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Das Meer der verwobenen Worte: Kreatives Schreiben am Gymnasiums LSH Marquartstein
Das Meer der verwobenen Worte: Kreatives Schreiben am Gymnasiums LSH Marquartstein
Das Meer der verwobenen Worte: Kreatives Schreiben am Gymnasiums LSH Marquartstein
eBook125 Seiten1 Stunde

Das Meer der verwobenen Worte: Kreatives Schreiben am Gymnasiums LSH Marquartstein

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Über dieses E-Book

In der Anthologie finden sich Geschichten und Gedichte, die die Schüler des Wahlkurses Kreatives Schreiben am Gymnasium Marquartstein 2023 verfasst haben. Auch drei Lehrkräfte haben sich an dem Sammelband beteiligt.
Es ist Realistisches, Surreales, Humoristisches und Fantasy enthalten.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum14. Apr. 2023
ISBN9783347921931
Das Meer der verwobenen Worte: Kreatives Schreiben am Gymnasiums LSH Marquartstein

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    Buchvorschau

    Das Meer der verwobenen Worte - Luisa Muche

    Luisa Muche

    FLIEGENDE FISCHE

    Leise Musik wabert träge durch die Luft, spielt mit den darin herumtanzenden Staubflocken und der Frau kommt es beinahe so vor, als würden sich diese im Takt der Klänge bewegen; sich in einem langsamen Walzer wiegen. Ganz still sitzt sie da. Betrachtet das Spiel im Licht. Die einzige Bewegung, die ab und zu von ihr ausgeht, ist für einen flüchtigen Betrachter kaum auszumachen, sodass es fast aussieht, als wäre die Wohnung leer, ihr Besitzer ausgegangen. Ein Stillleben, nur nicht ordentlich drapiert und schön anzusehen, sondern wüst und chaotisch - mehr einem Wimmelbild gleichend: Der Parkettboden ist übersäht mit herumliegender Kleidung, außerdem einigen halbvertrockneten Zimmerpflanzen, deren Blumenerde sich in Krümeln auf dem Boden verteilt. An einer Wandseite stapeln sich Umzugskartons, die noch darauf warten, ausgepackt zu werden. Als wäre gerade erst jemand in die Wohnung eingezogen und hätte noch keine Zeit gehabt, sich einzurichten, abgesehen von sporadisch verstreuten Möbeln, wie einem Bett oder dem Esstisch.

    Die blaue Tapete wirkt seltsam fehl am Platz. Die erste Mühe, etwas Farbe und damit Leben in das Zimmer zu bringen. Dabei sieht sie eher aus, wie ein Gemälde, dessen Künstler nicht mehr die Muße dazu hatte, es zu vollenden.

    Unfertig und roh.

    Plötzlich stört das die Frau. Dass kein einziges Bild die Wand ziert und diese nun nackt und entblößt dasteht. Sie das Werk des Künstlers vollenden soll. Weitermalen muss.

    Bilder würden die Wand vielleicht weniger kahl aussehen lassen. Nur welche? Die Frau kommt nur selten herum, besitzt keine Sammlung an glücklichen Erinnerungen, die sie in einer Kiste unterm Bett aufbewahrt. Und irgendwelche Prints aus dem Internet zu bestellen, klingt auch nicht nach einer besseren Lösung. Als würde nur irgendeine beliebige Person in der Wohnung leben. Keine Spur von ihr.

    Die blaue Tapete starrt die Frau an. Ein Ozean, der das Zimmer überschwemmt, so unendlich tief und melancholisch. Es fehlt das Leben darin. Keines dieser unpersönlichen Fotos kann daran etwas ändern. Dessen ist sich die Frau sicher. Echtes Leben muss das Meer an Farbe füllen.

    Das Meer

    Auf einmal scheint es der Frau so, als wäre die Tapete nur aus diesem einzigen Grund blau. Als wäre die Leinwand des Künstlers mit genau dieser Farbe bemalt, damit die Frau auf diese Idee, neinErkenntnis kommt. Das, was sie braucht, sind… Fische.

    Die Frau schiebt ihren Stuhl zurück. Plötzlich hat sie es ganz eilig. Sie schlüpft in ihre Schuhe, die Jacke. Die Haustür fällt hinter ihr zu, dann ist es still in der Wohnung.

    Wie das Brechen von Wellen im Sand, so fühlen sich die nächsten Tage für die Frau an. Ein ständiges Kommen und Gehen, und jedes Mal wird etwas Neues angeschwemmt.

    Erst stehen die gläsernen Wände.

    Dann die Schläuche und Armaturen. Die Frau dekoriert das Aquarium wie ein Zimmer für ihre eigenen Kinder. Jedes Pflänzchen wird sorgfältigst gesetzt, jeder Stein so lange verrückt, bis er am perfekten Platz steht.

    Wasser wird eingelassen.

    Reinigungsbakterien hineingegeben.

    Futter gekauft.

    Und

    Dann

    Kommen

    Die

    Fische.

    Die Frau bring sie frühmorgens in einer Plastiktüte mit. Dort schweben sie, wie in einer Art Orbit, in dem die Zeit keine Rolle spielt. Sie scheinen so uninteressiert an allem, was um sie herum geschieht, schwimmen gemächlich umher, in dem kleinen Raum, den sie haben. Die Frau hält sich die Tüte mit den Fischen so vors Gesicht, dass die Welt für sie einen Moment lang nur aus Wasser besteht. Dass sie wie durch ein Fenster oder gar aus den Augen der Fische blickt. Ihrer Fische. Tiere, die nicht viel Lärm und Arbeit machen - sie nicht stören, aber doch irgendwie da sind. Die Wohnung nur mit ihrer Präsenz füllen. Stumme Beobachter, sonst nichts. Und doch haben sie eine so große Bedeutung.

    Sie sind das fehlende Leben in der Wohnung der Frau.

    Vielleicht sogar das fehlende Leben, das sie seit langem bei sich selbst sucht.

    Vorsichtig lässt die Frau die Fische in ihr neues Zuhause. Sie kniet sich vor das Aquarium und beobachtet ihre neuen Mitbewohner. Ihre Bewegungen gleichen Flügelschlägen. So gleiten sie dahin, ungehalten und schwerelos. Ihre Welt besteht zwar nur aus Wasser in vier gläsernen Wänden, doch der Frau scheint es so, als stünden ihnen die Weiten des Universums offen.

    Am nächsten Morgen vernimmt man das leise Tapsen ihrer nackten Füße, die sich aus dem Schlafzimmer direkt zum Aquarium bewegen. Die Fische müssen schließlich gefüttert werden.

    Das Brummern der Sauerstoffanlage klingt wie das Schnurren einer Katze in den Ohren der Frau. Es füllt die Stille im Zimmer, die sie sonst mit Musik zu übertönen versucht, so mühelos und unbemerkt, in keiner Weise aufdringlich.

    Eher wie ein alter Freund, der Geschichten erzählt.

    Die Sonne liebkost die geschmeidigen Körper der Fische und lässt sie damit gelassen und unbeschwert aussehen. Als würde das Aquarium alle Probleme von ihnen fernhalten und sie vor der grausamen Welt behüten. Vielleicht verstehen die Fische die Probleme der Frau trotzdem. Oder genau deshalb. Weil sie frei von eigenen sind.

    Einen Versuch ist es wert. Also beginnt die Frau zu erzählen, während sie Fischfutter in das Wasser streut. Von Dingen, die sie bedrücken, sie beschäftigen, und nachts wachhalten. Von Monstern in ihrem Kopf und um sie herum. Und die Fische hören zu. Nicht nur einmal, sondern auch die nächsten Tage, Wochen. Jeden Morgen setzt sich die Frau vor das Aquarium und erzählt. Doch diese wundervolle Friedlichkeit währt nicht lange. Eigentlich hätte es die Frau nicht überraschen sollen, denn Glück ist nur ein flüchtiger Gast in der Wohnung, aber sie hat gedacht, diesmal wäre es trotzdem anders. Und als sie diesen Morgen wieder vor dem Aquarium sitzt, fühlt sie sich schwer und bedrückt. Denn auch wenn die Fische zuhören mögen, so sind sie doch keine Hilfe. Es trifft die Frau, auch wenn sie es sich nicht eingestehen will. Die Ruhe und Gelassenheit, mit der die Tiere sie anstarren, bekommt ihr plötzlich nicht mehr. Vorwurfsvolle Blicke, für etwas, für das sie nichts kann.

    Sich selbst.

    Sie starrt auf das Aquarium hinunter, das auf einmal wie ein abstruses Gebilde wirkt und so fehl am Platz in der Wohnung, wie eine Blume auf dem Kriegsfeld. Ein kleines Fleckchen Ordnung im Gedankengewirr der Frau.

    Die warmen Strahlen der Sonne durchdringen das Glas des Aquariums, sodass die Fische in purem Licht schwimmen. In Gold zu Baden scheinen. Von nichts festgehalten und heruntergezogen, trotz des wenigen Platzes, den sie haben. Der Frau stünde die Welt offen, und trotzdem fühlt sie sich angekettet an die Wohnung. Eingesperrt in ihrem Kopf. Und sie kann nicht loslassen.

    Während die Fische fliegen, sitzt sie immer noch am Boden.

    Das Brummen der Sauerstoffanlage klingt auf einmal so ohrenbetäubend schrill, dass die Frau sich wünscht, es wäre für eine Minute abgeschaltet, nur für eine einzige Minute Stille. Oder würde der Sauerstoff doch nur in ihre Wohnung fließen, nicht in das dumme Aquarium. Die Luft ist stickig, und auch wenn die Frau beständig ihre Lungen damit füllt, fühlt es sich so an, als wären diese ein leeres Vakuum.

    Es ist zu eng.

    Also trifft die Frau eine Entscheidung.

    Eine, die sie hätte schon lange treffen sollen.

    Es ist erstaunlich leicht, ein Aquarium zu demontieren - wenn man nur will. Wozu sollte man sich auch die Mühe machen, die Kabel vorsichtig zu entfernen. Wenn man sie ohnehin nicht mehr braucht. Die Frau hebt das Aquarium an, und auch wenn sie es kaum tragen kann, Wasser über den Rand schwappt und dabei nasse Flecken auf dem Parkett hinterlässt, macht sie ihren

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