Rom kämpft um den Rhein: Caesars Kriege gegen die Germanen 57 v.Chr. - 50 v.Chr.
Von Walter Krüger
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Walter Krüger
Walter Krüger wurde am 9.November 1938 in Raguhn in Anhalt geboren und wuchs in Oranienbaum als ältestes von vier Geschwistern auf. Beeinflusst von der Dessau-Wörlitzer Kulturlandschaft und dem Bauhaus studierte er nach dem Abitur in Halle/Saale Architektur in Weimar. Seit 1964 lebte und arbeitete er in Berlin. Walter Krüger wurde 1988 zum Dr.-Ing. promoviert. Ab 1990 gründete er ein Architekturbüro und nahm aktiv am Wiederaufbau in den neuen Bundesländern teil. Neben seiner Tätigkeit als freischaffender Architekt widmete er sich seit 2010 wieder der wissenschaftlichen Arbeit. Heute lebt er in Potsdam. Seit seiner Kindheit interessierte sich Walter Krüger für historische Themen. Vor allem die Anfänge der europäischen Geschichte von der Antike bis zum frühen Mittelalter, die in Mitteleuropa trotz der gewaltigen Fortschritte durch Forschung und Archäologie noch weitgehend im Dunkeln liegen, hatten es ihm angetan. Sein Wissen und seine Erkenntnisse zu frühgeschichtlichen Themen sammelte und veröffentlichte er bisher in den populärwissenschaftlichen Büchern "Die Kimbern und Teutonen kamen nicht aus Jütland", in den drei Bänden der Buchreihe "Rom kämpft um den Rhein", in dem Buch "Germania magna" und in der dreiteiligen Buchreihe "Sweben und Römer".
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Buchvorschau
Rom kämpft um den Rhein - Walter Krüger
Caesars Pläne in Westeuropa
Die Ausgangslage 58 v.Chr.
Im Teil I des Buches „Rom kämpft um den Rhein" wurde beschrieben, wie sich der Statthalter von Gallia Transalpina, Gaius Julius Caesar, unter einem fadenscheinigen Grund das Recht herausnahm, zum ersten Mal mit einem Heer die Nordgrenze der Provinz zu überschreiten. Er fiel in das Stammesgebiet der Sequaner ein und eröffnete dort einen Krieg gegen die Tiguriner, der sich auch in das Stammesgebiet der Haeduer hineinzog. In der Schlacht nahe Bibracte, einer wichtigen Siedlung der Haeduer, besiegte er ein Heer der Tiguriner, römerfeindlicher Haeduer und mit ihnen verbündeter Krieger verschiedener Stämme. Doch zog Caesar es vor, nach diesem Sieg das Land der Tiguriner weder zu besetzen noch zu unterwerfen. Er verzichtete auch auf Tribute und andere Verpflichtungen. Offensichtlich hatte er erkannt, dass nicht der Stamm gegen ihn kämpfte, sondern ein von dem Haeduer Dumnorix angeheuertes Söldnerheer. Es genügte ihm, diesen starken Stamm hinter dem Jura zu wissen und ihm sein Einflussgebiet an der Saône genommen zu haben, sofern man überhaupt davon sprechen kann.
Die Saône verlängert ab Lyon (Lugdunum) die von Nord nach Süd fließende Rhone entlang der wichtigsten Nord-Süd-Verkehrsachse Westeuropas. Zwischen den Stammesländern der Haeduer und Sequaner im Norden und der römischen Provinz Gallia Transalpina im Süden bestanden über diese Flüsse und über sie begleitende wichtige Fernwege feste und gesicherte Verbindungen auf dem Wasser und zu Lande. Die Stämme der Sequaner und Lingonen im Einzugsgebiet der Saône gerieten unter römischen Einfluss.
Im Teil I wurde weiterhin dargelegt, dass sich Caesar mit dem Erreichten nicht zufrieden gab. In seinen Überlegungen bildete der Zugang vom Oberrheintal zum sequanischen Stammesgebiet über den wichtigen Fernweg, der von dort entlang des Doubs zur Saône und Rhone führte, einen Unsicherheitsfaktor. Dieses Gebiet am Rhein wurde von dem swebischen König Ariovist (so von den Römern betitelt) beherrscht. Seit 71 v.Chr. hatte er als mächtigster Mann dieser Region die Sequaner und Averner darin unterstützt, sich gegen die Vorherrschaft der Haeduer zu wehren und 61 v.Chr. in einer bedeutenden Schlacht deren Drängen ein Ende gesetzt. Seitdem mussten sich die Haeduer verpflichten, Tribute an die Sieger zu zahlen und dies durch Geiseln, die bei den Sequanern verblieben, bekräftigen. Zum Zeitpunkt, als Caesar in den Stammesgebieten der Sequaner und Haeduer gegen die Tiguriner kämpfte, hielten sich keine Sweben mehr dort auf. Dennoch stürzte er den Fürsten der Haeduer, Dumnorix, der sein Gegner war, und setzte dessen romtreuen Bruder Diviciacus als neuen Fürsten ein. Mit diesem Mann heckte er den Plan aus, Ariovist anzugreifen. Der Grund, den er dafür anführte, die Tyrannei des Sweben über die Haeduer, war eigentlich mit der Ernennung Diviciacus als neuen Herrn dieses Stammes aufgehoben worden. Doch konstruierten sie beide alle möglichen zweifelhaften Vorwürfe für einen Kriegsgrund gegen Ariovist und fielen in das Land der Triboker, einem seiner Klientelstämme im südlichen Elsass, ein. Selbst die Verhandlungen dort zwischen Caesar und Ariovist waren nur noch ein vorgetäuschtes Manöver, in dem er erkennen wollte, ob er die Sweben und ihre Verbündeten als unterlegen einschätzen und deshalb besiegen könne. Caesar zwang schließlich Ariovist, der immer wieder versuchte, dem Krieg auszuweichen, zur Schlacht. Ariovist verlor sie. Diese militärische Schwächung war dem Römer wichtig. Gleichzeitig musste er erkennen, dass seine Kraft nicht ausreichte, die swebischen Stämme am Rhein zu unterwerfen. Vogesen und Jura wurden ethnische Grenzen zwischen Sweben und Tigurinern einerseits und Kelten andererseits.
Die Eroberung belgischer Stammesgebiete 57 v.Chr.
Die Eroberung der Gebiete des belgischen Stammesverbandes erfolgte von Besançon und Bibracte aus, den Hauptorten der Sequaner und Haeduer, die Caesar 58 v.Chr. unterworfen und besetzt hatte. Alle Ereignisse dieser Feldzüge wurden im Teil II dieses Buches - Caesars Kriege gegen die Belger 57 v.Chr.-51 v.Chr. - ausführlich beschrieben.
Den Einmarsch in die belgischen Stammesgebiete hatte er mit einem Aufstand der Belger, die er als eine geschlossene Stammesgruppe ansah, begründet. Wie ein freier Stammesverband gegen die Römer, oder mit Caesars Worten gesprochen, gegen das römische Volk, eine Erhebung planen konnte, obwohl er bisher nicht unter römischer Herrschaft stand, bleibt sein Geheimnis. Es ist ein an den Haaren herbeigezogener Kriegsgrund. Vorbereitet hatte Caesar diesen Krieg durch eine Stammesspaltung wie schon bei den Haeduern. Den größten Stamm bildeten die Suessionen südlich der Oise, geführt von König Galba und dessen belgischer Allianz. Von diesem Stamm gelang ihm die Abspaltung eines großen Teils, der sich als Remer bezeichnete. Diese Römerfreunde, wie schon der Name sagt, blieben Caesar bis zu Ende der Kriege dafür dankbar und treu.
Der Feldzug durch die südlichen belgischen Gebiete verlief für Caesar ohne besondere Anstrengungen und mit geringen Opfern. Als er die Suessionen, Bellovaker und Ambianer unterworfen hatte, setzte er sich gegen die nordbelgische Allianz unter den Nerviern in Bewegung. Zu deren Verbündeten gehörten die Atrebaten und Viromanduer. Zum ersten Male traf Caesar auf ernsthaften Widerstand. Die germanische Abstammung, auf die, wie er sagt, die meisten Belger stolz seien, zeigte ihre Wirkung in der Schlacht an der Selle, die das römische Heer nur mit großer zahlenmäßiger Überlegenheit unter großen Opfern gewinnen konnte.
Sie besiegelte das Schicksal der Atrebaten und Viromanduer, die nunmehr in einem römischen Protektorat leben mussten. Die Nervier dagegen blieben weiterhin unabhängig, auch wenn sie künftig auf militärischen Widerstand verzichten sollten. So bekam Caesar innerhalb eines Feldzugs 57 v.Chr. den überwiegenden Teil des belgischen Stammesverbandes in seine Hände. Die Moriner, ein kleiner Stamm am Kanal, und die Nervier versuchten weiterhin, ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Bis 55 v.Chr. dauerte es, die Moriner zur Aufgabe ihres Kampfes zu zwingen. Auch die Nervier gaben sich nicht geschlagen und kämpften ausdauernd, ehe sie am Ende eines Vernichtungsfeldzugs 53 v.Chr. unterlagen.
Caesar richtete sich häufig und gern in den wohlhabenden belgischen Gebieten ein, in dem er dort Winterlager anlegte und seine Provinzversammlungen abhielt.
Dennoch gab es immer wieder Freiheitsbestrebungen, die ganz besonders durch den Widerstand der Eburonen und den Aufstand der Kelten im Jahr 52 v.Chr. befördert wurden. Erst 51 v.Chr. gelang es den römischen Truppen, die Heere der Bellovaker und Atrebaten endgültig zu besiegen und den letzten Widerstand der Belger zu brechen. Insgesamt sieben Jahre dauerte es, bis sich die Belger endgültig geschlagen und besiegt geben mussten. Die Unterwerfung der belgischen Gebiete 57 v.Chr. war mehr als ein territorialer Zugewinn für die Römische Republik. Der kluge Stratege Caesar blickte über die Belger hinweg nach Britannien, das ganz nahe, nur durch den Kanal getrennt, vor ihm lag. Im Süden bereits von Belgern besiedelt, könnte es eine willkommene Hilfsquelle im Kampf gegen die Römer darstellen. Diese Quelle musste geschlossen werden.
Caesars Blick richtete sich nach Norden und Osten über die Belger hinweg auf den größten westeuropäischen Strom, den Rhein. Könnte dieser Fluss einmal die Grenze der Römischen Republik sein, wie der Euphrat im Osten? Verlockend, mystisch fast, und doch in seiner Vorstellung durchsetzbar.
In der Abb.1 wird gezeigt, dass 57 v.Chr. Caesar bereits den größten Teil Westeuropas besetzt und als römisches Protektorat unterworfen hatte. Eine Schraffur deckt dieses Gebiet ab. In diesem, von Ihm „ganz Gallien" genannten Gebiet, mussten die Aquitanier, Kelten, Aremoriker und Belger unter ihm als Statthalter leben. Nur die Nervier, der größte belgische Stamm, blieben noch im Besitz ihres Landes.
Dieser schnelle Vorstoß in bisher überwiegend unbekannte Gebiete beflügelte den Feldherrn, seine Vision von einer bis an den Rhein reichenden Provinz umzusetzen.
Die Eroberung germanischer Stammesgebiete
Der Raum zwischen den Belgern und dem Rhein war von einem fremden Volk bewohnt. Es nannte sich selbst Germanen. Als Germanen werden von mir die Stämme am Niederrhein bezeichnet. Die Nachfolger der Teutonen. Alle Ereignisse, die Caesar uns von diesen Eroberungszügen überliefert, werden den Inhalt des Teils III dieser Buchreihe bestimmen.
In der Abb.1 zeige ich die ethnischen Grenzen Westeuropas, wie sie von Caesar selbst anfänglich gezogen wurden. Später verschob er sie aus noch zu schildernden Gründen. Entgegen dem wissenschaftlich begründeten Germanenbegriff behalte ich mir vor, unter Germanen tatsächlich nur die am Niederrhein lebenden Stämme, die sich selbst so nannten, zu verstehen. Deshalb werden die Treverer und die Sweben farblich abgesetzt voneinander. In Abstammung und Sprache gibt es zwischen diesen Völkern stark verbindende Glieder, dennoch keine übergreifende soziale und kulturelle Gemeinsamkeiten, von politischen ganz zu schweigen.
Abb.1
Westeuropa und seine Völker vor dem Gallischen Krieg 59v.Chr.
Im wissenschaftlich korrekten Ausdruck sind alle Kriegshandlungen Caesars zur Eroberung der Gebiete bis zum Rhein gegen germanische Stämme gerichtet. Deshalb beginnt der Teil III auch mit dem Überfall auf die Atuatuker, die zu diesem germanischen Verbund gehörten. Caesar hat seine Leser zwar bekannt gemacht mit dieser Volksbezeichnung, wendet sie aber, rein politisch motiviert, in verwirrender Vielfalt an. So fällt es schwer damit umzugehen und sich verständlich zu machen. Der folgende sogenannte Germanenkrieg, wie er ihn meint, ist deshalb nicht der Krieg gegen die Germanen links des Rheins, die sich selbst so nennen, sondern auch einer gegen die Germanen rechts des Rheins, die sich nach seiner Meinung ungerechtfertigt in linksrheinischen Gebieten aufhielten.
Die in diesen Gebieten lebenden Germanen wie die Eburonen, übergeht er im Germanenfeldzug, erwähnt sie nicht einmal. Spricht von nunmehr gallischen Gebieten, in die Germanen eingefallen seien. Caesars Vorstoß an den Rhein gelingt nach seiner Darstellung. Er setzt sogar über, um die rechtsrheinischen Völker zu beeindrucken. Ob dies tatsächlich so gelang wie er es darstellt, erscheint mir sehr zweifelhaft.
An den Beginn seines Germanenkrieges stelle ich den Feldzug gegen den ersten germanischen Stamm, den Atuatukern.
Mit dem Feldzug gegen die germanischen Atuatuker noch 57 v.Chr., die Caesar beschuldigte, den Nerviern Unterstützung zugesagt zu haben, was für ihn gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung war, beginnt der Teil III meines Buches. Sie waren die östlichen Nachbarn der Nervier und Caesar überschritt mit einigen Legionen die Grenze des belgischen Stammesverbandes. Durch diesen Schritt können alle Ereignisse, die sich gegen die linksrheinischen und zeitweise auch gegen die rechtsrheinischen Germanen richteten, zusammenhängend dargestellt werden. Nach den Atuatukern folgt 55 v.Chr. der eigentliche schon genannte Germanenkrieg, danach wird der Kampf der Eburonen gesondert eingeordnet. Dieser schwere Krieg bereitet Caesar die größten Anstrengungen und die größte Niederlage, den Verlust von eineinhalb Legionen. Empfindliche Niederlagen muss er auch gegen die rechtsrheinischen Germanen, die den linksrheinischen Stammesbrüdern zu Hilfe eilten, hinnehmen. Die Auseinandersetzungen beruhigen sich erst, als Caesar durch einen strengen Vernichtungsfeldzug gegen die Eburonen für eine Grabesstille in dieser Region sorgte.
Eine Ausnahme in diesen Feldzügen bildete die Unterwerfung der Menapier in den Jahren 56 v.Chr. und 55 v.Chr., die gesondert behandelt wird. Sie gehören aber zu den Germanen und verschaffen Caesar den Zugang zur Nordseeküste.
Caesars Vorstoß an den Mittelrhein führte zu den jahrelangen Auseinandersetzungen mit dem Stamm der Treverer. Hier gelang ihm Ähnliches wie bei den Belgern. Er fand im treverischen Adel einen hochgestellten Anführer, der sich ihm andiente, um dadurch selbst Stammesführer zu werden. Diese Spaltung der Treverer ermöglichte es dem Römer, zeitweise tief in deren Stammesgebiet einzudringen und den Rhein zu erreichen, sogar zu überqueren. Wobei dieses Ereignis in Frage gestellt wird. Der Krieg gegen die Treverer verlief ganz anders als der gegen die Germanen am Niederrhein, weil die Vernichtungszüge fehlten. Dies war sicherlich dem römerfreundlichen Anführer geschuldet. Immerhin währte die Auseinandersetzung zwischen Caesar und dem König der Treverer von 57 v.Chr. bis 51 v.Chr.
Als die Feldzüge gegen die Germanen und Treverer zu Ende gingen, zogen sich die Römer zurück in die belgischen und keltischen Gebiete. Damals war es noch nicht üblich, die eroberten Gebiete durch eine dauerhafte Besatzung zu sichern. Römisch war tatsächlich nur das Gebiet, das durch römische Schwerter erreicht wurde. Unter diesem Gesichtspunkt hat Caesar sein Ziel, den Rhein zur neuen Grenze der Republik zu erheben, nicht erreicht. Die betroffenen Stämme fanden nach ihm wieder zueinander und der Rhein blieb ein germanischer Fluss. Das ganze Gebiet, das Caesar erobert hatte, blieb nach seinem Rückzug und Tod einzelnen römischen Magistraten überlassen, die es je nach Macht persönlich plünderten. In weiten Teilen blieben die Stämme sich selbst überlassen.
Erst als der Großneffe Gaius Iulius Caesars, Gaius Octavius, am 13. Januar des Jahres 27 v. Chr vom Senat zum Augustus ausgerufen wurde und damit die Voraussetzungen für eine nach den Bürgerkriegen wieder funktionierende Republik geschaffen wurden, rückten die Provinzen wieder in den Blickpunkt der Zentralverwaltung.
Das herrenlose „Gallien" wurde als Hinterlassenschaft Caesars, der dort ein gewaltiges Vermögen angehäuft hatte, bereits im Sommer 27 v.Chr. von Augustus besucht und offiziell als Provinz in das Imperium Romanum eingegliedert. Nach 23 Jahren relativer Ruhe kehrten nun die Römer allmählich, diesmal auch als Verwalter, nach Westeuropa zurück, schließlich auch an den Rhein. Damit vollstreckte der Nachfolger das Vorhaben seines Großonkels.
Abb.2
Caesars Vorstoß auf den Niederrhein durch die germanischen Gebiete ab 57 v.Chr.
Die Abb.2 zeigt die militärischen Vorstöße Caesars gegen die Germanen und Treverer, um den Rhein zu erreichen.
Zur Erleichterung für den Leser, der gerne nachschlagen möchte, gebe ich diese Abschnitte, die Germanen betreffend, als Übersicht wieder:
Wollte man diese Abfolge der Erzählung zugrunde legen, wäre es schwierig, Zusammenhänge zu erkennen und zu verfolgen. Für weitaus günstiger halte ich eine Zusammenfassung der Ereignisse, die jeweils einen Stamm betreffen. Wie man aus der Übersicht entnehmen kann, haben wir es mit folgenden Stämmen zu tun:
• Linksrheinische Germanen: Atuatuker, Eburonen, Condruser etc.
• Rechtsrheinische Germanen: Sugambrer, Ubier, Tenkterer, Usipeter
• Menapier
• Treverer
Teutonen, Germanen und Sweben
Die Germanen - ein neues Volk in Westeuropas?
Caesar begründet in seinem Buch „De Bello Gallico die geschriebene Geschichte der Germanen. Leider vermittelt er dem Leser kein allgemeinbildendes Wissen über dieses den Römern bisher weitgehend unbekannte Volk. Die Germanen werden sehr einseitig als Eindringlinge und Eroberer beschrieben, die über den Rhein drängten, um keltisches Land zu rauben. Sie werden als unkultiviert, roh, tyrannisch, grausam, jähzornig, unberechenbar und wild, alles Ausdrücke von Caesar, charakterisiert. Man müsse sich die Germanen als große, starke, blauäugige, blonde Riesen vorstellen, die überwiegend nackt, nur mit einem kleinen Fellchen bekleidet, umherliefen. Es gäbe noch weitere Aussagen aus seinem Germanenexkurs zu nennen, die dieses negative Bild eines hochgestellten Römers verfestigen würden. Caesar hatte für die Germanen nichts übrig. Das kommt in allen Texten über sie zum Ausdruck. Seine ganze Haltung gipfelt in der Erfindung des Begriffs „Germanenhass
. Im Laufe der Handlungen wird er uns mit noch schlimmeren Worten seine Geisteshaltung zu diesem Volk offenlegen.
Was wir tatsächlich über die Germanen erfahren, ist geprägt vom Denken eines Mannes, der sie nur als Barbaren wahrnehmen will und alle Erkenntnisse aus seinen Kriegszügen gegen sie gewonnen hat.
Im dritten Band dieser Buchreihe stehen die Eroberungszüge Caesars in den linksrheinischen germanischen Gebieten im Mittelpunkt der Handlungen. Ich habe schon in den vorangegangenen Büchern auf die Probleme aufmerksam gemacht, die sich jedes Mal ergeben, wenn die Ereignisse Germanen erfassen. In diesem Band geht es aber nur noch um Germanen. Deshalb halte ich es für angebracht, den kommenden Handlungen einige grundsätzliche persönliche Gedanken zu diesem Volk voranzustellen. Das bin ich diesen Menschen schuldig, gehören sie doch zu den Wurzeln meiner Herkunft und zu meiner Geschichte.
Die Kämpfe gegen die Germanen nehmen in Caesars Buch über den Gallischen Krieg einen großen Raum ein. Die Bezeichnung eines Volkes als Germanen wird von ihm erstmals so bestimmt und häufig angewendet, dass man diese Erwähnung als Geburtsstunde eines Großvolkes in der geschriebenen Geschichte betrachten kann. Das soll nicht heißen, dass Caesar der Entdecker dieses Volkes ist. Der Forschergeist der alten Griechen und Römer war längst in die Gefilde des nördlichen Europas vorgedrungen und hatte neben den Kelten und Skythen Menschen und Lebensräume angetroffen, die sich davon wesentlich unterschieden. Man denke nur an Pytheas von Massalia, der im 4.Jh. v.Chr. bis in das Nordmeer gelangt war und die Teutonen erwähnte. Manche Wissenschaftler sagen, dass der älteste Beleg für den Namen Germanen die Fasti Capitolini zum Jahre 222 v.Chr. seien. Darin wird von einem Sieg des Marcus Claudius Marcellus über „de Galleis et Germaneis („über Gallier und Germanen
) bei Clastidium gesprochen. Der Anführer dieser Gaesaten genannten Krieger hieß Vindomarus (germ.: Vindomar) und wurde von Marcus Claudius Marcellus getötet. Der römische Schriftsteller Livius bezeichnet die Gaesaten als halbgermanisches Volk (gentes semigermanae), das in den Schweizer Alpen lebte.
Caesar lenkt den Leser seines Buches sogleich auf die für ihn wohl wichtigste Eigenschaft dieses Volkes: den Kampf.
„,…auch weil sie (die Belger, der Autor) nächste Nachbarn der Germanen rechts des Rheins sind, mit denen sie ständig Krieg führen… "und etwas weiter „…sind auch die Helvetier tapferer als die übrigen Gallier, da sie fast täglich in Gefechte mit den Germanen verwickelt sind, indem… "(liber I, 1)
Durch diese Formulierungen auf Seite 1 seines Buches, in denen er zum ersten Male das Volk der Germanen nennt, erfahren wir, das es rechts des Rheins und entlang des ganzen Rheins bis hinunter in die Schweiz lebte. Also ein riesiges Gebiet belegt hatte. Unzweifelhaft wird schon hier der Rhein als Grenze seines von ihm umrissenen Galliens bestimmt und das Land der Germanen auf das rechte Ufer verlegt. Der Leser wird von Anfang an darauf eingestimmt, dass es links des Rheins keine Germanen gab, oder besser, nicht zu geben hatte.
Caesar hatte sich als politischer Geograf betätigt und in Westeuropa ein Gebiet gebildet, das er von nun an Gallien nannte, manchmal auch Gesamtgallien. Es teilten sich die Aquitanier, die Kelten (Gallier) und die Belger. die den Norden bis zum Rhein ausfüllten. Vor ihm existierte dieses räumliche Gebilde nicht. Es gab viele gallische Stammesgebiete, sogar innerhalb der römischen Republik, aber kein staatsrechtliches Gebilde Gallien.
Ebenso verfuhr er mit den Völkern rechts des Rheins. Für sie erfand er das politisch-geografische Konstrukt „Germanien". Es hat bis heute überlebt, obwohl die Betroffenen davon gar nichts wussten. So in liber I, 27, 4 gesagt: „ …und eilten (Verbigener, der Autor) dem Rhein und Germanien zu. "
Wenn man bedenkt, wie viele Stämme in diesem „Germanien" Caesars lebten und nichts von dieser römischen Bezeichnung wussten, dann klingt sie sehr merkwürdig. Sie diente ausschließlich der führenden römischen Schicht als geografischer und verwaltungstechnischer Begriff.
Mit dieser frühen Entscheidung in seinem Buch sogleich auf Seite 1 legte Caesar den Grundstein für ein historisches Gebäude, das bis in die Gegenwart hinein erfüllt ist von Streit, Missgunst und Neid unter Wissenschaftlern und Politikern. Ursache ist die Rheingrenze zwischen Germanen und Kelten. Sie war und ist keine ethnische Grenze, zu der sie Caesar aus verwaltungstechnischen Gründen gemacht hatte. Warum tat er das? Er wusste doch genau, dass diese Theorie nicht der Wahrheit entsprach.
„Gallia est omnis divisa in partes tres, …", so beginnt er sein Buch. Sein geografisches Gebilde, das er aus politischen Gründen Gallia nennt und das er im Geiste von den Pyrenäen bis an den Rhein reichen lässt, teilt er in drei Teile auf , eines für die Aquitanier, eines für die Kelten und eines für die Belger. Bewusst kommen die Germanen darin nicht vor. Die genannten Völker wollte er unterwerfen und hatte es schließlich erreicht. Die Germanen konnte er nicht unterwerfen, denn deren Stammesgebiete gingen weit über den Rhein hinaus. Hätte er sie mit aufgenommen in sein neues Gallien, wäre das zum Problem geworden, da auf der rechten Rheinseite dann freie Germanen lebten und in Gallien unfreie als römische Untertanen.
Caesar hat auch dafür eine Lösung gefunden. Ob Aquitanier, Kelten oder Belger, schließlich auch die linksrheinischen Germanen, sie alle hießen von einem bestimmten Zeitpunkt an Gallier. Unabhängig von ihrer tatsächlichen ethnischen Abstammung. Damit war der Begriff Germanen links des Rheins ausgemerzt und galt nur noch für die Völker rechts des Rheins. Als politische Lösung mag dies durchgehen, aber wenn sich daraus Nachteile für die ethnische Zuordnung ganzer Volksgruppen ergäben, wäre sie fragwürdig. So oft die Nachwelt sich Caesars Grenzziehung sowohl politisch als auch ethnisch zu eigen machen versuchte, gab es große Konflikte, so große, dass die ganze betroffene Region Jahrhunderte lang unter schlimmen Kriegen litt.
Die linksrheinischen Germanen
Nachdem ich Caesars ideologisierten Germanenbegriff und dessen räumliche Einordnung beleuchtet habe, muss die Annäherung an die Realität gesucht werden. Was heißt das? Es gab tatsächlich Germanen links des Rheins. Und es gab noch eine andere, ihnen verwandte Gruppe - die Sweben. Auch sie lebten beiderseits des Rheins. Allerdings südlich des Mittelrheins bis zum Reinknie vor dem Jura.
„Die Treverer aber klagten, hundert Abteilungen der Sueben lagerten am Rheinufer und versuchten, den Fluss zu überschreiten;… er (Caesar) glaubte, rasch handeln zu müssen, damit sich nicht der frische Zuzug der Sueben mit den bisherigen Scharen des Ariovist verbinde und… "(liber I, 37)
Diese Notiz sagt dem Leser, dass Caesars Gegner im Elsass Sweben waren. Ariovist führte sie an. Alle im Oberrheintal ansässigen Stämme der Tri-boker, Nemeter und Vangionen waren swebisch, beiderseits des Rheins.
Bald nach dieser Aussage spricht Caesar wieder von Germanen, als er gegen Ariovist zieht. „…die erzählten, die Germanen seien riesengroß, unglaublich tapfer und kriegsgeübt…" (liber I, 39, 1)
Bekannt waren Caesar die Germanen und Sweben schon vor seiner Zeit als Statthalter der Provinz Gallia Transalpina. In seinen Texten vermischt er sie häufig. Als Konsul des Jahres 59 v.Chr. hatte er bereits einen persönlichen Kontakt mit Ariovist hergestellt oder durch Gesandte herstellen lassen. Vom Senat ließ er ihn als König anerkennen und als Freund Roms betiteln. Das spricht für einen hohen Bekanntheitsgrad dieses Mannes selbst in Rom. Der Königstitel konnte sich nicht allgemein auf die Germanen beziehen. Ariovist konnte nur der König eines Stammes gewesen sein. Der Name dieses Stammes war: Sweben.
Doch in der Schlacht mit Ariovist bei Mühlhausen spricht Caesar stets von Germanen, nicht von Sweben. Ich nehme an, dass er auch diesen Teil seiner Niederschrift in seinem Buch zu einem späteren Zeitpunkt des Krieges überarbeitet hat, um aus Sweben Germanen zu machen. Außerdem ging es ihm darum, die Anwesenheit von Germanen auf dem linken Ufer zu vertuschen; sie wurden auf das rechte Ufer verlagert. Das könnte nach dem Vernichtungsfeldzug gegen die Eburonen geschehen sein, als er glaubte, die linksrheinischen Germanen ausgerottet zu haben. Caesar nennt das Heer Ariovists deshalb germanisch.
„Nunmehr führten die Germanen ihre Streitkräfte notgedrungen aus dem Lager, stellten sie nach Stämmen in gleichen Abständen auf, die Haruden, Markomannen, Triboker, Vangionen, Nemeter, Sedusier, Sueben, und umgaben…" (liber I, 51, 2)
Die Frage ist, ob die Bezeichnung Germanen für das Heer Ariovists angebracht oder ob sie eine Erfindung Caesars war. Der König der Sweben muss eine herausragende Persönlichkeit gewesen sein, dass sich so viele Stämme an seine Seite stellten. Ob er sich als Swebe zugleich als Germane bezeichnete? Daran kann gezweifelt werden, wenn man die Äußerungen der Treverer über die herannahenden Abteilungen der Sweben heranzieht. Es waren andere Sweben gemeint, als die Ariovists. Und weiter im Buch kommt Caesar immer wieder auf die Sweben zu sprechen, die weit hinter dem Rhein lebten und die er als ein riesiges Volk mit einhundert Gauen bezeichnet. Der Swebenknoten am Kopf der Moorleiche von Osterby gibt uns ein Bild davon, dass Angehörige dieses Volkes sich bewusst von anderen Großstämmen absetzten. Es gelingt auch Caesar nicht, die Germanen und Sweben in einen Topf zu werfen. Die Unterschiede brechen immer wieder im Text durch.
Das Oberrheintal gehörte nach Ariovists Niederlage und der Besetzung der keltischen Stammesländer der Sequaner und Haeduer nicht mehr zum unmittelbaren Interessengebiet Caesars. Sein Augenmerk richtete sich auf die Belger. „…, alle Belger, die wir als den dritten Teil Galliens bezeichneten, unternähmen eine Verschwörung gegen das römische Volk… "(liber II, 1,2)
Kelten lebten, als Caesar kam, nur zwischen der Garonne, Rhone im Süden und der Seine und Marne im Norden. Ihren Lebensraum nennt er ganz richtig „das eigentliche Gallien", das Keltenland. Nur hier decken sich Volksbezeichnung und Gebiet. Die Belger sind die nördlichen Nachbarn der Kelten. „Sie alle unterscheiden sich in Sprache, Einrichtungen und Gesetzen." (liber I, 1,2)
Ist das nicht eindeutig genug? Zwischen der Seine, ihrem Nebenfluss Marne und dem Rhein lebten keine Kelten. Gallien endete dort, wo das Gebiet der Belger begann. „…fürchteten sie, nach der Unterwerfung ganz Galliens könne unser Heer auch zu ihnen kommen;… "(liber II, 1,3)
Erst wenn Caesar die Kelten in ihren Stammesländern, in ganz Gallien, unterworfen habe, könne er auch in ihr Land kommen. Noch gehörte das Land der Belger nicht zu Gallien. Der dritte Teil Galliens zu werden, stand den Belgern erst noch bevor. Sie würden sich niemals als ein solches Teil betrachtet und bezeichnet haben. Ihre Rüstung sprach dagegen.
…; zweitens würden sie von einigen Galliern aufgehetzt, und zwar zum Teil von solchen, die keine Germanen länger in Gallien dulden wollten, doch empört waren… "(liber I, 1,3)
Die Belger wurden von Galliern aufgehetzt! Ist das noch immer nicht eindeutig? Belger waren keine Gallier, keine Kelten. Fast nebenbei erfährt man, dass es in seinem erdachten Gallien, das bis an den Rhein reichen wird, Germanen gibt - die dort aber nach Meinung einiger Kelten - nicht länger geduldet werden könnten. Ehe Caesar noch den Feldzug gegen die Belger beginnt, erwähnt er schon die Vertreibung der Germanen. Damit bestätigt er wiederholt die Anwesenheit von Germanen links des Rheins. Dieser Fakt macht ihn fast krank. Warum? Im erdachten Gallien, das sich links des Rheins ausbreiten sollte, würden nach dem Willen Roms nur dort lebende Stämme Platz finden. Bei den nicht-keltischen Belgern geht diese Überlegung auf. Aber nicht bei den Germanen, denn die lebten auf beiden Seiten des Rheins. Das war Caesar wohl bekannt. Würde er sie als Germanen in seine neue Provinz einfügen, bekäme er Konflikte mit deren Stammesbrüdern auf der anderen Rheinseite. Und das würde dem Senat auffallen und seine Missbilligung finden. Germanen links des Rheins könnten nur geduldet werden, wenn alle Germanen, also auch rechts des Flusses, unter römische Herrschaft gerieten. Caesar, ein kluger Politiker, erkannte die Unmöglichkeit eines solchen Vorhabens. Sein Nachfolger Augustus hat es versucht, weil es Caesar nicht gelungen war, die linksrheinischen Germanen zu vertreiben oder auszurotten. Er scheiterte im Teutoburger Wald. Die Folge war die teuerste Grenzanlage der Republik neben der chinesischen Mauer, der Limes. Am Ende scheiterte Rom an diesem Konflikt mit den Germanen links des Rheins.
Hätte Caesar seine Eroberungen nicht am Rhein, sondern an den Grenzen der linksrheinischen Germanen enden lassen, wären unzählige Kriege vermieden worden. Aber er sah es als sein Werk an, die erdachte Provinz bis an den Rhein vorzutreiben. Und da standen ihm tatsächlich Germanen im Wege. Aber zurück zu den Belgern.
„Die meisten Belger stammten von den Germanen ab, seien vor langer Zeit über den Rhein gekommen …; sie hätten die dort ansässigen Gallier vertrieben und,… "(liber II, 4, 2)
Die Belger waren germanischen Blutes und mit ihren nördlichen und östlichen Nachbarn verwandt. Das waren „; die Condruser, Eburonen, Caeroser, Paemanen, die gemeinschaftlich Germanen heißen, … "(liber II, 4).
Nun hat Caesar ausgesprochen, was der Wirklichkeit entsprach. Neben den Belgern gab es links des Rheins echte Germanen. Sie bezeichneten sich sogar als solche. Wir haben es links des Rheins mit zwei größeren Volksgruppen zu tun, den Belgern und Germanen; zwei nicht-keltische Völker. Das Problem war, dass die eine, die belgische, einmal unterworfen, in die neue römische Verwaltungseinheit Gallia eingegliedert werden konnte, während die andere geteilt würde, weil Teile dieses Stammesverbandes auf der rechten Rheinseite lebten. Und solch eine Teilung versprach nichts Gutes. Man wird dies an der weiteren Entwicklung des Feldzugs erleben können.
Neben den Germanen links des Rheins erwähnt Caesar noch weitere Stämme, die auf dieser Seite lebten: die Menapier, die Ubier und die Treverer. Am bedeutendsten waren die Treverer, da sie das Flusseinzugsgebiet der Mosel bewohnten. Dieser große Stamm wird von Caesar nicht als germanisch bezeichnet. Doch weist er ständig auf die engen Beziehungen dieses Volkes zu den Germanen, den Eburonen, und den rechtsrheinischen Sweben hin. Zu den Kelten rechnet er die Treverer auch nicht, denn sie nahmen nie an deren Landtagen teil, beteiligten sich 52. v.Chr. auch nicht am großen Aufstand Es fällt nicht schwer, aus den Berichten Caesars zu entnehmen, dass die Treverer mit den Germanen und Sweben verwandt waren und sich deren Haltung zu den römischen Eroberungen anschlossen.
Mit den Sweben hatte Caesar weder am Nieder- noch am Mittelrhein jemals direkte Kontakte. Sie erwähnte er als großes Volk, das für den Aufbau einer permanenten Bedrohung am Rhein herhalten musste. Sweben bedrängten die Germanen, die gezwungen wurden, den Rhein zu überwinden, um auf der anderen Seite, nämlich in Caesars erdachter Provinz, Lebensraum zu finden. Damit war er gar nicht einverstanden als Beschützer seiner Gallier. In diesen Momenten eines großherzigen Protektors übersah er die bereits seit ewigen Zeiten dort schon lebenden Germanen und Treverer.
In der Abb.3 versuche ich, die Verteilung der nicht-keltischen Stämme am Nieder- und Mittelrhein zur Zeit der Eroberungskriege Caesars darzustellen. Sie zeigt die großen Gruppen der Belger, Germanen und in Ansätzen der Sweben. Die Treverer bilden ein eigenes Volk.
Die Einheitlichkeit der Belger darf bezweifelt werden. Ich neige dazu, zwischen einer südlichen Stammesgruppe mit höherem keltischen und einer nördlichen Stammesgruppe mit höherem germanischen Einfluss zu unterscheiden. Getrennt sind beide durch die Wasserscheide der Seine, im Bild grün dargestellt. Die nördliche Gruppe wird vorwiegend von den Nerviern vertreten, die den engsten Kontakt zum germanischen Nachbarn, den Eburonen hatten. Auch die Treverer umfassten Stammesteile, die bereits keltischen Einflüssen ausgesetzt waren, ich möchte sie Leuker nennen. Nördlich der Germanen lebten Stämme, die entlang der Nordsee siedelten und den wissenschaftlichen Namen Nordseegermanen tragen. Ich nenne sie Nordseevölker. Der Block der Germanen setzt sich durch grüne Farben in verschiedenen Abstufungen von den anderen Stammesgruppen ab.
Hinweisen möchte ich noch auf die Gestalt der Niederlande, die ich aus offiziellen Plänen gewonnen haben, um das Jahr 50 v.Chr. eingeschätzt. Der größte Teil des Landes, der noch heute unter dem Meeresspiegel liegt, bildete riesige Sumpfgebiete, durchsetzt mit dauerhaften Wasserflächen. Die schiffbaren Wattflächen sind dunkel abgesetzt.
Caesars Feindbild des Germanen
Dass sich Caesar, der uns erst bekannt macht mit den vorgefundenen Völkern, ab einer gewissen Zeit seiner Kriegsführung, aus politischen Erwägungen, zu einem rigorosen Schnitt entschloss und alle Völker links des Rheins Gallier und alle rechts des Rheins Germanen nennt, erschwert nicht nur das Erfassen seiner Schilderungen, sondern auch die notwendige Interpretation.
Das Problem wird noch dadurch vergrößert, dass sich in der Neuzeit wissenschaftliche Bezeichnungen entwickelten, die unter dem Begriff „Germanen und germanisch" nicht mehr die relativ kleine Gruppe der Eburonen, Condruser, Caeroser, Paemaner, Menapier und ihrer rechtsrheinischen Stammesbrüder der Sugambrer, Ubier, Tenkterer und Usipeter umfasste, sondern die ganze sprachverwandte Großgruppe in Mittel- und Nordeuropa.
In seinem Plan, eine neue Provinz zu schaffen, die bis an den Rhein reichen sollte, waren die Germanen die größten Widersacher. Sie passten aber auch ethnisch, wie schon beschrieben, nicht in seine Strategie. Eigentlich dürfte es sie nicht geben. Er konnte keinen vierten Teil Galliens, den der Germanen, gebrauchen, ohne den rechtsrheinischen Teil hinzuzufügen. Doch das überstieg seine Kräfte und Möglichkeiten. Sie reichten lediglich zu Drohgebärden am Rhein.
Wie sollte Caesar aus diesem Konflikt herausfinden? Bei den Treverern versuchte er ihn durch eine Spaltung des Stammes zu lösen. Mit teilweisem Erfolg. Bei den Germanen versuchte er es auf zwei Wegen zu erreichen. Der erste war der rein politisch-propagandistisch motivierte. Caesar schaffte die Germanen links des Rheins ab und ordnete diese Bewohner unter dem Begriff Gallier neu ein. Germanen blieben nur die anderen auf der rechten Seite des Rheins. Mit der Zeit ordnete er alle Bewohner, auch die swebischen, diesem Begriff germanisch unter.
Der zweite Weg war der brutale, politisch-militärische. Die Germanen auf der linken Rheinseite sollten ausgerottet werden. Diesen Weg beschritt er tatsächlich, als sich die linksrheinischen Stämme, weder die Menapier, noch die Eburonen, noch die Treverer, willig zeigten, ihm Friedensangebote zu unterbreiten.
Dieser mangelnde Wille zur Unterwerfung und die engen Beziehungen, die linksrheinische Völker mit denen des rechten Rheinufers pflegten und die bis zur Waffenbrüderschaft gingen, steigerten Caesars Wut auf diese Stämme so sehr, dass sie in Hass, den „Germanenhass", umschlug. Warum sich ein solch erfahrener Politiker und Feldherr wie Caesar auf diese niedrige Ebene menschlichen Verhaltens begab, kann vielleicht nicht allein aus den eben geschilderten Gründen erklärt werden. Ich vermute,