf anstieß, schien Anne das Leben auf der Pampero wie ein Leben im Paradies zu sein.

    Es gab nur ein einziges Problem. Die Zeit lastete schwer auf ihr. Während James und Mr. Baines nie auch nur einen Augenblick untätig zu sein schienen, kam sie sich wie eine wohlhabende Einsiedlerin mit einer für ihre Bedürfnisse zu großen Dienerschaft vor. Da war Jáo, ihr Steward, der kleine Portugiese mit den gummiartigen Gesichtszügen und hervorquellenden Augen, der ihre Kajüte blitzsauber und wie geleckt hielt, sie ständig bediente und ihr jeden Wunsch von den Augen ablas, bis sie vor lauter Langeweile hätte aufschreien mögen.

    Einmal hatte sie es selbst übernommen, einen gründlichen Frühjahrsputz durchzuführen, und war gerade dabei, im Schlafzimmer das Unterste zuoberst zu kehren, als Jáo eingetreten und, nach einem entsetzten Blick, in Tränen ausgebrochen und zu James geeilt war, um diesen um Gerechtigkeit zu bitten. Was habe er denn für eine unverzeihliche Sünde begangen, hatte er den Himmel gefragt, dass er vor seinen Kameraden so gedemütigt werden müsse? Habe er sich nicht völlig aufgearbeitet? Und der Dame gut gedient? Wenn man mit seiner Arbeit nicht zufrieden sei, sei er bereit, sich an den Daumen aufhängen und sich das Fleisch von den Knochen reißen zu lassen.

    Baines hatte übersetzt.

    »Vielleicht sollten wir ihn beim Wort nehmen«, hatte er gebrummt. »Vielleicht sollten wir ihn das Tauende spüren lassen. Dann wird er ein anderes Lied singen, das garantiere ich.«

    James hatte den Kopf geschüttelt. »Sagen Sie ihm«, hatte er mit ernster Stimme erklärt, »dass es sich Mrs. Onedin zur Gewohnheit macht, gelegentlich die Art und Weise zu überprüfen, wie ihr Dienstpersonal seine Pflichten ausführt. Sollte sie je Grund zur Klage haben, wird er sicher der erste sein, der davon erfährt.«

    Baines hatte eine Sturzflut von unverständlichem Portugiesisch hören lassen, und Jáos Kopf war mit solcher Geschwindigkeit auf- und niedergegangen, dass er Gefahr zu laufen schien, sich von seiner Verankerung loszureißen. Dann hatte er sich tief verneigt und war mit Siegermiene unter Deck gegangen.

    »Armer Mann«, hatte Anne mit einem Anflug von Lächeln gesagt. »So viel Diensteifer ist unglaublich. Er muss uns für Leute der oberen Zehntausend halten.«

    »An Bord sind wir das auch«, hatte ihr James rundweg erklärt. »Und die Erklärung, die ich ihm gegeben habe, ist die einzige, die er begreift. Auf diese Weise wird er letzten Endes allen Anforderungen gerecht werden.«

    Er hatte sich abgewandt und das Thema offensichtlich aus seinen Gedanken verbannt, aber sie hatte deutlich die versteckte Rüge empfunden und später Mr. Baines dazu befragt.

    Sie löste ihr Versprechen ein, ihm das Abc beizubringen, und die tägliche Unterrichtsstunde war geradezu zu einem Ritual geworden. Baines war ein langsamer, aber verbissener Schüler und hatte sich von Die Katze saß auf der Matte bis zu der Stufe hinaufgeschwungen, wo er mit großer Mühe das Gift aus der verschlungenen Prosa der Liverpool Shipping Gazette, einer inzwischen drei Monate alten Nummer, saugen konnte. Baines war das kleine Einmaleins viel lieber gewesen, bis er plötzlich vor der unüberwindlichen Hürde des Elfmalelf stand. Sein Mund ging auf und zu wie bei einem großen Karpfen, der aus dem Wasser aufs Trockene geworfen worden war, und er hatte einen Seufzer der Erleichterung ausgestoßen, als Anne das Thema wechselte.

    »Sehen Sie, Madam«, hatte er erläuternd gemeint, »er musste wahrscheinlich tief in die Tasche greifen, um diesen Job überhaupt zu erhalten.«

    Sie hatte ihn verständnislos angeblickt. »Der Mann musste sich diesen Posten kaufen?«

    »Ein armer Schlucker. Der Chef des Heuerbüros behält einen Teil seiner Heuer ein. Ein Pfund im Monat ist üblich, und zwar in Form einer Schuldverschreibung. Das ist allgemeiner Brauch, Madam, aber Sie sehen jetzt, dass der Mann Angst hat, seine Stellung zu verlieren.«

    Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass solche Praktiken angewandt wurden, und hatte ihrer Meinung mit scharfen Worten Ausdruck verliehen. Wie war es denn möglich, dass der arme Teufel mehr als ein Drittel seiner Heuer an irgendeinen gemeinen, habgierigen Beutelschneider zahlen musste, nur um sich eine so untergeordnete Tätigkeit zu sichern? Eine derartige Ausbeutung menschlicher Einfalt könne nicht geduldet werden, und sie würde bei ihrer Rückkehr nach Lissabon dafür sorgen, dass der Schuft hinter Gitter käme.

    Baines machte ein verlegenes Gesicht. »Die Sache ist die, Madam, Steward des Kapitäns ist ein vielbegehrter Job. Wegen der Nebeneinnahmen, wissen Sie?«

    Sie wusste es nicht.

    »Allerlei aus der Kombüse – er und der Smutje essen beide wie Passagiere. Und dann wird von ihm natürlich nicht verlangt, bei jedem Wetter in die Wanten zu klettern, außer wenn Gefahr im Verzuge ist. Und er hat die erste Wahl bei den abgelegten Sachen des Kapitäns, kümmert sich um die Kleiderkiste und kann am Ende der Reise mit einem dicken Trinkgeld rechnen. Keine Angst, Madam, er macht mehr Geld nebenbei als seine ganze Heuer.«

    Sie hatte gar nicht gewusst, dass eine solche Käuflichkeit an Bord üblich war, und hatte sich bei James darüber beschwert.

    Er hatte die Sache mit einem Achselzucken abgetan. Wie die meisten Kapitäne hasste und verabscheute er die Anwerber, betrachtete sie aber als ein notwendiges Übel. Sie kontrollierten die Dockanlagen in jedem größeren Hafen und verlangten, dass jedes Besatzungsmitglied durch ihre Absteigequartiere gehen müsse, wobei sie einen fetten Profit einstrichen. Sie stellten die Crews bereit und nahmen eine Monatsheuer im Voraus als ihr Honorar in Anspruch.

    »Blutgeld«, meinte James.

    Annes Empörung ging in Verblüffung über. Die Behörden konnten doch sicherlich solchen verbrecherischen Taktiken nicht tatenlos zusehen?

    James hatte säuerlich gelächelt und sie aufgeklärt. Die Anwerber kontrollierten nicht nur die Docks mit Hilfe von Schlägerbanden, sondern besaßen außerdem – er zählte an den Fingern ab – Absteigequartiere, Tanzdielen, Bordelle und Gaststätten. Es war eine Stadt für sich, wo die Werber das Gesetz verkörperten, wo jeder, der nicht dazugehörte, sei er nun Polizist oder Pfarrer, sich bald nach gewaltsamer Entführung an Bord eines Yankee-Clippers wiederfinden würde. »Und Baltimore«, fügte James hinzu, »ist für solche Werber das reinste Paradies. Du wirst es schon sehen.«

    So stand sie auf dem Achterdeck, und die Wintersonne stieg auf und verwandelte den Nebel in einen goldenen Schleier, durch den der monotone Singsang der Handloter wie der unheimliche Klang wesenloser Geister wirkte, die auf ewig dazu verdammt waren, aus den aufsteigenden Dunstschwaden ihren Ruf aus dem Jenseits ertönen zu lassen.

    »Fa-aden – sieben. Fa-aden – acht. Fa-aden... Fa-aden...«

    James trat neben sie. Er räusperte sich und zeigte nach steuerbord.

    Dort verschwanden die Nebelschwaden plötzlich, als habe eine unsichtbare Hand einen dünnen Seidenvorhang beiseitegeschoben. Einen kurzen Augenblick schien die Luft so klar wie Kristall, und Schiffsmasten standen dort so dicht wie ein Zauberwald, der seiner Blätter beraubt und mit dem Netzwerk phantastischer Spinnweben behängt war.

    »Baltimore«, sagte James.

    Sie konnte die Kaianlagen und die hin- und hereilenden Gestalten erkennen. Ein Pferd zog mühsam einen schwerbeladenen Karren. Langgezogene, niedrige Holzschuppen mit Eisbärten und Schneeperücken, dann drei, an eine Hütte sich drängende dunkle Gestalten. Irgendetwas an ihnen erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie schienen kegelförmige Hüte zu tragen und sahen aus der Entfernung wie Gnome aus. Anne griff nach dem Schiffsteleskop.

    Die drei Gestalten traten scharf ins Bild. Sie konnte jede Einzelheit erkennen und glaubte fast, sie mit der ausgestreckten Hand greifen zu können. Es waren Schwarze, jeder mit einem dünnen zerschlissenen Hemd und Baumwollhosen bekleidet. Die kegelförmigen Hüte erwiesen sich als einfache Säcke, die sie sich als Kapuzen über den Kopf gezogen hatten. Sie kauerten im Schneematsch und ließen die Köpfe in verzweifelter Resignation hängen – eine Haltung, die den unglücklichen Menschen auf der ganzen Welt gemein ist.

    Während sie noch durch das Teleskop schaute und dabei das Gefühl hatte, als dränge sie sich in das Leiden anderer ein, erschien in ihrem Blickfeld ein großer Mann mit Biberpelz und Lammfellmütze. Er zog an seiner Zigarre, die er sich zwischen die Lippen geklemmt hatte. Er blieb stehen, warf die Zigarre weg und trieb das Trio mit ein paar gleichgültigen Fußtritten in die Höhe.

    Sie konnte es fast nicht glauben, aber sie sah, dass die Schwarzen an den Händen gefesselt und mit einem langen, um den Hals geschlungenen Strick aneinandergebunden waren.

    Baines wollte gerade nach vorn gehen. Sie hielt ihn am Arm fest.

    »Mr. Baines. Maryland ist doch kein Sklavenstaat?«

    Baines folgte ihrem Blick, nahm das Fernrohr und blickte mit einem Auge hindurch.

    »Nein, Madam, das nicht«, sagte er. »Aber ich halte die Nigger für Ausreißer, die man erwischt hat. Sie versuchen oft, sich bis zu einem Hafen durchzuschlagen, um sich dann als blinde Passagiere auf ein auslaufendes Schiff zu schleichen oder sich anheuern zu lassen – eine echte Chance haben sie nie. Auf ihre Ergreifung ist immer eine hübsche Belohnung ausgesetzt. Der große Kerl dort in dem Pelzmantel ist wahrscheinlich ein Sklavenfänger.« Baines räusperte sich und spuckte über die Reling. »Prämienjäger, könnte man sagen. Bei etwa hundert Dollar pro Kopf kann der Sklavenfang zu einem durchaus einträglichen Geschäft werden. Für den, dem so etwas Spaß macht.« Er räusperte sich wieder und spuckte noch einmal über die Reling.

    »Das ist ein Skandal«, sagte Anne.

    »So ist es, Madam«, erwiderte Baines. »Entschuldigen Sie mich bitte jetzt, Madam.« Er eilte fort, um das Ankern zu beaufsichtigen.

    Anne spähte noch einmal durch das Teleskop. Die Gruppe hatte eine Hausecke erreicht und war stehengeblieben, da sie anscheinend nicht wusste, welche Richtung sie einschlagen sollte. Einer der Neger, ein großer, muskulöser Mann mit langen Bartstoppeln im Gesicht, schien ihr geradewegs in die Augen zu blicken. Seine gebeugten Schultern und der hängende Kopf drückten ein verzweifeltes Verlangen aus. Sicher galt sein unverwandter Blick der trügerischen Freiheit, die ihm der ruhig dem Meer zufließende Strom zu versprechen schien. Aber in dem vergrößerten Ausschnitt des Teleskops schien sich seine Qual ihr, nur ihr, mitteilen zu wollen.

    Der große Mann trieb sie wieder vorwärts, doch da drehte sich das Schiff, und das Klüversegel nahm ihr die Sicht.

    Der Anker löste sich vom Davit und tauchte in die Umarmung der See, und während die Ankerkette durch das Klüsenrohr rasselte, rauschte das Stagsegel herab und gab Anne den Blick auf Baltimore frei.

    Verstreut liegende Holzhäuser zogen sich von den Dockanlagen bis zu den Kirchtürmen und Plätzen und Parks der Monument City hin.

    Dies war Amerika. Das Gelobte Land. Das Land der Freien und die Heimstatt der Tapferen. Die Pampero war am Ziel.

      Zweites Kapitel: Geld stinkt nicht

    In Roberts Laden drängte sich eine dichte Menge säuerlich riechender Menschen. Schottische und irische Auswanderer, die sich die ersparten Gold- und Silberstücke in das Futter ihrer Mäntel eingenäht hatten. Sie scharrten mit den Füßen und gaben dunkle Laute wie eine Rinderherde von sich, während ihre hoffnungsvollen Blicke über die Mehl- und Zwiebackbehälter hinwegglitten, die geöffnet vor ihnen aufgebaut worden waren. Geräucherte Schinken und Speckseiten hingen von den Deckenbalken herab, und Berge getrockneter Erbsen und Linsen türmten sich neben dicken Käserädern. Sarahs Hände flogen wie Windmühlenflügel hin und her, als sie die weiche, gelbe Butter mit dem Formholz zu Kugeln, Würfeln und Riegeln zusammendrückte.

    Es bestand kein Zweifel, dachte Robert, die Abmachung mit Mr. Miles, dem Besitzer des Absteigequartiers, war das beste Geschäft, das er je gemacht hatte. Gegen eine Kommission von fünfzehn Prozent hatte Mr. Miles dafür gesorgt, dass seine Gehilfen die bei ihm Abgestiegenen zu Roberts Laden brachten, wo sie den Proviant für die Überfahrt einkauften.

    »Der nächste«, sagte Robert. Er arbeitete in Hemdsärmeln, und der Schweiß rann ihm über das Gesicht. Seine Füße schmerzten, aber er würde sich später trösten können, wenn der Laden geschlossen und die Einnahmen gezählt werden würden. Silber war der beste Balsam.

    Der Kunde war groß und hatte ein zerfurchtes Gesicht wie roh behauener Stein. Er trug die Überreste eines schottischen Kilts und Plaids, und an dem breiten, abgetragenen Ledergürtel hing ein alter Säbel mit Korbgriff. Er folgte Roberts Blick und berührte den Griff.

    »Er hat meinem Vater gehört«, sagte er in dem weichen, singenden Akzent der Bevölkerung auf den Inseln an der Westküste. »Und seinem Vater vor ihm.«

    »Aha«, sagte Robert kurz, denn er wollte endlich auf das Geschäftliche zu sprechen kommen.

    »Ich bin Dugald McCraig aus Dunvegan, und ich, meine Frau und die Kinder wollen nach Kanada.«

    Die Frau war hager und abgemagert. Die Kinder hingen ihr an den Röcken und blickten aus großen, hungrigen Augen voller Angst auf eine feindselige Welt.

    »Beste Chancen«, sagte Robert knapp. »Beste Chancen.«

    »Der Gentleman meinte, wir sollten am besten hierherkommen, um das Notwendige einzukaufen.«

    »Bester Proviant zu vernünftigen Preisen, gestützt auf jahrelange Erfahrung. Man hätte Ihnen nichts Besseres empfehlen können«, sagte Robert ganz mechanisch. »Sie werden folgendes benötigen...«

    Dugald unterbrach ihn. »Wie ich unterrichtet bin«, sagte er, »ist das Schiff verpflichtet, Lebensmittel in ausreichender Menge für die Dauer der Reise zur Verfügung zu stellen?«

    »Hm«, machte Robert. Er nahm ein Brett in die Hand, auf dem eine gedruckte Liste mit dem Wappen der Regierung Ihrer Majestät befestigt war. Er las den Text rasch herunter: »Jeder erwachsene Passagier ist von Gesetzes wegen berechtigt, jede Woche die folgende Ration zu erhalten: Wasser 25 Liter; Zwieback 2V2 Pfund; Weizenmehl 1 Pfund; Reis 2 Pfund; Hafermehl 5 Pfund; Kartoffeln, falls vorhanden, als Ersatz für oben erwähnten Reis und Hafermehl. Kinder sind in Rationen für Eltern inbegriffen. Damit werden Sie nicht fett, Mr. McCraig.«

    »Wir werden schon nicht verhungern«, sagte Dugald.

    »Eine lange Reise«, entgegnete Robert. »Die Verpflegung an Bord ist nicht von der besten Sorte und oft die Ursache von Skorbut und Typhus. Wenn Sie erst einmal auf See sind, werden Sie Ihren Speisezettel ergänzen müssen – und alle Extras sind an Bord sehr teuer.«

    »Ich hatte«, sagte Dugald, »an ein oder zwei Pfund Speck, ein Dutzend eingelegte Eier und vielleicht einen kleinen Käse gedacht.«

    Robert blickte zum Schlepper von Mr. Miles, einem Mann namens Gruber, hinüber, der an der Tür Wache hielt. Dieser hatte das narbige, brutale Gesicht eines ehemaligen Preisboxers, einen Brustkasten wie ein Fass und Arme von Riesenpolypen. Seine Aufgabe bestand darin, seine Herde zu Roberts Laden zu treiben und sicherzustellen, dass sich niemand aus dem Staube machte oder den Schleppern der Konkurrenz in die Hände fiel. Er entblößte gelbe, zum Teil abgebrochene Zähne und nickte grinsend.

    Robert war befriedigt. Auswanderer waren nach seiner wohlerwogenen Meinung ein faules Pack, dem es ohne die hilfreiche Hand von Männern wie Mr. Miles und ihm selbst nicht einmal gelingen würde, einen Fuß vor den anderen zu setzen, geschweige denn, die gefahrvolle Reise über den stürmischen Atlantik zu überstehen.

    »Mr. Miles hat Ihnen doch eine Liste ausgehändigt«, sagte Robert. Es klang wie eine Feststellung, nicht wie eine Frage. Er hatte sich mit Mr. Miles zur beiderseitigen Zufriedenheit darauf geeinigt, dass jeder Auswanderer die gleiche Proviantaufstellung erhalten sollte. Diese diente einem doppelten Zweck: Einmal verhinderte sie unnötige Streitereien zwischen den beiden Partnern und zum anderen drückte sie die oft absurden Forderungen der Auswanderer auf ein vernünftiges Maß herab.

    »Ja, das stimmt«, erwiderte Dugald und zog ein mehrfach zusammengefaltetes Stück Papier aus dem Plaid hervor. »Ich habe mehrere Posten gestrichen. Ich halte zum Beispiel Tee und Kaffee für einen Luxus, ohne den wir auskommen können, und ich sehe nicht ein, warum wir uns einen Laib Brot kaufen sollten, denn entweder müsste er vor dem Auslaufen des Schiffes gegessen werden, oder er wird hart wie Stein.«

    Das hatte Robert schon oft gehört. Er spießte die Liste auf einen Dorn, bückte sich und holte zwei Weidenkörbe hinter dem Ladentisch hervor.

    »Reedereibestimmungen«, sagte er und warf dem Boxer einen bedeutungsvollen Blick zu. »Jeder Auswanderer hat auf eigene Kosten folgenden zusätzlichen Proviant mit an Bord zu nehmen: 7 Pfund Speck, 12 Pfund Hartkäse, 14 Pfund Trockenerbsen, die gleiche Menge Linsen, 4 Pfund Zwiebeln, 3 Pfund Schmalz, die gleiche Menge Butter, 2 Pfund Tee, die gleiche Menge Kaffee, 6 Pfund Trockenfleisch, 2 Dutzend Kalkeier, 7 Pfund Salz, 4 Unzen Pfeffer, 1 Landbrot, 1 Flasche Leinöl, 1 Schachtel Fieberpillen. Das alles in einem Korb allerbester Qualität. Gesamtpreis drei Sovereigns. Sie werden mir dafür noch dankbar sein, Mr. McCraig.«

    »Sechs Pfund!«

    McCraigs lautstarker Protest übertönte das Stimmengewirr im Laden.

    »Das ist eine Unverschämtheit!«, dröhnte er.

    »Reedereibestimmungen«, sagte Robert, leicht nervös geworden. »Strenge Vorschrift.« Aus dem Augenwinkel heraus sah er, wie sich die massige Gestalt des Schleppers den Weg durch die Menge bahnte. Dann geschah das Unerwartete. Dugald ergriff Robert am Bart und schlug ihm den Kopf auf den Ladentisch.

    »Sie sind ein Lügner und Betrüger«, brüllte Dugald.

    Sarah kreischte auf und schlug mit dem Butterholz wie wild auf den Highlander ein. Die ausgemergelte Frau des Schotten, die ein schrilles, heidnisches Kauderwelsch von sich gab, krallte sich mit aller Kraft an Sarah fest.

    Robert brummte der Schädel, Tränen traten ihm in die Augen, und seine Nase kam ihm wie eine zerquetschte Tomate vor. Dann ließ ihn McCraig, Gott sei Dank, los, und Robert erkannte wie durch einen Vorhang, dass man den Kerl auf die Knie gezwungen hatte und der Boxer mit eisenharten Fäusten wild auf ihn einschlug.

    Sarah schrie: »Der Schurke! Dieser Halbwilde! Schmeißt ihn hinaus, den gemeinen Verbrecher! Hinaus mit ihm! Hinaus!«, kreischte sie. »Ihr alle! Schert euch hinaus!«

    Die übrigen hielten ihre Warenlisten hoch und erklärten lauthals, sie seien zum Einkauf durchaus bereit, während der bewusste Dugald zur Tür geschleppt und in die Gosse geworfen wurde. Seine Frau folgte ihm mit den vor Angst heulenden Kindern laut wehklagend auf die Straße.

    Blut rann aus Roberts Nase und bildete rote Pfützen auf dem Ladentisch. Er griff mit unsicherer Hand an die Beule auf seiner Stirn und beschmierte sich das Gesicht mit der roten Handschrift des Teufels. Ihm war übel, und er hatte das Gefühl, als müsse er sich erbrechen. Diese Leute waren ein ungehobeltes, elendes Volk. Ein ungewaschenes, übelriechendes, gemeines Pack. Blutgierige Teufel, die keinerlei menschliche Rücksicht verdienten.

    »Werft sie hinaus«, sagte er, und seine Stimme klang etwas nasal. »Alle, auch den letzten. Und verriegelt die Tür.«

    Die Leute wichen vor Sarahs wütendem Ansturm zurück, hinaus auf die Straße, wo Dugald McCraig stöhnend auf dem Boden lag, während sich seine Frau vergeblich bemühte, ihm sein zerschundenes Gesicht mit dem Saum ihres Schals sauberzutupfen. Der Wind blies nass und kalt vom Fluss herauf, und Wolkenfetzen flogen wie zerrissene Wimpel über einen allmählich dunkel werdenden Himmel.

    Die Leute standen hilflos in Gruppen auf dem Pflaster herum, traten von einem Fuß auf den anderen und warteten darauf, dass ihnen jemand sagte, was sie jetzt tun sollten.

    Sarah wandte sich an den Schlepper von Mr. Miles.

    »Lassen Sie sie hier warten. Wir machen in einer Stunde wieder auf.«

    Sie stürzte in den Laden zurück, schlug die Tür hinter sich zu und schob den Riegel vor. Ein dreckbeschmiertes, bärtiges Gesicht war undeutlich hinter dem geriffelten Glas zu sehen. Die Lippen verzogen sich über einem lückenhaften Gebiss zu einem gewinnenden Lächeln, und eine grotesk wirkende Hand drückte ein Exemplar der Warenliste gegen die Fensterscheibe.

    Sarah zog mit raschem Griff die Jalousie herunter und drehte sich zu Robert um.

    »Oh, diese Ungeheuer«, sagte sie. »Diese gewissenlosen, hemmungslosen Ungeheuer.«

    Robert hatte den Kopf zurückgelehnt und versuchte, das Blut zu stillen, das ihm unaufhörlich aus der Nase rann.

    »Ich glaube, er hat mir das Nasenbein gebrochen«, sagte er.

    »Du musst dich hinlegen, Liebster«, sagte Sarah. »Ich werde dir eine Essigkompresse richten.«

    Mit dem unsicheren Gang eines Mannes, der sich mit verbundenen Augen vorsichtig vor unsichtbaren Hindernissen in Acht nimmt, ließ sich Robert von ihr in das kleine Wohnzimmer hinter dem Laden führen.

    Er legte sich auf das Sofa und ließ den Kopf über die Lehne herabhängen, während Sarah eiligst Essig und Wasser herbeiholte, und sehnte sich von ganzem Herzen nach dem Tag, da sie eine bessere Sorte von Kunden zu bedienen haben würden.

    Es war Jamesʼ Schuld, dachte er. Nur James war an allem schuld. Die ganzen Schwierigkeiten hatten an dem Tag begonnen, als die Charlotte Rhodes unter Führung eines fremden Kapitäns mit einem ausländisch klingenden Namen und mangelhaften Kenntnissen der englischen Sprache in den Hafen eingelaufen war. Der Mann überbrachte einen Brief, dessen Inhalt Robert jetzt auswendig kannte.

    Er diente zur Einführung von Captain Miguel Esperanzo und wies Robert an, die Crew auszuzahlen, den Wein unter Zollverschluss zu legen und an etwa ein Dutzend Weinhändler zu schreiben, um diese von dem wohlbehaltenen Eintreffen ihrer Ware zu unterrichten. Er sollte außerdem den Verkauf einer Teilladung von 450 Gallonen Terpentin mit einer Gewinnspanne von mindestens zwanzig Prozent übernehmen. Dann sollte er das Schiff neu verproviantieren und unverzüglich vollbeladen wieder auf die Reise schicken. Vergiss nicht, hatte James ermahnend hinzugefügt, dass im Hafen liegende Schiffe nur Geld fressen. Robert hatte es nicht vergessen, denn er wusste nur zu gut, wessen Tasche in Mitleidenschaft gezogen werden würde. Er war aufs höchste aufgebracht, hatte mit den Fäusten auf dem Tisch herumgetrommelt und war voller Zorn durch das Haus gestürmt, den Brief in der Hand, und hatte lautstark seine Ablehnung hinausgebrüllt, bis das Baby aufgewacht war und mit durchdringendem Geschrei Roberts Toben nur noch verstärkt hatte.

    »Das Schiff neu versorgen! Die Crew auszahlen! Hafengebühren! Dockgelder! Der Mann glaubt anscheinend, das Geld liegt auf der Straße. Habe ich die Teilhaberschaft nun aufgelöst oder nicht?«, hatte er Sarah gefragt. »Ich bin für nichts verantwortlich. Ich zahle keinen Penny!«

    Sarah hatte angespannt nachgedacht. »Wenn ein Schiff für James einen Profit abwerfen kann, besteht eigentlich kein Grund, warum nicht auch wir daran verdienen könnten.«

    Robert hatte mürrisch erwidert: »Ich verstehe nichts vom Kauf und Verkauf von Schiffsladungen. Was für Frachtraten soll ich verlangen? Und wie fange ich die Sache an? Soll

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