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Der unterschätzte Mensch: Dein Selbst und die Zukunft der Gesellschaft
Der unterschätzte Mensch: Dein Selbst und die Zukunft der Gesellschaft
Der unterschätzte Mensch: Dein Selbst und die Zukunft der Gesellschaft
eBook391 Seiten4 Stunden

Der unterschätzte Mensch: Dein Selbst und die Zukunft der Gesellschaft

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Über dieses E-Book

Ein tiefgründiger und doch erstaunlich lesbarer Ritt von dem innersten Selbst bis hin zu gesellschaftlichen Zusammenhängen, über das eigene Gehirn bis hin zu künstlicher Intelligenz. Mit dem Ziel, dich und die Gesellschaft zu ermächtigen, werden Zusammenhänge, Probleme und Lösungen aufgezeigt.

Die moderne Welt lässt sich in ihrer Komplexität nur begreifen, wenn die verschiedenen Bereiche nicht getrennt voneinander, sondern als Gesamtheit verstanden werden. Dieses Buch nimmt sich dem Spagat zwischen Psychologie, Wirtschaft und Politik, zwischen Philosophie, Wissenschaft und Alltag an, ohne sich dabei in Fachwissenschaften zu verlieren. Auf dass wir nicht nur uns selbst, sondern auch unsere Gesellschaft besser verstehen.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum30. Nov. 2023
ISBN9783758356704
Der unterschätzte Mensch: Dein Selbst und die Zukunft der Gesellschaft
Autor

Fabian Lehmann

Der Autor Fabian Lehmann, geboren 1991 in Heidelberg, besitzt ein abgeschlossenes Studium in Physik, Bereich Quanteninformation. Mit einem Auge auf gesellschaftsrelevante Themen erlaubt ihm die Brücke zwischen studierter Naturwissenschaft und geführtem Unternehmen Einblicke in das, was wirklich wichtig ist: der Mensch selbst.

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    Buchvorschau

    Der unterschätzte Mensch - Fabian Lehmann

    Für meine Schwestern.

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort

    I Selbstfindung

    1 Der Affe in uns

    1.1 Hunger

    1.2 Angst

    1.3 Verständnis

    2 Warum diese Welt deine ist

    2.1 Deine Welt

    2.2 Sich selbst finden

    2.3 Sich selbst suchen

    3 Einfache Verkomplizierungen

    3.1 Ganz einfach

    3.2 Ist so

    3.3 Deine Meinung

    4 Farben sehen

    4.1 Differenzieren

    4.2 Dekomprimieren

    4.3 Definieren

    5 Deine Zukunft

    5.1 Du wirst dich wandeln

    5.2 Allein verloren

    II Andere Menschen

    6 Andere Menschen sehen

    6.1 Du bist genauso anders

    6.2 In der dritten Person

    6.3 Die Menschen

    7 Andere Menschen sein

    7.1 Leitfaden ethischer Interaktion

    7.2 Zwischenmenschliche Entfaltung

    7.3 Sprechen als Gewaltform

    8 Bessere Menschen

    8.1 Niemand ist besser

    8.2 Leistungsgesellschaft

    8.3 Allem Anfang liegt die Unsicherheit inne

    III Unsere Welt

    9 Strukturen der Macht

    9.1 Machterhaltungssatz

    9.2 Kapitalismus als quantifizierte Religion

    9.3 Faschismus und Trolle

    9.4 Religionismus um dich zu binden

    10 Leitzahlen des Wirtschaftsfundamentalismus

    10.1 Was ist Geld

    10.2 Wirtschaftswachstum und Du

    10.3 Inflation erklärt für Kinder

    10.4 Wirtschaftsgut Mensch

    10.5 Tech-Giganten werden Meta

    11 Strukturen der Ermächtigung

    11.1 Ideologie und Gesellschaft

    11.2 Systemwandel mit System

    11.3 Klimawandelbewegung

    12 Politik im digitalen Zeitalter

    12.1 Das politische Regelsystem

    12.2 Ethische Machtpolitik

    12.3 Politische Infrastruktur

    13 Koassistive Intelligenz

    13.1 Digitales Handwerk

    13.2 Die Gesellschaft der Zukunft

    13.3 Evolution und Unsterblichkeit

    Nachwort

    Literatur

    Inhaltsübersicht

    Vorwort

    Dieses Buch möchte niederschwellig und zugleich tiefgreifend sein. Es soll einfach zu verstehen, aber nicht einfach zu vergessen sein. Es wird wohl kein Buch sein, welches dich in deiner Welt bestätigt; vielmehr sollen Strukturen aufgebrochen, Gewohnheiten erschüttert und Verständnisse erweitert werden - nicht um dich zu ändern, sondern um dir die Chance einer Wahl zu geben. Dieses Buch ist eine Einführung in Denk- und Machtzusammenhänge, startend von dir selbst bis hin zur Gesellschaft. In komplexen Systemen, wie unserer, miteinander verbundenen Welt, lassen sich viele Sachverhalte und Dynamiken nur unter Einbeziehung des gesamten Umfangs verstehen; es reicht nicht, sich einzelne Details anzusehen, wenn man wissen möchte, wie etwas funktioniert. Aufgebaut ist das Buch dabei wie deine Fähigkeit, die Welt zu verstehen - bei deinem eigenen Inneren startend, durch Interaktionen mit anderen Menschen erweitern und schließlich die Außenwelt entdecken. Denn wie willst du die Welt erkennen, wenn du deine Augen nicht verstehst? So sind die einzelnen Kapitel aufeinander aufbauend und dennoch für sich stehend - also starte, wo es dir beliebt, und finde zurück, wenn dir etwas fehlt. Dieses Buch möchte dir die Werkzeuge geben, Zusammenhänge selbstständig betrachten, auswerten und analysieren zu können. Eine Ermächtigung, welche über die direkten Inhalte des Buches hinaus geht - denn es gibt noch so viel mehr Wichtiges in der Welt zu sehen, zu verstehen und zu schaffen. So kann in der Kürze eines Buches nur ein Anreißen vieler Themen erfolgen, dieses Werk wird also weder komplett sein, noch wird es allen Details gerecht werden können. In jedem einzelnen Bereich gibt es andere Personen, welche mehr und besser Bescheid wissen und ich ermutige, bei Interesse, die Werke dieser zu studieren. Dieses Buch hingegen will einen bisher nicht gesehenen Überblick bieten, indem es miteinander verbundene Themenbereiche in einem Gesamtzusammenhang betrachtet. Es ist genau diese übergeordnete Ebene, die ob ihrer Komplexität meist ausgeklammert wird und doch immer eine Rolle spielt, selbst wenn es sich ausschließlich um einzelne natur-, sozial- oder wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse handeln sollte. Um dieser Rolle gerecht zu werden, ist es wichtig, zuerst dich zu erkennen und dein Handeln mit anderen Menschen zu verstehen, bevor du die Gesellschaft zu begreifen versuchst. Nichts in dieser Welt ist außerhalb dieser Kontexte für uns wahrnehmbar; wir haben kein anderes Tor zur Welt außer uns.

    Dieses Buch will dein Werkzeug der Ermächtigung sein. Das Buch bleibt dabei weniger praktisch, als ich es gerne hätte - es kann dir eine Hand reichen, aber die Wirkung hängt letztlich von dir ab. Du bist hier mächtiger, als du vermuten magst. Dies wird keine Aufforderung werden, einem Weg zu folgen, sondern den deinen zu gehen. Wenn dir das Buch dabei hilft, unterstütze es, so wie du es unterstützen kannst. Die Inhalte sind dabei wichtiger, als das Buch selbst, und Reichweite ein Multiplikator von Ideen, darum zögere nicht, mit anderen zu teilen. Lass uns anfangen.

    Teil I

    Selbstfindung

    1 Der Affe in uns

    1.1 Hunger

    Der Mensch ist ein komplexes biologisches System. All unsere Kultur, unsere Bildung und unser Verhalten hat doch unsere Biologie als Grundlage. Unser stärker entwickeltes Gehirn mag uns von von den anderen Lebewesen unterscheiden und ist doch von gleicher, evolutionärer Herkunft, wie auch der Rest unseres Körpers. Die ausgeprägt lange Zeit des Heranwachsens, unsere Kindheit, erlaubt uns kulturelle, technische und wissenschaftliche Evolution an der reinen Biologie vorbei: durch Kommunikation, durch Lehren und Lernen, sowie durch Spielen und Forschen. So haben wir uns als moderne Menschen in vielen Bereichen emanzipiert von unserer biologischen Basis. Wir entwickeln uns als Gemeinschaft viel schneller voran, als unser Körper dies je könnte. Man überlege nur, wie stark sich das moderne Leben von dem vor Hundert Jahren unterscheidet, während unsere Körper doch nahezu die gleichen sind.

    Was bleibt also von unserer biologischen Herkunft, was ist uns evolutionär bedingt angeboren? Natürlich unsere physischen Körper, die unser ganzes Umfeld definieren und als Schnittstelle zwischen uns und der restlichen Welt fungieren. Aber da ist noch mehr, etwas, das nicht definiert, wie wir aussehen, sondern wie wir uns verhalten. Vieles von unserem Verhalten ist nicht angeboren, sondern erlernt. Kurzfristig Erlerntes lässt sich auch schnell wieder vergessen, wendest du ein Verhalten aber die ganze Zeit über an, wird es deutlich schwieriger, dieses zu verlernen. Beispielsweise passieren viele unser körperlichen Bewegungen ganz unbewusst nebenbei und sind wie Gewohnheiten, etwas, was man gar nicht so leicht ablegen kann und nicht immer wahrnimmt. Nun überlege dir, du folgst einer Gewohnheit nicht dein Leben lang, sondern Millionen Jahre oder gar länger. Nicht als du selbst, sondern als Teil der Evolution der Menschheit. Diese Dinge sind so tief in dir, dass du gar nicht merkst, dass sie da sind, weil sie eben immer schon da waren: Nicht wie du dich durch die Sozialen Medien bewegst, aber wie du auf grelle Farben reagierst. Nicht wie wir Nahrung zubereiten, aber wie schmackhaft etwas auf uns wirkt. Nicht wie wir unsere Finanzen planen, aber was wir als Motivation empfinden. Worauf ich hier hinaus möchte, sind Gefühle, undefinierbare Empfindungen und Triebe. Alles, was häufig unterbewusst stattfindet, also oft gar nicht wahrgenommen wird, und dennoch unser Leben stark beeinflusst. Solche Funktionalitäten, die ehemals evolutionär entscheidend waren, können heute aber einschränkend wirken. Um zu verdeutlichen, was ich meine, ein weiteres Beispiel: Du hast Hunger. Sinnvoll, dass dein Körper es schafft, deinem Bewusstsein zu melden, dass er Energie braucht. Dazu kommt dann erlerntes Bewusstsein: Es ist gut, in regelmäßigen Abständen etwas zu essen. Aber worauf hast du Hunger? Auch hier kann uns, bei gut funktionierender Biologie, der Körper Hinweise geben, was gerade besonders gebraucht wird. Hast du Lust auf stärkende Hülsenfrüchte oder doch lieber auf einen frischen Apfel? Vielleicht werden gerade Eiweiße zum Muskelaufbau benötigt oder es besteht ein Vitaminbedarf. Gerade nicht? Kein Problem, denn was ist schon immer lecker? Nun, vielleicht Chips, Süßigkeiten, Zuckergetränke? Zucker, Fett und Salz sind einfache Beispiele evolutionärer Überbleibsel: Der Mensch hatte nie genug davon, um evolutionsbiologisch zu erlernen, wann er¹ davon zu viel hat. Und hier wird es für den modernen Menschen, der sich von all den niederen Instinkten losgesagt hat, interessant: Denn sicherlich weißt du, dass fettiges Essen eher ungesund ist und doch ist es lecker. Süßigkeiten sind schlecht für Zähne und Verdauung und dennoch essen wir diese liebend gern. Salz hat unser Körper im heutigen Durchschnitt mehr als genug und doch geht meist noch eine Prise extra. Natürlich braucht unser Körper diese Substanzen, aber eben in einem Maße, welches viel geringer ist, als wir diese meist zu uns nehmen. Sich bewusst gesund zu ernähren, heißt deshalb oft auch, aktiv gegen einen inneren Drang anzukämpfen. Und unser erlerntes Wissen gewinnt den Kampf gegen diesen archaischen Drang selbstverständlich nicht immer. Ist das also etwas, mit dem wir leben müssen? Ja und nein. Ja, weil dies Teil von dir, deinem Körper, deinem Empfinden ist. Du kannst hier Unerwünschtes verneinen, bekämpfst damit aber zeitgleich einen Teil deiner eigenen Identität - ein Kampf, den du nicht gewinnen kannst. Dich und deine Identität anzunehmen, heißt aber nicht, dass du all deinen Trieben auch nachgeben musst. Nein, deine eigenen Empfindungen bewusst wahrzunehmen, schafft dir die Möglichkeit einer differenzierteren Entscheidung. Um damit zum Beispiel von eben zurückzukommen und eine Motivation zu geben, warum es im Alltag wichtig ist, bewusst mit den eigenen Trieben umzugehen: Es ist wichtig, sich gegen den „Lecker"-Drang zu wehren, selbst wenn du nicht vor hast, dich gesund ernähren zu wollen, denn: Es gibt andere Menschen, die bewusst genau diese archaische Mechanik ausnutzen, um minderwertige Nahrungsmittel teuer als lecker zu verkaufen. Zucker, Salz und Fett kratzen hier nur an der unteren Decke der Möglichkeiten, denn mit moderner Lebensmittelchemie ist so einiges mehr möglich, oft auf Kosten der Wertigkeit des Nahrungsmittels. Deshalb ist es sinnvoll, zu wissen, was in einem Produkt drin steckt, wie es produziert wurde und was das mit deinem Körper macht. Deshalb ist es sinnvoll den Lebensmittelmarkt zu regulieren, sodass nicht Müll als Nahrung verkauft werden darf. Und deshalb ist es sinnvoll, deine eigene, unterbewusste Versuchung zu zügeln, wenn etwas eben nur lecker, aber nicht mehr ist.

    1.2 Angst

    Dieses Kapitel wird etwas fordernder, denn die evolutionäre Prägung, über die ich aufklären will, ist weitaus weniger „lecker und deutlich komplizierter zu begreifen (siehe Kapitel 1.1). Unbewusst und stark lauert eine Kraft in uns, die uns Dinge tun lässt, die wir nicht für möglich gehalten hätten. Oft verschwiegen und persönlich im Auftreten. Schwer zu kontrollieren und schnell im Wirken. Gern missbraucht als Instrument der Macht und doch überlebenswichtig für uns selbst. Angst ist unangenehm im Empfinden und doch jedem Menschen bekannt. Ursprünglich als Motivation, die eigenen Sinne in gefährlichen Situationen zu schärfen und im Zweifel dann hart zu kämpfen oder schnell wegzulaufen, wenn die Angst denn groß genug ist. So sorgt das Empfinden von Angst dafür, dass sich unsere Prioritäten verschieben: Waren eben noch die leckeren Beeren das Zentrum unserer Welt, so ist es nun der Bär, der uns lecker findet. Nun funktioniert die Angst bei jedem Menschen anders, eine gleiche Basis in anderer Ausprägung, oft auch ergänzt durch erlernte Inhalte: Wenn du in der Vergangenheit eine heiße Herdplatte berührt hast, wirst du Herdplatten mit einem anderen Respekt betrachten, als wenn du zwar weißt, heiße Herdplatten nicht zu berühren, aber noch nie Schmerzen durch eine Herdplatte erfahren hast. Dies kann sich bis ins Irrationale verschieben, sodass du Herdplatten selbst in kaltem Zustand ungern berührst. Angst beeinflusst nicht nur deine Sicht auf Dinge, sondern verschiebt auch dein Weltbild. Dein Gehirn sortiert die gesammelten Eindrücke nach Priorität: So hast du gelernt, dass Rot eine Warnfarbe ist, also fallt dir Rot eher auf, als vielleicht Grün, welches dafür entspannter anzusehen ist. Die Priorisierung erfolgt dabei zuerst nach Überlebenswichtigkeit, sprich, wenn du eine Bedrohung wahr-nimmst, ist diese für dich vorrangig, auch wenn vielleicht zeitgleich ein Beerenbusch auf dich wartet. Damit dies funktioniert, muss Angst als Emotion vergleichsweise stark sein und andere Empfindungen, wie Müdigkeit, Hunger oder Lust überwinden können. Sie ist evolutionär direkt mit Überleben verknüpft, denn falls dich ein Bär erwischt, sind all die Beerenbüsche egal, auch wenn die nahrhaftesten Beeren daran hängen. Was nun aber evolutionär sehr wichtig und hilfreich war, muss das heutzutage nicht mehr zwingend sein. So, wie wir gelernt haben, dass der Bär im Zoo keine Bedrohung für uns darstellt, so haben wir gelernt Flugzeugabstürze, Mieterhöhungen oder Börsencrashs zu fürchten. Die grundlegenden, funktionalen Muster sind durch ihre lange Wichtigkeit tief in uns verankert, auch wenn unsere moderne Welt nicht mehr viel mit unserer ursprünglichen Umgebung zu tun hat. Selbst wenn wir wissen, dass manche unserer Befürchtungen reichlich unbegründet sind, so können wir uns doch oft nicht gegen die Empfindung der Angst selbst wehren. Und ich rede hier noch nicht von Angststörungen, welche nochmals deutlich ausgeprägter sein können, sondern, dass selbst schon kleine Empfindungen der Angst ausreichen, um uns mit einer Furchtvision zu beschäftigen. Hast du beispielsweise Furcht vor dem Fliegen, so wird ein an sich entspannter Flug zur stressigen Angstpassage, nur, weil eine wenig begründete Furcht ihren Weg zu dir findet. Nun ist dieses Beispiel ein recht individuelles Problem, es betrifft dich entweder oder nicht, und selbst wenn, betrifft es eben hauptsächlich dich selbst mit nur wenigen Auswirkungen auf deine Mitmenschen. Das ist nicht immer so, hast du Furcht vor Wohlstandsverlust und wählst deswegen rechtsextreme Parteien, anstatt tatsächliche Probleme anzugehen (10), beeinflusst das die Politik eines ganzen Gesellschaft. Es geht hier nicht um inhaltliche Auseinandersetzungen mit dem Sachthema, sondern um die innere Empfindung, die damit einhergeht. Unwohlsein, Befürchtungen und letztlich Angst in unterschiedlichen Ausprägungen. Angst, die einen Weg an sachlicher Argumentation vorbei findet. Angst, die dich Dinge tun lässt, die du normalerweise" nicht tun würdest, die nun aber gerade wichtig sind, eben weil Angst deine Welt neu priorisiert. Als Empfindung vorbei an deinem Verstand und dann von innen heraus doch deinen Verstand dominierend; erst einmal ist Überleben wichtig, alles andere kommt danach. Wenn du vor einem Feuer fliehst, mag Angst ihre Berechtigung haben, wenn du aber deinen geschützten Alltag bewältigst, wird sie zu einer schlechten Ratgeberin. So sehr sie deine Sinne schärft, vernebelt sie doch deinen Verstand. Wie willst du durchdachte Überlegungen anstellen, langfristig planen und verschiedene Gesichtspunkte recherchieren, wenn du Angst hast und dich fürchtest? Angst verlangt Taten, nicht Sinnesfragen, und das lässt sich ausnutzen (9).

    Angst macht dich blind. Du reagierst auf Befürchtungen, denn du musst etwas gegen diese Angst machen; so sind wir gebaut (1.1). Und doch bist du blind, so klar, wie du auch die Furcht vor dir siehst, so wenig mehr siehst du noch. Lehrt dich jemand das Fürchten, so kontrolliert die Angst, was du siehst, dominiert, was dir wichtig ist, und du reagierst. Was einst wichtig war ist entrückt und wird durch ängstigende Prioritäten überstrahlt, Furcht ist ein Machtinstrument. Wie willst du dich frei bewegen, wenn du weißt, es könnten jederzeit für Fehltritte Schläge drohen? Wie willst du deinen Wahlzettel frei ausfüllen, wenn dein Arbeitsplatz durch andere bedroht ist? Wie willst du dich um deine Mitmenschen kümmern, wenn doch der Wohlstand deiner Familie gefährdet sein könnte? Wie willst du sachlich über ein Problem denken, wenn du doch innerlich aufgewühlt bist? Richtig, du kannst es nicht. Und das ist problematisch. Wenn dir morgen jemand weismachen würde, dass der Himmel einstürzt, würdest du übermorgen mit Helm herumlaufen (9.4). Es geht in Teil (I) des Buches noch nicht darum, gesellschaftliche Haltungen zu entwickeln, sondern um die Selbstfindung deiner Person. Wenn du tust, was du tust, aus innerer, entspannter Überzeugung, ist das etwas anderes, als wenn du dich gezwungen siehst, etwas zu tun. Und es geht hier nicht um einen tätlichen, äußeren Zwang, sondern um dein inneres Empfinden, auf welches sich der Zwang beruft. Es gibt Menschen, die nicht nur wissen, wie Angst wirkt, sondern diese bei anderen auch bewusst einzusetzen wissen. Im Privaten mag das einschränkend wirken, wirst du beispielsweise aus Furcht zum Abschluss einer überflüssigen Versicherung getrieben. Im Gesellschaftspolitischen wirkt Furcht jedoch zerstörend. Fürchtest du dich vor Wohlstandsverlust, wählst du vielleicht radikaler, als du es sonst tun würdest. Fürchtest du dich vor den Schergen eines Regimes, hältst du deine Füße vielleicht stiller, als du es sonst tun würdest. Und fürchtest du die moderne Welt, erscheint Faschismus dir als natürliche Entwicklung und „es war ja nicht alles schlecht". So, wie dir Furcht die Sinne vernebelt, nimmt sie der Gesellschaft die Luft zum Atmen. Wie willst du auch auf andere achten, wenn du dich selbst retten musst? Demokratien leben von sachlichem Austausch und Diskurs, welcher alle, insbesondere auch Minderheiten miteinbezieht. Hochkochende Emotionen sind Teil davon, aber in einer emotionalen Dauererregung zu sein, hilft denen, die diese zu lenken wissen.

    Wie kann man sich gegen Ausnutzung solcher selbstverfremdenden Mechanismen wehren? Dafür hilft es, sich an den Anfang dieses Kapitels zu erinnern. Diese archaischen Funktionen sind so tief in uns verwurzelt, dass wir sie gar nicht vermeiden können (zumal sie ja auch, zumindest zeitweise, ihre Berechtigung haben). Dieses Bewusstsein ist ein erster wichtiger Schritt, solche Funktionen unseres Gehirns, unseres Körpers, zu erkennen. Ja, wir haben diese Empfindungen, wir wissen woher sie kommen und was sie mit uns machen. Wenn wir das wissen, haben wir die Chance, diese Empfindungen direkt oder auch im Nachgang zu erkennen. Und zwar unabhängig äußerer Einflussnahme: Ob man sich für diese Gefühle schämen müsste oder nicht, spielt keine Rolle, da alles privat in deinem Kopf ist; es geht niemanden etwas an, solange du es nicht teilen möchtest. Hier geht es erst einmal um dich und die Möglichkeiten deiner Entfaltung weg von Fesseln durch Konventionen, Erwartungen anderer oder Auflagen an sich selbst. Erkennst du nun solche Empfindungen wieder, wie beispielsweise Angst, kannst du reagieren, die erkannte Furcht als archaisches Muster einordnen, innehalten und bewusst bewerten, wie relevant die Angst hier tatsächlich ist. Dieser Vorgang ist ein Lernprozess und braucht, wie alles andere, Übung. Du glaubst, es ist nicht möglich, die eigenen Empfindungen zu zähmen? Dazu ein Extrembeispiel in Angst: Man überlege sich, wie Freeclimber*innen wohl denken, wenn sie ohne jede Sicherung, tödlich hohe Wände erklettern. Hierzu ist in Perfektion eine unglaubliche Geistesbeherrschung nötig und möglich. Wo Ungeübte sich bis zum Todesfall panisch an die Wand klammern würden, sobald sie sich der Furcht bewusst werden, schaffen Freeclimber*innen es, ihre Angst zu erkennen und auf den inneren Stapel für „Eingegangen - Unwichtig" zu legen. Nun ist nicht jede Person Freeclimber*in, wir tun uns schwerer oder leichter, unsere eigenen Empfindungen zu zähmen. Es geht nicht darum, sich der Furcht zu entledigen, es geht nur darum, sie richtig einzuordnen. Und wir können lernen, nicht nur uns selbst zu erkennen, sondern auch zu erkennen, wenn andere diese Schwächen ausnutzen wollen. Warum redet diese Person nur von Gefahr, Feinden und Ängsten? Was bleibt an Inhalt, wenn wir die Aussagen von den archaischen Angst-Triggern lösen? Es geht nicht darum, Furcht zu ignorieren, aber zu schauen, was bleibt eigentlich noch, außer der Angst? Ein Text mit vielen Ausrufezeichen mag als wichtig erscheinen und doch zählen nur die eigentlichen Worte zum Inhalt. Sich den eigenen Empfindungen zu stellen ist selten leicht und nicht immer erfolgreich, und doch lohnt sich der Versuch des Erlernens. Wenn es uns gelingt unsere archaischen Funktionsmuster zu regeln, ist dies ein wertvoller Schritt der Selbstermächtigung: Empfindungen nicht ignorieren, aber auch nicht einfach zulassen, sondern entscheiden, wann es sich lohnt. Selbstverwirklichung kostet Anstrengung, und so sehr wir doch evolutionär vorgeprägt sind, lohnt es sich, zu wissen dagegen zu kämpfen. Wenn du weißt, was Angst bedeutet, weißt du auch, wann du dich darauf verlassen kannst - und wann nicht.

    1.3 Verständnis

    Zum Abschluss des Überkapitels 1 komme ich noch zu einem weiteren Beispiel unseres inneren Affen im Sinne der evolutionär verwurzelten Verhaltensmuster. Unser Gehirn funktioniert, wie es funktioniert, nicht nur aufgrund komplexer Biologie, sondern auch aufgrund physikalisch-mathematischer Grundlagen. Wie viele Farben hat die Welt? Wie viele Regentropfen siehst du, wenn es regnet? Welche Geräusche hörst du gerade und warum weißt du, was diese Geräusche macht? Wir, mithilfe unseres Gehirns, müssen ziemlich gut darin sein, die Millionen Sinneseindrücke zu verarbeiten, die auf uns einprasseln. Nicht nur, dass wir unseren eigenen Körper nebenbei managen, sondern auch, dass wir uns in unserer Umwelt zurechtfinden, ja gar dominierend fortbewegen verglichen zu den anderen Lebewesen dieses Planeten. Wie funktioniert das? Wie wird aus all den Photonen, die in dein Auge treffen ein Bild, welches du verstehst? Wie wissen wir, welche Schallwellen belanglos sind und welche interessant? Letztere Frage ist fürs Erste einfacher zu beantworten: Jederzeit treffen Schallwellen auf dein Ohr. Es gibt Geräusche, die du kennst, die einfachstenfalls regelmäßig und monoton sind und rein gar nichts mit dir zu tun haben. Die ferne Autobahn brummt? Die Uhr tickt? Dein Gehirn hat gelernt, diese Töne einzuordnen. Es weiß bereits, dass es meist egal ist, ob diese Geräusche zu hören sind oder nicht, es besteht kein Drang etwas zu tun. Für andere bekannte Geräusche mag das nicht gelten, wenn ein Wecker klingelt oder die Klingel läutet, mag das zwar bekannt und gewohnt sein, aber es ist zugleich mit einer Aufgabe verbunden und bedeutet, je nach gewohnter Häufigkeit, zumindest einen Aufmerksamkeitswechsel oder sogar einen Adrenalinschub. Unser Gehirn hat gelernt, wenn es läutet, folgt darauf ein Zur-Tür-Gehen und zwischenmenschliche Interaktion. Wie ist das nun aber mit Geräuschen, die wir nicht kennen? Diese kann unser Gehirn noch nicht direkt zuordnen, vielleicht besteht eine Idee, was es sein könnte, aber insbesondere dann, wenn nicht, resultiert dies in Neugier oder Grusel. Befinden wir uns in bekannter, sicherer Umgebung, gar in vertrauter Gesellschaft, ist es meist Neugier: Was ist dieses Geräusch? Kenne ich noch nicht, woher kommt das, was macht es? Ganz anders in unbekannter Umgebung, wenn der Körper sowieso schon in Lauerstellung ist, denn hier könnten Gefahren drohen: Läufst du durch einen dunklen Wald und hörst ein Geräusch, wird dieses eher Unbehagen auslösen und als Gefahr wahrgenommen werden, auch wenn du vermutest, dass es wohl nur der Wind in den Blättern war. So oder so, werden unbekannte Geräusche erst einmal als Fremdkörper wahrgenommen, weil sie nicht zu der Welt deines Gehirns passen. Vielleicht gibt es nichts zu befürchten, aber im Zweifelsfall, wie bei der Angst auch (1.2), ist es sicherer fürs Erste eine Gefahr anzunehmen, auch wenn es tatsächlich unwichtig oder gar positiv ist. Nach den vorangegangenen Kapiteln kann hier bereits vermutet werden, dass es nicht immer sinnvoll ist, auf diese ersten, archaischen Empfindungen zu vertrauen. Neugierde ist wohl nicht verkehrt, aber in Alarmstellung zu gehen, nur weil dein Gehirn ein Geräusch nicht verstanden hat, wird heutzutage nur noch selten hilfreich sein.

    Bleibt die Frage, wie sich unser Gehirn die Welt zusammenbaut aus all den Eindrücken und Erfahrungen, die wir erleben? Bleiben wir zuerst bei den ganz grundlegenden Funktionen, die so ähnlich auch bei anderen Lebewesen funktionieren: Es geht darum, wie unser Gehirn Wahrnehmungen sortiert: Tritt ein Sinneseindruck in unser System, wird dieser untersucht und dann in eine passende Kiste einsortiert und weitergeleitet. Dabei werden verschiedene Eindrücke zusammen in eine Kiste gesteckt, Auto-Sehen und Auto-Hören gehört zusammen. Je nach Wichtigkeit dieser Kiste, kommt diese dann früher, später oder auch gar nicht zu deinem Bewusstsein. Vielleicht sind rote Autos gerade besonders interessant für dich und diese Kiste wird extra vorgeschoben. Dieser gegenüber gibt es auch Kisten, die soweit hinten anstehen, dass du sie vielleicht Jahre nicht mehr gesehen hast: Die fehlenden Fußleisten sind dir beim Einzug aufgefallen, aber du hast dich daran gewöhnt und Kisten dieser Eindrücke sind so langweilig, dass sie direkt ins Archiv wandern ohne jemals dein Tageslicht zu sehen. Es ist nicht so, als würden deine Augen etwas nicht sehen, es ist vielmehr dein Gehirn, was etwas nicht mehr sieht. Dieser Mechanismus der Informationskomprimierung, kistenförmiger Einordnung und Priorisierung ist essentiell für die Funktionsweise und Effizienz unseres Gehirns und jeder anderen Informationsverarbeitung. Hier geht es nicht darum, diese Funktionsweise als unobjektiv zu bekämpfen um dann zu versuchen alles in einer wahren Echtheit wahrzunehmen - das ist uns nicht möglich, wir funktionieren nur über diese Vereinfachungen unserer Wahrnehmung. Stattdessen können wir aber versuchen, uns dieser Funktionsweise bewusst zu sein. Denn die letzte, bewusste Bewertung übernehmen immer noch wir selbst direkt, und wir trainieren mit diesen Bewertungen auch unser Gehirn und dessen automatisierte Einordnung. Denn auch, wenn die Kisten in unserem Kopf nicht die tatsächliche Welt in aller Genauigkeit enthalten, so definieren diese Kisten dennoch, wie die Welt für uns selbst aussieht. Haben wir eine Kiste für die Bosheit der Welt, sieht unsere Welt ungleich düsterer aus, als wenn wir diese nicht haben; und haben wir keine Kiste für die Ungerechtigkeiten dieser Welt, so ist unsere Welt ungleich naiver als die tatsächliche. Noch kritischer wird es, wenn wir auf ganz Unbekanntes treffen, was in unser globalisierten Gemeinschaft doch häufiger vorkommt, als das bisher im Laufe unserer evolutionären Geschichte der Fall war. Du siehst Personen fremder Kulturen auf deiner Straße, du hörst von Menschen anderer Geschlechter in deinen Medien, du bemerkst ungewohnt ungehörige Verhaltensänderungen deiner Gemeinschaft. Die Welt ist, wie sie ist - erst in deinem Kopf werden aus anderen Menschen Fremde, aus anderen Geschlechtern Neuheiten, bereits deine Unkenntnis lässt anderes Verhalten ungehörig wirken. Unbekanntes, Neues, Fremdes bedeutet für unser archaisches Inneres erst einmal Vorsicht und im Zweifel eher Gefahr und Kampf, wenn wir es nicht schaffen unsere eigene Unsicherheit zu überwinden (1.2). Sind wir unsicher, in welche Kiste etwas einzusortieren ist, landet es gerne einmal in der „Wichtig! Vielleicht gefährlich!"-Kiste, einfach weil wir noch keine bessere Kiste haben, in welche wir diese Eindrücke einsortieren könnten. Kennen wir uns aber selbst und wissen über diese Funktionen unseres Gehirnes Bescheid, so können wir uns verdeutlichen, dass diese Kisten unserer ängstlichen Vergangenheit nicht immer ernstzunehmen sind. Vielleicht ist es gefährlich, meist wissen wir aber nur bloß noch nichts damit anzufangen. Schaffen wir es, diese Kiste bewusst mit genau diesem Gedanken abzufangen, haben wir die Möglichkeit, auch bewusst zu entscheiden, wohin wir diese Kiste einsortieren. Öfter als häufig ist hier der Angst- und Alarmmodus das archaische Überbleibsel, welches wir eben nicht aktivieren wollen, da unser Gehirn und unsere Gesellschaft mittlerweile soviel mehr erlaubt. Doch wohin dann mit dieser

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