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Das Schattenpaar: Die Saga von Eldrid, Band 5
Das Schattenpaar: Die Saga von Eldrid, Band 5
Das Schattenpaar: Die Saga von Eldrid, Band 5
eBook405 Seiten5 Stunden

Das Schattenpaar: Die Saga von Eldrid, Band 5

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Über dieses E-Book

Das große FinaleEldrid steht kurz davor, von der Dunkelheit verschlungen und von den Berggeistern zerstört zu werden. Ludmilla hat alle Hände voll zu tun, den Willomitzer wieder einzufangen, und noch immer hofft sie darauf, Zamir und seine Schattenarmee stoppen zu können. Am Ende einer Hetzjagd steht die Begegnung mit einem Wesen, dessen Hilfe sich als sehr wertvoll erweist. Doch der Kampf der Geisterwelten untereinander bedroht zunehmend die Existenz der magischen Welt. Die Lage wird immer aussichtsloser, so dass die Spiegelwächter keinen anderen Ausweg sehen, als die Spiegel zu zerstören. Dieser Entschluss wird durch die Situation in der Menschenwelt, die völlig außer Kontrolle gerät, zusätzlich bestärkt. Ihre letzte Hoffnung liegt auf Ludmilla und ihren Verbündeten.Wird es ihnen gelingen, Eldrid zu retten, oder ist die magische Welt dem Untergang geweiht?
SpracheDeutsch
HerausgeberAnnina Safran
Erscheinungsdatum1. Dez. 2022
ISBN9783985104277
Das Schattenpaar: Die Saga von Eldrid, Band 5

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    Buchvorschau

    Das Schattenpaar - Annina Safran

    Was bisher geschah

    Fünf Spiegel, fünf Spiegelfamilien, fünf Spiegelwächter, eine magische Welt: Eldrid.

    Die 15-jährige Ludmilla Scathan entdeckt einen Spiegel im Haus ihrer Großmutter Mina, der nach Eldrid führt. Es ist eine magische Welt mit einem besonderen Licht, das es zu beschützen gilt, denn es ist von der Dunkelheit bedroht. Ursache dafür ist unter anderem der Schatten ihrer Großmutter, der dieser in jungen Jahren gestohlen wurde und der nun als lebendiger Schattenkönig das magische Licht bedroht. Ludmilla wird zu Hilfe gerufen, um diesen Schatten zurück in die Menschenwelt zu bringen. Gemeinsam mit dem Spiegelwächter Uri und seiner Fee Pixi begibt sich Ludmilla auf eine Reise durch diese fantastische Welt. Damit sie sich schneller fortbewegen kann, verleiht ihr Uri eine Kraft: das Schnell-Laufen. Dadurch wird jedoch auch ihr Schatten erweckt. Dieser wird nun für den Schattendieb und bösen Spiegelwächter Zamir interessant, der seit Minas Schattenverlust vielen Wesen ihre Schatten gestohlen und diese an den Himmel geschickt hat. Eine dicke riesige Schattenwolke verdunkelt schon einen großen Teil von Eldrid. Die Ereignisse überschlagen sich seit Ludmillas Ankunft: Die mächtigsten und ältesten Geister, die Berggeister, sind erwacht, Bodan, ebenfalls ein Spiegelwächter und Vertrauter von Uri, verliert seinen Schatten, die Waldgeister stellen sich gegen die Spiegelwächter, und Zamir kann sich aus seiner Verbannung befreien.

    Ludmilla reist auf eigene Faust mit ihren Freunden Lando, dem Formwandler, und Eneas, dem Unsichtbaren, in den dunklen Teil von Eldrid. Verfolgt von Wesen der Dunkelheit, erreichen sie schließlich das Dorf der schattenlosen Wesen. Dort finden sie zwar nicht Godal, den Schatten ihrer Großmutter, treffen aber den Magier Mainart, der ihnen von einer alten Legende erzählt. Neben den fünf magischen Spiegeln, die nach Eldrid führen, können fünf mächtige lebendige Schatten erschaffen werden, die das Pentagramm der Schatten bilden. Dieses Pentagramm ist mächtiger als alles andere, was es in Eldrid gibt. Ludmilla und ihre Freunde wollen herausfinden, ob fünf lebendige mächtige Schatten geschaffen und zu dem Pentagramm zusammengefügt wurden.

    Dieses Vorhaben führt sie durch das Land der Nuria, in dem sie das Dorf der lebendigen Schatten, das Schattendorf, finden. Aber nicht nur die Schatten stellen eine Bedrohung dar, auch die feurigen Wesen Nuria jagen sie durch das dunkle trostlose Land. Durch Zufall erweckt Ludmilla den bis dahin schlafenden Kobolddrachen Nouk, der ihr Begleiter und Helfer wird. Außerdem erhält sie von einem Hexenvolk, den Wiar, den Rat, ein schattenfressendes Wesen, den Willomitzer, zu erschaffen, um sich so der lebendigen Schatten zu entledigen.

    Vince, der Enkel von Edmund Taranee, wird nach Eldrid geschickt und erhält von Zamir den Auftrag, Ludmilla zu ihm zu bringen. Er verfolgt sie in das Land der Nuria, ist aber weder in der Lage noch willens, seinen Auftrag zu erfüllen. Da Ludmilla ihm nicht vertraut, lässt sie ihn bei den Wiar zurück.

    Währenddessen gerät auch die Gemeinschaft der Spiegelwächter weiter ins Wanken. Bodan verbannt sich in das Dorf der schattenlosen Wesen. Die Zwillinge Kelby und Arden überstimmen Uri in wichtigen Entscheidungen, und Arden gewinnt den Eindruck, dass der einzige Weg, die magische Welt zu retten, darin besteht, die Spiegel zu entmachten oder zu zerstören. Auch er verliert daraufhin seinen Schatten.

    Nachdem Ludmilla und ihre Freunde das Land der Nuria endlich verlassen konnten, wird sie von Zamir attackiert. Sie kann ihn nur abwehren, indem sie sich selbst einschließt, aber so auch bewusstlos wird. Lando, Eneas und Nouk versuchen, den Willomitzer unter Kontrolle zu halten und Ludmilla an einen heilenden Ort zu bringen. Bei den Drei Schwestern kann sie endlich aufgeweckt werden, aber auf dem Weg dorthin geht der Schattenfresser verloren und treibt sein Unwesen in Eldrid. Es gelingt Ludmilla nicht, ihn wieder einzufangen, und sie muss schließlich die Jagd nach ihm aufgeben. Der Willomitzer zieht allein weiter und trifft auf Zamir. Vince, der nach einer Erholungs- und Lehrpause von den Wiar frei gelassen wurde, beobachtet dies und verfolgt die beiden.

    In der Menschenwelt hält derweil das Spiegelbild von Ludmilla, das sie dort zurücklassen musste, die Mitglieder der Spiegelfamilien auf Trab. Ihre Großmutter Mina erleidet einen Herzinfarkt, während sich Edmund Taranee in das Geschehen einmischt. Margot Dena nimmt Kontakt zu den anderen Spiegelfamilien auf. Das Geheimnis um die Spiegel scheint von dem Hausmeister der Dena-Familie, Franz, und dem Angestellten der Taranee-Familie, Georg, gelüftet worden zu sein. Ludmillas Spiegelbild sollte das Scathan-Haus nicht dauerhaft verlassen, damit Ludmilla in die Menschenwelt zurückkehren kann, jedoch wird das Abbild von Minas Tochter ins Internat geschickt und ist somit außer Reichweite.

    Franz und Georg lassen nichts unversucht, durch den Spiegel zu reisen, während sich Edmund, Mina und Arndt ein neues Hindernis in den Weg stellt: der Erbe der Ardis-Familie, Conrad. Dieser ist gewillt, das Ardis-Haus zu verkaufen, jedoch will er den Spiegel behalten und mit sich nehmen. Das Pentagramm der Spiegel ist in Gefahr, und die drei Alten denken sich eine List aus, um das Portal im Haus belassen zu können. Am Ende kann der junge Ardis das Geheimnis dennoch lüften und will aus den Eldrid-Reisen ein Geschäft für die Menschenwelt machen.

    Erstes Kapitel

    Arndt Solas

    Mit einem lauten Krachen landete Arndt Solas wieder im Haus der Ardis-Familie. Er stolperte von dem Spiegel weg, der ihn durch das halbe Zimmer katapultiert hatte, und sah sich gehetzt um. Es war niemand zu sehen. Aus dem Haus war kein Geräusch zu vernehmen. Seine hellen blauen Augen hinter den dicken Brillengläsern huschten unruhig hin und her. Auch wenn Arndt seit mehreren Wochen hier ein- und ausging, bereitete ihm die Stille, die über den Räumen lag, eine Gänsehaut. Der halbverkohlte Spiegel erinnerte jede Minute daran, wie Hedda Ardis gestorben war, und auch wenn es Arndt nicht verwundert hatte, dass das Portal einwandfrei funktionierte, fühlte er sich in seiner Anwesenheit unwohl. Angestrengt horchte er nach Fußtritten auf der Treppe, Türenknallen, während er sich die wenigen Haare, die er noch auf dem Kopf hatte, zurückstrich. Er legte eine zitternde Hand ans Ohr, als würde er dadurch besser hören können, aber da war nichts. Kein einziger Laut. Hatten Conrad Ardis und Georg, der Fahrer von Edmund Taranee, die vor ihm aus Eldrid zurückgesprungen waren, einen so großen Vorsprung gehabt? 10 Minuten in Eldrid – länger hatte er sich mit Kelby in der Höhle nicht unterhalten – entsprachen nur einer Minute in dieser Welt. Hatte die gereicht, um das Haus zu verlassen? Das durfte nicht sein. Mindestens den Angestellten von Edmund Taranee, Georg, musste er zur Rede stellen. Schadensbegrenzung, darum ging es jetzt.

    Zitternd ging er mit großen schnellen Schritten zur Tür und trat auf den Flur. »Georg«, brüllte er ungehalten. »Ich rufe jetzt Edmund Taranee an. Wenn du deinen Job behalten willst, solltest du dich blicken lassen.«

    Stille, fast gespenstische Stille. »Das darf doch alles nicht wahr sein«, brummte Arndt vor sich hin. Seine alten Beine wackelten, während er die Treppe hinunterlief und zur Haustür eilte. Dabei flatterte das Hemd, das ihm aus der Hose hing, um die ausgebeulten staubigen Hosenbeine. »Die können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben.«

    Arndt Solas war noch nie eine sonderlich gepflegte Erscheinung gewesen, doch in den letzten Wochen hatte er sich Mühe gegeben. Jeden Tag hatte er das Hemd gewechselt, seine abgelaufenen Schuhe geputzt und selbst die dicken Brillengläser waren überwiegend sauber gewesen. Von dieser Fassade war nun nichts mehr übrig. Staub aus Eldrid hing an seiner gesamten Kleidung. Mit bebenden Händen holte er sein Handy aus der Hosentasche und tippte darauf herum, hielt dann inne. Erneut blieb er stehen. »Herr Ardis«, rief er und horchte. »Herr Conrad Ardis? Bitte, sind sie da?«

    Nichts war zu hören außer dem rasselnden Atem, der aus seiner Brust kam. Hilflos starrte er auf das Handy in der Hand und drückte auf den grünen Knopf. Nach zwei Klingelzeichen ertönte Edmunds Stimme. »Arndt!« Er klang gut gelaunt. »Ist mit dem Ardis-Spiegel alles in Ordnung? Läuft alles nach Plan?«

    »Nein, nichts ist in Ordnung«, entgegnete dieser atemlos und suchte nach den richtigen Worten. »Ich bin im Ardis-Haus, und hier läuft nichts mehr nach Plan. Conrad Ardis ist hinter das Geheimnis des Spiegels gekommen. Er ist nach Eldrid gereist, und dein Angestellter Georg, der zufällig dazu kam, ist direkt hinterher gesprungen.« In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Er konnte es immer noch nicht fassen, was gerade geschehen war.

    »Was?«, bellte Edmund durch das Handy, so dass Arndt zusammenzuckte und es fast fallen gelassen hätte. »Wie konnte das passieren?« Als dieser nicht sofort antwortete, schob er mit drohendem Ton hinterher: »Arndt, du musst mir ganz genau erzählen, was geschehen ist.«

    Arndts Hände fingen unkontrolliert an zu zittern, und er hatte Mühe, zu antworten. »Der Restaurator und ich haben an dem Spiegel gearbeitet, als Conrad Ardis unangemeldet ins Haus kam und die Arbeit begutachten wollte«, stammelte er. »Er ging viel zu nah an das Portal heran, ich habe versucht, ihn daran zu hindern, aber irgendwie berührte er den Spiegel doch, und dieser fing sofort an zu leuchten.« Nun sprudelten die Worte aus ihm heraus, und es war, als würde er das Erzählte noch einmal erleben. »Dann ging alles ganz schnell. Ich hatte den Eindruck, dass Conrad ein Licht aufging. Hedda hat ihm immer all diese Geschichten über Eldrid erzählt, und in dem Moment, als der Spiegel zu beleuchten begann, begriff er, dass es nicht nur Geschichten waren. Der Restaurator hat etwas von magischen Spiegeln gefaselt und ist panisch rausgerannt. Dein Angestellter Georg kam ins Zimmer, und Conrad ist durch den Spiegel gesprungen. Dieser Georg schien noch nicht einmal überrascht, denn er ist ohne Zögern direkt hinterher.« Atemlos schnappte Arndt nach Luft.

    Schweigen am anderen Ende.

    »Edmund? Hörst du mich? Sag doch was.«

    »Ich … höre …«, stotterte der alte Taranee, und seine Stimme hörte sich gepresst an.

    »Was …«, begann Arndt, aber er wurde unterbrochen.

    »Was ist dann passiert? Bist du ihnen gefolgt? Bist du auch nach Eldrid gereist?«

    Arndt nickte stumm.

    »Bist du?«, herrschte ihn die Stimme durchs Handy an.

    »Ja«, beeilte er sich zu erwidern. »Ich bin hinterher. Mir fiel in diesem Moment nichts Besseres ein.«

    »Du hattest doch gar keine Wahl, natürlich musstest du ihnen folgen!« Ein wütendes Schnauben ertönte. »Und was ist dann passiert? Wie hat Conrad auf Eldrid reagiert? War Kelby in der Höhle?«

    »Kelby war da und völlig außer sich. Er wusste nicht, dass Hedda tot ist. Und es waren ihm eindeutig zu viele Menschen, die durch sein Portal kamen.« Der alte Solas hielt kurz inne. »Conrad dagegen war regelrecht euphorisch. Er spielte sich auf, als wäre er der große Zampano, und hat den Spiegelwächter respektlos behandelt. Dieser war jedoch viel zu perplex, um zu handeln. Stattdessen ließ er ihn gewähren und sich in Rage reden. Conrad faselte etwas davon, dass er aus dem Spiegel ein Geschäft machen wolle. Reisen nach Eldrid als Tourismus für Menschen. Das würde viel Geld einbringen. Er hatte Dollarzeichen in den Augen, und der Wahnsinn war ihm auf die Stirn geschrieben.«

    »Wie bitte?« Jetzt stotterte Edmund.

    »Er will den Spiegel missbrauchen und Reisen nach Eldrid anbieten.« Arndt sah nun ganz klar und hatte sich endlich beruhigt. Es ging einzig und allein darum, Conrad zu stoppen. »Zumindest sagte er das und spann die Idee vor Kelby und uns weiter. Der Spiegelwächter war völlig fassungslos. Ich hatte den Eindruck, dass er das alles nicht richtig verstand«, fuhr er fort.

    »Kelby interessiert mich nicht«, wurde er barsch unterbrochen. »Konntest du es ihm nicht ausreden? Das geht nicht. Dafür sind die Spiegel nicht gemacht.«

    Arndt schüttelte den Kopf. Inzwischen lief er auf die Haustür zu, blieb stehen und sah sich nochmal suchend um. »Ich kam gar nicht zu Wort. Dieser junge Kerl war so begeistert von seiner Idee und sein Spiegelwächter so aufgebracht, dass er ihn wieder zurückbefördert hat.«

    »Das ist gut«, sagte Edmund langsam, mehr zu sich selbst. »Sehr gut. Dann wird Kelby diese Tourismusidee unterbinden.«

    »Kann er das denn? Schließlich ist Conrad der rechtmäßige Erbe des Spiegels und der Wächter. Er kann das Portal aktivieren, dagegen ist Kelby machtlos, oder etwa nicht?«

    »Wir müssen uns treffen, mit Mina, und unser Wissen bündeln. Conrad Ardis muss gestoppt werden. Es ist unsere Aufgabe, die Portale zu schützen!« Edmund hatte seine feste herrische Stimme wiedergefunden. »Wo bist du jetzt? Noch im Ardis-Haus?«

    »Ja.«

    »Bleib, wo du bist, ich schicke dir meinen Fahrer.« Edmund stockte. »Georg«, stöhnte er. »Er hat den Wagen, und ich denke nicht, dass er noch für mich arbeitet. Die Reise nach Eldrid war wohl seine Kündigung.«

    Arndt hob die Augenbrauen. »Das denke ich auch. Er sollte lieber das Weite suchen, sonst …« Er verkniff sich den Rest der Drohung. Im Grunde wusste er nicht, was sonst passieren würde. Er war kein gewalttätiger Mensch und rachsüchtig auch nicht, aber bei diesem Mann spürte er eine ihm nicht bekannte Wut in sich hochsteigen. »Wir treffen uns bei Mina«, sagte er stattdessen. »Ich kann schließlich selbst fahren.«

    Edmund beendete das Gespräch mit einem knappen »okay«, und Arndt zog die Haustür hinter sich zu. Sein Blick wanderte an der Fassade empor und blieb an dem steinernen Kopf hängen, der über dem Eingang thronte. Böse blickte das blasse Antlitz aus hellem Sandstein auf ihn herunter und verursachte eine Gänsehaut in Arndts Nacken.

    Zweites Kapitel

    Im Scathan-Haus

    Die Autos der Männer parkten fast zeitgleich vor dem Scathan-Haus. Der alte Taranee schälte sich aus dem tiefen Sitz eines weißen Sportwagens, den Arndt mit großen Augen bewunderte.

    »Ist das …«, stammelte er ehrfürchtig.

    »Ja, ja, ist es.« Edmund winkte ungeduldig ab, während er auf die Haustür zusteuerte. Wie immer steckte der hochgewachsene Mann in einem dunklen Anzug, darunter ein weißes knitterfreies Hemd, das von einer blauen Krawatte mit passendem Einstecktuch betont wurde. Und wie immer, wenn Arndt ihn traf, blickte er an seiner äußeren zerknitterten und verbeulten Erscheinung hinunter und schämte sich insgeheim etwas. Begierig deutete er auf den Sportwagen, doch der alte Taranee wiegelte ab. »Wir haben jetzt keine Zeit, uns über Oldtimer auszutauschen. Georg hat meinen Wagen, und natürlich ist er nicht zu erreichen. Hast du Mina schon alles erzählt?«

    »Wie denn? Ich bin sofort losgefahren, nachdem wir aufgelegt haben.«

    Arndt erntete einen ungläubigen Blick und ein Augenrollen, das ihn an den Edmund im Teenageralter erinnerte.

    »Schon mal was von Freisprecheinrichtung gehört?« Ein Blick auf Arndts altes Auto erübrigte jede weitere Diskussion. Entschlossen drückte Edmund die Klingel. Er fuhr sich mit einer Hand durch sein ergrautes Haar, das feinsäuberlich zurückgekämmt war. »Lassen wir das, es gibt Wichtigeres zu besprechen. Ich hoffe nur, sie flippt nicht komplett aus, sie darf sich doch nicht aufregen.«

    »Wer? Mina?«

    Die Haustür öffnete sich und die Männer flöteten wie aus einem Munde. »Mina.«

    Diese starrte sie skeptisch an. »Was ist los?« Sie ging zur Seite, so dass die beiden eintreten konnten. »Was verschafft mir die Ehre – und gleich im Doppelpack?« Sie warf Edmund einen Seitenblick zu und betonte »Doppelpack« zischend. »In letzter Zeit scheint ihr unzertrennlich zu sein.«

    Die dünnen Lippen des alten Taranee umspielte kurz ein schmales Lächeln, dann versteinerten sich seine Züge wieder. »Die Lage ist ernst, sehr ernst, sonst würde ich dich nicht mit meiner Anwesenheit behelligen.«

    »Das verstehst du unter ›sie nicht aufregen‹?«, unterbrach ihn Arndt.

    Mina tätschelte den Arm ihres alten Freundes. »So lieb, dass du dich um sich sorgst, aber mir geht es hervorragend.« Sie lächelte breit, aber die tiefen Ringe unter den Augen verrieten, dass sie zurzeit wenig schlief. Auch ihr Äußeres war nicht so akkurat wie sonst. Die Bluse schien nur in den Rock hineingestopft, und aus dem sonst so strengen Dutt hingen Strähnen heraus. Die Lesebrille, die sie stets an einer goldenen Kette um den Hals trug oder in die Haare schob, fehlte. Arndt erwiderte ihr Lächeln, konnte aber seine Sorge nicht verbergen.

    In diesem Moment kam Margot Dena den Flur entlanggewuselt.

    »Haben wir etwa Besuch?«, krächzte sie. Ihre Stimme hörte sich eingerostet an, doch ihr Erscheinungsbild war gepflegter als früher. Sie trug die grauen Haare ordentlich frisiert zu einem Zopf zusammengebunden, der dunkelblaue Pullover war weder zerknittert noch fleckig, und die Hose, die sie trug, hatte sogar Bügelfalten. Zum Erstaunen der Männer sah sie richtig ansehnlich aus. An die Margot Dena, die noch vor wenigen Wochen in ihrem eigenen Haus eingesperrt und regelrecht verwahrlost gewesen war, erinnerten nur noch die alten abgewetzten Filzpantoffeln an ihren Füßen. Als die Alte Edmund erblickte, blieb sie wie angewurzelt stehen. »Ich gehe nicht wieder mit dir in dein Verlies«, zischte sie. »Da kann ich ja gleich in meinem Haus wohnen. Der Effekt ist derselbe.«

    »Du kannst wohnen, wo du willst, meine Liebe. Es ist nicht so, als hätte ich deine Gesellschaft in den letzten Tagen vermisst«, erwiderte er und lächelte sie sichtlich amüsiert an.

    »Wollen wir uns vielleicht erst einmal setzen, bevor wir weitere Nettigkeiten austauschen?«, unterbrach Mina die Unterhaltung. Sie deutete auf die Küche, die am Ende des Flurs lag. »Wie wäre es mit einer Tasse Tee?«

    »Oh, Tee«, feixte Edmund und rieb sich die Hände. »Ich denke, ich könnte jetzt etwas Stärkeres vertragen.«

    »Was ist denn passiert?«, entfuhr es Margot, deren Blick unruhig zwischen den Männern hin und her huschte.

    »Küche«, befahl Mina, und die drei setzten sich Augenblicke später schweigend an den Tisch, während sie sich am Herd zu schaffen machte.

    Edmund trommelte ungeduldig mit den Fingerknochen auf den Tisch. »Wir brauchen keinen Tee, und ich habe nicht die Zeit, darauf zu warten, bis wir alle gemütlich zusammensitzen«, sagte er gereizt. »Ich muss gleich ein paar wichtige Telefonate mit meinen Anwälten führen. Vielleicht ist der Eigentumsübergang inzwischen im Grundbuch eintragen, dann kann ich die Schlösser vom Ardis-Haus austauschen lassen. Und wenn ich immer noch nicht der Eigentümer dieser Bruchbude bin, dann ist die Frage, wie vertragsbrüchig es ist, wenn ich den Austausch dennoch veranlasse. Conrad Ardis darf das Haus auf keinen Fall erneut betreten.«

    »Warum das, was ist passiert?« Unbeirrt holte Mina eine Teekanne und Tassen aus dem Schrank.

    »Mina Scathan«, donnerte Edmund. »Sei nicht so ignorant und setz dich zu uns. So kann ich mich nicht anständig unterhalten.«

    Sie warf ihm einen bösen Blick zu, als Arndt sich einmischte: »Genug! Dafür haben wir wirklich keine Zeit. Führe du deine Telefonate, Edmund, und ich setze die Damen derweil ins Bild.«

    Der alte Taranee brummte etwas Unverständliches, erhob sich, das Handy schon in der Hand, und ging in den Flur. Seine tiefe Stimme dröhnte bis in die Küche, so dass Mina die Tür schloss. Dann setzte sie sich an den Tisch und sah Arndt auffordernd an. Dieser berichtete atemlos und schnell, was im Ardis-Haus geschehen war. Dabei erwähnte er zunächst Georg nicht, sondern konzentrierte seine Erzählungen auf Conrad.

    Mina wirkte wie versteinert, presste die Lippen aufeinander und wagte es nicht, ihn zu unterbrechen. Margot dagegen hatte sich nicht so gut unter Kontrolle und zuckte immer wieder zusammen und japste auf. Schließlich hielt sie die zitternde Hand vor den Mund und stammelte: »Tourismus in Eldrid? Das ist Wahnsinn. Ob die Portale das überhaupt zulassen? Sie haben doch ihr Eigenleben.«

    »Möchtest du, dass dies die Spiegel entscheiden?« Minas Tonfall war hart, wie fast immer, wenn sie das Wort an Margot richtete. Und diese zuckte, wie ebenfalls fast immer, zusammen und sah Mina mit großen Augen an. Sie hob nur unbeholfen die Schultern.

    »Nein, das wollen wir natürlich nicht«, sagte Arndt schnell. »Das ist aber noch nicht alles.« Er holte tief Luft. »Dieser schmierige Fahrer von Edmund, Georg, ist ebenfalls nach Eldrid gereist. Er war ganz und gar nicht überrascht, als der Spiegel leuchtete, und ich hatte den Eindruck, dass er genau wusste, was er tat, als er hindurch sprang.«

    Mina schnappte nach Luft. »Wie bitte? Der auch noch? Wie konnte das passieren? Wie ist das möglich?«

    Margot rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her, aber keiner beachtete sie.

    Arndt hob die Hände in die Luft. »Ich habe keine Ahnung. Ich war genauso überrascht wie du.« Dann stutzte er. »Dieser Georg, der war noch vor kurzem hier und hat bei dem Wasserproblem geholfen.«

    Mina nickte langsam. »Ja, genau, zusammen mit diesem Handwerker von dir«, sie wandte sich an Margot. »Wie hieß er noch gleich?«

    »Franz«, lautete die Antwort mit sehr leiser dünner Stimme.

    »Genau. Die waren gemeinsam hier in meinem Haus. Das hat mir schon damals nicht gepasst, dass er einfach den Fahrer von Edmund mitgebracht hat. Ich mochte es noch nie, wenn so viele Fremde in meinem Haus sind. Vertraust du diesem Franz, Margot?«

    Diese zuckte zusammen. »Was?«, stammelte sie und starrte auf ihre verknoteten Finger.

    »Vertraust du …« Mina brach ab und holte tief Luft. »Margot, was hast du getan?« Sie stemmte die Fäuste auf den Tisch und erhob sich. Mit dem Zeigefinger deutete sie auf die Alte, die sich immer kleiner machte. »Ich wusste, dass da was nicht stimmte.«

    »Mina, du darfst dich nicht aufregen«, ging Arndt dazwischen, doch es war zu spät.

    »Margot«, hallte ihre Stimme durch die Küche.

    »Es war Ardens Idee«, platzte es aus dieser heraus. »Ich … ich …« Sie zitterte nun am ganzen Körper.

    »Arden?«, Minas Stimme überschlug sich. »Immer wieder Arden … Du Närrin!« Sie bebte, während sie sich zu der Alten hinüberbeugte.

    »Was für eine Idee war das?«, mischte sich Arndt ein. »Margot, rede«, befahl er herrisch.

    Sie schluckte schwer, rang nach Luft, nickte dann aber. Unter Tränen berichtete sie von ihrem Auftrag, Franz und Georg durch den Scathan-Spiegel in Uris Höhle zu schicken. »Damit Uri begreift, dass die Spiegel nicht mehr unter Kontrolle sind«, versuchte sie zu erklären. »Ardens Plan ist es, die Portale zu zerstören …«

    »Wir kennen seinen Plan«, unterbrach sie Mina. »Den hast du uns schon erläutert, und ich hatte dir gesagt, dass ich alles daran setzen werde, das zu verhindern, solange Ludmilla in Eldrid ist.« Ihr Gesicht war vor Aufregung dunkelrot angelaufen. »Hast du diesen beiden Männern Zugang zu meinem Haus verschafft, bevor oder nachdem ich dir dies erläutert habe?«

    »Davor«, gab Margot kleinlaut zu.

    Mina und Arndt stöhnten gleichzeitig auf.

    »Und waren sie erfolgreich?«

    Margot hob die Schultern und nickte.

    »Was?«, Mina schlug mit der Hand auf den Tisch. »Wie konnten sie den Spiegel aktivieren?«

    Doch sie bekam keine Antwort mehr. Die alte Dena saß zusammengekrümmt auf ihrem Stuhl und weinte bitterlich.

    »War Uri da? Hat er das mitbekommen?«, fragte Arndt mit beherrschter Stimme. »Margot, antworte mir!« Er beugte sich über die Alte und schüttelte sie sanft an den Schultern. »Du musst uns jetzt sagen, was du weißt. Haben sie Uri angetroffen?«

    Margot nickte unmerklich.

    »Das darf doch alles nicht wahr sein!« Mina ließ sich in Zeitlupe auf den Stuhl fallen und knetete ihre Finger.

    »Es tut mir so leid. Ich war mir nicht darüber im Klaren, was ich anrichte«, schluchzte Margot, aber die beiden schienen sie nicht zu hören.

    »Was machen wir jetzt?« Minas Brust hob und senkte sich hektisch.

    »Du hast alles kaputt gemacht!« Arndt explodierte regelrecht. Speichel spritzte nach allen Seiten, als er sie anschrie. »Du und deine Besessenheit. Eldrid, Arden, alles würdest du dafür geben, ihn wiederzusehen und in dieser Welt zu leben, die dir deinen Schatten gestohlen hat. Und alles trifft es offenbar ganz genau. Ich stand immer auf deiner Seite, habe dich in Schutz genommen, ein gutes Wort eingelegt, und wofür? Du hast unser aller Vertrauen missbraucht. Ich kann dich nicht verstehen.« Schwer atmend wandte er sich an Mina. »Franz und Georg sind durch den Scathan-Spiegel gereist und Georg durch den Ardis-Spiegel. Sie wissen von mindestens zwei Spiegeln.« Sein Gesicht war dunkelrot angelaufen.

    Mina nickte langsam. Auch sie atmete schwer. Die geballten Fäuste lagen zitternd auf dem Tisch. »Ich muss mit Uri sprechen. Es führt kein Weg daran vorbei. Verbannung hin oder her, wir müssen uns mit den Wächtern abstimmen, und vor allem muss sichergestellt sein, dass beide Seiten auf dem gleichen Stand der Informationen sind.« Mühsam erhob sie sich. »Eldrid-Tourismus, Menschen außerhalb der Spiegelfamilien, die von dem Geheimnis wissen, Ludmillas Spiegelbild, das nicht im Haus ist …« Sie schüttelte den Kopf. »Von den Zuständen in Eldrid selbst möchte ich erst gar nicht anfangen.«

    »Du hast recht. Es wird Zeit, dass wir uns austauschen und gemeinsam eine Lösung finden.« Arndt atmete mehrmals laut aus. »Ich sollte nach meinem Spiegel schauen. Ich habe ihn sehr vernachlässigt, wer weiß, wer sonst noch von den fünf Spiegeln weiß.«

    »Und was ist mit dem Dena-Spiegel? Ist er sicher? Jemand sollte auch nach diesem Portal schauen.« Margots Stimme war nur noch ein einziges Piepsen. »Schließlich ist Franz mit mir durch diesen Spiegel auch gereist.«

    »Wie bitte?«, Mina gab ein zischendes Geräusch von sich. »Von deinem Spiegel wissen sie also auch?! Du bist eine solche Verräterin, Margot Dena.«

    »Wie konntest du nur?« Arndt schüttelte den Kopf.

    »Es war nicht meine Absicht«, flüsterte sie. »Ich hatte das nicht bedacht.«

    »Ach ja?« Minas Ausdruck wurde eiskalt. Ihre Halsader pulsierte bedrohlich, und wenn sie in Eldrid gewesen wären, hatten ihre Augen Funken gesprüht. »Das glaubst du doch selbst nicht. Es ging für dich immer nur darum, nach Eldrid zu reisen, um dort zu leben, und dafür gehst du über Leichen. Ich verachte dich, ach, Verachtung ist ein viel zu schwaches Wort für das, was ich für dich empfinde.« Sie hielt kurz inne. »Du bist erbärmlich, Margot Dena, und am liebsten würde ich dich jetzt augenblicklich aus dem Haus werfen. Leider müssen wir nun noch mehr auf dich achten als bisher, damit du kleine Spionin nicht noch größeren Schaden anrichten kannst.« Bebend wandte sie sich an Arndt. »Diese beiden Männer – von wie vielen Spiegeln wissen sie?«

    Arndt hob die Schultern. »Nun ja, Franz ist durch den Dena-Spiegel gereist. Eins«, er hob den Daumen, »gemeinsam sind sie durch den Scathan-Spiegel gereist«, der Zeigefinger schnellte in die Höhe, »und Georg hat den Ardis-Spiegel benutzt.« Er fügte den Mittelfinger hinzu. »Macht drei. Außerdem arbeitet er bei Edmund, irgendwie muss er ja auf die Idee gekommen sein, vielleicht hat er ihn belauscht, macht vier.« Arndt fügte den Ringfinger hinzu. »Und er war oft mit im Ardis-Haus, während ich mit dem Restaurator an dem Rahmen gearbeitet habe. Sie können sich also denken, dass bei mir auch noch ein Spiegel steht, denn schließlich bin ich mit ihm nach Eldrid gereist, und er schien nicht überrascht zu sein. Dann wissen sie von allen fünf«, seine Augen hinter den dicken Brillengläsern wurden groß, »theoretisch.« Der Blick wanderte zu der zusammengesunkenen Margot, die vor sich hin schluchzte.

    Minas Hand lag auf ihrer Brust, und sie atmete schwer. »Wenn das stimmt, wäre das eine Katastrophe.« Er nickte. »Lass mich mit Uri sprechen. Kannst du währenddessen auf sie aufpassen?« Sie machte eine Kopfbewegung in Margots Richtung. »Danach fährst du nach Hause und schaust nach deinem Spiegel.«

    Er überlegte und zuckte dann mit den Schultern. »Ich nehme sie einfach mit zum Solas-Spiegel. Da ich ihn nicht benutzen werde, besteht keine Gefahr, dass sie nach Eldrid abhaut.«

    Mina presste die Lippen aufeinander. »Obwohl das das geringste Übel wäre, schließlich kann sie uns in Eldrid nicht schaden.«

    »Sie kann aber zurückkommen und Arden bei seinem Wahn unterstützen. Nein, sie muss hierbleiben, und wir sollten sie rund um die Uhr bewachen.« Arndt klopfte bei jedem Wort mit der Faust auf den Tisch, so dass Margot zusammenzuckte.

    »Ich bin hier und höre euch«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme, aber die beiden schenkten ihr keine Beachtung.

    »Was für ein Desaster.« Mina erhob sich zitternd, nahm ihren alten Freund kurz in den Arm und verließ dann die Küche. »Ich informiere Edmund. Der ist sicherlich noch eine Weile am Telefon.«

    In diesem Moment begann der Wasserkessel auf dem Herd zu pfeifen. Wortlos schlurfte Margot hinüber und stellte ihn ab. An Teetrinken war jetzt nicht mehr zu denken.

    Drittes Kapitel

    Uri und der Scathan-Spiegel

    Der Spiegelwächter des Scathan-Spiegels konnte sich kaum beruhigen. Immer wieder

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