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Bühne frei: Ein Auftrittscoaching für Leib und Seele
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Bühne frei: Ein Auftrittscoaching für Leib und Seele
eBook264 Seiten3 Stunden

Bühne frei: Ein Auftrittscoaching für Leib und Seele

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Über dieses E-Book

Wir schauen uns Lernvideos für einen perfekten Auftritt an und haben trotzdem den Eindruck, gehemmt und unzureichend vorbereitet in Präsentationen zu gehen. Oft setzen Trainings dabei an, etwas darzustellen, was wir nicht sind. Dieser Ratgeber verspricht nicht, alles anders und besser zu machen, aber eines kann er zeigen: wie nämlich seine Klientin Frau Adam die Bühne eroberte. Schritt für Schritt begleitet Dirk Kutting nicht nur Frau Adam, sondern auch Sie auf dem Weg zu bühnenreifen professionellen Auftritten und Vorträgen. Er zeigt unterhaltsam und tiefgründig, wie wir unsere Ängste und Schwächen in Stärken verwandeln, wie wir Sicherheit und Souveränität verkörpern können. Das Geheimnis liegt in der Verbindung von Introvision, Embodiment und Storytelling: Ängste werden heruntergefahren, Stärken körperlich verankert, Persönlichkeit wird performt. Zahlreiche sofort umsetzbare Übungen, Fragebögen und Meditationen unterstützen Sie in Ihrem Selbstcoachingprozess.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum6. Sept. 2021
ISBN9783647994550
Bühne frei: Ein Auftrittscoaching für Leib und Seele
Autor

Dirk Kutting

Dr. theol. Dirk Kutting ist Pfarrer der evangelischen Kirche Hessen und Nassau, Schulseelsorger, Systemischer Berater (DGSF), Trainer und Coach für die Bereiche Auftritt, Feedback, Gesundheit, Konflikt und Berater Offensive Mittelstand.

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    Buchvorschau

    Bühne frei - Dirk Kutting

    Teil eins: Bühne frei – Frau Adam tritt auf

    »Ich möchte souverän wirken wie Petra Gerster!«: Durch Erwartungsklippen steuern

    Frau Adam wollte an einem meiner Coaching-Workshops »Kein Stress mit Auftritt und Vortrag!« teilnehmen, brach sich aber leider den Arm und musste operiert werden. Deswegen vereinbarten wir ein Einzeltreffen in Frau Adams Büro.

    Frau Adam holt mich vom Bahnhof ab. Natürlich hat mein Zug Verspätung. Umso besser, dass mir am Bahnhofsausgang eine gut gelaunte Dame mit ihrem gebrochenen Arm zuwinkt, unser Erkennungszeichen. Frau Adam ist seit sieben Jahren Vorsitzende einer Berufsorganisation und hat deren Jahrestagung vorzubereiten und natürlich als Vorsitzende das Eingangsreferat zu halten. Dieses will sie mit mir durchgehen und ihren Auftritt proben, dazu soll ich einige Tipps geben. Soweit ihre Erwartung. Von meiner Vorgehensweise weiß sie nichts, aber sie ist bereit, mit mir nach meinen Vorgaben an ihrem Thema zu arbeiten. Das Spannende dabei ist zu sehen, wie es gelingt, mit meinen Werkzeugen bei ihr und ihrem Anliegen zu bleiben. Ich sehe mich wie ein Lotse, der Frau Adam hilft, durch die Rheinenge der Loreley zu navigieren und bei starker Fließgeschwindigkeit an den gefährlichen Felsen sicher vorbeizukommen.

    Ohne Warm-up, Kaffeepause und weitere Begrüßungspräliminarien geht es gleich los. Ich bitte Frau Adam, ihren Vortrag zu halten. Zunächst geht sie etwas zur Seite, sammelt sich für einen Augenblick und kommt dann in die Mitte des Raumes. Sie hat eine recht gut sichtbare Sanduhr in der Hand. Nach einer kurzen Begrüßung weist sie auf die Sanduhr hin: »Sie fragen sich vielleicht, warum ich eine Sanduhr in der Hand halte. Das hat zwei Gründe: Sie wissen, wir haben uns in unserem Verband in einem begrenzten Zeitrahmen auf die neue gesetzliche Lage einzustellen. Außerdem bin ich, wenn ich etwas in der Hand halte, nicht so nervös …«

    Im weiteren Verlauf des Vortrags scheint Frau Adam unentschieden, ob sie auf das Manuskript schauen soll oder zu mir, ob sie ablesen darf oder frei sprechen soll. Anschließend besprechen wir ihre und meine Wahrnehmung. Sie selbst fühlte sich unsicher und hadert mit einem Versprecher und einem Haspler. Sie teilt mit, dass es ihr Anspruch sei, frei zu sprechen, daher klappten die ersten Sätze gut, aber sobald sie zu überlegen beginne, falle ihr das freie Sprechen schwer. Sie schwanke dann zwischen Manuskript und Publikum hin und her. Ich kann ihre Wahrnehmung nur bedingt bestätigen, für mich als Außenstehenden sah es so aus, dass Frau Adam, nachdem sie sich gesammelt hatte und ihre Anspannung spürbar gewesen war, einen guten Start hingelegt hatte. Eine gewisse Verlegenheit zeigte sich mir erst, nachdem das Wort »nervös« gefallen war. Also beginne ich mit der Formulierung »nicht so nervös« und frage, ob es einen Unterschied ausmache, wenn sie gesagt hätte: »Außerdem bin ich, wenn ich etwas in der Hand halte, ruhiger.« Daran schließt sich ein kleiner Exkurs über unsere Suggestionen an. Obwohl wir wissen, dass unser Gehirn keine Negationen kennt, arbeiten wir unwillkürlich oft mit diesen. »Sei nicht nervös!« Sicher kennen Sie das Beispiel: »Denken Sie nicht an eine lila Milka-Kuh!« Automatisch steht uns die alte Schokoladenwerbung mit ihren lilafarbigen Kühen vor Augen. Genauso gilt auch: Wir können uns nicht beruhigen, wenn wir uns sagen, dass wir nicht nervös sein sollen. Diese Befehle verstärken das Übel, das es zu beseitigen gilt. Wie in einem hypnoiden Zauber lassen wir die Geister aufsteigen, die wir bannen möchten: Nervosität, Angst und Unsicherheit.

    Frau Adam hat einen noch besseren Vorschlag, als das Wort »nervös« durch das Wort »ruhiger« zu ersetzen: »Ich lasse es ganz weg, weil mich auch das Wort ›ruhig‹ unbewusst an meine Nervosität erinnern könnte. Ich halte einfach die Sanduhr in der Hand, weil mich das eben ruhiger macht, das muss ich gar nicht sagen.«

    Ein erster Hinweis auf die Verbindung von Körper und Geist, der mich freut. Dann spricht sie ihr Dilemma an. Sie will frei sprechen, fühlt sich aber mit Manuskript einfach sicherer. »Ich möchte gern so sicher und souverän wirken wie Petra Gerster!« Ich mache ihr Mut, vom freien souveränen Auftritt einer geschulten Journalistin Abschied zu nehmen. Das ist nicht ihre Profession und ein Bild, dem sie nicht entsprechen kann, wenn sie kein außergewöhnliches Naturtalent ist. Erleichtert verabschiedet sich Frau Adam von ihrer Vorgabe, frei sprechen zu müssen.

    Wir erarbeiten folgendes Vorgehen: Sie wird ihr Stehpult, von dem aus sie sprechen wird, vorbereiten. Sie wird nicht mit Manuskript und Sanduhr in der Hand vor das Publikum treten, sondern beides hat sie vorher für sie gut sichtbar, aber für die Zuschauenden verborgen hingelegt bzw. aufgestellt. Ohne etwas in der Hand wird sie zum Pult gehen und die Sanduhr ohne Erläuterung umgekehrt aufstellen, dass der Sand rieseln kann. Dann wird sie ihre Brille aufsetzen und mit der Begrüßung beginnen. Sie wird zwar genau am Manuskript bleiben, aber durch es hindurchlesen. Heißt, sie wird immer aufs Manuskript schauen und dann den gelesenen Satz sprechen, während sie ins Publikum blickt. Falls sie unsicher wird, wird sie sich für eine Sekunde lang einen bestimmten Punkt im Raum ansehen und kurz ausatmen. So wird sie sich wieder fokussieren. Im besten Fall wird sie die Sätze, die sie liest, immer auch denken, weil jeder Satz, der durch das Manuskript hindurchgelesen wird, eben nicht vorgelesen, sondern zuvor gelesen war, jeder Satz wird frei gesprochen mit Blickkontakt. Um die Zeile nicht zu verlieren, fährt Frau Adam mit dem Finger am Zeilenende entlang. Sie wird die Blätter nicht umblättern, sondern Blatt für Blatt unbemerkt von den Zuhörenden weiterschieben. Damit nichts durcheinandergerät, hat sie groß und gut sichtbar unten rechts die Seitenzahl notiert. Suggestiv verstärken wird sie ihre Sicherheit, indem sie sich eine Person aus dem professionellen Kontext, die ihr freundlich gesinnt ist, vorstellt bzw. diese, wenn sie anwesend ist, im Geiste anspricht.

    All das kann Frau Adam für sich adaptieren und üben. Dennoch hadert sie mit etwas. Es ist ihre Vorstellung von der souveränen Journalistin, wie zum Beispiel Petra Gerster, die sie sehr bewundert und von der sie sich gern ein Stück weit deren sichere Authentizität abgucken würde. Frau Adam ist irritiert, als ich sage, dass Frau Gerster äußerst professionell sei und keineswegs authentisch. All ihre Souveränität beruht in einer professionellen Haltung, sie nimmt genau die Position ein, die von ihr verlangt wird, das wirkt authentisch, ist aber voll und ganz die Ausfüllung der Erwartung an ihre Professionalität. Ich frage Frau Adam, was das für sie bedeuten würde, wenn sie professionell die Bühne betritt. Antwort: »Ich würde klar als Vorsitzende die Tagung eröffnen, nicht primär als Frau Adam.«

    Genau! Damit könnte das Coaching beendet sein, jetzt aber fängt es erst an.

    Frei sprechen?

    Wenn wir frei sprechen wollen, kann das in der Regel nur gelingen, wenn wir aus Erfahrung sprechen. Dazu ist es nötig, szenische Erinnerungen vor Augen zu haben, die wir mündlich wiedergeben. Das kann unter Umständen auch mit theoretischen Sachverhalten gelingen, wenn wir diese nachvollziehen können. Wenn ich die Inhalte ähnlich einer Bauanleitung oder einem Kochrezept Schritt für Schritt präsent habe, ist ein freier Vortrag kein Problem. Leider werden jedoch freie Vorträge oft auswendig gelernt, was das Publikum merkt. Der Vortrag wirkt dann doch auswendig gelernt, obwohl er als freie Rede bei den Hörerinnen und Hörern ankommen soll. Das liegt daran, dass die Vortragenden versuchen, sich an die Worte zu erinnern und eben nicht an die vorausgehenden szenischen Erinnerungen. Der Unterschied ist sofort spürbar, ob ein Bräutigam erzählt, wie er seine Frau kennenlernte, und sich beim Erzählen daran erinnert oder ob er versucht sich an das zu erinnern, was er zuvor über das Kennenlernen aufgeschrieben hat.

    Daher empfehle ich für einen Vortrag, der wenige szenische Erinnerungen enthält, das folgende Vorgehen.

    Mut, ohne PowerPoint zu sprechen

    Wenn jemand Ihre fehlende PowerPoint-Präsentation bemängelt, sagen Sie: »Ich komme mit Power zum Point!« Es nervt, wenn die PowerPoint-Präsentation nur das wiedergibt, was ohnehin gesagt wird. Es verhindert zudem das konzentrierte Zuhören. Wenn die PowerPoint-Präsentation wirklich eine Präsentation neuer Inhalte ist, dann sollte diese natürlich alleiniger Gegenstand des Vortrags sein. Sie werden aber mehr Eindruck machen, wenn Sie einen guten Vortrag ohne mediale Unterstützung halten. Oder haben Sie schon einmal die Neujahrsansprache des Bundespräsidenten mit Power-Point im Hintergrund verfolgt?

    Die Person wirken lassen

    Sie wissen, dass die nonverbale Botschaft sowie Tonfall und Stimme stärker wahrgenommen werden als der Inhalt. Es heißt, dass nur 7 Prozent des Inhalts in Erinnerung bleiben (Pyczak, 2019, S. 77). Wenn der Auftritt, die Stimme und der Tonfall stimmen, dann trägt die referierende Person den Inhalt. Ich empfehle nicht, die Person mit ihrem Auftritt den Inhalt verdrängen zu lassen, weil das peinlich ist und ebenfalls vom Publikum gelesen wird. Mir ist völlig schleierhaft, warum mit Headset versehene Vortragende, die auf einer Bühne hin und her tigern, tolle Rednerinnen und Redner sein sollen. Anscheinend haben diese die Zahl 7 Prozent verinnerlicht und 93 Prozent ihres Inhalts von vornherein gestrichen (oder gar nicht erst bedacht). In solchen Fällen überwiegt die Form des Auftritts die Inhalte, weil es keine gibt oder das Publikum für dumm gehalten wird. Wenn Sie etwas zu sagen haben, dann sagen Sie es ohne Abstriche, wenn nicht, lassen Sie es sein. Ein ruhiger, gesammelter Auftritt einer greifbaren Person ist wertvoller als eine durchschaubare Show.

    Die Rolle ausfüllen

    Als wichtigster Grund für die Wahlentscheidung amerikanischer Wählerinnen und Wähler, die einst Donald Trump wählten, wurde genannt, dass er authentisch sei. Er ist authentisch, wenn er sexistisch, rassistisch ist und gegen Minderheiten wettert, ja, er scheint sogar ehrlich zu sein, wenn er lügt. Er lässt wie kein anderer seine Person wirken. Aber nimmt er auch seine Rolle ein? Authentizität ist ein Mythos. Wir können so wenig willentlich authentisch sein, wie wir willentlich cool sein können. Entweder wir sind es oder wir sind es nicht, also brauchen wir uns darum auch nicht zu kümmern. Wichtiger ist es für einen Redner oder eine Rednerin, sich klar zu sein, in welchem Verhältnis Person und Rolle stehen. Es sollte selbstverständlich sein, dass, wenn ich ein Amt bekleide, ich dieses auch ausfüllen muss. Nur in Ausnahmefällen sollte ich privat werden. Für die Rolle einzustehen, aus der heraus ich sprechen soll, ist die einzige Chance, dass ich Sicherheit ausstrahle. Es ist auch die einzige Chance, dass beim Publikum keine unangenehmen peinlichen Reaktionen entstehen. Dennoch bleiben Person und Rolle eng verbunden, weil die Rolle ohne die Person schnell zum Klischee verkommt. Dann spiele ich Vorsitzender und bin es nicht. Als öffentlich auftretende Person ist es entscheidend, dass ich meine Rolle verantwortlich ausfülle. Das kann authentisch wirken, machbar ist es nicht. Im Gegenteil, der Versuch, authentisch zu wirken, bedeutet einen Ausstieg aus der Verantwortung, die wir für unseren professionellen Auftritt tragen und übernehmen sollten.

    Inhalte zur Sprache bringen

    Ich bin mir sicher, dass es in jedem Publikum viele Menschen gibt, die sich nach guten Inhalten sehnen. Oft begegnen uns in den Medien Moderierende und Fachleute, die Zahlen, Daten, Fakten nennen, ohne dass klar wird, was eigentlich mit diesen transportiert werden soll. Worum geht es eigentlich?, fragen wir uns. Das andere Extrem sind die Geschichtenerzählerinnen und -erzähler, die uns bestens unterhalten, aber auch das Gefühl hinterlassen: Ja, und was nun? Es gilt: Inhalte müssen sorgfältig und genau überprüfbar sein, nämlich richtig. Aber was sind »matters of fact«, wenn sie nicht auch »matters of concern« sind? Richtig: bedeutungslos. Warum wird etwas gesagt? Welche Botschaft habe ich? Wozu möchte ich meine Zuhörenden motivieren? All das gehört zu einem guten Inhalt: seine Relevanz und Wichtigkeit. Und wenn dann der Vortrag noch unterhaltsame Beispiele enthält, umso besser. Machen Sie es nicht wie in vielen Youtube-Tutorials zum freien Reden, die uns die Zeit stehlen, weil wir auf die oft hoch angepriesenen, aber nur angekündigten Inhalte warten. Wirklich gute Inhalte sollten klar und deutlich kommuniziert und auf den Leuchter gestellt werden. Jedes Umzingeln der Inhalte, ohne sie auch zu benennen, wirkt wie ein stolzer Cowboy auf seinem Hengst, dessen Lasso nichts fängt. Schön anzusehen, aber nichts weiter.

    Den Auftritt vorbereiten und verkörpern

    Falls vorhanden, empfehle ich zum Vortrag die Nutzung eines Stehpults. In der Kirche ist das bekanntlich die Kanzel. Eine Pfarrerin sagte einmal: »Ich benutze keine Kanzel, ich will mich nicht über die Gemeinde stellen!« Genau damit tut sie es, weil sie sich damit wichtiger nimmt als eine gut zu hörende Predigt. Ein Pult erlaubt zunächst, im Stehen zu sprechen und besser gehört zu werden. Sodann erlaubt es, eine aufrechte, gerade Haltung einzunehmen, die deshalb wichtig ist, weil eine krumme Haltung ein Fragezeichen hinter den Inhalt setzt. Ein Pult erlaubt, durch das unsichtbare Manuskript hindurchzusprechen, das kommt einer freien Rede nahe, gibt aber zugleich Schutz und Sicherheit.

    Am besten haben wir das Manuskript schon zuvor auf das Pult gelegt. Es sollte aber sichergestellt sein, dass niemand anderes es zufällig verschwinden lässt. Es wirkt einfach gut, wenn wir ohne Papiere in den Händen an das Lesepult gehen können. Zusätzlich verhilft das Pult auch dazu, die Hände frei zu haben. Wir können sie hängen lassen. Eine große Kunst ist es, nichts mit den Händen zu tun. Bitte nicht eine Hand in die Hosentasche stecken, bitte nicht die Arme verschränken, schon gar nicht hinter dem Rücken. Angela Merkel hat dank ihrer berühmten Handraute eine optimale Lösung gefunden, nur ist diese damit schon vergeben. Wir können natürlich auch die Hände auf den Rand des Pults legen und mit ihnen einzelne Dinge unterstreichen. Wir können das üben, aber es muss nicht sein, da dieses »Unterstreichen« oft zu unwillkürlichen Ablenkungsmanövern führt, wenn es gewollt aussieht oder immer die gleiche Bewegung ist. Auch hier gilt: In der Ruhe liegt die Kraft.

    Fehler integrieren

    Als Thomas Gottschalk noch »Wetten, dass …?« moderierte, baute er in die Generalprobe beim ZDF immer bewusst gleich zu Anfang einen Fehler ein. Er bewies damit eine gute Intuition, die den Psychiatern Milton Erickson (vgl. Haley, 1978) und Viktor Frankl (1993, S. 154 ff.) gefallen haben dürfte. Beide verschrieben nämlich ihren Klientinnen und Klienten Symptome. Genau das, was vermieden werden sollte, sich leider aber immer wieder unwillkürlich einstellte, wurde ihnen empfohlen zu tun. Derjenige, der sich fürchtete, rot zu werden, sollte rot werden wie eine heiße Kochplatte und diejenige, die sich fürchtete, in Schweiß auszubrechen, sollte zehn Liter ausschwitzen. Auf diesem Weg wird das Unbewusste ausgetrickst. Bewusst kann ich unwillkürliche Prozesse nicht herbeiführen. Ich kann mir bewusst vornehmen, in Ohnmacht zu fallen, wenn der nächste Familienstreit ansteht, aber es wird mir nicht gelingen. Welcher Sinn steckt dann in Gottschalks Fehler, immerhin gelingt es ihm ja, bewusst Fehler zu machen? Er hat ganz einfach Spaß daran. Er denkt sich bewusst etwas aus und stellt es dar. Er nimmt sich die Angst vor den unwillkürlichen Fehlern und schafft wohltuende Selbstdistanz. Schaut her, auch ich kann es, Fehler machen!

    Vertrauen ins Publikum

    Last, but not least: Die Wahrnehmung der Zuhörenden ist nicht deckungsgleich mit der eigenen Wahrnehmung. Schon oft habe ich von Vortragenden die überraschte Frage gehört: »Haben Sie meine Aufregung nicht gemerkt?« Nein, oft wirklich nicht. Die Aufregung ist zwar nicht gut, weil sie uns hemmt, uns selbst öfter dem Stress eines Vortrags auszusetzen, aber für andere ist diese oft weniger sichtbar, als wir annehmen. Und wenn sie sichtbar werden sollte, dann mag dies zwar vom Vortrag ablenken, würde aber in den meisten Fällen weniger Kritik hervorrufen, als wir fürchten, weil diese Gefühle alle kennen. In den seltensten Fällen ist unser Publikum eine Höhle der Löwen und die vermeintlichen Löwen sind oft wohlwollend und im schlechtesten Fall nicht interessiert. Die Zuschauenden nehmen unsere Fehler nicht so ernst, wie wir es tun. Sie haben sie ja auch nicht gemacht. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können auch ein richtiger Segen sein. Einmal hatte ich als Vikar im Gottesdienst beim Glaubensbekenntnis vergessen zu sagen: »Auferstanden von den Toten«, die freundliche Küsterin erklärte mir anschließend, ich hätte es weggelassen wegen der Passionszeit. »Danke«, dachte ich, »ich könnte Sie knutschen!« Es ist kein Fehler, manchmal Fehler bewusst einzuplanen. Ich habe z. B. Angst, Fehler ans Flipchart zu schreiben und mich damit zu plamieren. Warum dies nicht beim Vortragstraining vorführen?

    Fürs Mindset: Seien Sie professionell, bereiten Sie sich vor, trauen Sie sich, ein gutes Manuskript vorzulesen, nutzen Sie den Schutz eines Stehpults, stehen Sie aufrecht, machen Sie beim Sprechen Pausen, damit Sie hin und wieder Kontakt zu den Zuhörerinnen und Zuhörern aufnehmen können.

    »Du darfst dich nicht verhaspeln!«: Stressauslöser unter die Lupen nehmen

    Ich frage Frau Adam, was genau bei ihr Stress auslöst und welche körperlichen Reaktionen sich zeigen. Sie nennt die ungewohnte Rolle, als Vorsitzende aufzutreten und eben nicht die Arbeit zu machen, die sie tagtäglich gut und ohne Nervosität bewältigt. Im alltäglichen Kundenkontakt sei sie überhaupt nicht nervös, da wisse sie genau, was zu tun sei. Bei einem Vortrag jedoch habe sie Angst, sich zu verhaspeln und dadurch noch nervöser zu werden und schließlich nichts mehr rüberbringen zu können, weil sie eine Leere im Kopf oder besser im Gehirn fühle. Die körperlichen Reaktionen seien Schweißausbruch, Erröten und ein Zittern, das von den Beinen aufsteige. Verstärkt werde das alles, weil die Angst zunehme, dass andere ihre Unsicherheit wahrnehmen könnten, zum Beispiel am sichtbaren Achselschweiß, dem roten Gesicht und besonders den roten Ohren und ihrer zeitweise vorhandenen Sprachlosigkeit, die sich manchmal in leichtem Stottern äußere. Ich frage nach dem Imperativ, den sie vor Augen habe,

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