Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Regenbogenmärchen: Von Regenbogenmärchen, non-binären Traumprinzen und Queer-zessinen
Regenbogenmärchen: Von Regenbogenmärchen, non-binären Traumprinzen und Queer-zessinen
Regenbogenmärchen: Von Regenbogenmärchen, non-binären Traumprinzen und Queer-zessinen
eBook350 Seiten4 Stunden

Regenbogenmärchen: Von Regenbogenmärchen, non-binären Traumprinzen und Queer-zessinen

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Es war einmal vor langer Zeit ...
Doch was zwischen dem altbekannten Anfang und dem wohlverdienten Happy-End liegt, könnte sich ganz anders zugetragen haben. Hat wirklich eine böse Hexe die schöne Rapunzel eingesperrt? Und warum leben eigentlich sieben Zwerge miteinander in einer WG?
Findet es heraus in dieser bunten Märchensammlung :-)
SpracheDeutsch
HerausgeberElysion Books
Erscheinungsdatum20. Apr. 2023
ISBN9783960002376
Regenbogenmärchen: Von Regenbogenmärchen, non-binären Traumprinzen und Queer-zessinen

Ähnlich wie Regenbogenmärchen

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Regenbogenmärchen

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Regenbogenmärchen - Annette Klinke

    INHALT

    Eine Prinzessin in Pink - Annette Klinke 5 S.

    Grumpy and Happy End - J.M. Summer 15 S.

    Der König und der Erfinder – Katrin Holzapfel 23 S.

    Spindeltage – Maike Frie 37 S.

    Der Fluch des Drachenschwertes - Pamela Murtas 46 S.

    Untier – Summer Fields 55 S.

    Snows erste Liebe - Yvi Lips 73 S.

    Die Tischlertochter – Lisa Stahl 84 S.

    Die sieben Rabenknaben – Carolin Engels 89 S.

    Aschenbrödel – Elina Sudden 99 S.

    Dornröschen oder Der falsche Kuss – Sabrina Maierhofer 114 S.

    Prinz Rosenherz – Klaus Enser-Schlag 145 S.

    Kein*e Thronfolger*in – Selma Focke 150 S.

    Herzensworte – Sam Sallier 162 S.

    Magie in der Luft – Jonathan Großmann 179 S.

    Die rote Sonne und der weiße Mond – Kim Delilae 191 S.

    Doris – Elisabeth Spannring 198 S.

    Dem Fluch zum Trotz – Salia Jean 210 S.

    Die Sterne seiner Heimat – Louise Hofmann 221 S.

    Wandeldich – Dhalia B. Winters und Ludwig Karell 232 S.

    Die kleine Fee, die kämpfen musste – Maya Dietzmann 248 S.

    Autoren

    Ein Prinz in Pink

    Annette Klinke

    Es war einmal vor langer Zeit ein Königreich im Süden unserer Welt. Der König und die Königin dieses Landes hatten schon lange versucht, ein Kind zu bekommen. Als sich nun endlich Nachwuchs ankündigte, waren beide außer sich vor Freude.

    »Hoffentlich wird es ein Junge, dann haben wir einen Thronfolger«, wünschte sich der König.

    »Hauptsache gesund, alles andere wird sich finden«, fand die Königin stattdessen.

    Wie groß war die Freude, als tatsächlich ein kleiner Sohn geboren wurde. Er schaute neugierig mit großen, blauen Augen in die Welt und staunte über sein neues Leben. Verzückt betrachtete die Königin seine goldenen Locken und die langen Wimpern. Er war ein wunderschönes Kind. Der König nahm ihn in Gedanken bereits mit auf die Jagd und trainierte ihn im Schwertkampf.

    »Wir wollen ihn Luca nennen«, schlug die Königin vor und ihr Gatte war einverstanden.

    Luca war ein freundliches und zufriedenes Kind, das von allen im Palast geliebt wurde. Er wuchs heran und entdeckte mit großer Freude und Neugier die Welt um sich herum. An Ideen mangelte es ihm nicht, auch wenn seine Beschäftigungen manchmal etwas ungewöhnlich für einen Prinzen waren. So fand er eines Tages im Schlosspark ein Vogelküken, das aus dem Nest gefallen war. Es hatte schon Federn und schaute den kleinen Prinzen mit wachen Augen an. Luca verliebte sich sofort in dieses kleine, hilflose Wesen und nahm es mit zu sich in den Palast. Dort leerte er die Daunen aus einem Kissen in eine Suppenschüssel, die er heimlich aus der Schlossküche entwendet hatte, und baute dem kleinen Vogel ein kuscheliges Nest. Im Schlosshof fing er Insekten und suchte in den Blumenbeeten nach Würmern, um das Küken zu füttern. Das Küken akzeptierte ihn sofort als Ersatzmutter und liebte es, wenn Luca ihm sanft das Köpfchen kraulte oder zärtlich die kleinen Flügel glatt strich. Der kleine Vogel wuchs heran und wurde langsam erwachsen. Eines Tages war es an der Zeit, Abschied zu nehmen und mit einem letzten Zwitschern flog er davon. Luca schaute ihm wehmütig hinterher. Es war schön gewesen, jemanden zum Kuscheln und Liebhaben gehabt zu haben.

    Aufmerksam schaute er sich nach einer neuen Beschäftigung um und fand eines Tages heraus, wie viel Spaß es machte, den Palast zu putzen. Zum großen Erstaunen der Bediensteten schrubbte er eifrig die Fußböden des Schlosses und freute sich, wenn hinterher alles sauber war und glänzte. Mit Elan säuberte er auch die Spiegel und Fensterscheiben und betrachtete dann zufrieden sein Spiegelbild, zupfte hier eine Locke an den richtigen Platz und probierte sogar manchmal den Lippenstift der Königin aus. Eines Tages bat er seine Kammerzofe um ein Kleid ihrer Tochter, das sie ihm etwas verwundert aushändigte, und begeistert tänzelte er damit vor dem Spiegel auf und ab. Auch die hochhackigen Schuhe seiner Mutter zogen ihn magisch an und verlockten ihn zu ungelenken und staksigen Spaziergängen durch die langen Korridore des Schlosses. Die Bediensteten liebten den kleinen Jungen und seine Eigenarten. Manchmal erschien es ihnen allerdings, als hätten sie eine kleine Prinzessin im Schloss statt eines Prinzen Da er aber mit so viel Freude bei der Sache war und niemanden störte, hinderte ihn keiner an seinem Tun. Allerdings erzählte es auch niemand dem König, denn der hätte nichts davon geduldet, darin waren sich alle einig. Der König versuchte mehrere Male, seinen Sohn für die Jagd zu begeistern, aber Luca dachte sofort an seinen kleinen Vogel und hatte Mitleid mit den Tieren im Wald. Er konnte sich nicht vorstellen, eines von ihnen zu töten. Nach vielen Versuchen gab der König enttäuscht auf. Auch für den Schwertkampf konnte er seinen Sohn nicht gewinnen. Der Prinz hatte zwar einen starken Schlagarm, bremste aber jedes Mal das Schwert kurz vor dem Ziel ab, weil er das Geräusch der aufeinanderschlagenden Klingen nicht mochte. Der König schüttelte nur verständnislos den Kopf und strich die Übungsstunden aus seinem Kalender. Ein bisschen Sorgen bereitete es ihm aber doch. Wer sollte denn in Zukunft das Königreich verteidigen, wenn der künftige König zu sensibel für einen Kampf war? Tief in Gedanken versunken eilte er zu seinem nächsten Termin.

    Luca verbrachte unterdessen viel Zeit mit der Köchin in der gemütlichen Schlossküche. Zusammen zauberten sie leckere Nachspeisen und Luca dachte sich immer wieder neue Kreationen aus, die er freigiebig an die Bediensteten verteilte. Die Königin beobachtete alles mit Irritation und leiser Sorge, sagte aber nichts dazu, weil sie merkte, dass es ihren Sohn glücklich machte. Der König bemerkte argwöhnisch die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten seines Sohnes und äußerte sein Missfallen. »Der Junge hält sich ständig in der Küche auf und vertut seine Zeit zwischen Rührbesen und Schüsseln, statt mit seinem Schwert zu trainieren. Es ist doch eines Prinzen nicht würdig, in einem Pudding zu rühren und Kompott mit Sahneklecksen zu verzieren«, beklagte er sich ärgerlich bei seiner Frau.

    Die Königin beschwichtigte ihn: »Vielleicht ist er einfach noch nicht so weit, so lass ihn halt. Du wirst noch genug Zeit haben, um ihn im Kampf zu unterweisen«. So redete sie ihrem Mann gut zu, obwohl auch sie Lucas Verhaltensweisen merkwürdig fand und längst daran zweifelte, ob er je zu einem Kampf mit dem Schwert bereit sein würde. Aber diese Zweifel sprach sie vor dem König nicht aus. Sie hoffte immer noch, dass Luca sich schon irgendwann wie ein ganz normaler Junge entwickeln und verhalten würde; vielleicht brauchte er einfach nur mehr Zeit als die anderen Jungen.

    Jahre gingen in das Land und Luca wuchs zu einem hübschen und ungewöhnlichen Jüngling heran. Seine blonden Locken hatte er behalten und hütete sie wie einen Schatz. Niemand durfte ihm die Haare schneiden und er erfand jeden Tag eine andere Frisur, um die goldene Haarpracht zu bändigen. Außerdem hatte er eine neue Leidenschaft entdeckt: schöne Stoffe.

    Eines Tages war die Schneiderin ins Schloss gekommen, um der Königin ein neues Kleid zu nähen. Luca hatte staunend vor den Stoffballen gestanden, vorsichtig mit den Fingern über die feine Seide gestrichen und ein paar der schönsten Stoffe andächtig um seinen Körper drapiert. Da gab es Stoffe mit bunten Blumen und Schmetterlingen, die mochte er besonders gerne, außerdem ein Ballen aus fester, pinker Wolle, der aus allen Stoffen herausstach.

    »Soll ich Euch auch einen Anzug nähen, Prinz Luca?«, fragte die Schneiderin den Prinzen, als sie seinen verträumten Blick bemerkte.

    »Ich weiß nicht, darf ich?«, fragte Luca bittend und schaute zu seiner Mutter hinüber.

    »Natürlich, such dir gerne einen Stoff aus. Du wirst ja nun bald auf die großen Tanzbälle gehen und viele Prinzessinnen treffen. Da wäre es sicherlich gut, einen schicken Anzug im Schrank zu haben. Aus welchem Stoff soll er denn sein?«, fragte die Königin.

    Luca schluckte. Der pinke Stoff war wunderschön! Aber er hatte noch nie einen Prinzen in Pink gesehen. Was würde sein Vater dazu sagen? Schnell schob er jedoch seine Bedenken beiseite. »Ich möchte den da«, sagte er mutig und zeigte mit dem Finger auf den pinken Stoff.

    »Ach, Schatz, meinst du nicht, dieser hier wäre passender?«, fragte die Königin erschrocken und deutete schnell auf ein dezentes Grau.

    »Nein, ich möchte den«, Luca ließ sich nicht beirren, »der gefällt mir am besten«.

    Die beiden Frauen tauschten einen Blick. »Wenn Ihr das wirklich möchtet, könnte ich Euch einen Anzug daraus schneidern. Der Stoff ist schön fest, der ist auch draußen angenehm zu tragen«, befand die Schneiderin.

    Lucas Augen leuchteten auf, die Königin bemerkte es und willigte nachdenklich ein. Natürlich war Pink keine typische Männerfarbe, aber es passte hervorragend zu Lucas blonden Locken und den blauen Augen. Er würde unter all den anderen Prinzen auffallen. Vielleicht wäre das sogar ganz vorteilhaft, um die hübscheste Prinzessin für sich zu gewinnen, überlegte die Königin. Außerdem wollte sie, dass er sich wohlfühlte und glücklich war. Und so bekam Luca seinen pinken Anzug. Der König traute seinen Augen kaum, als sich sein Sohn abends in Pink vor ihm präsentierte. »So läuft doch kein Prinz herum!«, polterte er entsetzt. »Warum hast du nicht dafür gesorgt, dass er eine ordentliche Farbe wählt?«, fragte er seine Frau vorwurfsvoll.

    »Der Junge wollte aber genau diese Farbe. So wird er auf den Bällen auffallen und uns die beste Schwiegertochter ins Schloss bringen«, verteidigte sich die Königin.

    »Na, wenn du meinst ...«, brummelte der König und strich nachdenklich durch seinen Bart.

    In der Tat wurde Luca in der nächsten Zeit auf viele Bälle eingeladen und mehrere Male neugierig von heiratslustigen Prinzessinnen gemustert. Da er aber so wortkarg war und auf keines der Mädchen reagierte, ließ das Interesse jedes Mal schnell nach. Hoffnungsfroh fragten der König und die Königin ihn nach jedem Ball, welche Prinzessinnen er kennengelernt hatte. Luca zuckte allerdings jedes Mal nur gleichgültig mit den Schultern. »Ich habe keine einzige Prinzessin kennengelernt, die waren alle langweilig. Stattdessen war ich in der Schlossküche und habe geholfen, die Desserts zu verzieren. Das hat viel mehr Spaß gemacht!« Diese Antwort bekam das Königspaar nach jedem Ball. Dass Luca statt der Prinzessinnen die Prinzen genauer anschaute, erzählte er niemandem. Da gab es schon den einen oder anderen Prinz, der ihm gefallen hätte, aber die jungen Männer hatten immer nur Augen für all die Mädchen und beachteten ihn gar nicht. Für Luca war das mehr als frustrierend. Die Prinzessinnen langweilten ihn und die Prinzen schauten ihn nicht einmal an. Luca sah keine Lösung für sein Dilemma. Sehnsüchtig dachte er daran, wie er den kleinen Vogel aufgezogen hatte und wie schön es gewesen war, jemanden zum Liebhaben und Streicheln zu haben. Resigniert stellten sich auch der König und die Königin nach einer Weile darauf ein, vielleicht nie eine Schwiegertochter zu bekommen. Der Prinz biss einfach bei keiner Prinzessin an. Dass er statt der Prinzessin lieber einen Prinzen gehabt hätte, auf diese Idee kamen sie nicht.

    Eines Tages kehrte er jedoch wie elektrisiert von einem Ball zurück. »Ich habe von Rapunzel gehört«, rief er schon auf der Treppe. »Sie sitzt in einem Turm und lässt ihr Haar herunter, damit ein Prinz daran herauf klettern kann. Ach, bitte, lasst mich zu ihr fahren.« Der König und die Königin tauschten einen ungläubigen Blick aus. Ausgerechnet an Rapunzel zeigte Luca Interesse? Soweit sie wussten, war die junge Frau schon an einen Prinzen vergeben, der immer heimlich zu ihr in den Turm kletterte. Aber vielleicht waren sie nicht auf dem neuesten Stand, was Rapunzels Liebesleben betraf, manchmal ändern sich die Dinge ja bekanntlich. Also warum eigentlich nicht? Wenn Rapunzel die einzige Chance war, eine Schwiegertochter zu bekommen, dann sollte man die Gelegenheit nicht verstreichen lassen. Blaublütig war sie zwar nicht, aber manchmal musste man einfach Kompromisse im Leben schließen. Und so durfte der Prinz schon am nächsten Tag mit der Kutsche zu Rapunzels Turm fahren.

    »Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter!«, rief er genau so, wie er es auf dem Ball gehört hatte, und sofort fiel ein langer goldener Zopf neben ihm auf die Erde. Der Prinz kletterte behände an diesem Zopf empor. Er war neugierig, was ihn dort oben erwarten würde. Vielleicht könnte er Rapunzel überreden, mal mit ihm zu tauschen. Zu gerne würde er selber einmal sein Haar herunter lassen, um sich einen schönen Prinzen von unten zu angeln. Luca fing an zu träumen, während seine Hände sich an dem Zopf nach oben hangelten.

    Aber wie staunte er, als er feststellte, dass oben in der Turmkammer gar kein Mädchen auf ihn wartete. Vor ihm saß der schönste Jüngling, dem er je begegnet war, und er hatte langes blondes Haar, genau wie Luca. »Du bist ja gar nicht Rapunzel!«, rief der Prinz aus.

    »Nein, Rapunzel ist leider von der Zauberin in die Wüste verbannt worden. Der Turm steht seitdem leer und ich dachte, das sei eine Möglichkeit für mich, es wie Rapunzel zu machen und mein Haar herunter zu lassen, um einen schönen Prinzen kennen zu lernen«, erzählte der Jüngling. »Das war auch mein Wunsch«, bemerkte Luca überrascht und wurde rot. Es war das erste Mal, dass er seine geheimsten Gedanken aussprach.

    »Das hat ja gut geklappt«, stellte der Jüngling lächelnd fest. Staunend tauschten sie einen langen Blick, bis auf einmal beide blinzeln mussten. Der andere Jüngling hatte braune Augen, die warm schimmerten, wie Luca feststellte.

    »Bist du auch ein Prinz?«, fragte Luca.

    »Ja, ich bin Prinz Jona aus dem Ostreich«, sagte der Jüngling. Beide schauten sich wieder intensiv an, es lag ein gewisses Flimmern in der Luft und der Zauber eines Anfangs. Luca stellte fest, dass Jona Grübchen in den Wangen hatte, wenn er lächelte und er lächelte sehr oft.

    »Du hast einen schönen Anzug an«, sagte Jona schließlich. »So eine Farbe wollte ich auch immer haben, aber mein Vater hat es mir verboten.«

    »Na ja...«, sagte Luca gedehnt. »Meiner war auch nicht begeistert, aber am Ende hat er es doch erlaubt«.

    Wieder breitete sich Stille aus, aber es war eine sehr intensive Stille, die übervoll war mit unerfüllten Sehnsüchten, vielen Möglichkeiten und einer großen Faszination. Luca schaute tief in Jonas braune Augen und hatte das Gefühl, dort zu versinken. Sein Bauch fühlte sich an, als sei er mit bunter Prickelbrause gefüllt. Es kribbelte und vibrierte, als ob tausend kleine Blubberbläschen alle auf einmal platzten. Prinz Jona war wunderschön und besaß eine Präsenz, die Luca verzauberte. Wohlige Schauer rannen über seinen Rücken.

    »Hast du Lust zu tanzen?«, fragte Jona schließlich schüchtern, nachdem sie eine ganze Zeitlang nur Blicke ausgetauscht hatten. Als Luca bedächtig nickte, nahm ihn Jona sanft an die Hand und schwebte mit ihm leicht wie eine Feder durch die Turmkammer. Luca drehte sich mit ihm im Kreis und kostete es aus, von starken Armen festgehalten zu werden. Körper schmiegte sich an Körper und Luca genoss diese Nähe aus tiefster Seele. Jona fühlte sich einfach so gut an, ganz warm und verlässlich, als sei er immer schon da gewesen, und besser als alles, was er je zuvor angefasst hatte. Er roch gut und schien so fröhlich zu sein. Es kam Luca so vor, als hätte er sein ganzes Leben lang nur auf diesen Moment gewartet. Keine von den Prinzessinnen hatte ihm gefallen, aber Jona berührte ihn tief. Ob das Liebe war? Ihm war ganz schwindelig vor Glück und er konnte nicht mehr richtig denken.

    »Darf ich dich küssen?«, fragte Jona plötzlich mit belegter Stimme.

    »G-g-gerne...«, stotterte Luca überrascht und wurde wieder rot. Hui, das ging aber schnell. Außer seine Mutter hatte er noch niemanden geküsst und das zählte ja wohl nicht so richtig, weil das jedes kleine Kind tat. Ob er das überhaupt konnte? Was machte man nochmal mit der Zunge? Und ob Jona merkte, dass es das erste Mal für ihn war? Funken stoben durch die Luft, als ihre Lippen aufeinandertrafen. Beide fühlten sich, als sei der Blitz eingeschlagen.

    Himmel, dachte Luca hingerissen und fühlte sich wie in rosa Zuckerwatte gepackt, das ist ja tausendmal besser, als ich es mir vorgestellt habe. Auch Jona fühlte sich bis in sein Inneres erschüttert von diesem Kuss und spürte, wie ihm die Knie weich wurden. Sie schauten sich noch einmal tief in die Augen und staunten. Was für ein Wunder widerfuhr ihnen da gerade! Beide waren auf so vielen Bällen zu Gast gewesen und hier in der Turmkammer fanden sie einander endlich. Diese neuen Erfahrungen waren für beide Prinzen so überwältigend, dass sie Zeit und Raum vergaßen.

    Sie richteten sich im Turm ein, plünderten die Speisekammer, schauten nachts in die Sterne und erzählten einander aus ihren Leben, küssten sich immer wieder, kuschelten miteinander und waren glücklich. Unten am Turm hatten sie ein Schild angebracht, »Achtung, Liebesnest! Bitte weiterreiten!«

    So vergingen Tage, Wochen und ganze Monate und immer noch waren die beiden Prinzen glücklich zusammen in der Turmkammer.

    »Wollen wir heiraten?«, platzte es eines Tages aus Luca heraus.

    »Sehr gerne!«, gab Jona begeistert zurück. »Meine Eltern haben so lange auf eine Schwiegertochter gewartet und hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben. Vielleicht freuen sie sich nun stattdessen über einen Schwiegersohn.«

    »Was werden meine Eltern dazu sagen?«, überlegte Luca laut. Er klang besorgt. »Zwei Prinzen, die miteinander verheiratet sind, hat es in unserem Königreich noch nie gegeben.«

    Jona lachte. »Dann wird es höchste Zeit, dass sich alle daran gewöhnen. Dich gebe ich jedenfalls nicht wieder her«.

    »In welchem Schloss wollen wir denn wohnen?«, fragte Luca.

    »Das kannst du entscheiden«, antwortete Jona. »Natürlich kannst du gerne zu mir ziehen, wenn du das möchtest. Falls nicht, kann meine ältere Schwester mit ihrem Mann in meinem Heimatschloss leben und das Reich später einmal regieren und ich ziehe zu dir. Ich finde beides schön«.

    Luca dachte einen Augenblick nach. Ja, er würde gerne bei seinen Eltern im Schloss wohnen bleiben. Dann könnte er weiterhin in der Küche helfen und das Schloss putzen.

    Nachdem diese wichtige Frage geklärt war, machten sie sich gut gelaunt auf den Heimweg. Luca machte sich noch immer Sorgen über die Reaktion seiner Eltern, doch Jonas Optimismus war ansteckend und dem jungen Prinzen wurde leichter ums Herz, je näher sie seiner Heimat kamen. Der König und die Königin hatten in all der Zeit ungeduldig auf Lucas Rückkehr gewartet und waren immer euphorischer geworden, je länger ihr Sohn fortblieb. Endlich einmal hatte er Interesse an einem Mädchen gezeigt! Und dann blieb er so lange bei ihm – wenn das kein gutes Zeichen war! Die Königin träumte schon von vielen kleinen Enkelkindern, die sie auf den Armen wiegen und auf ihren Knien reiten lassen würde.

    Als endlich die Kutsche mit den beiden Prinzen vorfuhr, staunten sie nicht schlecht, als statt Rapunzel ein stattlicher Jüngling mit langen blonden Haaren ausstieg. »Das ist Jona«, stellte Luca ihn vor. »Wir haben uns gerade verlobt und ich wünsche mir, dass ihr ihn als meinen Lebenspartner in unsere Familie aufnehmt .«

    Der König riss entsetzt die Augen auf. Wie bitte? Hatte er das gerade richtig verstanden? Es würde gar keine Schwiegertochter geben – er würde einen Schwiegersohn bekommen? Was für eine Schande und welch Schmach! Beschämt und verstört schnappte er nach Luft. Ihm wurde übel und er spürte, wie heftige Kopfschmerzen an seinen Schläfen aufzogen. Noch nie hatte er von einem Königreich gehört, das von einem verheirateten Prinzenpaar regiert wurde. Was würden die Könige aus den Nachbarreichen bloß dazu sagen? Was für eine Blamage! Der Prinz hatte ihn nicht einmal um Erlaubnis gebeten. Zählten sein Wort und seine Autorität denn gar nichts mehr? Er fühlte sich so zerschmettert, dass ihm die Worte fehlten und er aufgelöst davonstürzte.

    Luca schaute betroffen seinem Vater hinterher. Vor dieser Reaktion hatte er sich gefürchtet, aber auf sein Glück zu verzichten, kam nicht in Frage. Auch wenn er sonst nicht der geborene Kämpfer war, seine Beziehung zu Jona würde er auf keinen Fall aufgeben, mochte sein Vater noch so sehr außer sich sein. Sein Blick fiel auf seine Mutter. Wie dachte sie über Jona und ihn? Auch die Königin rang um ihre Fassung und wusste nicht recht, wie sie auf die Situation reagieren sollte. Schließlich fiel nicht alle Tage ein Schwiegersohn vom Himmel, wenn man mit einer Schwiegertochter gerechnet hatte. Als sie aber sah, wie zärtlich die beiden miteinander umgingen und wie Lucas Augen strahlten, wurde ihr ganz warm ums Herz. Hauptsache, der Junge ist glücklich, dachte sie, der Rest ist Nebensache.

    »Wie schön, dich kennen zu lernen!«, sagte sie dann laut und reichte Jona herzlich die Hand. »Willkommen in unserem Schloss! Bitte fühle dich ganz wie zu Hause.«

    Jona schaute sich um und nickte. Es gefiel ihm schon jetzt und er freute sich über den herzlichen Empfang durch die Königin. Aber auch er war bestürzt über die heftige Reaktion des Königs.

    »Dein Vater ist einfach überrascht über deine Entscheidung. Gib ihm etwas Zeit«, sagte die Königin beschwichtigend zu ihrem Sohn.

    Tatsächlich brauchte der König ein paar Tage, bis er den Gedanken an einen Schwiegersohn zulassen konnte. Heimlich beobachtete er, wie sein Sohn mit Prinz Jona den Tag verbrachte. Sie zauberten leckere Desserts, neckten sich gegenseitig und lachten viel miteinander. Zwischen ihnen war eine Wärme und eine Zärtlichkeit, die der König selten vorher gesehen hatte und er fühlte, wie seine Bedenken langsam schwanden. Am siebten Tag kam Jona auf ihn zu. »Verehrter Schwiegerpapa, darf ich Euch um einen Gefallen bitten? Mein Vater beherrscht die Kunst des Schwertkampfes nicht sehr gut und einen anderen Lehrmeister besaß ich nie. Dabei würde ich das richtige Kämpfen mit einem Schwert zu gerne lernen. Luca hat mir erzählt, dass Ihr sehr geschickt in dieser Disziplin seid. Bitte, könntet Ihr es mir beibringen?«

    Der König schluckte. Er schluckte ein zweites und ein drittes Mal und schluckte schließlich all seinen Stolz und seine Vorurteile herunter. »Ja, mein Junge, das kann ich wohl.« Lange kaute er auf diesen Worten herum, bis sie auf einmal ganz selbstverständlich aus seinem Mund purzelten. Als sein Blick auf Jonas blitzende Augen traf und er die Freude darin sah, wurde ihm mit einem Mal ganz leicht ums Herz. Es machte ihn sogar ein wenig stolz, dass Jona ihn um Hilfe gebeten hatte. Vielleicht ist doch alles richtig so, wie es ist-, dachte der König. Vielleicht ist Jona genau der richtige Lebenspartner für Luca. Fröhlich ist er jedenfalls und Mut hat er auch – mich so etwas zu fragen, obwohl er genau wusste, dass ich gegen diese Verbindung war.

    Direkt am nächsten Tag startete das Training und der König staunte nicht schlecht über Jonas Geschicklichkeit. Der junge Prinz entpuppte sich als ein Naturtalent. Er lernte schnell und der König erkannte, dass er das Königreich im Ernstfall würdig verteidigen könnte. Aufgrund dieser unerwartet angenehmen Erfahrung lud der König ihn in den nächsten Tagen auf die Jagd ein und war sehr gespannt, wie Jona sich hier verhalten würde. Dieser zeigte sich souverän und furchtlos und überzeugte mit seiner Zielsicherheit. Am Abend lagen zwei Rehe, vier Fasane und drei Kaninchen in der Schlossküche. Die Köchin schlug die Hände über dem Kopf zusammen und machte sich schnell an die Zubereitung der üppigen Speisen.

    »Ich glaube, mit diesem Jona haben wir einen ganz guten Fang gemacht, auch wenn er keine Frau ist«, sagte der König abends nachdenklich zu seiner Gattin.

    »Hauptsache, der Junge ist glücklich«, wiederholte die Königin und schmiegte sich in seine Arme. Enkel würde es ja nun leider wohl nicht geben, was sie etwas schade fand, aber man konnte eben nicht alles im Leben haben. Vielleicht gab es ja einen Waisenjungen im Königreich, den die beiden Prinzen adoptieren und zum zukünftigen Thronfolger ausbilden könnten. Da nun auch der König von seinem künftigen Schwiegersohn überzeugt war, dauerte es nicht mehr lange und es wurde Hochzeit gefeiert. Auch Jonas Eltern aus dem Ost-Reich hatten der Heirat zugestimmt. Sie hatten immer schon gemerkt, dass Jona anders war als andere junge Männer und waren nun froh, dass er in Luca einen passenden Partner gefunden hatte. An ihrem Ehrentag waren beide Prinzen in pinke Seide gehüllt und strahlten wie die Sonne, als sie sich das Jawort gaben. Pinke Luftballons stiegen hoch in den Himmel und weiße Brieftauben trugen die frohe Botschaft mit goldenen Transportröllchen in alle Nachbarreiche: »Mit großer Freude geben wir unsere Vermählung bekannt: Prinz Luca aus dem Südreich und Prinz Jona aus dem Ostreich«.

    Nachdem beide Prinzen sich gegenseitig die Ringe aufgesteckt hatten und sich innig küssten, gab es kein Halten mehr. Von allen Seiten wurde stürmisch applaudiert und gejubelt, Kinder schwenkten begeistert Fähnchen und die beiden Prinzenmütter tupften sich mit ihren Taschentüchern gerührt die Augen. Die Prinzenväter schlugen sich mannhaft gegenseitig auf die Schultern und versuchten, ihre Rührung zu verbergen, aber so ganz gelang ihnen das nicht. Auch Rapunzel war eingeladen. Sie hatte inzwischen ihren Prinzen wiedergefunden und freute sich, dass der Turm, in dem sie so lange gefangen gewesen war, nun etwas Gutes bewirkt hatte. Ob sich Untertanen aus den beiden Reichen wunderten, als sie zur Hochzeit zwei hübsche Prinzen vorfanden und keine Prinzessin, ist nicht überliefert. Aber es war letztendlich auch egal, denn es zählte alleine, dass zum Schluss alle glücklich waren.

    Und wenn sie nicht gestorben sind, dann lieben sie noch heute, zaubern weiterhin leckere Desserts

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1