Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Wüstensand: Verrat der Wüste
Wüstensand: Verrat der Wüste
Wüstensand: Verrat der Wüste
eBook321 Seiten4 Stunden

Wüstensand: Verrat der Wüste

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Silaeta

Eine Insel im Nirgendwo...
Eine Wüste mit einem sonderbaren Klima...
Ein Königreich mit Menschen aus aller Welt...
Eine Insel, die Schiffbrüchige rettet...
Eine Welt der scheinbaren Gerechtigkeit...


*****

Nach dem Mord an ihrem Vater will die junge Aruna diesen um jeden Preis rächen. Doch Waffen und Pferde sind für Frauen verboten und statt den Mörder zu finden, wird sie mit Aussicht auf Todesstrafe vor den König geführt.
Was Aruna jedoch nicht weiß: Hinter dem Mord an ihrem Vater hängt eine weitaus verzwicktere Geschichte, wodurch das gesamte Königreich in großer Gefahr schwebt...


Teil 1

- vollständig überarbeitete Version -

Weitere Infos über Mia Monocerus

von-der-buecherfreundin-zur-autorin.blogspot.de/

facebook.com/mia.monocerus

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum27. Dez. 2018
ISBN9783736844049
Wüstensand: Verrat der Wüste

Ähnlich wie Wüstensand

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Wüstensand

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Wüstensand - Mia Monocerus

    Erster Teil

    Wüstensand

    Verrat der Wüste

    Mia Monocerus

    1

    „Geh, Odin! Lauf, mein Freund!, rief Aruna. „Du bist frei. Der Rapphengst schnaubte und warf den Kopf hoch.

    Sie musste es tun. Dies war ihre letzte Chance, auf Rachefeldzug gehen zu können. Das Verbrechen hatte zu viele Wunden auf ihrer Seele hinterlassen.

    Ein Jahr war bereits vergangen und endlich hatte sie den Mut gefasst, alles beenden zu wollen. Die Zeit ihres neuen Lebens war gekommen.

    „Lauf!", rief sie wieder und ließ ihre flache Hand auf die kräftige Hinterhand des Pferdes klatschen. Odin wieherte und schüttelte seinen edlen Kopf, so dass seine lange, dicht gewellte Mähne herumwirbelte. Er verstand nicht, warum er sich nun auch von dem Mädchen trennen sollte, nachdem er vor einem Jahr seinen Herrn verloren hatte.

    Der Hengst stieg und Aruna wich zurück, um nicht von den kräftigen Hufen getroffen zu werden. Ein klagendes Wiehern, ein trauriges Schnauben und dann machte der Hengst kehrt und galoppierte davon.

    Aruna sah ihm mit Tränen in den Augen nach. „Auf Wiedersehen, Odin…, flüsterte sie und wischte eine Träne aus ihrem Gesicht. „Ich werde dafür sorgen, dass der Mörder deines Herrn die gerechte Strafe erhält. Das verspreche ich dir, mein Freund.

    Odins Herr hieß Philitis und war ihr Vater. Er hatte der Königsfamilie in der königlichen Leibgarde, dem Orden der Asfaloth, gedient. Die Asfaloth genossen den Ruf, die besten Krieger im Königreich Silaeta zu sein. Der König selbst wählte sie nur mit größter Sorgfalt aus. Ein Asfaloth werden zu dürfen war für viele der Männer in Silaeta das Größte, was ihnen passieren konnte.

    Philitis war einer der besten Asfaloth gewesen und bekam nach wenigen Dienstjahren bereits das Amt des ersten Leibwächters der Gattin des Königs, Sylvia von Silaeta, zugesprochen. Neben dem ersten Leibwächter des Königs begleitete er die höchste Position, die ein Asfaloth überhaupt erreichen konnte.

    An eine Mutter konnte sich Aruna nicht erinnern. Ihr ganzes Leben hatte sie auf dem Gutshof ihres Vaters verbracht und wurde von dessen Bediensteten versorgt und erzogen, während er im Dienst war. Sie erinnerte sich, dass er mehr als Leibwächter im Einsatz war, statt als Vater auf dem Gutshof, doch dies hatte das Mädchen nie gestört.

    In den wenigen Wochen, die Philitis im Jahr auf dem Gutshof verbracht hatte, hatte er Aruna alles beigebracht, was sie heute konnte. Er hatte ihr die Kunst des Reitens gelehrt und ihr schließlich Odins Sohn, einen pechschwarzen Rappen namens Orlando, geschenkt. Sie hatte eine so enge Bindung zu dem Pferd, dass die Bediensteten ihres Vaters munkelten, sie könne mit dem Pferd sprechen und dessen Gedanken lesen.

    Philitis war es auch, der ihr den Umgang mit dem Schwert lehrte und ihr versprach, dass sie sein Schwert erben würde, wenn er starb. Aruna hatte das Kämpfen zunächst gefallen, doch ihr Vater hatte stets betont, dass ein Kampf kein Vergnügen war und es nichts Schrecklicheres gab, als einen Menschen durch sein eigenes Schwert sterben zu sehen.

    Im gleichen Atemzug erklärte er ihr auch, dass es manchmal unmöglich war, jemanden zu verschonen, ohne selbst das Leben zu verlieren.

    Doch in Silaeta gab es ein Gesetz, welches Frauen sowohl das Reiten als auch das Tragen von Waffen und den Kampf verbot. Reiten und Kämpfen galten als ein Privileg der Männer und ein Verstoß gegen dieses Gesetz bedeutete den Tod. Nahezu alle Frauen in Silaeta schreckte dies ab und nur selten wurde eine Frau erwischt.

    Aruna kannte das Gesetz und wusste, dass Frauen lediglich eine Karre mit einem Ackergaul als Transportmittel hatten, aber das hatte sie nie interessiert. Sie hatte mit den Söhnen der Stallburschen gespielt und eine Mutter, die sie zur Frau erziehen würde, wie es bei Mädchen üblich war, hatte sie nie gehabt. Ihr Umgang mit Männern überwog den Umgang mit Frauen und ihr fehlte es an Weiblichkeit, wie ein paar der weiblichen Bediensteten auf dem Hof stets zu sagen gepflegt hatten.

    Sie war wie ein Junge aufgezogen wurden und benahm sich manchmal sogar wie einer. Und obwohl die Dienerinnen ihr immer Kleider genäht hatten, hatte sie enge, glatt-lederne Reithosen, hohe Stiefel aus Wildleder und ein Leinenhemd getragen. Ihr langes, leicht gewelltes, rotblondes Haar, welches in der Sonne golden schimmerte, band sie zu einem Zopf. Offenes Haar störte sie bei vielen Dingen, auch wenn es noch so schön war.

    Odin war in einer Staubwolke verschwunden. Sie legte eine Hand auf den Hals Orlandos und strich ihm über die Mähne. Er war ein wunderschönes Pferd, genau wie sein Vater. Blauschwarz schimmernd stand er im Sonnenlicht, sein Fell glatt wie Seide. Er hatte einen kräftigen Körperbau und war gut trainiert durch die vielen langen Ausritte, die Aruna mit ihm unternahm.

    Er war ein Nachfahre des Lieblingshengstes von König Asfalothos, dem Gründer des Ordens der Asfaloth. Der König hatte seine Pferde geliebt und einen solchen schwarzen Hengst nur den Besten seiner Leibgarde gegeben. Sie waren ein Zeichen für ihre Treue und sein Vertrauen.

    Leider war nur ein Teil der Zuchtlinie erhalten geblieben. Als Odysseus, Odins Vater, als kränkliches, schwaches Fohlen im königlichen Stall von Juan, der Hauptstadt von Silaeta, geboren wurde, regierte noch der Vater des jetzigen Königs. Dieser wollte starke Pferde und jede Linie, der ein schwaches Fohlen entsprang, wurde aus seinem Stall verbannt. Er war der Meinung, dass ein starkes Pferd keine schwachen Verwandten haben konnte, denn die Schwäche würde vererbt werden.

    Niemand in Juan schenkte dem kleinen Odysseus Hoffnung und seine Linie war verloren. Die Pferde wurden als Ackergaul verkauft und Schulden mit ihnen beglichen, obwohl sie allesamt exzellente Vorfahren hatten, welche einst Könige, Prinzen und Asfaloth durch Kriege trugen und mit ihrem Mut die Feinde bezwangen.

    Arunas Großvater kaufte das schwache Fohlen sowie einen anderen Hengst und mehrere Stuten. Schließlich begann er seine kleine Privatzucht und übertrug diese auf seinen Sohn. Doch Philitis war zu beschäftigt, als dass er die Zucht so weiterführen konnte, wie sein Vater es sich erhofft hatte. So kam es, dass nur noch Odin und Orlando übrig waren.

    Aruna kannte Orlando schon von Fohlen an. Sie war ungefähr zehn Jahre alt gewesen, als er geboren wurde und sie hatte ihrem Vater bei der komplizierten Geburt zur Seite gestanden. Als die Stute kurz nach seiner Geburt verstarb, übergab Philitis seiner Tochter die Pflege des Fohlens. Es sollte das letzte Fohlen sein, welches auf dem Gutshof das Licht der Welt erblickte.

    Das Flaschenkind entwickelte sich rasch zu einem stolzen Junghengst und begann, ihr für ihre Hilfe zu danken, indem er sie beschütze, wenn er Gefahr spürte. Aruna wusste, dass sie sich immer auf den Hengst verlassen konnte und er sie nie allein lassen würde.

    Das Mädchen blickte zurück. Hinter ihr loderte das Feuer noch immer, wenn auch in weiter Ferne. Das war es, was von ihrer Heimat, dem Gutshof von Philitis, noch übrig war – ein alles vernichtendes Feuer.

    Sie brauchte das Gut nicht. All die Bediensteten waren fort und das letzte Jahr hatte sie mit den beiden Pferden dort allein gelebt, zerfressen von ihrer Trauer über den Tod ihres Vaters. Ein Jahr war es her, dass er im Schlaf erstochen wurde, als er auf dem Gutshof seine freie Zeit genoss.

    Aruna wusste tief in ihrem Herzen, dass der Mörder nur neidisch auf Philitis' Posten war. Er war ein zu guter Mensch gewesen, als dass er ein solch grausames Ende verdient hatte. Für Aruna war er einer der verständnisvollsten Menschen gewesen, die sie je gekannt hatte.

    Nach seinem Tod hatte sie sein Testament entdeckt, welches sie zur alleinigen Erbin erklärte. Doch nun war der Gutshof nur noch eine Last für sie. Die Erinnerungen daran weckten den Schmerz und niemand sollte je wieder diesen Hof betreten, ohne an Philitis' grausamen Tod zu denken.

    Sie wollte wie ein Vagabund leben, frei und ohne Heimat, und dann den Mord an ihrem Vater rächen, sobald sie herausgefunden hatte, wer sein Mörder war. Neider hatte Philitis viele gehabt, doch Aruna fiel nicht einer ein, der auch fähig gewesen wäre, ihn zu ermorden.

    Es hatte knapp eine Woche gedauert, bevor man ihn beerdigt hatte. Doch Aruna hatte nur vom Rand zusehen dürfen und ihm damit nur bedingt die letzte Ehre erweisen können. Sie empfand es als ungerecht, schließlich war sie seine letzte lebende Verwandte. Doch sie war eben auch nur eine Frau und ihre Rechte stark beschränkt.

    Trotz seines Testaments durfte sie nichts erben. Ein Testament, welches eine Frau als Erben einsetzte, war in Silaeta nichtig. Das war auch mit einer der Gründe gewesen, warum sie fast alles den lodernden Flammen übergeben und Odin die Freiheit geschenkt hatte.

    Das Wenige, was sie noch besaß, trug sie bei sich. Orlando hatte Odins Sattel bekommen. Es war ein sehr kostbarer Sattel, dessen Sitzfläche mit blauem Samt, auf dem silberweiße Runen gestickt waren, überzogen war. Das mit Metallbeschlägen verzierte Vorderzeug betonte die Brust des Rapphengstes.

    Ebenso trug Orlando nun Odins mit gravierten Metallbeschlägen verzierte Trense mit den wundervollen Lederzügeln - weich und gepflegt und in hervorragender Qualität. Unter dem Sattel lag Odins Decke, ebenso aus besticktem blauen Samt.

    Aruna hatte auch die Satteltaschen gerettet, die sie nun mit Lebensmitteln, Wasser und Futter für Orlando gefüllt hatte. Ein Handschuh aus braunem, derbem Leder lag ebenfalls darin. Er war eine persönliche Anfertigung für Aruna gewesen. Philitis hatte ihn ihr vor drei Jahren zum Geburtstag geschenkt.

    Sie kannte den Wert des Sattelzeugs. Nur die reichsten Männer Silaetas konnten sich ein solches überhaupt leisten. Abgesehen vom König und dessen Familie waren das nur die Asfaloth, denn der König belohnte seine Leibwächter sehr großzügig.

    Das Mädchen sah an sich herunter. „Nein, kein Mädchen, dachte sie. „Ich bin längst eine Frau geworden. Sie trug Philitis' Kleidung: schwarze, glatt-lederne Reithosen, schwarze Lederstiefel, ein weißes mit silbernen und blauen Ornamenten besticktes Hemd sowie einen blauen Mantel mit kurzen Ärmeln, die oben aufgeschlitzt waren.

    Ihr Körper hatte sich in den letzten Jahren entwickelt und aus ihr eine Frau gemacht, mit allen äußerlichen Anzeichen. Aruna wusste, dass es nahezu unmöglich war, sich weiterhin so einfach als Mann zu tarnen, wie es früher möglich war. Aus diesem Grund hatte sie Philitis alten Reitmantel aus graubraunem Stoff übergezogen. Die große Kapuze verdeckte ihr herrliches Haar und ihr Gesicht. Außerdem ließ er ihre weiblichen Kurven verschwinden. Ein Reiter in diesen Farben erregte kaum Aufsehen.

    Das Wertvollste für Aruna war jedoch das Schwert ihres Vaters, welches an einem braunen, aus derbem Leder gefertigten Gürtel hing, der mit mehreren Dolchen bespickt war. Auf der Schwertklinge waren Muster eingraviert, die man erst auf dem zweiten Blick als Schriftzug erkannte. Es war der Eid der Asfaloth - sie konnte ihn auswendig.

    Aruna nahm den Handschuh aus der Satteltasche, zog ihn über und pfiff. Nicht nur Orlando war ihr bester Freund, auch einen jungen Bussard zählte sie dazu. Er lebte wild, aber er mochte sie und kam, wann immer sie ihn rief.

    Vor dreieinhalb Jahren hatte sie, auf einem Markt, den Vogel in einem Käfig entdeckt. Manche Menschen in Silaeta verdienten ihr Geld, indem sie auf Märkten gefangene Greifvögel anboten. Aruna jedoch hatte Mitleid mit dem schönen Tier, welches sie so traurig ansah. Als der Händler abgelenkt war, öffnete sie den Käfig. Nur mit viel Glück hatte sie verschwinden können. Nach wenigen Tagen fand der Greifvogel sie wieder und blieb seit diesem Tag in ihrer Nähe - dankbar für seine neu gewonnene Freiheit.

    Aruna hatte ihn Altair genannt, denn seinen richtigen Namen, den sich die Vögel untereinander gaben, kannte sie nicht. Altair schien seinen neuen Namen zu mögen.

    Sie suchte den Himmel nach dem Bussard ab und pfiff erneut. Dann streckte sie den Arm aus.

    Als ihr Vater von ihrer Freundschaft zu dem Greifvogel gehört hatte, ließ er den Handschuh anfertigen, damit der Vogel stets bei ihr landen konnte, wenn er einen Ladeplatz suchte.

    Aus der Ferne näherte sich ein dunkler Fleck am Himmel, welcher immer mehr Vogelgestalt annahm, je größer er wurde. Aruna lächelte. Obwohl Altair sie immer wieder anflog, konnte sie sich nicht daran gewöhnen, dass er für immer bei ihr bleiben würde.

    „Komm zu mir, Altair!", rief sie leise und der Vogel setzte zur Landung an. Sie spürte den Wind, den seine Flügel ihr ins Gesicht fächerten und spannte ihren Arm an, als sie das Gewicht des Bussards spürte.

    „Hallo, Altair, murmelte sie. „Wie geht es dir, mein Freund? Der Bussard schaute sie mit seinen wachsamen Augen an, als ob er ihre Gedanken bereits erraten hätte.

    „Also gut, mein Freund, sagte Aruna. „Ich werde nun als Vagabund ein neues Leben beginnen. Du bleibst doch bei mir, nicht wahr? Altair zwinkerte und sah sie neugierig an, bevor er einen kehligen Laut ausstieß, die Flügel streckte und empor stieg. Aruna sah ihm lächelnd nach.

    Dann blickte sie umher und suchte mit ihren grünen Augen die Gegend ab. Keiner war zu sehen, aber trotzdem schob sie sicherheitshalber die Kapuze über ihren Kopf. Ein letzter Blick über die Schulter auf die Flammen. Lange würde das Feuer nicht mehr brennen, denn dafür hatte es nicht genug Nahrung.

    „Vorwärts, Orlando!, sagte sie stolz und der Hengst trat an. „Auf zum Rachefeldzug für Vater, und auf zum Kampf für die Armen!

    2

    Lucan trat von einem Fuß auf den anderen. Ungeduldig wartete er neben seinen besten Freunden Arion und Roan auf dem großen Platz vor dem Königspalast in Juan. Der Palast der Königsfamilie bildete das Herzstück der mit Abstand ältesten Stadt Silaetas.

    Alle Mitglieder der königlichen Leibgarde, die Asfaloth, waren zum Hof gerufen worden und warteten nun ebenso ungeduldig wie Lucan und seine Waffenbrüder auf das Auftreten des Königs. Niemand wusste, warum er eine solche Versammlung einberufen hatte, doch es musste einen besonderen Grund geben, denn so etwas kam bisher nur äußerst selten vor.

    Lucan strich seinem Pferd, einem Dunkelfuchs mit vier weißen Socken und einer schmalen Blesse, über die Schulter. Der Hengst verstand diese Aufregung nicht ganz und war verwirrt von der seltsamen Stimmung auf dem Platz.

    „Ruhig, Darius", murmelte der Reiter ihm leise zu und sofort drehte er ein braunes Ohr nach hinten, um der vertrauten Stimme zu lauschen.

    „Ich frage mich, welches Anliegen dem König so schwer auf dem Herzen liegt, dass er seine Wächter aus allen Ecken Silaetas zusammengerufen hat, sagte Arion. „Das ist eigenartig, und mir will nicht ein einziger Grund einfallen...

    Roan zuckte mit den Schultern und Lucan legte die Stirn in Falten. „Genau genommen hat uns Rabanus zusammen-getrommelt, entgegnete der Asfaloth. „Das hat der König doch noch nie befohlen. Irgendwas ist da faul dran...

    Rabanus war der Berater des Königs und somit die einzige Person, die über den Asfaloth stand und neben dem König und dessen Familie die meiste Macht über das Volk von Silaeta hatte.

    „Ich verfüge durchaus über das Wissen, dass der Herr Berater uns hat rufen lassen, aber dies muss nicht zwingend bedeuten, dass es sich nicht um ein königliches Anliegen handelt, welchem nun mal eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss, erklärte Arion in seiner ruhigen Tonlage. „Der Herr Berater ist ebenso dem König untertan wie wir, doch Ihr solltet ihn mehr respektieren, Lucan, denn Rabanus verfügt über einen höheren Rang als Ihr, mein Freund.

    „Er ist ein Schuft! Und nichts weiter als ein Schuft, Arion!, rief Lucan empört aus. „Er wird Silaeta zerstören, wenn er König wird! Und er wird einen Weg finden, den König zu entfernen und an dessen Stelle zu treten, ich spüre es!

    Arion lächelte und sah sich um. „Das mag sein, mein lieber Lucan, doch seht Euch um: Der gesamte Platz ist bedeckt mit ehrwürdigen Asfaloth, die sich durch ihren Eid allesamt an den König gebunden haben, sagte er stolz und unterstützte seine Worte mit einer Handbewegung. „Wenn der Herr Berater sich tatsächlich die Krone auf das Haupt setzen möchte, muss er zuerst an uns allen vorbei.

    Lucan erwiderte das Lächeln nicht. „Er findet einen Weg, um uns die Hände zu binden, Arion. Glaubt mir, ich spüre das ganz deutlich!, knurrte er. „Er wird uns alle abschlachten lassen und den König entmachten, während wir auf dem Friedhof die Grabsteine zählen!

    „Nur die Ruhe, mein Freund, sagte Arion und klopfte seinem Pferd, einem Fuchs mit breiter Blesse, den Hals. „Rabanus ist allein, wir dagegen sind fünfzig Asfaloth. Wir sind die besten Krieger in ganz Silaeta. Glaubt Ihr wirklich, er hätte auch nur den Hauch einer Chance, solange wir den König mit unserem Leben beschützen?

    Der Vorhang des Tores am Balkon wehte zur Seite und alle hielten den Atem an. Niemand jedoch trat heraus und fragende Blicke flogen über den Platz. Wer auch immer ein Anliegen vorzutragen hatte, heute ließ er sich damit Zeit.

    Lucan seufzte. „Der König hat uns immer pünktlich empfangen. Warum lässt er heute so lange auf sich warten?" Er sah zu Arion und Roan, doch sie zuckten nur mit den Schultern.

    Der Vorhang wehte wieder zur Seite und diesmal trat Rabanus auf den Balkon. Die ersten Asfaloth knieten nieder, ihre Pferde am Zügel neben sich. Lucan und seine Freunde taten es ihnen gleich. Es war ein Zeichen des Respekts vor dem Ranghöheren, doch der Asfaloth empfand es nur als Demütigung, sich vor so einer hinterhältigen Person niederknien zu müssen.

    „Steht auf, Asfaloth!, schallte Rabanus' Stimme über den Platz. Alle erhoben sich langsam und blickten aufmerksam zum Berater des Königs. „Unser König ist leider verhindert und kann Euch allen seine Entscheidung nicht persönlich überbringen. Mir selbst fällt es ebenso schwer wie ihm, sie euch zu verkünden, meine Freunde, fuhr er fort.

    Lucan zuckte mit den Augenbrauen. „Freunde? Wir sind alle ganz bestimmt nicht mit ihm befreundet und das müsste er eigentlich wissen. Aber ich wette, er plant etwas Mieses und will sich vorher noch einmal ordentlich bei uns einschmeicheln!, sagte er leise, jedoch war der Zorn in seiner Stimme nicht zu überhören. Arion zuckte erneut mit den Schultern. „Nur Geduld. Wir werden erfahren, was er zu sagen hat.

    „Nun, ich bedauere, Euch diese Entscheidung mitteilen zu müssen, aber der König hat sich entschlossen, den Orden der Asfaloth aufzulösen, da er mutige Männer für den bevorstehenden Krieg gegen das Nebelland braucht. Die Asfaloth dürfen nach dem Gesetz von Asfalothos nicht an der Front kämpfen, daher hielt der König es für erforderlich, den Orden aufzulösen", teilte Rabanus mit kalter Stimme vom Balkon aus mit.

    Dann tat er, als würde ihm die Auflösung zutiefst traurig stimmen. „Und Ihr, meine Freunde, seid nun einmal die besten Krieger in ganz Silaeta!"

    Lucan schnaubte verächtlich. „Wie kann er es wagen, unseren Ordnen, der seit Generationen unverändert besteht, einfach aufzulösen!?", fauchte er. Urplötzlich brach ein großes Gemurmel vor dem Palast aus, an dem sich fast alle Asfaloth beteiligten. Sie waren empört über Rabanus' Worte.

    Nur Roan allein schwieg. Lucan und Arion hatten schon früh gelernt, dass die meisten Situationen für Roan nicht wichtig genug waren, als dass er Worte daran vergeuden würde. Er hatte eine traurige Vergangenheit, welche ihn wortkarg gemacht hatte, doch kaum einer kannte die ganze Geschichte und niemand war so töricht, dem Asfaloth Worte aus dem Mund locken zu wollen.

    „Bitte Ruhe!", rief Rabanus, doch niemanden interessierte es. Gemurmel, verachtende Rufe und Beschimpfungen schmetterten über den Platz.

    „Ich bitte um Ruhe!, schrie er erneut, aber nur wenige der Männer wurden tatsächlich still. „Ich muss noch etwas hinzufügen, damit diese Sätze nicht vollkommen sinnlos sind.

    Überrascht stellte sich das Gemurmel augenblicklich ein, jeder hoffte auf Worte, die seine vorherigen rückgängig machen würden. Aber sie kamen nicht.

    „Nun, alle Asfaloth müssen ihre Uniform und ihre Schwerter abgeben. Das Sattelzeug für Eure Pferde dürft Ihr als Andenken behalten, sagte er sachlich und ohne jede Art von Emotionen. „Alle, die sich weigern, werden verhaftet und zu Tode verurteilt.

    Lucan fauchte. „Habe ich es nicht gleich gesagt, Freunde? Rabanus findet einen Weg, um uns loszuwerden. Und das auch noch schneller, als wir gedacht haben!, rief er. „Seine Majestät weiß bestimmt nichts von diesem Beschluss, aber Rabanus steht über uns und somit ist dieser Beschluss gültig. Eine Frechheit ist das!

    Hastig setzte er einen Fuß in den Steigbügel seines Pferdes und zog sich in den Sattel. Er nahm die Zügel auf und schob den anderen Fuß in den Steigbügel.

    „Meine Freunde, meine Zeit mit Euch war wundervoll, aber ich werde meinen Stand nicht aufgeben. Ich habe geschworen, den König bis an mein Lebensende zu schützen und genau das werde ich tun, ganz egal, was Rabanus beschließt, sagte er und ließ Darius antreten. „Auf Wiedersehen, Arion. Auf Wiedersehen, Roan. Es war mir eine Ehre, Euch gekannt haben zu dürfen.

    Lucan neigte kurz den Kopf, dann galoppierte er an und jagte durch die Menschenmassen vom Platz. Juans Straßen waren gut befestigt und sein Pferd beschlagen. Allerdings wusste er, dass Flucht die einzige Chance war und er die Stadt verlassen haben musste, bevor Rabanus seine Männer auf ihn hetzen würde. Wenn sie ihn fanden, war alles vorbei.

    Plötzlich erklang lautes Hufgeklapper auf der Straße hinter ihm. Sie haben zu schnell bemerkt, dass ich verschwunden bin, schoss es ihm durch den Kopf. Aber ich werde trotzdem schneller sein als sie!

    Lucan gab seinem Dunkelfuchs die Zügel hin und trieb ihn noch etwas an. „Los, Darius, hängen wir sie ab!", feuerte er seinen Hengst an.

    Der Dunkelfuchs streckte sich, seine Hufe donnerten über die Straße. Lucan wagte es nicht einmal, nach hinten zu sehen. Er hörte die rhythmisch trommelnden Hufe der anderen Reiter - es mussten zwei oder drei sein - und das war ihm genug Ansporn.

    Lucan wusste, dass es kein Entkommen vor dem Tode mehr gab, hatten Rabanus' Männer ihn erst einmal eingeholt. Er war ein wirklich guter Kämpfer, aber gegen drei Krieger gleichzeitig konnte er nicht besonders lange standhalten. Auch ein Überraschungsangriff von seiner Seite aus würde ihm nicht viel helfen können.

    Durch eine schmale, kurvenreiche Gasse lenkte er sein Pferd und dann ging der schnelle Ritt immer weiter in Richtung Hauptstadttor. Er hoffte, dass niemand dort sein würde, der ihn aufhalten konnte. Darius spitzte die braunen Ohren und lauschte. „Weiter, weiter!, feuerte Lucan ihn an. „Wenn du jetzt stehen bleibst, sind wir beide tot!

    Der Hengst schnaubte und schüttelte den Kopf. Lucan gab ihm noch mehr Zügel und lehnte sich weit über den Pferdehals, um Darius' Rücken zu entlasten, damit dieser noch schneller laufen konnte.

    Dann kam das Hauptstadttor in Sicht. Er atmete erleichtert auf,

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1