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Germania Magna: Die Germanenkriege Roms von  50v.Chr. bis 85n.Chr.
Germania Magna: Die Germanenkriege Roms von  50v.Chr. bis 85n.Chr.
Germania Magna: Die Germanenkriege Roms von  50v.Chr. bis 85n.Chr.
eBook714 Seiten8 Stunden

Germania Magna: Die Germanenkriege Roms von 50v.Chr. bis 85n.Chr.

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Über dieses E-Book

Ab 27 v.Chr. bestimmte Augustus endgültig den Rhein als Grenze der Römischen Republik. Er baute den Fluss zu einer stark befestigten Grenzlinie aus. Gebiete östlich des Flusses bezeichneten die Römer von da an als Germania Magna, obwohl der größte Teil der Bevölkerung aus Angehörigen swebischer Stämme bestand. Die am Niederrhein lebenden germanischen Stämme erfuhren durch die römische Grenzziehung eine Teilung ihrer Lebensräume. Um diese Quelle eines dauerhaften Widerstandes zu beseitigen, plante Augustus die Eroberung weiterer Gebiete östlich des Rheins mit dem Ziel, dort eine neue römische Provinz zu schaffen, auch zur Sicherung der Provinz Gallien. Die Ereignisse, die sich aus dieser Entscheidung ableiten lassen, mündeten in einen Freiheitskampf, der Germanen und Sweben zwischen Rhein und Elbe, der über einhundertdreißig Jahre andauerte. Diese Schilderung umfasst auch die Aufstände der bereits links des Rheins unter römischer Herrschaft lebenden Germanen. Außerordentlich fähige Heerführer brachten den Römern schwere Niederlagen bei und zeigten ihren ungebrochenen Freiheitswillen. Dazu gehörten der Sugambrer Maelo, der Cherusker Arminius, der Markomanne Marbod, der Friese Gannascus und der Bataver Civilis. Augustus und seine Nachfolger erreichten ihr Ziel, die Germania Magna zu erobern, nicht. Im Gegenteil, sie legten durch ihre Kriege den Grundstein für einen wachsenden Widerstand, für größere und stärkere Stammesverbände.
Es soll gezeigt werden, dass die Stämme an Rhein und Weser bereits in der frühen Kaiserzeit den Boden vorbereiteten, auf dem das weströmische Reich später zerbrach und durch germanische und swebische Reiche abgelöst wurde.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum1. Nov. 2023
ISBN9783384051288
Germania Magna: Die Germanenkriege Roms von  50v.Chr. bis 85n.Chr.
Autor

Walter Krüger

Walter Krüger wurde am 9.November 1938 in Raguhn in Anhalt geboren und wuchs in Oranienbaum als ältestes von vier Geschwistern auf. Beeinflusst von der Dessau-Wörlitzer Kulturlandschaft und dem Bauhaus studierte er nach dem Abitur in Halle/Saale Architektur in Weimar. Seit 1964 lebte und arbeitete er in Berlin. Walter Krüger wurde 1988 zum Dr.-Ing. promoviert. Ab 1990 gründete er ein Architekturbüro und nahm aktiv am Wiederaufbau in den neuen Bundesländern teil. Neben seiner Tätigkeit als freischaffender Architekt widmete er sich seit 2010 wieder der wissenschaftlichen Arbeit. Heute lebt er in Potsdam. Seit seiner Kindheit interessierte sich Walter Krüger für historische Themen. Vor allem die Anfänge der europäischen Geschichte von der Antike bis zum frühen Mittelalter, die in Mitteleuropa trotz der gewaltigen Fortschritte durch Forschung und Archäologie noch weitgehend im Dunkeln liegen, hatten es ihm angetan. Sein Wissen und seine Erkenntnisse zu frühgeschichtlichen Themen sammelte und veröffentlichte er bisher in den populärwissenschaftlichen Büchern "Die Kimbern und Teutonen kamen nicht aus Jütland", in den drei Bänden der Buchreihe "Rom kämpft um den Rhein", in dem Buch "Germania magna" und in der dreiteiligen Buchreihe "Sweben und Römer".

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    Buchvorschau

    Germania Magna - Walter Krüger

    EINLEITUNG

    Caesar, 59v.Chr. Konsul und im nachfolgenden Jahr Statthalter der beiden Provinzen Gallia Cisalpina und Gallia Transalpina, suchte den Erfolg. Er wollte ihn im Krieg finden. Die rechtlichen Amtsbefugnisse lieferte ihm das Imperium. Sein Ziel bestand darin, weite Gebiete Westeuropas zu erobern. Unter dem Vorwand, Bundesgenossen der römischen Republik gegen äußere Feinde verteidigen zu müssen, begann er diesen Krieg. Fast acht Jahre währte der Kampf mit gallischen, belgischen und germanischen Stämmen zwischen den Pyrenäen und dem Rhein. Das eroberte Gebiet sollte als eine neue Provinz, die er Gallien nannte, der Republik angegliedert werden. Caesar beschrieb diesen Feldzug in einem Buch mit dem Titel „Der Gallische Krieg".

    Der Rhein, der größte Fluss Westeuropas, sollte sich einreihen unter die großen Grenzflüsse der römischen Republik. Dadurch bekäme die neue Provinz einen besonderen Klang. Mehrmals stieß Caesar in diesem Krieg bis zum Rhein vor, im Oberelsass, an der Mosel und an der Wupper. Er behauptet, den Rhein zweimal überschritten zu haben.

    Als der Krieg 50v.Chr. endete, hatte Caesar zwischen den Pyrenäen und dem Rhein alle aquitanischen, aremorikischen, gallischen und belgischen Stämme unterworfen. Die linksrheinisch-germanischen waren mehrmals besiegt, geschwächt und ihr Lebensraum verwüstet, doch nicht endgültig bezwungen worden. In meiner Buchreihe „Rom kämpft um den Rhein", in der die Kriege Caesars mit den Sweben und Tigurinern, mit den Belgern und mit den Germanen geschildert werden, vertrete ich die Ansicht, dass der Rhein im Jahr 50v.Chr. noch nicht die neue Grenze der Republik darstellte. Das blieb so lange Wunschdenken Caesars, wie es keine militärischen Lager am Rhein gab. Das römische Protektorat, wie das eroberte Gebiet besser bezeichnet werden sollte, endete an den Grenzen der linksrheinischen Germanen und der Treverer.

    Caesars Ziel, die neue Provinz an den Rhein heranzuführen, setzte erst sein Nachfolger Octavian (Augustus) ab dem Jahr 27v.Chr. um. Das geschah nicht als Paukenschlag, sondern bedurfte eines wohlüberlegten Planes und ausreichender Zeit. Wie dieser Prozess ablief, wer daran beteiligt war und wie sich die Betroffenen darin verhielten, das ist der Gegenstand dieses Buches. Die Betroffenen, das waren die beidseitig am Niederrhein lebenden germanischen Stämme und ihre im östlichen Hinterland lebenden swebischen Nachbarn. Deren Stammesgebiete erreichten den Rhein im Gebiet der Mündungen des Mains und des Neckars.

    Im Buch wird deutlich sichtbar gemacht, dass sich die Germanen und Sweben mit dem Vorstoß der Römer an den Rhein und dem späteren Versuch, auch die Elbe zu erreichen, niemals abfanden. Auch die swebischen Stämme am Oberrhein und an der Donau wurden unter Augustus ernsthaft bedrängt. Er bestand darauf, eine weitere Provinz im Alpenvorland zu gründen.

    Die historischen Vorgänge, auch wenn sie z.B. nur durch wenige Fakten überliefert werden, lassen erkennen, dass die Römer an keiner Grenze ihres Reiches so viele Soldaten konzentrieren mussten, wie an der zu Germanen und Sweben. Es gibt nur einen Grund dafür: Der nicht enden wollende Widerstand gegen die römische Fremdherrschaft. Aufstände, Strafexpeditionen, Kastelle, Sklaverei, Überfälle, Eroberungszüge, regelrechte Kriege, blutige Schlachten und Verwüstungen fügten sich als Glieder zu einer immer länger und schwerer werdenden Kette, die den Römern zu einer Fessel wurde. Sie konnte erst durch die massiven Angriffe der germanischen und swebischen Völker zerschlagen werden. Am Ende stand der Untergang Westroms.

    Es wäre vermessen, diesen gewaltigen und komplexen Stoff in einem Buch erfassen zu wollen; zumal es unzählige darüber auf dem Markt gibt. Die Inhalte der meisten Bücher halten sich an die von antiken Autoren überlieferten Beschreibungen. Nur wenige Zweifel sind zu erkennen. Deshalb geben sie die Geschichte überwiegend aus römischer Sichtweise wieder. Manche Autoren haben ihre Inhalte um die neuesten Erkenntnisse der Archäologen angereichert. Diese beinhalten jedoch so gut wie keine Aussagen zu den ethnischen Gruppen der Fundorte. Bis auf eine Ausnahme: Alle Funde, die der Latènekultur zugeordnet werden können, werden den Kelten als Trägervolk zugeordnet. Die Folge davon ist, dass fast ganz Europa von ihnen besiedelt wurde und alle anderen Ethnien wie die Germanen, Sweben und Slaven zu Eindringlingen, Landräubern und Eroberern abgewertet werden. Auf die Frage, wo denn die vielen Kelten geblieben sind, ausgenommen in Frankreich, gibt es keine befriedigende Antwort.

    Es ist mein Bestreben in diesem Buch, die geschichtlichen Vorgänge trotz des Mangels an Überlieferungen stärker auf die Sichtweise der von den römischen Eroberungen betroffenen Völker zu lenken. Deshalb möchte ich mich auf solche Ereignisse und Handlungen beschränken, die aus den Köpfen und Taten der Germanen und Sweben entsprungen sind. Ich versuche, mich auf ihre Seite der Auseinandersetzung mit den Römern zu begeben.

    Ihre Beweggründe für den Widerstand und dessen militärische Umsetzung wiegen schwerer als die Wiederholung römischer Texte. Von den römischen Autoren sind uns wenige Namen und Orte der Angegriffenen genannt worden. Beweggründe ihres Denkens und Handelns können nur aus ihren Reaktionen auf römische Aktionen abgeleitet werden.

    Was ist wahr und was ist unwahr? Diese schwierige Frage zu beantworten, setzt eine kritische Betrachtung der Überlieferungen voraus. Welche Sachgehalte stehen zur Verfügung? Welche Wahrheiten sind darin enthalten? In Kommentaren zum Sachgehalt möchte ich versuchen, das Verhältnis zum Wahrheitsgehalt herauszufinden. Ich suche die Stellen in den Überlieferungen, die auffällig sind und deren Zusammenhänge nicht logisch erklärt werden können. Wo man etwas fortnimmt aus der Geschichte, bahnt sich der Wunsch einen Weg, etwas Eigenes hinzuzufügen, wenn es logisch erscheint. Das ist nicht ohne Risiko, doch eines Versuchs wert.

    Dieses Buch heißt „Germania Magna. Ging es in den Büchern der Reihe „Rom kämpft um den Rhein um die Eroberung der westeuropäischen Gebiete bis zum Rhein und die Bildung einer neuen Provinz Gallien, so geht es im nachfolgenden um die Idee des Princeps Augustus., über den Rhein hinweg eine weitere Provinz zu gründen: Germania magna. Diese Bezeichnung ist römischen Ursprungs und bedeutet Großgermanien. Diese Bezeichnung ergäbe ohne ein Kleingermanien keinen Sinn. Doch sie taucht in den Überlieferungen nicht auf.

    Augustus war mit dem Begriff Germanien vertraut. Caesar hatte ihm dazu reichlich Stoff geliefert. Als Princeps geriet er ab 27v.Chr. in Kontakt mit germanischen Stämmen links des Rheins. Stämme, die Caesar teilweise als Nachfolger der Teutonen erbittert bekämpft hatte. Bekannt war, dass sich die Stammesgebiete auf der rechten Rheinseite fortsetzten und dahinter weite Wohnräume der Sweben begannen, an der Weser, an der Elbe und an der Weichsel. Augustus ließ diese Gebiete erkunden durch Reisende, durch Kaufleute und Gesandtschaften. Eine wichtige Erkenntnis war, dass der Rhein nur eine stabile Reichsgrenze werden könne, wenn die durch ihn geteilten Stammesgebiete auch rechts des Flusses römisches Territorium würden. Aus dieser Einsicht entwickelte er das Ziel, zwischen Elbe und Rhein eine neue römische Provinz zu gründen.

    Die germanischen Stämme links des Rheins bildeten somit den kleineren Teil Germaniens und die rechts davon den größeren. Um den Germanen das Recht abzusprechen, links des Flusses zu wohnen und zu herrschen, wurden deren Gebiete in die Provinz Gallia Belgica eingegliedert. Alle Bewohner dieser Provinz waren fortan Gallier. Germanen hießen nur die rechtsrheinischen Bewohner. Kleingermanien erwachte erst wieder zum Leben, als Domitian es aus den Provinzen Germania inferior und Germania Superior rechtmäßig bildete.

    Was aus der Idee einer Provinzbildung Germania wurde und wie sie während der Kriege scheiterte, ist Gegenstand dieses Buches. Cassius Dio sagte: „Die Römer besaßen zwar einige Teile dieses Landes, doch kein zusammenhängendes Gebiet, sondern wie sie es gerade zufällig erobert hatten. Den Germanen und Sweben war das Anliegen Roms deutlich geworden, doch einen übergreifenden Begriff „Germanien kannten sie nicht. Germanien als Territorialbegriff war eine rein römische Sprachregelung.

    Eine besondere Betrachtung verdient die spätere Grenze der Römer zu den Germanen und Sweben. Sie verlief im Norden entlang des Rheins, von der Mitte bis zum Bodensee rechts des Rheins in Gestalt eines Limes. Dieser Limes endet in der Nähe von Regensburg und danach bildet wieder die Donau die Reichsgrenze. Anhand der überlieferten Fakten möchte ich beweisen, dass diese willkürliche Grenzziehung, die Jahrhunderte alte Stammesgebiete trennte, der eigentliche Grund für die vielen Vorstöße der Germanen und Sweben in das römische Reich war. Diese Grenze konnten und wollten die betroffenen Völker nicht anerkennen. Obwohl das Römische Reich verzweifelt versuchte, teilweise mit ungeheurem Aufwand, sie zu halten, sie formal erst Ende des 5.Jahrhunderts aufgab, hatte sie ihre Bedeutung bereits viel früher verloren. Ich möchte versuchen überzeugend darzulegen, dass es den Römern erst nach der Niederschlagung des Bataver-Aufstands gelang, den Niederrhein als Grenze gegenüber den ursprünglichen Bewohnern durchzusetzen. Endgültig wurde dies, als Domitian 85n.Chr. entlang des Rheins die beiden Provinzen Germania inferior und Germania superior gründete. Seit Caesar hatten die Römer 135 Jahre voller Kriege und Aufstände hinter sich. Obwohl danach eine Zeit der Stabilität an dieser Grenze eintrat, formten sich unter den Germanen und Sweben neue Kräfte des Widerstands.

    Bereits ab den Kriegen der Markomannen 166, später mit den Franken und Alamannen, bestand der Limes nur noch auf dem Papier. Tatsächlich aber verkehrten die ursprünglich an ihm lebenden Stämme über ihn hinweg miteinander. Nur einige Legionslager, Provinzhauptstädte und mit Hilfstruppen besetzte Befestigungen funktionierten als römische Inseln im germanischen und swebischen Umfeld. Als das römische Reich unter den Schlägen der Stämme zusammenbrach, die sie durch eine willkürliche und nicht weitreichend durchdachte Grenzziehung geschädigt hatten, waren die einzelnen Abschnitte des Limes schon längst Geschichte geworden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass einige römische Städte wie Köln oder Augsburg von den Germanen und Sweben am Leben gehalten wurden und sich zu Zentren der neuen Stammesführungen entwickelten.

    So weit wie möglich wurde für den Text allgemein bekannte Literatur und auch das Internet, vor allem „Wikipedia und „Academia.edu, genutzt. Meine Möglichkeiten reichen nicht aus, zu dem bereits bekannten Schriftgut, darunter auch Aussagen von Archäologen, einen eigenen Beitrag hinzuzufügen. Wovon ich jedoch Gebrauch mache, ist meine persönliche Sichtweise in der Betrachtung der überlieferten Fakten und Ereignisse. Dort, wo sich offensichtliche Widersprüche und Fehlurteile erkennen lassen, wo etwas unlogisch und unzusammenhängend erscheint, mache ich darauf aufmerksam und erlaube mir eine andere Deutung.

    Die Überlieferungen sind nicht vollständig und unterschiedlich gewichtet. So entstehen Lücken, die historische Vorgänge zerreißen. Wenn es richtig erscheint, solche Lücken zu schließen, begibt man sich auf das Feld der Spekulation. Im Interesse eines durchgehenden Handlungsflusses kann man das Risiko eingehen zu spekulieren. Im Text werden solche Stellen deutlich gemacht. Angesichts der Fülle des Stoffes habe ich dessen Bearbeitung auf die Zeit von Caesars Rückzug aus Gallien bis zum Bau des Limes unter Domitian und dem anschließenden Putsch des Saturninus begrenzt. Was dann folgte, ist nur in groben Zügen angedeutet.

    Walter Krüger, Potsdam im November 2023

    GALLIA COMATA 50v.Chr.-27v.Chr.

    Caesars Rückkehr nach Rom

    Als Gallia Comata (lateinisch (lang)haariges Gallien) wird das Gebiet bezeichnet, das Caesar bis 50v.Chr. erobert hatte und das nördlich der bestehenden Provinz Gallia Transalpina lag. Zur Unterscheidung von den anderen gallischen Provinzen wurden die Bewohner langhaarige Gallier genannt, ungeachtet der anderen Ethnien, die dort lebten.

    Obwohl Caesar mehrfach bis zum Rhein vorstieß, konnte er den Fluss nicht als neue Grenze der römischen Republik festlegen. Die Abb.1 zeigt anschaulich, dass das römische Protektorat vor den Stammesgebieten der linksrheinischen Germanen und der Treverer endete. Caesar konnte noch keine Provinzverwaltung schaffen.

    Als Caesars Imperium 50v.Chr. auslief und er nach Rom zurückkehren musste, reiste er stattdessen durch seine oberitalienische Provinz Gallia Cisalpina, um sich ausgiebig ehren zu lassen für seine Siege in Gallien. Die Bezeichnung „Gallien ist eine Erfindung Caesars, ebenso die seiner Bewohner: Gallier. Es gab gallische Stämme in seiner neuen Provinz, sie bildeten sogar die Mehrheit. Aber sie lebten nicht unter einem staatsähnlichen Gebilde „Gallien, sondern als voneinander unabhängige und sich häufig bekämpfende Stämme. Zwischen zweien von ihnen, den Avernern und den Haeduern, gab es eine unüberbrückbare Feindschaft. Im Süden, vor den Pyrenäen, lebten Stämme, die sich als aquitanische bezeichneten, im Nordwesten, am Kanal aremorikische. Im Norden siedelten die Belger, ein von Germanen abstammendes Volk, ebenfalls in mehrere Stämme gegliedert. Ihnen schlossen sich bis zum Rhein hin die germanischen Stämme an. In Caesars Gallien vereinte er gewaltsam sehr unterschiedliche Völker. Sie fasste er alle unter der Bezeichnung Gallier zusammen, die keine ethnische war, sondern eine für die Bewohner gedachte.

    Erschwerend kommt hinzu, dass die Bezeichnung Gallier eine römische ist. Viel früher nannten die griechischen Kolonisten in und um Marseilles die eigentlichen gallischen Stämme Kelten. Deshalb wurde der Begriff Celtica anfangs auch noch von den Römern benutzt, doch nur bis zur Neuordnung des eroberten Gebietes in die drei Provinzen Belgica, Lugdunensis und Aquitania.

    Die belgischen und germanischen Bewohner der neuen Provinz Gallia Belgica Gallier, sprich Kelten, zu nennen und daraus eine ethnische Gruppe zu entwickeln, die der Rhein von den eigentlichen Germanen trennte, ist sachlich unrichtig. Leider ist diese Auffassung gerade unter den jungen deutschen Historikern weit verbreitet, als hätten sie Angst davor, den Rheinländern germanische oder swebische Vorfahren zuordnen zu müssen. Auch als Caesar seine Ehrentour durch Gallia Cisalpina beendet hatte, mied er Rom. Inzwischen war sein Verhältnis zu Pompeius zerrüttet und es verstärkten sich dessen und des Senats Bemühungen, sein Heer zu reduzieren. Das Heer war seine Macht. Neben den territorialen Eroberungen in Westeuropa war das Heer Caesars wichtigste Schöpfung. Mit ihm hatte er sich eine Machtbasis und eine Waffe zur Durchsetzung ehrgeiziger Ziele geschaffen. Als er aus Oberitalien zurückkehrte, rief er alle Legionen aus den Winterlagern zusammen. Sie befanden sich in gallischen und belgischen Gebieten und marschierten in das Grenzgebiet zu den Treverern. Dort hielt er eine große Heerschau ab. Wohlgemerkt wählte er das Grenzgebiet zu den Treverern, nicht deren eigentliches Stammesland (De Bello Gallico, Liber VIII, 52).

    Bild 1 - Westeuropa und seine Völker nach dem Gallischen Krieg

    So war die Versammlung in erster Linie eine Machtdemonstration und Drohgebärde gegenüber den noch nicht bezwungenen Germanen und Treverern. Sie war aber zugleich eine Gelegenheit für den Feldherrn, die Legionäre auf ihn einzuschwören und die Legionen zusammenzuschweißen. Acht Legionen standen ihm in Gallien zur Verfügung, zwei weitere ließ er in Oberitalien zurück.

    Der Mann, der ihm am längsten und treuesten gedient hatte, Titus Labienus, wurde von seinen Aufgaben in Gallien entbunden und zum Befehlshaber in Oberitalien, der Provinz Gallia Cisalpina, berufen. Andere Legaten traten in den Vordergrund, Gaius Trebonius und Gaius Fabius. Beiden wies er neue Winterlager zu. Trebonius mit vier Legionen quartierte er in belgische Gebiete, Fabius mit ebenso vielen Legionen bei den Haeduern ein. Die Gebiete der linksrheinischen Germanen erhielten keine militärischen Stützpunkte, sie blieben römerfrei. Eine Ausnahme bildete das Stammesgebiet der Ubier. Sie waren Verbündete und bewohnten links und rechts des Rheins Teile der Kölner Bucht und des Rheinischen Schiefergebirges.

    Zu den Ubiern hatte Caesar im Gegensatz zu allen benachbarten germanischen Stämmen eine freundschaftliche Beziehung aufbauen können. Der tonangebende Teil der Aristokratie und der Händler war ihm entgegengekommen und hatte sich unter dem Vorwand, römische Hilfe gegen die den Stamm bedrängenden Sweben (Chatten) zu benötigen, dem auf den Rhein zustrebenden Feldherrn angedient. Die Romtreue dieses Stammes war eine politisch bedeutsame Errungenschaft, auf die Caesars Nachfolger aufbauen konnten, wenn sie denn seine territorialen Ansprüche am Rhein endgültig durchzusetzen gedachten. Die Ubier beherrschten mit ihren Schiffen und Booten den Rhein bis zu seiner Mündung in die Nordsee und hatten sich diesen Anspruch auf den wichtigsten Handelsweg in Westeuropa nicht nehmen lassen. Die am Unterlauf lebenden Menapier, bzw. ihr Teilstamm der Bataver, waren an diesem Handel beteiligt.

    Die nicht besetzten linksrheinischen germanischen Stammesgebiete bewohnten die Eburonen vollständig, die Usipeter, Sugambrer und Tenkterer nur teilweise. Im Stamm der germanischen Eburonen konnte Ambiorich, der Heerkönig, das Land wieder ohne Verpflichtungen gegenüber den Römern regieren. Verwüstungen weiter Landstriche zwangen ihn jedoch, sich ihnen gegenüber abwartend zu verhalten. An Krieg oder Aufstand war nicht zu denken. Caesars größter Widersacher, Ambiorich, von ihm gejagt und durch Mordkomplotte bedroht, hatte überlebt und konnte den Ruhm genießen, im Gallischen Krieg die größten Siege über die Römer errungen zu haben.

    Ein weiterer Stamm, der nicht unterworfen werden konnte, waren die Treverer an der Mosel. Caesar war es nicht gelungen, das romfeindliche Königshaus des Indutiomarus, der von Labienus ermordet worden war, zugunsten des römertreuen treverischen Adligen Cingetorix auszulöschen. Es herrschten weiter die Römerfeinde im Lande und sorgten dafür, dass sich die römischen Truppen nicht mehr frei darin bewegen durften. Als Erbe hinterließ Caesar dennoch ein gespaltenes und geschwächtes Stammesland, da sich ein Teil der Aristokratie weiterhin den Römern verbunden fühlte.

    Auch wenn die römische Provinz noch nicht bis an den Rhein reichte, hatten die Kriege Caesars die niederrheinischen Gebiete so sehr geschwächt, dass man in ihnen kein Widerstandspotenzial mehr erkennen konnte. Umso größer wurde jedoch der Widerstand auf dem rechten Rheinufer, wo die germanischen Verwandten der Eburonen und Treverer lebten. In den nachfolgenden Kapiteln wird man sehen, wie die Römer mit diesen potenziellen Gegnern umzugehen gedachten.

    Im Herbst des Jahres 50 v.Chr. hatte Caesar fünf Legionen in Norditalien in Stellung gebracht, sechs weitere, drei unter jedem Legaten, und germanische Reiterverbände standen in Gallien bereit. Caesar veröffentlichte das Werk „De Bello Gallico, in dem in acht Büchern seine Taten gerühmt werden. In Rom formiert sich Widerstand gegen ihn, angeführt von einer Gruppe unter Cato und Pompeius. 49v.Chr. spitzten sich die Auseinandersetzungen derart zu, dass die Republikaner im Senat Caesars Anhänger hinauswerfen ließen. Daraufhin überquerte Caesar mit mehreren Legionen den Rubikon, was einer Kriegserklärung an den Senat gleichkam. Bekannt wurde sein Ausspruch: „Der Würfel ist gefallen. Caesar begab sich auf einen siegreichen Weg nach Rom. Damit war der Bürgerkrieg ausgebrochen. Er kämpfte erfolgreich gegen Pompeius in Italien und Spanien, mit wechselhaftem Erfolg in Griechenland. Nach der Schlacht von Pharsalos floh Pompeius in den Osten bis Ägypten, wo er ermordet wurde. In Nordafrika und Spanien dauerten die Kämpfe gegen senatstreue Legionen noch eine Zeit lang an, ehe Caesar im Jahr 44v.Chr. nach Rom zurückkehrte. Dort übernahm er das Amt des Diktators auf Lebenszeit. Daraufhin bildeten einige seiner Vertrauten eine Verschwörung, die um größere Rechte und die Freiheit des Senats kämpfen wollte. An den Iden des März 44v.Chr. wurde Caesar im Senat von den Verschwörern ermordet.

    Octavian – Caesars Erbe

    Gaius Octavius wurde 63v.Chr. geboren. Sein Vater, Gaius Octavius der Ältere, war ein enger Gefolgsmann Gaius Julius Caesars. Er verstarb 59v. Chr. Marcus Filippus wurde sein Stiefvater, doch stärkere Bindungen entwickelte er zu seinem Großonkel Caesar. Der förderte ihn. Mit 16 Jahren ernannte man ihn zum Pontifex und magister equitum. Immerhin konnte er als Reiterführer der Republik Caesar vertreten. Als er sich in Apollonia in Epirus in der Ausbildung befand, erfuhr er vom Tode seines Großonkels. Die Offiziere der sechs für den Partherkrieg aufgestellten Legionen forderten ihn auf, nach Rom zu marschieren. Dazu war der 19-jährige noch nicht reif genug.

    In Rom herrschte unterdessen Verwirrung. Die Caesarmörder, die mit Cicero als Führer warben, hatten die Stimmung des Volkes falsch eingeschätzt. Sie wandte sich gegen sie. Die Anhänger Caesars, die versuchten, dessen Herrschaftssystem zu erhalten, zerstritten sich. Alle Versuche des Konsuls Marcus Antonius im Jahr 44v.Chr, mit den Verschwörern zu verhandeln, scheiterten.

    Daraufhin gingen Caesars Anhänger in die Offensive, das aufgebrachte Volk an ihrer Seite. Die Caesarmörder mussten fliehen. Sextus Pompeius mit einer großen Flotte im Mittelmeer war ihre einzige Stütze. Langsam gelang es Marcus Antonius, sich an die neuformierende Spitze in Rom zu setzen, denn er bezeichnete sich als den Testamentsvollstrecker Caesars und hatte sich als sein Stellvertreter in den Besitz von dessen Kriegskasse gebracht. Seine Führungsrolle geriet aber in Gefahr, als er das Tyrannensystem für immer als Herrschaftsform ausschloss. Das änderte sich, als er anlässlich der Beisetzungsfeierlichkeiten am 20.März 44v.Chr. auf dem Forum die Volksmenge gewann. Mit der Statthalterschaft für Makedonien, in der sechs dem Caesar treu ergebene Legionen standen und durch umfangreiche Bestechungen aus seinem Privatvermögen schuf er sich eine starke Machtbasis. Außerdem nahm er Octavius, der besser unter dem Namen Octavian bekannt ist, die Legionen aus Apollonia weg.

    Im nächsten Jahr 43v.Chr. wagte es Octavian, Apollonia ohne Militär zu verlassen und mit kleinem Gefolge nach Rom zu ziehen. In Lucia erfuhr er zum ersten Male, dass Caesar ihn adoptiert und ihm seine Kriegskasse übertragen hatte. Das erfüllte ihn mit Stolz und von nun an nannte er sich Gaius Julius Divi filius Caesar. Doch das Erbe verpflichtete ihn, seinen Adoptivvater zu rächen, wozu ihm bis jetzt alle Mittel fehlten. Er war noch nicht einmal Senatsmitglied. Marcus Antonius nahm ihn in dieser Zeit noch nicht ernst. An die Kriegskasse kam Octavian heran, aber das Eigentum Caesars verweigerte ihm Marcus Antonius, sodass er prozessieren musste. Dafür opferte er sein Erbe und seinen eigenen Besitz und stand am Ende als Mann moralischer Integrität da. Unmittelbar danach begann er, gegen die Caesarmörder, die sich wieder in Rom aufhalten durften, vorzugehen, störte deren Veranstaltungen und führte eigene zu Ehren Caesars durch. Octavian verbesserte durch diese propagandistisch wirkungsvollen Handlungen seine Position deutlich, wodurch Antonius gezwungen wurde, endlich gegen die Caesarmörder vorzugehen. Er tauschte Ende 43v.Chr. seine Statthalterschaft Makedoniens mit der von Gallia Cisalpina und Gallia Comata, ohne die Legionen aus Makedonien abzugeben. Die Statthalterschaft verlängerte er auf fünf Jahre bis 38v.Chr. und erhielt somit eine Machtfülle wie Pompeius und Caesar. Es folgten Angriffe und sogar ein Attentat.

    Antonius sammelte in Brundisium vier seiner makedonischen Legionen, um gegen Brutus, den Caesarmörder, der ihm Gallia Cisalpina nicht herausgeben wollte, in den Kampf zu ziehen.

    Geschickt war, wie Octavian die Situation ausnutzte. Er sammelte in Kampanien 3.000 Veteranen seines Adoptivvaters, zog nach Rom, entführte dem Antonius zwei Legionen durch Bestechung und erklärte schon im Dezember seinen Anspruch auf Alleinherrschaft. Der Senat unter Cicero verbündete sich mit Ihm, um Antonius zu schlagen und hinterher mit dem jungen Octavian leichtes Spiel zu haben. Schon im Januar 43v.Chr. führte Cicero Octavian in den Senat ein. Seine Legionen wurden von nun an aus der Staatskasse bezahlt. Er erhielt den Rang eines Konsuls und ein Imperium gegen Antonius. Fast in Windeseile hatte sich die Situation zugunsten Octavians verändert und er war ein Vertreter des Staates geworden. Was nun folgte, ist hinlänglich bekannt. Es begannen die Auseinandersetzungen zwischen den Männern in Rom, von denen jeder für sich die Macht beanspruchte. Und die Klärung dieser Frage bedeutete Krieg. In den Kämpfen 43v.Chr. fielen die Anhänger Caesars, Hirtius (Schreiber des 8.Buches von „De Bello Gallico") und Pansa. Der Statthalter von Gallia Comata, Lucius Munatius Plancus, wechselte auf die Seite Antonius. Der konnte in Gallia Narbonensis und mit Hilfe des Lepidus neue Kräfte sammeln.

    In dieser entscheidenden Phase versuchte Cicero, Octavian zu entmachten und zu entlassen, denn der verfügte nun über das ganze republikanische Heer. Der Anhänger der Caesarmörder, Sextus Pompeius, wurde als republikanischer Anführer der Flotte bestätigt und konnte nach Rom zurückkehren.

    Caesar hatte auf den richtigen Nachfolger gesetzt. Octavian stellte alle Kämpfe gegen Antonius ein, zog mit den Legionen der Gallia Cisalpina nach Rom und forderte das Konsulat, das ihm zuvor Cicero verweigert hatte. Als das nicht half, rief er sein gesamtes Heer nach Rom und ließ sich als Konsul wählen. Dem folgten Verhandlungen der streitenden Anführer, die mit dem zweiten Triumvirat endeten. Octavian und Antonius beschlossen, gemeinsam gegen die Caesarmörder vorzugehen, während Lepidus als Statthalter in Rom fungierte. Antonius wurde für 42v.Chr. zum Statthalter der Provinzen Gallia Cisalpina und Gallia Comata wiedergewählt, Lepidus erhielt Gallia Narbonensis und Spanien, Octavian Afrika, Sardinien und Sizilien, damals noch in der Hand von Sextus Pompeius. Der Senat wurde gesäubert. Dem Terror fiel 43v.Chr. auch Cicero zum Opfer. Antonius erhielt die größte Machtfülle. Mit dem anschließenden Krieg und dem Sieg in der Schlacht von Philippi durch Antonius verloren viele Caesarmörder ihr Leben. Ende 42v.Chr. war die erste Phase von Octavians Aufstieg beendet.

    Wie nicht anders zu erwarten, blieben die Spannungen zwischen Marcus Antonius und Octavian nicht nur bestehen, sondern erhöhten sich von Jahr zu Jahr. Diese Entwicklung soll hier nicht näher beschrieben werden, weil sie auch zur Genüge bekannt ist und mit dem Freitod Antonius und Kleopatras 30v.Chr. endete. Von da an hatte Octavian die alleinige Herrschaft über die römische Republik inne. Und damit wissen wir, mit wem wir es in den kommenden Kapiteln, in denen es auch um die Macht am Rhein geht, zu tun haben.

    Das Triumvirat lief formal weiter und endete erst 27v.Chr. Als Octavian diese Gewalt freiwillig niederlegte, bot ihm der Senat die Führung des Staates an. Diese Alleinherrschaft erhielt die Bezeichnung Prinzipat. Und Octavian nahm den Ehrennamen Augustus an. Die republikanische Verfassung blieb erhalten, doch verfügte Augustus über uneingeschränkte Gewalt wie ein Monarch. Er verkündete den allgemeinen Frieden, „Pax Augusta" genannt. Wir werden sehen, dass diese Friedenserklärung bei weitem nicht für alle Bewohner der römischen Provinzen und erst recht nicht für die Nachbarn galt.

    Die Lage in Gallia Comata bis 27v.Chr.

    Was geschah in der eroberten Provinz, nachdem Caesar abgezogen war? Legionen standen in ihren zwei großen Winterlagern unter Gaius Trebonius und Gaius Fabius. Trebonius, 51 Jahre alt, wurde schon 49v.Chr. abberufen und als Stadtprätor in Rom wirksam. 47v.Chr. kämpfte er in Spanien gegen die Gegner Caesars, darunter Titus Labienus, und gegen die Brüder des Pompeius. Aber er kämpfte nicht entschieden genug, weil Labienus sein ehemaliger Kamerad war. Über Gaius Fabius Verbleib ist nichts überliefert.

    Der Bürgerkrieg, den Caesar ausgelöst hatte, beschäftigte und differenzierte auch sein gesamtes Offizierskorps, überwiegend in Rom und auf den Schlachtfeldern, in seinen Legionen und in denen seines Gegners Gnaeus Pompeius. Trebonius beispielsweise belagerte 49v.Chr. fünf Monate lang Marseille (Massalia), bis es kapitulierte und seine Unabhängigkeit verlor. In den Jahren bis zum Ende des Bürgerkriegs wurde die Provinz Gallia Comata vernachlässigt. Sie diente in dieser Zeit als Lieferant von Söldnern, Nahrungsgütern, Ausrüstungen für die Legionen und vor allem von Steuereinnahmen.

    Nach dem Ende des Bürgerkriegs und der anschließenden Ermordung Caesars ging die Macht in der Republik vorerst an Marcus Antonius über. Wie zuvor gesagt, führte er das zweite Triumvirat an. Von diesem Datum an müsste es auch wieder Statthalter von Gallia Comata gegeben haben. Doch die Quellen sind sparsam an Informationen darüber. Wie sah es am Niederrhein aus? Wie schon gesagt, wurden die germanischen Stammesgebiete links des Rheins nicht von den Römern besetzt. Sie hatten ihre Legionen tief in die gallischen und belgischen Gebiete zurückgezogen. Auch das Gebiet der Treverer blieb frei. Das traf auch für das gesamte Oberrheintal zu.

    Die Stammesgebiete der Menapier, Atuatuker, Eburonen und deren Klientel in den Ardennen konnten sich in diesen zehn Jahren von den Verwüstungen, die Caesar angerichtet hatte, erholen. Sofern sie überlebt hatten, bauten sie ihre Gehöfte wieder auf, legten Felder an und bewirtschafteten ihre Wiesen und Weiden mit Vieh. Sicher sind aus den Sümpfen am Rhein, vom rechten Rheinufer und aus den Ardennen Familien, die vor den Römern geflohen waren, allmählich zurückgekehrt.

    Es wird nach den harten Auseinandersetzungen zwischen den Eburonen und Römern dem König Ambiorich nicht mehr gelungen sein, den gesamten Stamm zusammenzuhalten. Die Treverer, die noch immer mächtig waren, dürften die kleineren Stämme der Condruser, Paemaner und Segner unter ihren Schutz genommen haben. Der Stamm der Atuatuker wurde nach Caesars Rückzug nicht mehr erwähnt. Wahrscheinlich hat er sich seinen Nachbarn, den Eburonen angeschlossen, die sich nach den Verwüstungen Caesars Tungerer nannten; oder von den Römern so genannt wurden, damit der Name des erbittertsten Gegners für immer ausgelöscht blieb Das könnte daran liegen, dass Caesar sich das Recht herausnahm, darüber zu entscheiden, wer das Privileg genoss, in den römischen Geschichtsbüchern aufgeführt zu werden. Die Atuatuker und Eburonen hatten das nach seiner Auffassung nicht verdient. Zwei Gaue dieses Volkes haben sich dennoch behauptet: Tongrien und Toxandrien.

    Toxandrien dehnte sich zwischen Schelde, Maas und Dijle aus. Die lateinische Namensgebung verweist auf Taxus, d.h. Eibe. Es ist derselbe Name, den die Eburonen trugen. Demnach handelt es sich eindeutig um einen Teil dieses bedrängten Volkes, das sich vor Caesar nach Norden über die Sumpfgebiete hinweg zurückgezogen hatte und in Ländereien der Menapier einsickern durfte.

    Die Tungerer siedelten weiterhin im Land der Eburonen. Vielleicht trugen sie jetzt den Namen ihres Gaus um Tongern. Tongern wird überliefert als Atuatuka Tungrorum. Dieser Ort ist nicht das Atuatuka, wo Caesar 54v.Chr. seine größte Niederlage erlitten hatte, sondern bezeichnet, dass hier unter der römischen Verwaltung ein Zentrum für die Atuatuker und Tungerer entstanden war. Die Stammesbezeichnung hat etwas mit „Zunge, Sprache" zu tun. Was dahinterstecken mag, bleibt ein Geheimnis. Vielleicht hatten sie einen auffälligen, harten Dialekt gesprochen.

    Durch den Zuzug der Eburonen nach Norden in das Land der Menapier wurde deren Siedlungsgebiet, das sich entlang der flandrischen Küste und dem südlichen Ufer der Maas fast bis nach Kleve hinzog, geteilt. Das mag eine Ursache gewesen sein, dass sich die östlichen und nördlichen Gaue vom Stamm der Menapier lösten, der im Süden seit Caesar römisch besetzt war. Ihre Gaubezeichnung Bataver wurde von da an als neuer Stammesname geführt. Caesar nennt uns noch keine Bataver. Nach seinen Schilderungen lebten dort im Rhein-Maas-Bogen Menapier.

    Alle erwähnten Stämme organisierten ihr Leben in diesen zehn Jahren nach dem Gallischen Krieg unabhängig. Unter ihnen gab es einen Stamm, der mit römischer Hilfe privilegiert wurde, die Ubier. Große Teile des linken Rheinufers, von Usipetern, Sugambrern und Tenkterern bewohnt, sollten unter dessen Verwaltung gestellt werden. Auch der neu gebildete Stamm der Bataver, von der Rhein- und Nordseeschifffahrt lebend, wollte es sich mit den Ubiern nicht verscherzen und neigte zu einer römerfreundlichen Haltung.

    Dass sich in dieser Zeit der Unsicherheit, bedingt durch den Bürgerkrieg und seine Nachwehen, insgesamt eine unübersichtliche Lage auch in Gallia Comata ergeben hatte, dürfte sicher sein. Sehr unterschiedlich wurden die Stämme regiert und sehr unterschiedlich waren die Auswirkungen der römischen Fremdherrschaft.

    Der Rhein und die Statthalterschaft Agrippas

    Agrippa, die Ubier und die neue Provinz

    Zwei Jahre später, von 39v.Chr. bis 38v.Chr., übernahm ein tatkräftiger junger Mann, Marcus Vipsanius Agrippa, 26 Jahre alt, die Statthalterschaft für Gallia Comata. Dort häuften sich Unruhen. Bekämpft wurden vorerst nur diejenigen Stämme, die dem römischen Staat wirtschaftlich gefährlich werden konnten. Dazu gehörte die Sperrung des Weges von Toulouse (Tolosa) nach Bordeaux (Burdigala) entlang der Garonne. Sie war durch einen Aufstand in Aquitanien erfolgt. Der Transport wichtiger Rohstoffe aus Britannien musste unterbrochen werden. Dagegen zog Agrippa erfolgreich ins Feld. Ein weiterer wichtiger Fernweg führte vom Oberrheinknie (Basel) zur Doubs und weiter über die Saône und Rhone nach Marseilles (Massalia), das inzwischen römisch war. Diesen Weg blockierten die Sweben, Ariovists Nachfahren, im Oberelsass. Agrippa trieb die aristokratische Gefolgschaft über den Fluss, der als künftige Grenze gelten sollte. Er will sogar eine Überschreitung vollbracht haben. Offenbar wollte er Caesar nacheifern. Die Rheinquerung erscheint sehr zweifelhaft, zumal sich auf der anderen Seite nur Gebirge befinden.

    Unruhen dürften auch der Grund gewesen sein, dass Agrippa mit seinen Legionen wieder den Wegen Caesars nach Norden an den Niederrhein folgte. Man kann sich vorstellen, dass die Ubier den eigentlichen Anlass gegeben haben. In meinem Buch „Rom kämpft um den Rhein, Teil III, „Caesars Kriege gegen die Germanen, bin ich auf die besondere Rolle der Ubier eingegangen. Was könnte inzwischen, seit 53v.Chr. in diesem Raum geschehen sein?

    Die römische Überlieferung sagt, dass Marcus Vipsanius Agrippa in der Zeit seiner Statthalterschaft 39/38v.Chr. und nach den Feldzügen gegen die Aquitanier und Sweben noch genügend Zeit fand, die Ubier vom rechten auf das linke Rheinufer umzusiedeln und ihnen eine neue Hauptstadt zu geben: Oppidum Ubiorum, das heutige Köln. Abgesehen von den rein organisatorischen Maßnahmen, die solche Feldzüge erforderten und der Zeit, die darüber ins Land ging, dürfte es völlig unrealistisch gewesen sein, ein ganzes Stammesvolk aus einem weit entfernten Gebiet umzusiedeln. Es lag außerhalb der Provinz Gallien, östlich der Rheingrenze. Über 1.200km von Köln entfernt liegt Toulouse, wo er sich, als er das beschloss, aufgehalten hatte. Dieser Sachverhalt verlangt einen Kommentar:

    Zweifellos haben Römer die Nachwelt sehr häufig damit überrascht, dass sie zu großartigen Leistungen auch in kurzer Zeit fähig waren. Doch ein Volk in wenigen Monaten umzusiedeln und dazu noch eine neue Stadt vor dem Winter 39/38v.Chr. zu gründen, gibt Anlass, sich darüber Gedanken zu machen. Wer waren die Ubier?

    Das Volk der Ubier wird in der Wissenschaft als germanisch bezeichnet. Geografisch wird sein Lebensraum überwiegend rechts des Rheins im Rheinischen Schiefergebirge eingeordnet, dessen Täler der Sieg und der mittleren Lahn als ihre Stammesgebiete gelten. Der Westerwald und das Rothaargebirge bildeten demnach das bergige Gerüst des Stammeslandes. Am weitesten nach Osten lag die Höhenburg Dünsberg bei Gießen, die von den Historikern dem Stamm zugeordnet wird.

    Bild 2 -Stammesgebiet der Ubier

    Dieser Gebirgsraum, in dem die Ubier gelebt haben sollen, hatte zu ihrer Zeit bereits eine lange Siedlungsgeschichte und mehrere Kulturepochen durchlebt. Ehe diese raue, windige und niederschlagsreiche Bergwelt besiedelt wurde, mussten die Menschen den dichten Wald roden. Nur in den Tälern bot sich der Lebensraum an, der durch Land- und Weidewirtschaft Existenzgründungen zuließ. Anhand der Geografie könnte man sich vorstellen, dass die Siedlungswilligen aus den Ebenen im Norden über die Ruhr und über die Kölner Bucht entlang der Sieg, im Westen über den Mittelrhein die Lahn hinauf und im Süden vom Main über die Wetterau in die Gebirgstäler drängten. Die schweren Lebensbedingungen ließen nur die zähesten und widerstandsfähigsten Menschen überleben. Eine Besiedlung erfolgte demnach langsam, aus verschiedensten Richtungen, durch unterschiedliche Volksgruppen und konzentrierte sich in erster Linie auf die bedeutenden Flusstäler der Ahr, der Sieg, der Lenne, der Wied und der Lahn. Menschen, die unter solchen Bedingungen leben, entwickeln im Laufe der Zeit andere Mentalitäten als diejenigen, von denen sie abstammten und fortgezogen waren. Sie wurden bodenständiger. Deshalb ist das Gerede von dem ständigen Wandern der Stämme in diesem rechtsrheinischen Raum überflüssig. Die Eroberung der Gebirgstäler erfolgte wie gesagt von den Ebenen aus.

    Als sich die Volksgruppe der Ubier herausbildete, lag das Ausgangsgebiet noch immer in der Kölner Bucht. Die Ausdehnung über die Erft in die Nordeifel und über die Sieg zum Rothaargebirge ließ die Verbindungen nicht abreißen. Die Stammesbezeichnung Ubier hat vielleicht etwas damit zu tun, dass sich seine Angehörigen „über" beide Seiten des Rheins ausgebreitet hatten, über-rheinisch (siehe Bild 2).

    Die Siedlungsräume waren an Fließgewässer gebunden, d.h. an deren Verläufe. Grenzen dieser Räume boten sich deshalb stets auf den Wasserscheiden an. Auf der linken Rheinseite könnte das Einzugsgebiet der Erft das Stammesgebiet abgedeckt haben. Auf der rechten Rheinseite käme das Einzugsgebiet der Sieg als geeigneter Raum infrage. Caesar erwähnt die Ubier als Nachbarn der Treverer. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass auch das Verlaufsgebiet der Wied hinzugerechnet werden kann. Von der Mündung der Erft bis an die Wied dürfte der Stamm auch die verschiedenen Siedlungskammern an den Rheinufern ausgefüllt haben.

    Manche Veröffentlichungen nennen das Lahntal ebenfalls als ubisches Gebiet. Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Einmal liegt dieser Talzugang in einem Gebiet, das von den Treverern beherrscht wurde, zum anderen reicht es sehr weit in den Osten bis an die Wetterau. Von dort aus wäre die obere Lahn viel leichter zu besiedeln gewesen.

    Die Treverer hatten sich ganz gewiss über den Rhein hinweg, den sie nicht als Grenze empfinden konnten, im Neuwieder Becken und im unteren Lahntal ausgedehnt. Die Nennung der Höhenburg Dünsberg als ubische Festung stellt bereits ein echtes Problem dar. Wozu könnte sie gedient haben? Um die Ubier gegen die Chatten zu schützen? Um die Erzlager bei Siegen zu schützen? Das Siegerland war schon seit der Bronzezeit und noch viel intensiver seit dem Beginn der Eisenzeit eine Montanlandschaft geworden. Die Bergleute stellten sogar Stahl her. Wenn der fruchtbare Lößboden der Kölner Bucht einen Überschuss an Getreide lieferte, das auf dem Rhein verschifft, ein gewinnbringendes Gut war, dann stellte das Erz im Siegerland, verhüttet und veredelt, eine noch lukrativere Einnahmequelle dar. Dem Schutz dieser Bodenschätze könnte eine große Höhenburg von 90ha wie der Dünsberg gedient haben. Doch ist diese Annahme nicht richtig. Der Dünsberg liegt oberhalb von Gießen und Wetzlar und überragt als Landmarke die Täler um etwa 350m. Die Höhenburg, von starken Wällen und Mauern umwehrt, konnte die Zugänge zur fruchtbaren und dicht besiedelten Wetterau aus den Tälern der Dill und Lahn sichern. Die Siedlungskammer unter ihr lag damit eindeutig im Gebiet der Chatten.

    Das Siegerland hingegen kann, da es zur Lahn und deren Nebenfluss Dill durch eine Wasserscheide getrennt ist, zum Land der Ubier hinzugerechnet werden. Aus dieser Montanlandschaft konnten sich die führenden Adligen mit dem erwähnten Erz und Stahl für den weitreichenden Handel versorgen. Doch gab es in unmittelbarer Nähe des Rothaargebirges rege Konkurrenz. Am Lahnkopf entspringen die Sieg, die Eder, die Lahn und die Dill. Somit stießen hier die Gebiete der Chatten, Ubier und Sugambrer zusammen. Alle bauten Erze ab. Besonders etwas nördlich, zwischen Bigge und Lenne, hatten die Sugambrer ihre Gruben durch mehrere Wallanlagen gesichert: Hofkühl, Weilenscheidt und Wilzenberg. Auch die Chatten hatten mit der Wallburg bei Aue ihren Anspruch untersetzt.

    Die Metallurgie war aus dem Südosten Europas über Böhmen, die Alpen und die Mittelgebirge am Main nach Nordwesten vorgedrungen. Dieser Prozess wird nicht ohne Einwanderer abgelaufen sein, denn sie brachten die Erfahrungen mit. Jeder Stamm in den Regionen Sauerland und Siegerland hatte von den Einwanderern Bergleute ausbilden lassen, um unabhängig zu werden. Im Laufe der Zeit konnten die Ubier durch ihre bevorzugte Lage am Nieder- und Mittelrhein ihre Fähigkeiten als Händler entwickeln und so ausbauen, dass sie die Wasserstraße von Basel bis Nijmegen vollständig beherrschten und zu Wohlstand kamen. Als Caesar an den Rhein kam, stellte sich der Stamm wie folgt dar:

    „Die Ubier sind etwas kultivierter als andere Germanen, weil sie am Rhein wohnen, häufig Kaufleute bei sich haben und durch die Nachbarschaft gallische Sitten annahmen." (De Bello Gallico, Liber IV,3, 3)

    Man darf sich durch diese Texte nicht täuschen lassen. Die Ubier hatten kein anderes Entwicklungsniveau, keinen anderen Zivilisationsgrad erreicht als ihre germanischen Nachbarn. Nur ihre Führungsschicht, vor allem die Händler darunter, unterschieden sich dagegen von den Adligen der Treverer, Sugambrer und Chatten. Sie verkehrten auf dem Rhein bis zur Aare, wo sie ihre Güter bis in das Innere des Stammlandes der Tiguriner fahren konnten, sie dann umluden und auf dem Landweg bis zur Rhone beförderten. Über diesen Fluss gelangten sie nach Marseille (Massalia). Am Rheinknie bei Basel ging noch ein weiterer Weg ab zur Doubs und von dort an die Saône. Selbst auf dem beschwerlichen Landweg über die Eifel an die Mosel und von dort durch gallische Gebiete kamen sie wieder an die Saône. Es ist deshalb glaubhaft, wenn Caesar sagt, dass diese Vornehmen, mit denen er es nur zu tun hatte, kultiviert waren und wahrscheinlich sogar Griechisch und Latein sprachen.

    In den Häfen am Rhein zwischen Neuss und Bonn verkehrten umgekehrt auch fremde Kaufleute und brachten ihre Waren und Gepflogenheiten mit. Von Britannien über den Rhein bis Marseille können die Netzwerke der Ubier gereicht haben. Nur in dieser Erkenntnis liegt die wohlüberlegte Hinwendung zum römischen Eroberer. Er war der Gewinner in dieser Zeit. Gegen ihn lief für die Ubier nichts. Inzwischen war auch Marseille eine römische Stadt geworden, was sich auf das Handelsnetz im Norden drastisch auswirkte.

    Ob die Bedrohung der Ubier durch die Sweben so ernsthaft war, wie sie uns Caesar schildert, darf bezweifelt werden. Auseinandersetzungen beispielsweise um die Erzlagerstätten wären denkbar gewesen. Die Chatten übten Druck aus. Sie waren in Caesars Augen Sweben. Es ist eher anzunehmen, dass die Ubier selbst die Spannungen mit den Nachbarn erzeugten, als sie sich römerfreundlich zeigten. Das Gros der germanischen und swebischen Stämme war römerfeindlich eingestellt und nicht bereit, seine Unabhängigkeit aufzugeben.

    Dass die Ubier über feste städtisch anmutende Siedlungen verfügten, darf bezweifelt werden. Caesar erwähnt keine bestimmte, spricht nur allgemein von festen Plätzen. Ein bedeutender Ort am Rhein wäre sicher genannt worden. Demzufolge handelte es sich an seinen Ufern nur um kleine Siedlungen mit Anlegestellen. Eine Ausnahme bildet der römisch Gelduba genannte Ort bei Krefeld-Gellep, der auf dem Grundriss einer ubischen Siedlung entstanden sein soll. Doch nach meinen Untersuchungen lag er schon auf tenkterischem Gebiet. Da die Römer ihre Städte in der Regel auf Plätzen anlegten, die zuvor von den Einheimischen schon bevorzugt wurden, könnten solche Neuss, Dormagen, Köln und Bonn gewesen sein. Es waren hochwassersichere Erhebungen oder Terrassen. Dem römischen Feldherrn anzubieten, seine Legionen über den Rhein zu schaffen, wie es die Ubier gegenüber Caesar taten, bedeutete, dass die Ubier über eine große Rheinflotte verfügten und auf beiden Ufern zu Hause waren.

    Die Verkehrsinfrastruktur am Rhein wird noch heute überwiegend durch die von den Römern, der späteren Besatzungsmacht, erbauten Straßen charakterisiert. Das trifft aber nur für die linke Rheinseite zu. Auf der rechten bestanden die Wege vor und nach den Römern so wie von den Stämmen angelegt.

    Das Stammesland der Ubier hatte durch den Rhein Anteil am wichtigsten Wasserweg Westeuropas. Dieser Fluss wurde ab der Kölner Bucht nordwärts auf beiden Ufern von Landwegen begleitet. Nach Süden ins Rheintal gab es nur schmale Uferwege, die an den Unkensteinen endeten. Die steilen Ufer des schmalen Rheintals boten im Schiefergebirge wenig Raum für die Entfaltung von Stützpunkten des Handels und Gewerbes. Es gab weitere enge Stellen im Tal, ob Erpeler Ley oder Loreley, die eine gute Wegeführung erschwerten. An den Ufern führten lediglich Treidelpfade entlang, um die leichten Lastkähne gegen den Strom ziehen zu können. In den Häfen der Ubier im Raum Bonn bis Neuss wurden die Güter von leichten und flachen Booten, die das Rheintal durchquerten, auf schwerere für den Niederrhein umgeladen.

    Von überregionaler Bedeutung war der Fernweg von Boulogne-sur-Mer nach Neuss. Er setze sich auf der anderen Rheinseite fort. Diese West-OstVerbindung kreuzte zwischen Neuss und Köln die bedeutendste NordSüd-Verbindung, die über die Eifel nach Metz, von dort nach Lyon und weiter entlang der Rhone bis nach Marseille führte. Auch auf der rechten Rheinseite gab es Wege über lange Strecken. Ein solcher führte von den Mainfurten nach Siegen und von dort weiter in das Land der Sugambrer und zur Nordseeküste; ein zweiter führte nach Limburg, überquerte den Westerwald und die Sieg, um sich danach parallel zum Rhein bis zum Hellweg und über die Lippe zu den friesischen Gebieten auszudehnen.

    Unterhalb der Siegmündung überquerte ein Weg den Rhein und führte etwa auf der Linie der sogenannten „Heidenstrasse" nördlich am Siegerland vorbei in die Ebene der Chatten um Kassel und weiter in das Land der Hermunduren. Dass vom Bergbaugebiet des Siegerlandes ein regional wichtiger Weg nicht entlang der Sieg, sondern über die Höhenrücken, die sie nördlich begleiten, bestand, liegt nahe. Man kann sagen, dass die Ubier ihr Land erschlossen hatten und enge Kontakte zu den Nachbarn pflegten.

    Der Siedlungsschwerpunkt des Stamms lag eindeutig in der Kölner Bucht und in der Ebene der Erft. Die Gebirgsgegenden wurden nur in den Tälern genutzt und waren durch Einzelgehöfte bzw. Weiler charakterisiert. Wichtig waren die Nachbarn des Stammes. Im Süden grenzte er an die Treverer, die sowohl das Tal der Ahr als auch das Neuwieder Becken und das untere Lahntal bewohnten. Im oberen Lahntal waren die Chatten seine Nachbarn. Deren Stammesland wölbte sich im Osten um das der Ubier herum, entlang der Wasserscheide Weser/Sieg. Im Nordosten entlang der Lenne, dem Sauerland, stieß der Stamm der Sugambrer bis an das Rothaargebirge und das Siegerland. Am Flussgebiet der Wupper, rechts des Rheins, und nördlich des Mühlenbaches bei Krefeld, links des Rheins, endete der Land der Ubier an dem der Tenkterer.

    Im Westen hatten die Ubier einen sehr berühmten Nachbarn, die Eburonen. Die Wasserscheide zwischen der Erft und der Rur bildete wahrscheinlich die Grenze. Mit dem Erscheinen Caesars erhielt dieser Grenzraum eine große Bedeutung im Rahmen des „Germanenfeldzugs. Ich setze den Begriff in Anführungszeichen, weil es den übergreifenden Begriff „Germanien ebenso wenig gab wie den des „Galliens". Caesar konnte nicht allgemein gegen Germanen kämpfen, immer nur gegen einzelne Stämme, die sich unterschiedlich bezeichneten. Der Stamm der Ubier, mitten im Lebensraum der niederrheinischen Germanen, wurde römerfreundlich und spaltete deren Abwehrfront.

    Dass die Ubier sofort nach Caesars Erscheinen Gesandte zu ihm schickten, nur wenige Tagesreisen von ihren Wohnsitzen links des Rheins entfernt, ist völlig verständlich. Denn der Kaufmann braucht Frieden zum Handeln. Oder Handel mit dem voraussichtlichen Sieger. Sich bei der Bewerbung um Caesars Gunst der Sweben als Gefahr an ihrer Ostgrenze zu erinnern, lag sehr nahe. So setzten sich die Ubier zwischen die Stühle. Aber Kaufleute sind in der Regel wohlhabend. Und wer Gold hatte, gewann auch schnell Verbündete.

    Caesar selbst bestätigt meine These vom Lebensraum der Ubier links des Rheins. Die Begegnung mit den germanischen Tenkterern fand in einem Gebiet nördlich der Ardennen und östlich der Maas statt. Denn er sagt:

    „…, dass sie (die Reiterei der Tenkterer) einige Tage vorher den Großteil ihrer Reiterei zum Plündern und Getreideholen zu den Ambivaritern über die Maas geschickt hatten;" (Liber IV,9)

    Die Reiterei musste, um Getreide zu finden, nach Westen reiten, Caesar befand sich demnach bereits zwischen Maas und Rhein. Wenn dort nicht die Ubier gelebt hätten, müsste er sich auf eburonischem Gebiet befunden haben; doch von denen war in seinem Buch nicht die Rede. In seinem Lager befanden sich dagegen bereits die Ubier. Auf den Wunsch der germanischen Gesandtschaft, sich unter seiner Herrschaft ansiedeln zu dürfen, reagierte er wie folgt:

    „…doch dürften sie, wenn sie es wünschten, sich im Land der Ubier ansiedeln, deren Gesandte bei ihm seien, wegen…" (Liber IV, 8)

    Demnach waren angeblich die Ubier, in deren Gebiet links des Rheins er stand, in der Lage, Teile ihres Landes für eine Ansiedlung abzugeben. Wenn dieses Land der Ubier nur rechts des Rheins gelegen hätte, wie das viele deutsche Historiker behaupten, müsste er die Germanen auf dieser linken Seite abgewiesen haben. Er konnte nicht über Land rechts des Rheins verfügen. Diese Überlieferungen klingen sehr eindeutig. Das linksrheinische Gebiet war dicht besiedelt, was er auch an anderer Stelle erwähnt. Warum sollten deshalb die Ubier Teile ihres Nachbarvolkes aufnehmen? Und wieso verfügte Caesar darüber? Vielleicht stand im Hintergrund vielmehr die Frage der Unterwerfung linksrheinischer germanischer Stämme unter die Ubier. Caesar hatte dem Stamm Aussichten auf die Erweiterung seines Stammesgebiets links des Rheins eröffnet und damit die Tenkterer als neue Untertanen gemeint.

    Betrachtet man das Land der Ubier als Teil des germanischen Gebiets am Niederrhein, dann bildeten sie die südliche Volksgruppe, deren Gebiet durch die Eifel und den Westerwald natürliche Grenzen zu den Chatten und Treverern hatte. Nördlich der Ubier siedelten wie schon erwähnt die Sugambrer und Tenkterer. Ihnen wird ein weiterer Abschnitt gewidmet.

    Die Ubier hatten sich während des sogenannten Germanenkrieges nicht an Kämpfen gegen Caesar beteiligt. Ihre Nachbarn, die Eburonen, Tenkterer, Sugambrer und Treverer dagegen trugen die Auseinandersetzungen mit allen Opfern und Folgen bis zum Abzug Caesars 50v.Chr. Da er mit den Eburonen, Sugambrern und Treverern keinen Frieden schließen konnte, blieben auch keine römischen Truppen am Rhein zurück.

    Es muss zwischen den

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