Alles ganz normal
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Über dieses E-Book
Ihre einfühlsame und großartige Beobachtungsgabe macht den Tagebuch-Roman »ALLES GANZ NORMAL« zu einem nachvollziehbaren Zeitdokument, das den Wandel der Menschen beschreibt; Ängste und Nöte der Eltern einfängt und Kinder beobachtet, die durch die Selbstverständlichkeit des Umgangs miteinander keine Barrieren oder Hemmschwellen haben, - ganz anders als bei uns Erwachsenen.
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Buchvorschau
Alles ganz normal - Charlotte Tappmeier
Charlotte Tappmeier
Alles ganz normal
4 Tagebücher
IMPRESSUM
Alles ganz normal
von Charlotte Tappmeier
Copyright:
2023 Hober Verlag
Hober Verlag Hamburger Str. 6
32760 Detmold
hober-verlag@gmx.de
www.hober-verlag.de
ISBN: 978-3-98911-108-0
Verlag GD Publishing Ltd. & Co KG, Berlin
E-Book Distribution: XinXii
www.xinxii.com
logo_xinxiiDieses E-Book, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne Zustimmung des Autors nicht vervielfältigt, wieder verkauft oder weitergegeben werden.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Danksagung
Der Schneemann Brösel und eine Kita mit Physiotherapeut
Eine leere Butterbrotdose und eine Walnuss
Ein endloser Stau und ein Polsterkissen
Ein Opa, der immer da ist
Die große Liebe und ein Bündel abgelaufene Tulpen
Eine Ruhe-Oase und eine laute Bahnhofshalle
Ein routinierter Autofahrer und ein unerforschtes Gebiet
Ein Soja-Latte-Macchiato und ein rotes Schaf
Ein kleiner Mann und ganz normale Augenblicke
Eine vertraute Praxis
Ein Foto und die Brille der Kindheit
Ein Brief an Papa
Meine Freundin, die im Rollstuhl sitzt
Ein Viren-Schutzprogramm und eine Lebensfreude
Der Arzt und der Neid
Die Romantik und die Wurst
»Einfach umgekippt«
»Bitte, bitte, bitte«
Wir singen – in Gebärdensprache
… fühlt sich wie zehn und Fynn nickt
Eine heile Welt
Fragen über Fragen …
Die Frage nach dem Glück und eine unvollständige Elefantenfamilie
Ein Headset und eine Frau in grün
Erfolglose Testpersonen und eine ganz normale Frage
Keine Nachricht …
… noch immer keine Nachricht
Keine Nachricht!
Einen Kältemarsch
Die schönste Seite
Ein Zettel und eine Normalität
Endlich …
Eine Verabredung naht …
… und naht
Ein Meister des Hauses und schuftende Eventmanager
Einfach »kacke blöd«
Menschen, Menschen, Menschen und das an einem Samstag
Eine Verabredung wird konkret
Eine wiederkehrende Unsicherheit
Eine Frage darf man
»alles ganz normal«
Fast soweit …
Endlich eine Verabredung und so gar nicht kompliziert
Ein Sommer und ein abnehmbares grünes Licht
Eine Hippie-Familie und eine neue Orchidee
Dutzende Leberwurstbrote und Schokomüsli
Ein müder Bernhard
Ein Brokkoli-Tamtam und eine Schnecke
Ein immer müder Bernhard
Ein Abteilungsleiter in der Diele
Ein Fliegen und eine nicht erkennbare Schwere
Ein erhofftes Wettrennen und ein unverschämter Preis
»Und da, es ist passiert«
Ein Arzt und eine Syndesmose, die intakt ist
Ein Rollstuhl mit Turboantrieb
Ein Kindergeburtstag und eine schöne Blindheit
Ein Blumenstrauß für nichts
… »oder sind wir alle behindert?«
Ein pappiger Schneemann und wieder Winter
Ein Zauberstab, der Wünsche erfüllt
Nachwort
Vorwort
Als Joachim Loos 1965 begann, betroffene Kinder und Eltern der Region – er dachte an Standorte wie Paderborn, Bielefeld, Herford oder eben Lippe, er wohnte mit Familie und behindertem Kind in Detmold – zu motivieren, einen Sonderkindergarten (für Spastisch- Gelähmte und andere Körperbehinderte) zu gründen, ging es darum, überhaupt Betreuung für behinderte Kinder zu schaffen, Eltern zu unterstützen. 1968 gründeten über 70 Mitglieder den Trägerverein »Für ganz Lippe«. Mit der ehemaligen leerstehenden Schule in Vahlhausen gab es ein geeignetes Gebäude, das auf neues Leben wartete, und im Januar 1969 kamen die ersten vier Kinder. Das Betreuungsteam: eine Kindergärtnerin, eine Krankengymnastin, eine Logopädin und zwei Helferinnen – eine davon Bärbel Hesse, die den Verein über 50 Jahre mit gestaltet hat, sie ist noch heute im Vorstand!
Die Eltern sind mit ihren behinderten Kindern unter sich, aber sehr sehr froh, mit dem Sonderkindergarten Freiräume zu schaffen und gezielte Förderung und Schulvorbereitung zu organisieren.
Damals (wie heute) enorm wichtig: Wir sind nicht allein!
Beim 10-Jährigen wird der Elternverein für seine beispielhafte Initiative mit einem Zitat von Gustav Heinemann gelobt, dass eine Gesellschaft an ihrem Engagement für seine Randgruppen zu messen sei …
Pionierarbeit – Inklusion war noch kein allgemeiner Begriff – leistete 1985 die damalige Leiterin Eva Möllmann, als sie Vorstand, Eltern, Politik und Kostenträger dazu motivierte, nicht behinderte Kinder in den Sonderkindergarten einzuladen und eine »Regelgruppe« zu eröffnen; zunächst getrennt, aber natürlich immer mehr zusammen. (Noch heute gibt es verschiedene Kostenträger).
Schon 1991 die nächste Initiative: Eltern führten eine Unterschriftenaktion für eine weitere
»Regelgruppe« durch, u.a. mit den Worten: »… der Bedarf nach Tagesstätten-Plätzen ist hier sehr groß. Wir versprechen uns von dem gemeinsamen Spiel der behinderten und nicht behinderten Kinder ein natürliches Zusammenleben«. Wie richtig!
Im Laufe der Zeit verschwand der Begriff Sonderkindergarten. Wir sind heute ein Familienzentrum mit über 80 Kita-Plätzen, einem 33 köpfigen Betreuungsteam und Angeboten, die es den Kindern als völlig normal erscheinen lassen, dass alle unterschiedlich sind – mehr oder weniger oder keine Hilfe benötigen, sich bewegen können oder nicht, sprechen können oder nicht, hören können oder nicht …
Die Jüngsten sind noch kein Jahr alt und unsere derzeit 27 Kinder mit schwerem Handicap kommen immer noch aus ganz Lippe.
Über die ganzen Jahre 50 Jahre hinweg ist eines immer gleich geblieben: die Unterstützung der Menschen in unseren Ortsteilen, der Vereine, der Kirchengemeinde und vor allem der Eltern aller Kinder, die wir immer wieder erleben dürfen.
In der Kita wird musiziert, getanzt, geforscht, geturnt und gelesen (in diesem Jahr wurden wir als Literaturkita zertifiziert). Unsere Kinder singen regelmäßig in einem Seniorenheim, auf dem Weihnachtsmarkt und freuen sich über die Besuche des heimischen Shanty Chors in der Kita …
Aus der »Aktion Sorgenkind« ist die »Aktion Mensch« geworden – wunderbar eingefangen von Charlotte Tappmeier, einer jungen Autorin, die gerne unserer Einladung gefolgt ist, für fast ein Jahr unser Team zu verstärken, mitzuarbeiten, in den Gruppen zu helfen, Kinder zu betreuen, Gebärdensprache oder den Umgang mit unterschiedlichen Hilfsmitteln für Unterstützte Kommunikation kennenzulernen. Ihre einfühlsame und großartige Beobachtungsgabe macht diesen Tagebuch-Roman »ALLES GANZ NORMAL« zu einem nachvollziehbaren Zeitdokument, das den Wandel der Menschen, z.B. Opa Bernhard mit seiner Sicht der Dinge, beschreibt; Ängste und Nöte der Eltern einfängt und Kinder beobachtet, die durch die Selbstverständlichkeit des Umgangs miteinander keine Barrieren oder Hemmschwellen haben, - vielfach anders wir Erwachsenen. Ich werde die Walnuss von Lisa oder die Fröhlichkeit von Lisbeth nicht vergessen.
Danksagung
DANKE an alle UnterstützerInnen und GestalterInnen der letzten 50 Jahre: Kitateam, Vorstand, Elternschaft, Jugendämtern, Kostenträger …
Danke Charlotte, sie können gerne bei uns bleiben … wäre für uns alles ganz normal.
Manfred Klocke Vorsitzender
Verein für Körper- und Mehrfachbehinderte im Kreis Lippe e.V.
Juni 2019
Personen
Karo Blumenschein – Mutter von Fynn
Bernhard Blumenschein – Opa von Fynn
Marianne Herbst – Erzieherin von Fynn
Yvonne Memming – Mutter von Karl
Mutter Karo
Der Schneemann Brösel und eine Kita mit Physiotherapeut
Ich schaue aus unserem Küchenfenster. Es sieht kalt aus. Frau Küster, unsere Nachbarin, läuft trotz ihrer Atemwölkchen mit einer rot geblümten Sommerjacke durch ihren Garten und winkt mir fröhlich zu. Sie scheint nicht zu frieren. Ich winke zurück. Auf unserer Terrasse steht noch Brösel, so hat mein Sohn Fynn den Schneemann getauft, den er letzte Woche mit Mütze und Schal gebaut hat. Er hat ihn Brösel genannt, weil der Schnee, in Fynns Worten, nicht aus Kleber bestehe, sondern leider aus Bröseln.
Der Name passt, stelle ich fest. Mittlerweile ist von Brösel bloß noch ein Kopf mit einer deutlich verrutschten Möhre als Nase zu sehen. »Er sieht nicht gut aus«, sagt Fynn mit schräg geneigtem Kopf, der plötzlich in seinem bunt gemusterten Schlafanzug neben mir steht. Es ist sein Lieblings-Schlafanzug. Wenn der in die Waschmaschine kommt, schläft Fynn bloß in einer Unterhose. Ehe ich sagen kann: »ja, Brösel sieht nicht gut aus!«, ist Fynn bereits auf der Terrasse und zerrt einen unserer Blumentöpfe hinter sich her. Er platziert ihn neben dem doch recht unvollständigen Schneemann und hievt Brösels Kopf mit seiner kleinen Schaufel auf den Blumentopf. »Jetzt ist Brösel wieder ganz«, stellt Fynn zufrieden fest und kommt zurück in die Küche an den Frühstückstisch. Nur die Nase fehlt, bemerke ich. Die Möhre ist offensichtlich bei dem Reparaturvorgang verloren gegangen.
Mein Vater Bernhard schmiert Fynn ein Käsebrot. Er legt sorgfältig eine dünn geschnittene Gurkenscheibe darauf. Mein Vater, Fynns Opa, wohnt seit zwei Jahren mit uns zusammen. Er hat mir nach der Trennung von meinem Mann, nachdem Fynn geboren war, dieses wunderschöne Fachwerkhaus gekauft: mit einer kleinen Diele, einem Dachboden und einem bunt geblümten Garten mit kleiner Terrasse, auf der drei Klappstühle und ein alter, runder Holztisch