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Alles (m)ordentlich?: Ein Grenzkrimi am Diemelsee +/- 3 cm
Alles (m)ordentlich?: Ein Grenzkrimi am Diemelsee +/- 3 cm
Alles (m)ordentlich?: Ein Grenzkrimi am Diemelsee +/- 3 cm
eBook297 Seiten3 Stunden

Alles (m)ordentlich?: Ein Grenzkrimi am Diemelsee +/- 3 cm

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Über dieses E-Book

Ein Miniunterseeboot durchpflügt die dunklen Tiefen des beschaulichen Diemelsees auf dem schmalen Grat zwischen Sauerland und Waldeck. Bei der spektakulären PR-Aktion für eine Ferienhaussiedlung an den bewaldeten Hängen des St. Muffert wird die Leiche eines 16-jährigen Jungen gefunden. Wer begeht eine so abscheuliche Tat? Doch es ist der Sohn einer bekannten Politikerin, die keine Grenzen kennt. Damit gibt es Tatverdächtige wie Kiesel am Diemelseestrand. Und spätestens als die Richterin Carolina Piechottka eine zwielichtige Gestalt in Notwehr erschießen muss, wird es erst recht kompliziert.
Das bekannte grenzüberschreitende Ermittlerduo Jo Nigge und Wil Wagner behält auch im dritten Fall den Überblick – wie immer unterstützt von der Vermessungsingenieurin Susie Balkenhol. Selbst der für gewöhnlich zurückhaltende Messgehilfe Schorsch Vorderwülbecke läuft zur Hochform auf - und das kurz vor dem Frühstück! In der sagenhaften Kneipe "Zum sturen Landmesser" kommt man dem Mord auf die Spur. Für eine ordentliche Pressearbeit hat ihnen das Innenministerium diesmal eine Kommunikationsexpertin verordnet. Da kann doch nichts mehr schiefgehen? …
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum28. Okt. 2023
ISBN9783384048295
Alles (m)ordentlich?: Ein Grenzkrimi am Diemelsee +/- 3 cm
Autor

Frank L. Mause

Frank L. Mause, geboren 1964 in Bruchhausen an den Steinen (Hochsauerland), durchlief ab 1984 eine knapp zehn Jahre währende Laufbahn vom Rekrut bis zum Offizier. In dieser Zeit studierte er Geodäsie an der Universität der Bundeswehr München. 1996 schloss er das 2. Staatsexamen ab und trat in den hessischen Landesverwaltungsdienst ein. Seit 2010 ist er Leiter des Amtes für Bodenmanagement Korbach. Mause lebt mit seiner Frau in Bad Arolsen, fährt gern Rennrad und liest viel. Er veröffentlichte 2018 seinen ersten, in sich abgeschlossenen Grenzkrimi "Mord(s)genau - Jetzt wird's grenzlich". 2021 folgte der zweite um das Ermittlerduo Jo Nigge und Wil Wagner "(M)Ortsgericht - Es bleibt grenzlich". Und auch im vorliegenden "Alles (m)ordentlich? Ein Grenzkrimi am Diemelsee +/- 3 cm" wird wieder auf dem schmalen Grat zwischen Sauerland und Waldeck ermittelt.

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    Buchvorschau

    Alles (m)ordentlich? - Frank L. Mause

    Prolog

    RICHTERIN CAROLINA PIECHOTTKA seufzte innerlich. Der Pflichtverteidiger, in Fachkreisen bevorzugt der Philosoph genannt, setzte zu seinem gefürchteten Plädoyer an. Obwohl der Fall glasklar daherkam, nutzte der Verteidiger die Gelegenheit: Er ließ die spärlichen Besucher der Verhandlung im klassizistischen Bau des Amtsgerichts Brilon wortreich und weitschweifig an seinen eingebildeten rhetorischen Fähigkeiten teilhaben. Das konnte dauern, mindestens.

    Ihre Gedanken flüchteten zu dringenderen Problemen, während ihr Gesicht mit dem schon zu Studienzeiten eingeübten Pokerface auf Standby schaltete. Der Fall um den Mord an dem flüchtigen Rentmeister war von der Kripo schnell abgeschlossen und an die Anklagebehörde abgegeben worden¹. Dass die Richterin höchstselbst da mittendrin steckte, nach Aktenlage überhaupt kein Thema, nicht mit einer einzigen Silbe. Das entsprach vollkommen ihrem ursprünglichen Plan: Sie hielt sich zwar zur Tatzeit am Tatort auf, aber ihr Alibi hatte sie wasserdicht kalkuliert und meisterhaft umgesetzt. Und schlussendlich wollte sie den Mord schon selbst begehen, doch war ihr jemand zuvorgekommen. Leider konnte sie sich keinesfalls sorglos zurücklehnen: Falls sie als Repräsentantin der Jurisprudenz mit der Tat in Verbindung gebracht würde, könnte sie sich nach einem gänzlich neuen Leben umsehen. Beruhigend: Die Polizei ging von einem Einzeltäter aus. Natürlich hatte sie selbst keinen Zugang zu den Akten der ermittelnden Staatsanwaltschaft, jedoch der Rechtsreferendar, den sie derzeit betreute. Und im Manipulieren von Menschen zeigte sich die Richterin gewohnt kenntnisreich. Die Ausbildung des begriffsstutzigen Nachwuchsjuristen war lästig, erwies sich aber in diesem Fall als ausgesprochen dienlich.

    Also alles gut? Vielleicht, sogar wahrscheinlich, aber eben nicht summa cum laude und damit unter ihrem Niveau! Denn sie stand vor einem minimalen Problem: Es existierte ein Zeuge, der sie mehrmals mit dem Mordopfer zusammen gesehen hatte – unter ziemlich ungewöhnlichen, nicht nur strenggenommen sogar rechtswidrigen Umständen, um exakt zu sein. Wenn sie dieses Problem nachhaltig beseitigen wollte, musste dieser Zeuge zum Schweigen gebracht werden – und zwar endgültig!

    Und dann gab es noch diesen Dorfsheriff Nigge. Der hatte unverschämterweise ihre ausgeklügelten Pläne durchkreuzt, wenn auch ohne ihre Rolle zu kennen oder die wahren Hintergründe zu ahnen. Dafür sollte dieser Möchtegern-Cop büßen: Alles in ihr schrie nach Rache! Sie versuchte, das Wort zu schmecken, wie einen kalten, jedoch besonders süßen Nachtisch.

    Nebenbei registrierten ihre auf Durchzug gestellten Ohren, dass das Plädoyer des Philosophen geendet hatte. Ein Blick auf den weit vorgerückten Zeiger ihrer Armbanduhr verriet einen neuen Rekord. „Danke, Herr Verteidiger. Ich denke, jetzt ist Zeit für eine kleine Pause." Ihr Blick fiel auf den Angeklagten, einen groben Klotz von knapp zwei Metern Sehnen und Muskeln und höchstwahrscheinlich nur wenigen Gramm Gehirnmasse. Sie sollte sich vor der Urteilsverkündung mit ihm unterhalten – und zwar allein. Das sah die Strafprozessordnung so nicht vor. Aber ‚wo kein Kläger, da kein Richter‘, dachte sie lächelnd. Vielleicht konnte der Angeklagte im Gegenzug bei ihren Problemen für klare Verhältnisse sorgen.

    #

    ¹ Grenzkrimi 2: „(M)Ortgericht – es bleibt grenzlich" [2021]

    Kapitel 1

    Sonntag, 13. Oktober 2019

    MORDERMITTLUNGEN ERFOLGREICH ABGESCHLOSSEN

    JO NIGGE konnte es nicht fassen. Wie hatte das nur passieren können? Statt den Abschluss der Ermittlungen zu feiern, stand er verlegen neben Susie im Tanzstudio und ließ seinen Blick über ein halbes Dutzend Tanzwillige voller Erwartungen schweifen. Warum hatte er ausgerechnet gegen Susie wetten müssen? Sie gewann jede Wette, in der es um Zahlen ging. Der fällige Wetteinsatz: ein kompletter Tanzkurs! Und das alles an seinen dienstfreien Sonntagen.

    „Jo!"

    Er spürte ihren spitzen Ellbogen in seiner Seite.

    „Mhm?"

    „Jo, du sollst mich vorstellen", zischte seine Freundin leise.

    Ach ja, jeder sollte in der ersten Stunde nicht sich selbst, sondern seinen jeweiligen Tanzpartner präsentieren. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er an der Reihe war. „Äh, also, … ich meine …, stotterte er verwirrt. Die Tanzlehrerin sah ihn aufmunternd an. Was bei allen vorläufigen Festnahmen sollte er nur sagen? Er war doch sonst nicht auf den Mund gefallen! „Tja, das ist Susie, würgte er mühsam raus.

    „Und weiter?, entfuhr es seiner langjährigen Freundin enttäuscht. „Aber sag jetzt bloß nicht wie alt und wie schwer, sondern wie wir zueinander stehen.

    „Wie wir zueinander stehen? Perplex schwieg er eine Weile. Gehörte das hierher? Dann: „Bestens, wenn du mich fragst.

    „Jo! Jetzt hast du einen Moment zu lange gezögert."

    „Ach so, ja, also nein, eine, äh, alte, ich meine, sie ist eine Freundin von mir", tröpfelte es verwirrt aus ihm. Am liebsten hätte er seine Pistole gezogen und sich den Weg freigeschossen, zumindest aber die Flucht ergriffen. Doch hier saß er in der Falle. Alle starrten ihn neugierig an.

    Susie verdrehte in der ihr unnachahmlichen Weise die Augen. „Typisch Jo. Also ich fahre fort: Das ist Jo, von dem ich annahm, wir seien zusammen. Und nein, diese Tanzstunde ist für uns keine Paartherapie."

    Was für eine Katastrophe. Jo sehnte sich in den Sturen Landmesser bei einem dunklen Feldsteinpilsken.

    „Bist du nicht der Inspektor, der den Mord am Rentmeister aufgeklärt hat?", kam es von der Tanzlehrerin.

    „Kommissar, entfuhr es Jo automatisch. „Können wir jetzt mit dem Tanzen loslegen?

    „Selbstverständlich, sobald sich alle vorgestellt haben."

    Jo bekam den Rest gar nicht mehr mit. Er war damit beschäftigt, im blankpolierten Tanzboden zu versinken. Wenn er das hier überlebte, musste er auswandern, zumindest aber auf einen Trip in den Sturen Landmesser.

    #

    WIL WAGNER kuschelte sich behaglich in seinen Ohrensessel und ließ die Gedanken schweifen. Das rhythmische Klackern der Stricknadeln übte einen beruhigenden Einfluss auf ihn aus. Doch zwei-linkszwei-rechts später konnte er nicht verhindern, dass ein Gefühl der Leere in ihm aufstieg. Das passierte an Sonntagen häufig. Seltsam, hatte er sich doch ins Waldeckische versetzen lassen, um nach der ständigen Überlastung in der Mainmetropole seine Ruhe zu haben. Und nun machte ihm genau das zu schaffen: Die Arbeit hier bestand zum größten Teil aus Routine. Es war wie mit dem Geld, die einen hatten zu viel, die anderen zu wenig, aber niemand hatte die genau richtige Dosis.

    Sehnsüchtig dachte er an die vergangenen Tage. Die Zusammenarbeit mit Jo von jenseits der Landesgrenze zeigte sich für ihn als beste Therapie. Nachdem sie sich ständig gerauft hatten, passten sie inzwischen zusammen wie Topf und Deckel, Yin und Yang, Sauerländer und Waldecker – oder so ähnlich. Durfte man sich ein grenzüberschreitendes Verbrechen wünschen, damit sie wieder gemeinsam ermitteln konnten?

    Mist, das Wollknäuel war alle. In der Schublade musste doch noch eins in der richtigen Farbe rumliegen? Nein! Suchend schaute er sich um: nichts! Nachdem er in seiner kleinen Willinger Wohnung das Unterste zuoberst gekehrt hatte, schloss er mit scharfem, kriminalistischem Verstand, dass er einem Gedächtnisirrtum unterlegen war. Sein bevorzugtes Fachgeschäft in Bad Arolsen hatte längst geschlossen und selbst die Wunderwelt des Internets lieferte kaum spontan am heiligen Sonntag ins Upland. Er seufzte. Jetzt half nur noch ein Besuch im Sturen Landmesser.

    #

    JO NIGGE sog das vertraute Knarren der Tür in sich auf, als er den Schankraum betrat.

    „Hallo Onkel Au, wie geht es dir?"

    „Dem jugendlichen Alter entsprechend."

    Jo musste grinsen. „Was soll ich denn da sagen? Heute Morgen habe ich erstmals ein graues Haar entdeckt. Wenn das so weitergeht, habe ich bald eine graue Matte!"

    „Ich wäre froh, wenn ich graue Haare hätte. So bleibt mir nur, die Platte zu polieren."

    „Wenn dich das stört: Gibt es da nicht Wässerchen für?"

    „Solange es Frisöre mit Glatze gibt, kaufe ich kein Haarwasser, kam es entschieden zurück. „Außerdem: Haare werden überschätzt.

    „Und sonst?"

    „Ganz okay, nur meine Blase mutiert nachts zum Stundenglas."

    „Vielleicht etwas weniger beim Zapfen tanken?"

    „Ach, das bisschen Beifang! Apropos trinken: Willsse ´nen Bier?"

    Sieben Minuten später stürzte Jo das dunkle Pilsken herunter. ‚Kein Bier vor Vier‘ galt eben nicht im Sauerland und schon gar nicht an Wochenenden. Ohne eine weitere Bestellung abzuwarten, zapfte Onkel Au ein neues. Nach der Tanzstunde war Susie wortlos entschwunden. Abschiedskuss? Fehlanzeige! Beim heiligen Valentin, wie sollte er das nur wieder kitten?

    „Probleme?" Onkel Au stellte ihm das Feldsteinpils auf den fleckigen, mit unzähligen Strichen umsäumten, Bierdeckel. Vielleicht sollte Jo den Lattenzaun endlich bezahlen.

    „Ach Onkel Au …", begann er und brach abrupt ab.

    „So schlimm?"

    „Eine Katastrophe!" Jo fragte sich, wie viele derartige Geschichten der Gastronom in seinem langen Leben schon hatte anhören müssen: ein Psychiater auf Gerstensaftbasis. Ob Onkel Au was ahnte? Letztlich kannte ihn der Wirt seit Kindesbeinen und hatte eine fast unheimliche Kunst perfektioniert, in Jo hineinzuschauen.

    Das Knarzen der Schanktür unterbrach seine finsteren Gedanken.

    „N´Abend Leute!"

    „Wil! Jo atmete auf. Als wenn das sein Kollege von jenseits der Landesgrenze geahnt hätte. „Herr Wirt, kannsse noch ein Eis zapfen?

    Onkel Au schlurfte zurück zur Theke und murmelte gedankenverloren: „Wenn Jo wieder die gleichen dummen Sprüche wie immer drischt, ist noch nicht alles verloren."

    Wil stürmte rein, klopfte seinem Kollegen auf die Schulter und ließ sich ächzend auf der Eckbank nieder. Dann stutzte er: „Jo, du siehst aus wie drei Tage, ach was soll ich sagen, mindestens vier Wochen Regenwetter."

    Jo winkte ab: „Ach komm, wir sind im Sauerland. Was willsse erwarten. Lass uns lieber besaufen."

    „Was ist denn los?"

    Jo zuckte mit den Schultern.

    „Schätze Ärger mit Susie", kam es wie beiläufig von hinter dem Tresen.

    Jo schaute beide wütend an. „Samma, habt ihr euch gegen mich verschworen, oder was? Kann man nichma in Ruhe sein Pilsken schlürfen?"

    Wil zuckte zurück. „Holla, …"

    Ein durchdringender, chaotischer Klingelton erfüllte den Schankraum. Automatisch griff Jo zu seinem Smartphone. Es war die Briloner Wache. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Wil ebenfalls sein Handy aus der Jackentasche kramte.

    „Nigge?", bellte er in das Mikro.

    „Jo? Wir haben eine Leiche."

    „Am heiligen Sonntag? Ich komme, wo?"

    „Am Diemelsee, Fährhaus am Nordufer. Und halt dich fest, es ist …"

    „… ziemlich genau auf der Grenze zu Waldeck!, ergänzte Wil grinsend. „Die paar Paar-Probleme mit Susie müssen warten, schätze ich.

    Jo boxte seinem Kumpan erleichtert in die Rippen. „Jetzt fängst du mit Flachwitzen an. Egal: Wir alle müssen in diesen Zeiten Opfer bringen. Darüber sprechen wir später."

    „Fahren wir mit meinem oder deinem Hobel?"

    „Ich habe schon ein paar Pilsken gekippt. Besser du fährst."

    „Gern. Ist sowieso sicherer." Wil trat hastig den Rückzug an, bevor ihn Jo mit der flachen Hand erwischte.

    „Onkel Au? Schreib´s auf den Deckel."

    „Der ist schon schwatt von Strichen. Von Jo kam keine Reaktion. „Ich fürchte, ich muss am Bierdeckel anbauen.

    #

    WIL WAGNER fuhr gemächlich die Diemelsee-Randstraße entlang. Die Kommentare Jos über seinen unaufgeregten Fahrstil ignorierte er inzwischen routiniert. Bald waren sie am Fährhaus. Eine Armada silbergrau-blauer Streifenwagen ließ das Blaulicht in einem bizarren Takt durch den Nachmittag zucken. Er sah sowohl Wagen mit Wiesbadener Kennzeichen als auch mit NRW auf den Nummernschildern. Rotweißes Flatterband knatterte im kühlen Wind.

    Umständlich stieg er aus und knöpfte seine Jacke zu. Warum war es hier nur immer so kalt? Jo eilte schon längst den Weg herunter zum Ufer. Wil hingegen ließ sich Zeit und schaute sich die Umgebung in aller Ruhe an, während Jo schon mit den Streifenbeamten und der Kriminaltechnik palaverte.

    Am Steg dümpelte ein seltsames Boot, es sah wie tiefergelegt aus, mit einem offenen Luk in einem niedrigen Turm. Neben dem Fährhaus waren zahlreiche weiße Klapp-Pavillons festgezurrt. Kameraleute vom Fernsehen geisterten zwischen den Beamten herum. Warum hatte die niemand des Feldes verwiesen? Und woher wussten die nicht nur Bescheid, sondern waren sogar vor der Kriminalpolizei da? Außerdem käme das TV kaum zu einem schnöden Mord in den hintervorletzen Winkel Nordrhein-Westfalens beziehungsweise Hessens, je nach Perspektive.

    Wil wollte einen Tontechniker zusammenfalten, der seinen Weg kreuzte, als ihm siedend heiß einfiel, dass an diesem Wochenende die Dreharbeiten zu einer skurrilen Koch-Show mit einem speziellen U-Boot aus Rotterdam stattfinden sollten. Das hatte er in der Waldecker Post gelesen. Er stoppte einen Uniformierten mit hessischem Löwen am Oberarm. Pechschwarzes, dichtes Haar, dunkler Bartschatten, gebräunte Haut. Er kannte ihn nicht, nie zuvor gesehen, vermutlich aus Kassel. „Hallo Kollege, Wilke Wagner, Kripo Korbach. Was ist hier los?"

    „Wilke?", kam es misstrauisch.

    „Kriminalhauptkommissar Wagner", beruhigte ihn Wil und hielt ihm seinen Ausweis unter die Nase. Das hätte er sich denken können. Wilke assoziierte man in Waldeck immer noch in erster Linie mit Wurstwaren, obwohl die Firma längst liquidiert worden war.

    „Ah, danke Herr Kommissar. Talay, Efrem Talay mein Name. Hier ist richtiges Chaos. Die Kollegen aus Westfalen waren schon da und wollten wie üblich alles an sich reißen. Aber keine Sorge, wir lassen uns nicht abdrängen!" Der Mann wies vielsagend mit dem Kinn Richtung Steg, auf dem Jo lautstark mit einem Uniformierten der hessischen Polizei stritt, der demonstrativ die Arme vor der Brust verschränkt hatte.

    Wil fasste sich an den Kopf. „Egal. Jetzt bin ich ja hier. Aber was können Sie mir berichten?"

    Talay zuckte mit den Schultern: „Bei den Dreharbeiten in dem Tauchboot haben die glatt eine Leiche auf dem Grund des Diemelsees gefunden. Folglich riefen sie die 110. Der Notruf lief in Korbach auf. Der Kollege von der Zentrale glaubte zunächst, jemand wolle ihn verar… äh, … in den April schicken, weil der Anrufer aufgeregt in Niederländisch gefärbtem Deutsch davon berichtete, dass er mit einem U-Boot eine Leiche gefunden hätte. Der Intelligenzbolzen von Notrufmanager meinte, Korbach ist zwar Hansestadt, aber der Hafen am Kuhbach habe noch niemals ein Schiff, geschweige denn U-Boot gesehen und legte auf. Ha, ha, ha, typisch Kreisstadt-Humor. Er lachte gespielt übertrieben und verdrehte die Augen. „Immer diese Landeier.

    „Hallo!, holte ihn Wil wieder in die Gegenwart zurück. „Und weiter?

    „Was? Als nächstes haben die vom Set dann die Wache in Brilon angerufen, die prompt eine Streife schickten. Unser Mann in der Zentrale erzählte mir lauthals lachend von dem Anruf, als ich die heutigen Einsatzberichte abgeben wollte. Ich habe ihn dann über die Dreharbeiten aufgeklärt, stand doch in der Waldecker, und bin schnell mit dem Streifenwagen hierher. Als ich die Streife aus Westfalen bemerkte, habe ich sie darauf hingewiesen, dass wir hier zuständig sind. Aber Sie wissen ja, wie die Sauerländer sind: stur wie das Finanzamt bei der Steuererklärung. Da habe ich Verstärkung aus Kassel angefordert. Schließlich ist das hier unser Land."

    Wil lächelte amüsiert. „Seit wann genau sind Sie in Waldeck? Ich kenne Sie gar nicht."

    Der Polizist verdrehte ungehalten die Augen. „Ich bin der Neue, wenn Sie das meinen, und ja, habe schon verstanden. Nur weil ich aus Frankenberg bin, werde ich wieder mal total ausgegrenzt!"

    Der Hauptkommissar stutzte. „Efrem Talay ist aber kein typisch Frankenberger Name, oder?", konnte er sich nicht verkneifen.

    „Stimmt auffallend und erwischt, meine Eltern stammen tatsächlich aus Battenberg. Aber das kann einer aus Mainhattan wohl kaum wissen."

    Der Mann war zwar neu, doch offensichtlich über Wils Herkunft bestens im Bilde. Die dunklen Wellen plätscherten träge an den Kiesstrand. Das konnte ja heiter werden.

    #

    JO NIGGE winkte Wil zu sich. „Komm doch mal bitte, Wil!"

    Sein Kollege und Freund unterbrach das Gespräch mit einem Beamten in hessischer Uniform und bahnte seinen knapp zwei Zentnern einen Weg durch die aufgescheuchte Hühnerschar.

    „Wil, ich denke, unsere Kollegen rennen sich gegenseitig über den Haufen. Wir sollten die Hälfte nach Hause schicken. Was meinst du?"

    „Schon klar, aber welche Hälfte genau bekommt jetzt Feierabend?"

    „Ach, du denkst immer so praktisch. Für die Sauerländer Seite bin ich mit Paul gut bedient. Und Kalle kann meinetwegen den Verkehr regeln. Da ist er in seinem Element."

    „Hm, scheint plausibel. Ich baue auf Rosa Schluckebier. Wil schien einen Moment zu überlegen. „Und dann auf den Neuen. Den kann ich gleich mit meinen Gepflogenheiten vertraut machen.

    „Ihr habt ungelogen in Korbach einen frischen Kollegen? Etwa strafversetzt?"

    Wil boxte ihm in die Rippen. „Schließ nicht immer von dir auf andere."

    „Touché! Aber wenigstens brauchen wir uns bei der Kriminaltechnik nicht zu entscheiden. Die Westfälische aus Dortmund steckt im Stau auf der A44, die Bielefelder sind woanders gebucht. Jo riss plötzlich die Augen auf und röchelte ein entsetztes „Nein, nicht die schon wieder!

    Mit dem Schreibblock in der Hand stolzierte diese Tintenkleckserin Karla „Kolumna Bathen auf ihn zu. „Wie zum Teufel sind Sie hinter die Absperrung gekommen?, fauchte er sie an.

    Bathen blickte ihn hochmütig aus halbgeschlossenen Lidern an. „Na na, nicht so unfreundlich."

    „Beantworten Sie bitte meine Frage. Wobei das Wort bitte nur eine Höflichkeitsfloskel in einer polizeilichen Anweisung ist."

    „So? Der Herr Kommissar ist mal wieder im Unnahbarkeitsmodus."

    „Frau Bathen! Ich warte auf die Antwort."

    „Boah, fast wie im Fernsehen bei Hart aber Fair. Sie hob abwehrend die Hände, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. „Schon verstanden. Ich hatte eine Einladung von Jürn.

    Bathen grinste selbstgefällig. Schließlich provozierte sie mit der Beschränkung auf den Vornamen die nächste Frage. Und Provozieren schien ihr Lebensinhalt zu sein. Aber da hatte sie sich geschnitten. Den niederländisch-niederdeutsch klingenden Namen hatte er heute schon gehört. Klar, der finanzierte die Kochshow. „Herr Schreiner hat Sie eingeladen. Wozu?"

    „Als exklusive Berichterstatterin zu der sensationellen Show, natürlich. Denn wer käme da eher in Betracht als ich?"

    „Mir fielen da einige Alternativen ein."

    „Die hat er aber nicht gefragt", kam es pikiert zurück. „Ich wiederhole: exklusiv!"

    „So exklusiv wie Ihre Schützenfestberichterstattung? Er sah, dass das getroffen hatte. Der Punkt ging an ihn. „Waren Sie dabei, als die Leiche gesichtet wurde?

    „Leider nein, auf dem U-Boot war bedauerlicherweise kein Platz. Aber ich wartete hier am Ufer."

    „Ok, Sie können gehen."

    „Ach, ich sehe mich noch etwas um."

    „Welchen Teil von ‚Sie können gehen‘ haben Sie nicht verstanden?"

    „Müssen Sie nicht meine Personalien aufnehmen? „Von einer so exklusiven Berichterstatterin?

    „Sparen Sie sich Ihre billige Ironie. Aber als Pressevertreterin habe ich ein Anrecht auf Informationen."

    „… von der Pressestelle, ergänzte Jo. „Frau Bathen, das hatten wir schon. Und jetzt verlassen Sie bitte den Tatort.

    „Ich werde mich beschweren!"

    „Auch das hatten wir schon. Aber wenn diese Beschwerde alles ist, was Sie vorzubringen haben, nehme ich das als Hinweis, auf dem richtigen Weg zu sein. Einen schönen Tach noch." Dieser Blick von der Bathen! Allein der war es wert, heute Morgen aufgestanden zu sein.

    #

    Kapitel 2

    Montag, 24. Juni 2019

    PETRÓLEO VENEZUELA MELDET KONKURS

    JÜRN SCHREINER zuckte zusammen.

    „Sag mir, dass das nicht stimmt." Das kehlige Niederländisch seiner Mutter vibrierte drohend. Ihr Zeigefinger tippte anklagend auf den Titel des Leitartikels. Wenn seine Mutter so richtig in Rage geriet, konnte sie nichts bremsen.

    „Mama, woher soll ich denn wissen, dass die Kurse dermaßen einbrechen."

    Schreiner, bleib bei deinem Hobel, mijn Jong, hat de Grootvader immer zu uns Kindern gesagt! Wie kann man nur in venezolanische Öl-Aktien investieren, die eine Verdoppelung des Einsatzes nach sagenhaften drei Jahren versprechen?"

    „Es war ein todsicherer Tipp."

    „Todsicher? Bist du zwakzinnig? Und dann Firmengelder!"

    „Ich wollte doch auch zum Erfolg der Firma beitragen", entgegnete er trotzig.

    „Indem du unser Kapital verbrennst? Weißt du, was das für Domizilia heißt? Diesen Millionenverlust können nicht mal wir einfach als Peanuts verbuchen und abschreiben."

    Schreiner wusste, dass jetzt jedes

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