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Conquered – Die Verlobung: Ein erotischer Liebesroman
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eBook319 Seiten

Conquered – Die Verlobung: Ein erotischer Liebesroman

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Über dieses E-Book

Ein schüchternes Mädchen. Ein attraktiver Baron. Eine laue Sommernacht in Italien. Der Beginn eines wunderschönen Märchens?

Als Florentina in der Toskana auf den verführerischen Elias von Kruchthal trifft und einen unvergesslichen Abend mit ihm erlebt, sieht es fast danach aus. Auch wenn sie – erschrocken von der Intensität ihrer Gefühle – am nächsten Tag Hals über Kopf abreist.
Doch der Baron lässt nicht locker und taucht schon bald bei ihr zu Hause auf. Nur leider nicht, um Florentina seine unsterbliche Liebe zu gestehen. Stattdessen schlägt er ihr eine ungewöhnliche Geschäftsbeziehung vor.
Auch wenn Florentina dringend Geld braucht, kann sie sich wirklich darauf einlassen? Oder wird diese Abmachung ihr Herz ernsthaft in Gefahr bringen? Denn Elias scheint mehr als ein Geheimnis vor ihr zu verbergen…

»Conquered – Die Verlobung« ist ein in sich abgeschlossener, erotischer Liebesroman mit eindeutigen Szenen, einer romantischen Handlung und einem Hauch SM.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum25. Juni 2019
ISBN9783739699004
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    Buchvorschau

    Conquered – Die Verlobung - Adina Pion

    Prolog

    »Keine Angst, Jasmin, ich lasse dich nicht aus den Augen.«

    Keine Angst! Das sagt sich so leicht. Niemals hätte sie zugestimmt, ihn zu begleiten, wenn sie geahnt hätte, welche Art von Ball es war, den sie besuchen würden. Auf dem sie auch noch die Aufmerksamkeit eines bestimmten Mannes auf sich ziehen sollte. Doch im Augenblick konnte Jasmin sich nicht mal vorstellen, sich unter die Menschen zu mischen, die sich an diesem Abend in der Villa Briscola eingefunden hatten. Hier, in der hintersten Ecke des Saals, fühlte sie sich einigermaßen sicher. Vorsichtig linste sie um eine Säule herum, die bisher hervorragend verhindert hatte, dass irgendjemand Notiz von ihr nahm.

    Der Saal war gut besucht. Musik, dunkel und geheimnisvoll wie das Raunen eines herannahenden Sturmes, untermalte die unwirkliche Szene vor ihren Augen. Es roch nach schwerem Parfüm und es war warm, geradezu unangenehm heiß. Täuschend echte Kerzenleuchter spendeten düsteres Licht. Leider war es bei Weitem nicht so dunkel, dass sie nicht allerlei beunruhigende Details bemerken würde.

    Es waren nicht die kunstvollen Masken, hinter denen die Gäste – ebenso wie sie selbst – einen Teil ihres Gesichtes verborgen hatten, die ihr Angst machten. Auch die Kostümierungen waren nicht der Grund für das wachsende Grummeln in ihrem Magen, obwohl die meisten Kleidungsstücke wohl kaum in der Standardausstattung eines Kostümverleihs für den Karneval zu finden waren. Dazu gewährten sie zu viele Einblicke an den ungewöhnlichsten Stellen.

    Nein, für die beklemmende Enge in ihrer Brust, die ihr das Atmen zunehmend schwerer machte, waren die Accessoires verantwortlich, welche die Gäste mit sich führten.

    Handschellen. Halsbänder mit großen Ringen daran. Fesseln, die sich kunstvoll um die Körper ihrer Träger schlangen. Kurze Gerten und Peitschen steckten ganz selbstverständlich in breiten Gürteln oder lagen lässig wie ein Spazierstock in der Hand ihres Besitzers. Es sah überhaupt nicht danach aus, als seien diese Dinge nur schmückender Teil der Maskerade. Wo war sie hier nur hineingeraten?

    »Denk daran, es ist leicht verdientes Geld«, raunte Jasmins Begleiter ihr ins Ohr.

    Ja, das Geld konnte sie wirklich gut gebrauchen. Aber konnte er sie ernsthaft vor diesen düsteren Gestalten hier beschützen? Unsicher wandte Jasmin sich zu ihm um. Seine Verkleidung, ein viel zu weites Harlekinkostüm, trug nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei. Weshalb er wohl so ein unattraktives Gewand gewählt hatte?

    »Wenn der Plan nun nicht gelingt?«, fragte Jasmin nervös. »Was, wenn er mich gar nicht anziehend findet?«

    »Keine Sorge, du hast alles, was ihn interessiert. Denk nur daran, rechtzeitig zu verschwinden, bevor er dich ansprechen kann. Die Verhandlung übernehme ich.«

    Sie nickte. Vielleicht kam sie wirklich am einfachsten wieder hier heraus, indem sie genau das tat, was sie zuvor besprochen hatten. Jasmin richtete ihren Blick auf die Flügeltüren am Eingang. Die just in diesem Augenblick von zwei Bediensteten geöffnet wurden.

    Einen Moment blieb ihr die Luft weg, als ein Mann mit langen, selbstsicheren Schritten den Saal betrat. Das musste er sein, kein Zweifel. Obwohl sie nach der Beschreibung ihres Begleiters nicht erwartet hatte, dass er so attraktiv sein würde.

    Wie die meisten Gäste trug er schwarz, und es stand ihm ausgezeichnet. Schmale Hüften, eine breite Brust und Schultern, die wie gemacht schienen, sich an ihnen anzulehnen. Die auffälligen, blonden Haare trug er ein klein wenig zu lang, was ihm einen verwegenen Touch verlieh. Doch vor allem glaubte sie, selbst über die Entfernung hinweg, die Präsenz zu spüren, die von ihm ausging. Das Kribbeln in ihrem Magen verstärkte sich.

    »Das ist er. Los, geh schon!«

    Ihr Begleiter versetzte ihr einen Schubs. Jasmin stolperte, dennoch gelang es ihr kaum, die Augen von der Gestalt am anderen Ende des Raumes abzuwenden.

    Zögernd setzte sie sich schließlich in Bewegung. Dabei war sie felsenfest davon überzeugt, dass ihr Plan zum Scheitern verurteilt war. Niemals würde dieser Mann Interesse an ihr zeigen. Dennoch schlotterten ihr die Knie bei der Vorstellung, dass sein Blick auf sie fallen könnte, während sie den Saal durchquerte.

    ***

    Endlich. Elias spürte, wie die Anspannung von ihm abfiel, als er den Ballsaal betrat. Er hätte gleich nach der Konferenz hierherkommen sollen. Stattdessen hatte er sich mit Ian verquatscht. Als ob sein Freund sich dazu überreden lassen würde, mal wieder mit hierherzukommen. Aber Elias wollte es einfach nicht wahrhaben, dass Ian nun in festen Händen war.

    Hoffentlich würde dieser Ausflug dazu beitragen, Ians Gesülze wieder aus dem Kopf zu bekommen. Alice hier und Alice da, war sein Freund denn verrückt geworden? Klar, Alice sah scharf aus, war kein naives Dummchen und legte genau jenes Maß an Widerspenstigkeit an den Tag, das einen Mann wie Ian dauerhaft reizen konnte.

    Er selbst bevorzugte seine Partnerinnen etwas devoter und anschmiegsamer. Aber das war ja Ians Sache. Der Aufstand, den sein Freund um Alice machte, war auf jeden Fall ziemlich übertrieben. Hatte Ian wirklich das Wort Liebe in den Mund genommen?! Na, so weit würde es bei ihm jedenfalls nie kommen.

    Deshalb kam er so gerne hierher. Es sollte ein Leichtes sein, eine Frau zu finden, die eine Herausforderung für ihn darstellte – der er sich genau bis zum Morgengrauen stellen würde. Eine heiße Nacht, die seiner Partnerin garantiert noch eine Weile in Erinnerung bleiben würde, mehr nicht. Nach einer längerfristigen Bindung stand ihm derzeit nicht der Sinn. Wenn, dann hätte eine solche Beziehung allerdings wenig mit jener zu tun, wie Ian und Alice sie führten.

    »Herr?«

    Eine zierliche Blonde trat auf ihn zu, den Blick demütig auf den Boden gerichtet. Er hörte die Sehnsucht in ihrer Stimme. Sie war nicht unattraktiv, das konnte er dank ihres halb durchsichtigen Kleidchens problemlos erkennen. Zudem drückte ihr ganzer Körper ihre Bereitschaft aus, sich ihm bereitwillig zu Füßen zu werfen, begierig darauf, alles zu tun, was er verlangte.

    »Ein anderes Mal vielleicht«, sagte er knapp.

    »Danke«, hauchte sie leise und zog sich sofort zurück.

    Wie er es sich schon gedacht hatte, musste sie bereits über einige Erfahrungen verfügen, wusste genau, wie sie sich zu verhalten hatte. Aber gerade deshalb interessierte ihn die kleine Blonde nicht. Vielleicht wäre eine Anfängerin heute das Richtige für ihn, eine, die das erste Mal die süße Lust der Unterwerfung kosten wollte?

    Elias beschloss, es sich zunächst an der Bar bequem zu machen, bis Madame Fournier sich die Ehre gab. Die Besitzerin der Villa hatte bereits häufiger ihr gutes Gespür bewiesen und ihm genau die richtige Frau für die Nacht empfohlen.

    Doch so weit kam er gar nicht. Während er sich noch anschickte, den Raum zu durchqueren, sah er sie auch schon. Eine hochgewachsene, schlanke Frau in einem bodenlangen, schwarzen Kleid. Der weite Rock umspielte ihre Beine, doch die Taille war derartig eng in ein Korsett geschnürt, dass Elias meinte, sie mit den Händen umfassen zu können. Dunkle Locken fielen über ihr Dekolleté und verhüllten den Blick auf ihre Brüste. Im völligen Kontrast dazu trug sie eine weiße Maske, besetzt mit glitzernden Steinen.

    Mit kleinen Schritten bewegte sie sich am Rande der versammelten Gäste entlang. Ihre Figur, ihre graziöse und doch unsichere Haltung – all dies faszinierte Elias. Die Frau strahlte genau das aus, was er heute unbewusst gesucht hatte. Sie wollte er in dieser Nacht besitzen und keine andere. Er änderte die Richtung, strebte auf sie zu, doch ehe er sie erreichte, verschwand sie in einem der Boudoirs, die den Damen hier zur Verfügung standen.

    Elias fluchte unterdrückt. Sollte er sich jetzt etwa wie ein Schuljunge vor den Toiletten herumdrücken, bis sie wieder herauskam? Andererseits hatte er auch keine Lust, sich die Lady von jemand anderem wegschnappen zu lassen.

    »Die Schwarze Witwe gefällt Ihnen, ja?«

    Elias drehte sich um und sah sich einem Mann gegenüber, dessen Harlekinkostüm recht unvorteilhaft um seine dürre Gestalt schlackerte.

    »Und Sie sind?«, fragte er hochmütig.

    »Ich bin der Gehilfe der Dame – derjenige, der ihr helfen soll, einen Mann für die Nacht zu finden.«

    Verschwörerisch neigte sich der Harlekin ihm zu und Elias hatte Mühe, vor dem starken Geruch nach Mottenkugeln nicht zurückzuweichen. Wo hatte diese komische Gestalt bloß das Kostüm aufgetrieben?

    »So jung und schon Witwe«, raunte der Harlekin, »das hat ihr nicht gutgetan. Sie ist ein richtiges Biest geworden, hochmütig und gemein. Mir scheint, Sie wären ein Mann, wie sie ihn braucht. Sicher sind Sie in der Lage, sie zu zähmen? Sie ahnen ja nicht, wie dringend sie eine starke Hand benötigt, einen Mann, dem sie sich unterordnen kann! Sie müssen sie schon hart anpacken – sicher kein Problem für einen Mann wie Sie? Versprechen Sie mir, die Schwarze Witwe nicht zu schonen, dann wäre es mir eine Ehre, ein Treffen zu arrangieren. Sofort, als Sie den Saal betreten haben, war ich mir sicher, dass Sie der Richtige für diese Aufgabe sind. Wie lässig Sie diese kleine, blonde Schlampe abgefertigt haben! Ich wäre nur zu erfreut, die Schwarze Witwe in Ihre erfahrenen Hände zu geben.«

    So, so. Dieser Gehilfe schien ja ganz genaue Vorstellungen zu haben, was die Lady brauchte. Was für ein widerlicher, schleimiger Kerl! Elias’ Eindruck war nach dem kurzen Blick, den er auf die Frau geworfen hatte, ein ganz anderer gewesen. Zu gerne wollte er sich selbst ein Bild von der Dame und ihren Bedürfnissen machen. Aber der Weg zu einer Session führte offenbar über diesen seltsamen Gesellen. Ganz gleich, ob er fand, dass dieser seinen delikaten Auftrag mehr als schlecht erledigte. Abschätzig musterte er den Harlekin und blieb eine Antwort erst mal schuldig.

    Zufrieden sah er, wie sich kleine Schweißperlen auf der Stirn seines Gegenübers bildeten und über das weiß geschminkte Gesicht liefen, je länger die Stille zwischen ihnen andauerte. Als der Kerl schließlich begann, unruhig von einem Fuß auf den anderen zu treten, brach Elias das Schweigen.

    »Ich wäre interessiert«, sagte er und registrierte zufrieden, wie uninteressiert er dabei klang.

    »Ah!« Erleichtert atmete der Harlekin auf. »Ich werde die Schwarze Witwe in eines der diskreten Separees bringen. Bitte warten Sie an der Bar auf mich, ich werde Sie holen, wenn die Dame bereit ist.«

    »Fünf Minuten«, bestimmte Elias knapp. »Ansonsten werde ich mich anderweitig umsehen.«

    »Aber natürlich! Ganz wie Sie wünschen«, schmeichelte der Harlekin und eilte sofort davon.

    Elias grinste. Lässig schlenderte er zur Bar und genehmigte sich erst mal einen Scotch. Nach exakt vier Minuten und zehn Sekunden tauchte der Harlekin wieder neben ihm auf.

    »Es ist alles bereit, sie erwartet Sie in Zimmer sieben.«

    Wunderbar. Das würde sicher eine unvergessliche Nacht werden, ganz gleich, was genau dort geschehen würde. Was der Gehilfe der Lady wohl erzählt hatte, um sie so rasch in eines der Zimmer in den oberen Stockwerken zu locken?

    Elias erhob sich und machte sich auf den Weg nach oben. Nummer sieben lag am Ende des langen Korridors im ersten Stock. Ein dicker, roter Teppich dämpfte ihre Schritte, dennoch verriet der Geruch nach Mottenkugeln Elias, dass der Harlekin immer noch dicht hinter ihm war.

    Endlich hatten sie das Ende des Ganges erreicht, schwungvoll riss Elias die Tür auf und machte zwei Schritte in den Raum hinein.

    Mit allem Möglichen hatte er gerechnet, aber damit nicht: Das Zimmer war leer.

    Er fuhr herum. Hinter ihm schloss der Harlekin gerade sorgfältig die Zimmertür.

    »Da wir nun allein sind, Baron von Kruchthal, können wir uns mal ganz in Ruhe unterhalten.« Der unterwürfige Ton in der Stimme war völlig verschwunden. »Ich weiß, wo sich gewisse Dokumente befinden. Schon bald werde ich Zugriff darauf haben. Es wäre ziemlich peinlich für Sie, wenn diese an die Öffentlichkeit gelangten, nicht wahr? Also dachte ich mir, gebe ich dem Herrn Baron doch die Möglichkeit, wenigstens einen Teil seines guten Namens zu retten.«

    So war das also.

    Elias nickte. Er brauchte nicht zu fragen, um welche Papiere es sich handelte. Sah ganz so aus, als müsse er das Versprechen, das er seiner Großmutter auf deren Sterbebett gegeben hatte, doch noch einlösen.

    Allerdings musste schon ein bisschen mehr passieren, bevor er sich von so einer windigen Gestalt erpressen ließ. Zunächst musste er Lorenzo darauf ansetzen, alles herauszufinden, was es über Florentina Brunelli zu wissen gab. Und dann würde man ja sehen, wer am Ende die Dokumente, welche die Schande seiner Familie offenbarten, in der Hand hielt.

    Eins

    »Lotti?«

    Mein Klopfen an Lottis Schlafzimmer bleibt unbeantwortet, also öffne ich vorsichtig die Tür.

    »Bist du dann so weit … ?« Ich entdecke sie vor einem bodentiefen Spiegel. »Lotti, das kannst du unmöglich anlassen!«

    »Wie kommst du darauf, Flora? Ich finde, ich sehe hervorragend aus.«

    Das stimmt sogar, wenn man es objektiv betrachtet. Zwar machen die graue Bundfaltenhose, das klassische Twinset und die unechte Perlenkette um den schlanken Hals Lotti vielleicht ein paar Jahre älter als die fünfzig, die sie tatsächlich ist. Aber das wäre ja nicht weiter dramatisch. Das Problem ist, dass eine adrette, biedere Erscheinung das Letzte ist, das unsere Feriengäste erwarten.

    »Die Bradleys müssen jeden Moment ankommen«, erinnere ich Lotti. »Die rechnen mit einer extravaganten Gräfin und nicht mit einer hausbackenen Landfrau.«

    »Gäste kommen?«, entgegnet Lotti, als hätte sie noch nie davon gehört. »Wie schön! Solltest du dich da nicht umziehen, Flora? Und deine schönen Haare! Hast du sie schon wieder ein Stück abgeschnitten? Dieser komische Zopf, den du dir da gemacht hast, sieht aus wie ein Rasierpinsel!«

    Als ob mein langweiliger, brauner Schopf von Bedeutung wäre.

    »Wie ich aussehe, ist doch völlig egal.«

    Schließlich gebe ich in unserer Inszenierung die arme Verwandte, die als Waisenkind nach dem Tod der Eltern von der Gräfin aus purer Barmherzigkeit aufgenommen wurde. Was immerhin annähernd der Wahrheit entspricht. Eine verrückte Adelige, ein kleiner Schuss Familientragödie, dann noch das verwitterte Gemäuer, in dem wir hausen – das reicht in der Regel, um den amerikanischen Gästen einen unvergesslichen Aufenthalt in unserer kleinen Ferienwohnung zu bescheren. Nur dass Lieselotte Gräfin von Aychersee heute scheinbar nicht mitspielen will.

    Dabei empfängt sie sonst doch auch selten jemand so gekleidet, wie man es landläufig als angemessen bezeichnen würde. Der Dorfpolizist sah sich erst vor Kurzem einer Lotti in einem rosa schimmernden Nachthemd gegenüber – der arme Mann wusste gar nicht, wo er hinsehen sollte. Glücklicherweise hat er darüber auch den Strafzettel für falsches Parken vergessen, dessen Bezahlung nun schon seit einigen Monaten aussteht.

    Inwieweit Lotti das absichtlich macht, kann ich wirklich nicht sagen. Allerdings erreicht man erfahrungsgemäß gar nichts, wenn man sie unter Druck setzt.

    »Weißt du was, wenn du dich so wohlfühlst, dann bleibst du einfach so. Ich kontrolliere noch mal schnell, ob in der Ferienwohnung alles in Ordnung ist. Sobald du einen Wagen hörst, kannst du ja herunterkommen, ja?«

    »Na gut«, meint Lotti und zieht einen Schmollmund.

    Ich seufze. Mitunter wäre mein Leben um einiges unkomplizierter, wenn sich die Cousine meiner verstorbenen Mutter nicht wie ein kleines Kind benehmen würde. Aber ich kann sie auch irgendwie verstehen. Manchmal ist es eben leichter, die Realität einfach links liegen zu lassen.

    In der Ferienwohnung stelle ich erfreut fest, dass Hilde – unsere Haushaltshilfe – alles perfekt vorbereitet hat. Was auch gut ist, schließlich höre ich in diesem Moment bereits das Brummen eines schweren Motors. Rasch laufe ich nach unten und mühe mich mit dem klobigen Eingangstor ab. Normalerweise benutzen wir die Küchentüre, die ist entschieden praktischer. Aber das ist natürlich nicht das Richtige für die Amerikaner. Zum Glück schaffe ich es genau in dem Moment, als der Wagen vor dem Eingang hält, die quietschenden Türflügel zu öffnen.

    Du lieber Himmel, unsere Gäste haben tatsächlich das Kunststück fertiggebracht, als Mietwagen einen riesigen Hummer aufzutreiben. Ich versuche, ein professionelles Lächeln aufzusetzen, das nicht allzu gezwungen wirkt. Ein paarmal atme ich tief ein und aus – das sind schließlich nur zwei Urlauber, und ich habe genau vorbereitet, was ich sagen werde. Da klettern auch schon ein sportlicher Mann mit Kurzhaarschnitt, die breite Brust hervorragend durch ein knallenges Poloshirt betont, und eine kleine, sehr zierliche Frau aus dem Wagen.

    »Wonderful«, haucht sie entzückt, während ihr Mann unser altes Gemäuer eher misstrauisch mustert. Das steht schon ein paar Hundert Jahre, das hält schon noch, denke ich. Natürlich sage ich nichts dergleichen, sondern spule brav und etwas gekünstelt meine kleine Willkommensrede ab.

    »A very warm welcome to Aychersee Castle«, fange ich höflich an und erkläre den Gästen dann kurz die Örtlichkeiten. Während die Frau ganz freundlich dreinschaut, wirkt er nach wie vor wenig begeistert. Wo zum Teufel steckt Lotti?

    Die Gräfin von Aychersee beweist jedoch ausnahmsweise ein perfektes Timing. Kaum bin ich mit meiner kleinen Rede am Ende, habe den Schlüssel überreicht und die Bradleys in die Eingangshalle geführt, da erscheint Lotti am oberen Ende der breiten Paradetreppe. Halleluja, sie hat sich umgezogen!

    Ich nenne dieses Outfit ›das kleine Schlossgespenst‹, ein bodenlanges Kleid kombiniert mit einem weißen Umhang, dessen Saum trotz der extrem hochhackigen, silbernen Sandalen an Lottis Füßen auf dem Boden schleift. Wir halten alle drei den Atem an, während sie die alten, ausgetretenen Steinstufen nach unten schreitet. Dass sie ihr Haar mit zwei chinesischen Essstäbchen zu einem unordentlichen Dutt zusammengesteckt hat, ist da wirklich zweitrangig.

    Bereits auf der Mitte der Treppe beginnt die Gräfin, leidenschaftlich ihre Freude über den Besuch zum Ausdruck zu bringen. Zwar sprechen unsere Feriengäste kein Wort Deutsch, aber das ist ihr offenbar herzlich egal. Unten angekommen schließt sie die beiden überschwänglich in die Arme und wirft Küsschen in die Luft, ganz so, als handele es sich bei ihnen um lange vermisste Freunde.

    »Haben Sie Flora schon kennengelernt? Ja? Ach, ich bin so froh, dass sie bei mir ist und mir meine alten Tage versüßt. Sicher wird sie Ihnen alles zeigen. Sie essen doch bestimmt mit uns, ja? Wie schön!«, zwitschert Lotti fröhlich, um uns dann abrupt stehen zu lassen und in Richtung Salon davonzustöckeln.

    Lotti! Abendessen? Mr. Bradley sieht aus, als stemme er mehrmals täglich Gewichte, wie sollen wir den denn satt bekommen?! Wenn das mal nicht Lottis Rache dafür war, dass ich zuvor an ihrem Outfit herumgemäkelt habe!

    Zum Glück haben die Bradleys wirklich kein Wort verstanden. Allerdings sehen sie Lotti ganz verzückt hinterher. Na also, geht doch. Ich führe sie rasch zu ihrer Ferienwohnung und empfehle dabei den ›Dorfkrug‹ als typisch deutsche Wirtschaft für das Dinner.

    ***

    »Das war nicht sehr nett von unseren Gästen, dass sie nicht zum Abendessen erschienen sind.«

    Ich stelle die heiße Schokolade auf Lottis Nachttisch und setze mich noch kurz zu ihr aufs Bett. Zum Glück sind sie nicht aufgekreuzt, mit meinem ›Omelett a la Florentina‹, was nichts anderes bedeutet als Eier mit allem, was im Garten gerade so erntereif ist, wären die Bradleys wohl kaum zufrieden gewesen.

    »Dabei habe ich mich extra für unseren Besuch hübsch gemacht«, beschwert sich Lotti weiter.

    »Dein Auftritt war wirklich perfekt«, lobe ich sie. »Schau, seit der Empfehlung in diesem amerikanischen Forum ›old Europe for adventurers‹ läuft die Vermietung doch richtig gut. Die Gäste erwarten aber auch, dass es hier nicht so aussieht wie in jedem x-beliebigen Hotel. Bei uns gibt’s eben was Besonderes, inklusive exaltierter Gräfin.«

    »Exaltierte Gräfin«, schnaubt Lotti entrüstet, doch dann grinst sie spitzbübisch. »Die empfehlen uns weiter, oder?«

    »Bestimmt«, bekräftige ich und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn. »Gute Nacht, Lotti.«

    »Gute Nacht, Flora!«

    Zum gefühlt hundertsten Mal frage ich mich, ob Lotti nach dem Tod ihres Mannes tatsächlich ein bisschen verrückt geworden ist oder ob sie uns alle mit ihren Eskapaden einfach nur zum Narren hält.

    Ich ziehe mich in mein Zimmer zurück, werfe als Erstes den Laptop an und checke meine E-Mails. Schon wieder keine Nachricht von der Agentur. Ich seufze.

    Die paar Übersetzungen, die sie mir hin und wieder vermitteln, reichen einfach nicht für ein nennenswertes Einkommen. Mir fehlt schlichtweg eine solide Ausbildung. Damit anzugeben, dass die Muttersprache meines Vaters Italienisch war, reicht eben nicht.

    Nur leider habe ich kein Geld für ein Studium. Daran wird sich absehbar auch nichts ändern, wenn ich nicht mehr Aufträge bekomme. Ein verfluchter Teufelskreis. Ganz abgesehen davon will ich Lotti nicht alleine in dem Schloss sitzen lassen.

    »Das ist alles deine Schuld, Otto, du verdammter Mistkerl!«, schimpfe ich leise vor mich hin.

    Dabei konnte ich Lottis Mann gut leiden und ich werde ihm sicher auch nie vergessen, dass er sofort einverstanden war, als Lotti mich nach dem Tod meiner Eltern aufnehmen wollte. Aber dass er sich das schöne Leben mit uns gar nicht leisten konnte, unbemerkt das Vermögen der Familie an den Spieltischen diverser Casinos durchgebracht hat und Lieselotte mit einem Haufen Hypotheken zurückgelassen hat, kann ich ihm einfach nicht verzeihen.

    Allerdings lässt sich das heute Abend auch nicht mehr ändern. Ich fahre den Laptop runter und stecke meine Nase stattdessen in das Buch, das ich gestern auf meinen Reader geladen habe. Warum soll ich nicht auch für ein, zwei Stunden alles hinter mir lassen und in mein kleines Paralleluniversum abtauchen?

    ›Banditen im Namen der Krone‹, das hört sich jedenfalls ziemlich vielversprechend an! Schon nach wenigen Seiten bin ich völlig in der mystischen Welt gefangen und fiebere mit der Diebin Sharona mit, die nach Hinweisen auf das Versteck eines geheimnisvollen Unterweltkönigs sucht. Ob sie es schaffen wird, ihn zu finden und ihrem Leben eine entscheidende Wendung zu geben?

    ***

    Ein lautes Hupen reißt mich aus dem Schlaf. Moment mal, wo bin ich hier? Ist das etwa die Bande des Unterweltkönigs, die …

    Quatsch! Das war im Buch. Die Hupe allerdings hört sich ziemlich real an. Ich rapple mich hoch und reibe meine schmerzende Wange. Scheinbar habe ich die halbe Nacht auf der Kante des Readers gelegen.

    Siedendheiß fällt mir ein, dass heute Hühnerfutter geliefert werden soll. Dass die Tiere Hunger haben, ist auch nicht zu überhören, zu dem Hupkonzert gesellt sich auch noch das wütende Gackern des Federviehs. Scheiße, seit wann ist denn der alte Eberhard vom Landhandel so ungeduldig? Sonst latscht der doch auch einfach in die Küche und versucht erst mal, Hilde einen Kaffee aus dem Kreuz zu leiern. Überhaupt, wo stecken Hilde und Lotti eigentlich?

    Ich quäle mich aus dem Bett, schnappe mir Jeans und T-Shirt und stülpe mir beides auf dem Weg nach unten über. Wenn der Eberhard mir die Gäste aus dem Schlaf gerissen hat, kann er aber was erleben!

    Ich haste die Treppe hinunter, renne den Gang zur Küche entlang, greife noch schnell

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