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DIE ONEDIN-LINIE: VIERTER BAND - DIE PASSATWINDE: Die große Seefahrts- und Familien-Saga!
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DIE ONEDIN-LINIE: VIERTER BAND - DIE PASSATWINDE: Die große Seefahrts- und Familien-Saga!
eBook266 Seiten3 Stunden

DIE ONEDIN-LINIE: VIERTER BAND - DIE PASSATWINDE: Die große Seefahrts- und Familien-Saga!

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Über dieses E-Book

Die ruhmreiche Zeit der Frachtensegler neigt sich dem Ende zu. Auch der tatkräftige Kapitän James Onedin ist mit seinem ersten Dampfschiff auf große Fahrt gegangen. Da trifft ihn ein harter Rückschlag: Mit einer Ladung Eisenerz an Bord gerät er vor dem Ärmelkanal in einen Sturm. Als die Antriebswelle bricht, lässt der Kapitän Segel setzen. Und weil daheim ein Hitzkopf seine Schwester Isabel entführt, steht bei der Verfolgungsjagd quer über den Atlantik erneut für James Onedin alles auf dem Spiel...

 

Cyril Abraham (* 22. September 1915; † 30. Juli 1979) war ein englischer Schriftsteller und Drehbuchautor. Die BBC-Serie Die Onedin-Linie - von der ARD in den Jahren 1971 bis 1980 ausgestrahlt - gilt als sein bekanntestes Werk. Weitere Berühmtheit erlangte er durch seine Mitwirkung als Autor an der legendären TV-Serie Mit Schirm, Charme und Melone.

Die Passatwinde spielt in der rauen Welt der Seefahrt: Spannend und lebendig verwoben mit der Familiensaga der Onedins erzählt Cyril Abraham von den letzten Tagen der ruhmreichen Frachtsegler, welche auf den Weltmeeren kreuzten, ehe das neue Zeitalter der dampfbetriebenen Stahlriesen begann.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum28. Okt. 2021
ISBN9783748797920
DIE ONEDIN-LINIE: VIERTER BAND - DIE PASSATWINDE: Die große Seefahrts- und Familien-Saga!

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    Buchvorschau

    DIE ONEDIN-LINIE - Cyril Abraham

    Das Buch

    Die ruhmreiche Zeit der Frachtensegler neigt sich dem Ende zu. Auch der tatkräftige Kapitän James Onedin ist mit seinem ersten Dampfschiff auf große Fahrt gegangen. Da trifft ihn ein harter Rückschlag: Mit einer Ladung Eisenerz an Bord gerät er vor dem Ärmelkanal in einen Sturm. Als die Antriebswelle bricht, lässt der Kapitän Segel setzen. Und weil daheim ein Hitzkopf seine Schwester Isabel entführt, steht bei der Verfolgungsjagd quer über den Atlantik erneut für James Onedin alles auf dem Spiel...

    Cyril Abraham (* 22. September 1915; † 30. Juli 1979) war ein englischer Schriftsteller und Drehbuchautor. Die BBC-Serie Die Onedin-Linie - von der ARD in den Jahren 1971 bis 1980 ausgestrahlt - gilt als sein bekanntestes Werk. Weitere Berühmtheit erlangte er durch seine Mitwirkung als Autor an der legendären TV-Serie Mit Schirm, Charme und Melone.

    Die Passatwinde spielt in der rauen Welt der Seefahrt: Spannend und lebendig verwoben mit der Familiensaga der Onedins erzählt Cyril Abraham von den letzten Tagen der ruhmreichen Frachtsegler, welche auf den Weltmeeren kreuzten, ehe das neue Zeitalter der dampfbetriebenen Stahlriesen begann.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers.

    DIE PASSATWINDE

    Rückblick: Die Taufe

    »Ich taufe dich auf den Namen Anne Onedin«, erklärte Isabel und fügte atemlos hinzu:

    »Gott schütze alle diejenigen, die auf diesem Schifffahren.«

    Die Flasche schlug gegen den Bug, Champagner schoss schäumend in die Luft, durchnässte ihr fliederfarbenes Kleid mit dem herübergewehten Sprühregen, während die Damen in die Hände klatschten und Jubelrufe ausstießen und die Herren als Ovation ihre Zylinderhüte schwenkten.

    Einen Augenblick stockte das Schiff, als wollte es sich nicht vom sicheren Festland losreißen. Dann erzitterte es und begann, langsam vom Rand der farbenprächtig geschmückten Plattform wegzugleiten.

    Es glitt erst langsam und dann immer schneller werdend die eingefettete Helling hinunter. Die Rednertribüne wurde bis in ihre Grundfesten von einem donnernden Rumpeln erschüttert, und Staubwolken stiegen auf, als sich die starken Zugketten abwickelten und die zunehmende Gleitgeschwindigkeit des Schiffes in Richtung auf das Wasser abbremsten. Einen kurzen Augenblick schien es so, als wolle der riesige Rumpf ins Wasser tauchen und auf den Grund gehen. Dann wurde das Heck von der Wasseroberfläche erfasst; es entstand eine kleine Flutwelle, die eine Anzahl Ruderboote zum Tanzen brachte und die bereitstehenden Schlepper veranlasste, wie in einem Taumel ihre Sirenen ertönen zu lassen.

    Als sich die Anne Onedin in ihrem eigentlichen Element zurechtgefunden hatte, wandte James den mürrischen Blick auf Baines.

    »Sie gehört jetzt Ihnen, Captain«, sagte er, drehte sich um und schritt davon.

      Erstes Kapitel: Das neue Schiff

    Die Anne Onedin lag fauchend und prustend am Kai von Bilbao. Ihre Eisenwände dröhnten unter den Erzmassen, die in die Laderäume geschüttet wurden. Baines stand an die Reling der Brücke gelehnt und sah James an Land gehen. Er verfluchte den Tag, da ihm die Führung eines Dampfschiffes anvertraut worden war. Er hasste das Schiff – das widerwärtige Stampfen der Maschine, das zischende Ausströmen des Dampfes und den durchdringenden Gestank nach Schmierfett und Öl. Vor allem hasste er den schwarzen Qualm, der das ganze Schiff mit klebrigem Ruß überzog und ihm wie ein ekelerregender, heißer Odem ins Gesicht schlug.

    Er wandte den Kopf, als Elmer wie ein Geist der Unterwelt aus dem Maschinenraum auftauchte. Sein Hemd mit den aufgekrempelten Ärmeln war verdreckt, das geschwärzte Gesicht schweißgebadet. Er wischte sich die Hände an einem schmutzigen Lappen ab, sah Baines, winkte fröhlich und kam vergnügt auf die Brücke zu.

    Ganz Nordspanien stöhnte unter einer Hitzewelle. Stickiger roter Staub hing über dem Schiff und verwandelte die Sonnenhitze in eine Backofenglut.

    »Guten Morgen, Captain«, posaunte Elmer gutgelaunt, als sein Kopf über dem Deck erschien. Er kletterte auf die Brücke, zog eine weiche Zigarre aus der Tasche, schob sie sich zwischen die Zähne und hockte sich neben Baines auf die Reling. Mit einer Handbewegung wies er auf den von Bord gehenden James. »Aha, unser Reeder geht wieder einmal an Land.«

    »Geschäftlich«, brummte Baines unwirsch.

    Elmer klopfte sich auf die Taschen, fand eine zerdrückte Streichholzschachtel und zündete sich die Zigarre an. »Annes Tod hat ihm schwer zugesetzt«, meinte er, um vielleicht auf diese Weise ein Gespräch in Gang zu bringen.

    Baines biss ein Stück Kautabak ab und priemte ins Wasser.

    Elmer unternahm einen weiteren Versuch. »Sie ähnelten sich wie ein Ei dem anderen. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand durch den Tod eines geliebten Menschen so hart getroffen worden wäre.«

    »Sie standen sich sehr nahe«, pflichtete Baines bei. »Sehr nahe.«

    »Ein Jammer, dass sie ihm nur eine Tochter geschenkt hat. Ein Sohn hätte seinem Leben einen neuen Sinn verliehen.« Er musste unwillkürlich an den jungen William denken, der jetzt fünf Jahre alt war. So war es – ein Sohn gab jedem Ehrgeiz Ziel und Zweck.

    Baines fühlte sich in seiner Loyalität gekränkt. »Ich glaube, Mr. Onedin weiß genau, was er will«, erklärte er gereizt. Er schob den Kautabak in den anderen Mundwinkel und spie in hohem Bogen bräunlichen Saft auf die zehn Meter unter ihnen liegende Pier.

    Elmer seufzte. Er schien mit seinen Gesprächsangeboten auf taube Ohren zu stoßen. Während der ganzen Seereise hatte James kaum ein Wort gesprochen. Die Mahlzeiten hatte er allein in seiner Kabine eingenommen und war nur dann in Erscheinung getreten, wenn er ruhelos und in Gedanken versunken an Deck auf und ab gewandert war. Auch Baines schien von dem Kommando, das ihm wie eine gebratene Taube in den Schoß gefallen war, nur wenig begeistert zu sein. Elmer hatte den Wink mit dem Zaunpfahl schließlich verstanden und sich in seinen geliebten Maschinenraum zurückgezogen, wo er sich wenigstens mit Mr. Longbotham, dem Chefingenieur, unterhalten konnte. Longbotham war ein Mann aus Lancashire von echtem Schrot und Korn – ein hochgewachsener, schlaksiger Kerl, der seine Ausbildung in den Baumwollspinnereien von Bolton erhalten hatte und dann auf Arbeitssuche nach Liverpool gekommen war.

    Baines hielt den Zeitpunkt für angebracht, das Thema zu wechseln. Er wies mit dem Daumen auf das Erz, das mit lautem Getöse durch die Ladeluken polterte. »Wir werden schlingern wie ein besoffenes Schwein«, prophezeite er.

    »Ich könnte mir keine bessere Ladung wünschen«, sagte Elmer. »Mit ihr können wir das Schiff unter Belastung erproben. Auf der Herfahrt ging alles glatt, wir brauchten nicht das kleinste Segel zu setzen, die Maschine arbeitete einwandfrei, und die Ruderanlage hat sich über Erwarten gut bewährt. Aber auf der Heimreise, finde ich, sollten wir einmal sehen, was aus dem Schiff alles herauszuholen ist.« Er brach ab, als sich Baines von der Reling herunterwuchtete und Elmer mit Blicken ansah, als wolle er sagen: Jetzt ist es aber genug.

    »Stinktier«, knurrte er. »Verdammtes Stinktier!« Dann zog er sich den Gürtel enger und schritt majestätisch in Richtung auf sein Quartier unterhalb der Brücke davon. Elmer sah ihm resigniert nach. Die Heimreise versprach nicht gerade unterhaltsam zu werden.

    Auf der Pier blieb James noch einmal stehen und blickte sich um. Trotz Elmers Protesten hatte er die Anne Onedin als Dreimastbark mit kurzen Masten, Großsegeln, Mars- und Bramsegeln takeln lassen. Sie war ein hässliches Ungetüm von einem Schiff, mit geradem Vordersteven und gewölbtem Achterdeck. Ein hoher, blau-weißer Schornstein, der mittschiffs aus den Aufbauten herausragte, verlieh ihr ein plumpes, klobiges Aussehen; sie wirkte wie ein schwimmendes Lagerhaus mit einem Fabrikschornstein auf dem Dach. Aber man spürte auch einen Anflug urtümlicher Kraft, gebändigt nach dem Willen des Menschen – ein moderner Salamander, im Feuer geboren und aus Eisen geschmiedet.

    Er rief eine wartende Curruaja mit einer ausgemergelten Schindermähre an der Deichsel und einem schläfrigen Kutscher auf dem Bock heran. In radebrechendem Spanisch wies er den Mann an, ihn zum Schiffsmakler Señor Perez zu fahren. Dann ließ er sich in den Sitz fallen und versank in brütendes Schweigen.

    Der Gaul legte sich ins Geschirr und zog langsam an. Er setzte vorsichtig ein Bein vor das andere, als suche er festen Halt unter den Hufen. James versuchte sich zu konzentrieren. Aber wie immer stand die Vergangenheit wie ein bereits halb vergessener Schmerz vor ihm auf, verfolgte ihn bis in den Schlaf oder verzerrte seine Vorstellungen vom Ablauf der Zeit, wenn er das Echo ihrer Stimme zu hören glaubte oder einen flüchtigen Blick auf einen schattenhaften braunen Rock zu erhaschen wähnte, der im selben Augenblick wieder wie ein Phantom aus seinem Gesichtskreis verschwand. In solchen Zeiten war er wie benommen; die Gegenwart bedeutete für ihn nichts anderes als eine Reihe von Augenblicken, die mit Arbeit ausgefüllt werden mussten – die Zukunft eine Reihe von Stufen, über die eine nach der anderen verhandelt werden musste.

    Die Sonnenglut verwandelte den Fluss in gleißendes Gold, und die engen Gassen, die sich durch die von den weißen Mauern zurückgestrahlte Hitze in einen Feuerofen verwandelten, schienen die Luft, die er einatmete, zu verzehren. Der Wagen holperte über das Kopfsteinpflaster und hielt schließlich vor einem in grellem Blau angestrichenen Backsteingebäude.

    Das Kontor drinnen war kühl. Weiße Spitzenvorhänge hielten das helle Licht ab und bewegten sich leise in einer schwachen Brise. Über die niedrige Zimmerdecke huschten wechselnde Schatten.

    Señor Perez begrüßte James mit einer schlaffen, feuchten Hand, betupfte sich die Stirn mit einem riesigen Taschentuch, murmelte die belanglose spanische Phrase: Mein Haus ist Ihr Haus und lud ihn mit einer Handbewegung zum Sitzen ein, während ein Angestellter mit einem Krug Limonensaft und Mineralwasser hereintrat.

    James ließ sich die kühle Flüssigkeit durch die Kehle rinnen und wartete geduldig darauf, dass Señor Perez zur Sache kam. Er hatte eine natürliche Abneigung gegen die spanische Sitte, erst lange Höflichkeitsfloskeln auszutauschen, bevor man auf das Geschäft zu sprechen kam, aber er wusste aus Erfahrung, dass man die Formalitäten nur unnütz verlängerte, wenn man den Redestrom unterbrach. Deshalb hörte er dem Makler nur mit halbem Ohr zu, als sich dieser über das Wetter, den Stand der Ernte, die Unverschämtheit der Domestiken und die Armut Spaniens im Vergleich zu dem Reichtum Englands ausließ; und wenn Señor Onedin, meinte er, sich den Wünschen seiner Geschäftspartner, die so arm wie Kirchenmäuse seien, aufgeschlossen zeigen könnte, wäre er eventuell in der Lage, einen Vertrag auszuhandeln, demzufolge die Schiffe des Señor Onedin regelmäßig Ladungen mit Eisenerz befördern könnten.

    An diesem Punkt erwachte James aus seinen Träumen und rüstete sich für ein hartes Feilschen. Perez war, so wie er ihn kannte, ein schlauer Fuchs und wollte sich offenbar eine fette Provision von beiden Vertragspartnern sichern. James wollte die höchstmöglichen Frachtraten, einen Zwölf-Monats-Vertrag mit Verlängerungsmöglichkeit und keine Klauseln über Konventionalstrafen. Die Spielregeln lagen ebenso fest wie beim Schach. Wie immer trafen sie sich in der Mitte und gaben sich darauf die Hand.

    »Da ist noch eine winzige Kleinigkeit, Señor.« Perez sah James strahlend an und breitete die Arme aus wie jemand, der dem anderen ein Geschenk machen will. »Ich habe außerdem Vorkehrungen getroffen, dass eine Anzahl von Passagieren Sie nach England begleiten wird.«

    Bei dieser Aussicht fühlte sich James gar nicht wohl. Passagiere waren bestenfalls ein notwendiges Übel. Sie aßen zu viel, tranken zu viel, störten die eingelaufene Routine an Bord und stellten ihn und Baines außerdem vor gewisse gesellschaftliche Verpflichtungen. Andererseits brachten sie gutes Geld, und die Anne Onedin war eigens zur Unterbringung von 25 Passagieren gebaut worden. Er nahm die dargebotene Liste und steckte sie sich in die Tasche.

    »Ich möchte Sie darum bitten, Ihre besondere Aufmerksamkeit Señor und Señora Bidolfo angedeihen zu lassen«, fuhr Perez fort. »Señor Bidolfo ist eine besonders einflussreiche Persönlichkeit. Er hatte erst kürzlich die Ehre, bei Seiner Exzellenz, dem Gouverneur, zu Tisch geladen zu sein. Er zahlt zehn englische Pfund in Gold, um in Ihrer besten Kabine Unterkunft zu finden.« Wieder breitete er die Arme aus. »Ich persönlich habe die Anne Onedin empfohlen, weil sie das großartigste Schiff sei, das je den Hafen von Bilbao verlassen habe.«

    James machte gute Miene zum bösen Spiel, nörgelte noch an einigen Vertragspunkten herum, verabschiedete sich und machte sich auf die Rückfahrt zum Schiff.

    Bidolfo, dachte er, als der Wagen über das holprige Kopfsteinpflaster rumpelte. Bidolfo klang wie ein hochnäsiger spanischer Grande, der eine sauertöpfische Tochter auf eine Bildungsreise nach England mitnahm. Er würde es so einrichten, dass sich hauptsächlich Baines um die Betreuung kümmern würde, denn dieser sprach schließlich die barbarische Sprache wie ein Einheimischer, und es gehörte nun einmal zu den Pflichten des Kapitäns, seinen Tisch mit den besseren Passagieren zu teilen. Bei diesem Gedanken fühlte sich James bereits wesentlich wohler. Mit etwas Glück sollte es ihm nicht nur gelingen, den Passagieren aus dem Wege zu gehen, sondern auch vorübergehend die Führung des Schiffes zu übernehmen, ohne Baines in seiner Empfindlichkeit zu verletzen. Das Verhältnis zwischen Reeder und Kapitän an Bord desselben Schiffes verlangte naturgemäß einen gewissen Takt, und aus diesem Grund hatte sich James bisher zurückgehalten und geweigert, mit guten Ratschlägen einzuspringen. Ebenso hatte er sich aus den bitteren Auseinandersetzungen zwischen Baines und Elmer herausgehalten; Elmer verlangte einen längeren Test für seine Maschine bei höchster Umdrehungszahl ohne Rücksicht auf Wind und Wetter, während Baines dafür eintrat, die Segel setzen zu dürfen. James hatte den Mund gehalten, im Stillen die Einsparungen an Kohle überschlagen und sich mit der Rolle des Zuschauers begnügt.

    Er bezahlte den Kutscher, duckte sich unter einem Korb mit Erzen hindurch, der am Ladebaum hing, ging an Bord und begab sich in den Salon. Das Hämmern der Dampfwinden noch in den Ohren, trat er über die Schwelle in den schwach beleuchteten Raum und fiel prompt über eine kleine Kiste. Laut fluchend rieb er sich das angeschlagene Schienbein. Er hatte gerade ein erlesenes Schimpfwort auf der Zunge, da brach er ab, denn dicht vor seinem Gesicht sah er plötzlich ein besorgt dreinblickendes braunes Augenpaar.

    Die Erscheinung trug eine von einem hohen Kamm an kastanienbraunen Haaren herabhängende Mantilla aus weißer Spitze und ein weißes Musselinkleid mit Rüschen und Volants, das bis zu den winzigen Satinschuhen herabfiel. Sie hatte ein spitzes, elfenhaftes Gesicht mit einem breiten Mund, der zwei Reihen ebenmäßiger, weißer Zähne erkennen ließ. Sie wirkte zart und fast zerbrechlich. James hielt sie für kaum älter als siebzehn Jahre, und nach ihrem tiefgoldenen Teint zu schließen, musste sie die Bidolfo-Tochter sein.

    Er neigte den Kopf und fragte in gebrochenem Spanisch: »Señorita Bidolfo?«

    Sie verzog den Mund zu einem schalkhaften Lächeln und hielt ihm eine schmale Hand hin. »Con mucho gusto, Señor.«

    James nahm die dargebotene Hand und wollte sie gerade kräftig schütteln, als ihm einfiel, dass sicher eine andere Form der Begrüßung von ihm erwartet wurde. Er verneigte sich, verfluchte im Stillen das ausländische Getue und nannte seinen Namen. »Ich heiße Onedin«, sagte er. »O-nee-din.«

    »Nodeeyon?«, wiederholte sie verständnislos.

    »O-nee-din«, korrigierte er. Er sprach jede Silbe laut und deutlich aus, als rede er mit einem Schwerhörigen.

    »Oni-o-din«, rief sie entzückt aus. »Señor Soni-o-din, no es verdad?«

    »Jetzt reicht’s«, brummte James mürrisch. Seine Augen hatten sich allmählich an die Dunkelheit gewöhnt. Er sah, dass der ganze Salon mit Gepäckstücken angefüllt war: ein großer Überseekoffer, zwei Kisten, eine lederne Reisetasche, zahlreiche Handkoffer und ein Berg von Hutschachteln türmten sich auf dem Fußboden in einer Unordnung, die sein Seemannsauge beleidigte.

    »Ich werde dafür sorgen, dass Ihr Gepäck in Ihren Kabinen verstaut wird«, erklärte er und wandte sich zum Gehen.

    Sie führte einen Finger an das Kinn und neigte den Kopf auf die Seite. »Que dice?«

    Er streckte beide Hände aus und machte eine beruhigende Geste. »Momento. Warten Sie – hier – aqui?«

    »Que pasa, Leonora?«

    Die Stimme kam vom Eingang, und ein Schatten trat in den gelblichen Lichtschein, der durch eines der geschlossenen Bullaugen hereinfiel. Es war ein hochgewachsener Mann mit schmalen Lippen und kalten Augen in einem blutleeren Gesicht, und als er weitersprach, geschah es in dem unverkennbaren Akzent von Lancashire. Er bot eine Hand, die so weiß und schlaff war wie ein toter Fisch.

    »Ich heiße Biddulph. Wie ich sehe, machen Sie sich gerade mit meiner Tochter bekannt. Dann sind Sie wohl Onedin, oder?«

    »Allerdings«, sagte James und übersah die Hand. »Vielleicht sind Sie so freundlich, Miss Biddulph zu erklären, dass sich die Passagiere in ihren Kabinen aufzuhalten haben, bis das Schiff mit der Übernahme der Ladung fertig ist.«

    »Erklären?« Einen Augenblick schien der Mann verblüfft, dann weiteten sich die hageren Züge des Bankiers zu einem nachsichtigen, väterlichen Lächeln. »Ich fürchte, Leonora hat Sie an der Nase herumgeführt, Mr. Onedin. Spanisch ist ihre zweite Sprache.«

    Die braunen Augen nahmen einen zerknirschten Ausdruck an. »Verzeihen Sie mir bitte, Mr. Onedin«, sagte sie. »Aber ich konnte der Versuchung nicht widerstehen. Alles war so komisch.«

    Auf andere hätte der Vorfall vielleicht belustigend gewirkt; sie hätten die Lage womöglich irgendwie genutzt, aber James gehörte nicht zu diesen Menschen. Er schluckte seinen Zorn hinunter und sagte in kühlem Ton zu ihrem Vater: »Würden Sie das bitte Ihrer Tochter klarmachen, dass ein Schiff kein Kindergarten ist und dass den Befehlen der Offiziere stets Folge geleistet werden muss.« Er drehte sich auf dem Absatz um und schritt so würdevoll, wie er konnte, davon. Ihm folgte ein halb unterdrücktes weibliches Lachen.

    Drei Tage danach glitt die Anne Onedin den Nervion hinab, während ein aprikosenfarbener Himmel das Erwachen des neuen Tages ankündigte. Das Schiff ließ die kahlen spanischen Bergzüge hinter sich und traf auf die ersten Sturzseen der Biskaya. Seine Schraube pflügte die See und hinterließ ein wirbelndes Kielwasser. Die lange Heimreise nach Ushant hatte begonnen.

      Zweites Kapitel: Das Vermächtnis

    Die Hitzewelle, die Spanien heimsuchte, erstreckte sich mit ihren Ausläufern bis hinauf nach Schottland und tauchte die kühle Hügellandschaft Englands in ein Meer gleißenden Lichts. In den Städten brütete eine Atmosphäre, die fast unerträglich geworden war. Die Einwohner litten unter der Hitze im Freien ebenso wie in ihren Häusern. Pferde brachen in der Deichsel zusammen, der Strom floss träge wie Öl dahin, und die Segelschiffe lagen mit schlapper Takelage regungslos vor Anker. Nur die Dampffähren pendelten geräuschvoll von Ufer zu Ufer, und schwerbeladene Dampfschiffe ließen triumphierend ihre dunklen Sirenen ertönen.

    Kein Wölkchen stand am lichtblauen Himmel, als Isabel mit William im Park spazieren ging. Das Kind trug einen Matrosenanzug aus Samt und schien die drückende Hitze gar nicht zu spüren. Es lief auf seinen kleinen Beinchen voraus und scheuchte eine schläfrige Taube auf, kehrte dann aber gehorsam zu seiner Mutter zurück.

    Sie wanderten Hand in Hand auf dem schattigen Weg dahin, blieben an dem Teich stehen, um

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