Siegfried, der Held – Für junge Leser erzählt
Von Rudolf Herzog
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Über dieses E-Book
Rudolf Herzog
Rudolf Herzog (1869-1943) war ein deutscher Journalist und Schriftsteller, dessen zahlreiche Bücher zu Anfang des 20. Jahrhunderts regelmäßig Bestseller-Auflagen erreichten. Ein Rezensent schrieb im Jahr 2022 über dieses Werk: »Noch nie habe ich ein Buch gelesen, das so spannend die Zusammenhänge der nordisch-germanischen Götterwelt erzählt!«
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Buchvorschau
Siegfried, der Held – Für junge Leser erzählt - Rudolf Herzog
Vorbemerkung des Herausgebers
Siegfried ist der bekannteste germanische Held und eine der Hauptfiguren der berühmten Nibelungen-Saga, die ursprünglich in mittelhochdeutscher Sprache von einem nicht namentlich genannten Dichter um das Jahr 1200 (n. Chr.) verfasst wurde. Die Ursprünge der Erzählung gehen bis etwa ins fünfte nachchristliche Jahrhundert zurück und scheinen viele Jahrhunderte lang nur mündlich tradiert worden zu sein.
* * *
Siegfried, Spross des kleinen Königreichs von Xanten am Rhein, war schon in jungen Jahren ein erstaunlicher Knabe: Groß, stark, schön, aufgeweckt und gütig. Er wuchs zu einem Helden heran, einem Helden mit einem Herzen aus Gold. Obwohl er kämpfen konnte und stark wie ein Löwe war, konnte er doch auch lieben und sanft wie ein Kind sein. Die Liebe zu Kriemhild, einer Wormser Königstochter, lässt ihn Abenteuer suchen und bestehen. Er kämpft gegen den Drachen Fafnir und stählt seinen Körper in des Drachen Blut. Er findet den Schatz der Nibelungen und kommt in den Besitz einer magischen Tarnkappe, die ihn unsichtbar macht. Doch je mehr Siegfrieds Ruhm strahlt, umso mehr gerät er auch in Gefahr, durch Hinterhalt und List einem Mordanschlag zum Opfer zu fallen – denn in fairem Kampfe ist der Held nicht zu besiegen. Die Gefahr wächst, als der Ritter Hagen von Tronje auf den Plan tritt ...
* * *
Neben dem Nibelungenlied gibt es in der nordischen Literatur zahlreiche tradierte Erzählungen, die die Geschichten um Siegfried in anderen Variationen spinnen, an anderen Schauplätzen und mit anderen Nebenfiguren. Konstanten sind immer: Siegfried als großgewachsener strahlender Held, im fairen Kampfe unbesiegbar, den Drachen zur Strecke bringend, dabei klug und gütig gegenüber Freunden. – Die tatsächlichen Wurzeln dieser in der germanischen Mythologie allgegenwärtigen Gestalt sind ungeklärt. Einige Historiker führen sie auf Armin den Cherusker (etwa 17 v. Chr. bis 21 n. Chr.) zurück, der den Römern in der Varusschlacht im Jahre 9 unserer Zeitrechnung eine dramatische Niederlage beibrachte und damit große Teile Germaniens für einige weitere hundert Jahre vor römischer Oberherrschaft bewahrte. Somit könnten Armin und Siegfried, die größten Helden der Germanen, auf ein und dieselbe Person zurückzuführen sein. Dies ist eine von mehreren Theorien dazu.
Dieses Buch, an junge Leser gerichtet, erzählt die Siegfried-Sage im Wesentlichen nach der Vorlage des Nibelungenliedes, also in ihrer hierzulande populärsten Überlieferung. © Redaktion ModerneZeiten, 2022
Rudolf Herzog (1869–1943) war ein deutscher Journalist und Schriftsteller, dessen zahlreiche Bücher zu Anfang des 20. Jahrhunderts regelmäßig Bestseller-Auflagen erreichten. Stark nationalkonservativ gesinnt, stand er ab 1932 dem Nationalsozialismus nahe; nach dem Krieg geriet sein Werk weitgehend in Vergessenheit. Vorliegendes Buch ›Siegfried, der Held‹ entstand 1912, also deutlich vor Herzogs politischen Verirrungen. Ungeachtet der späteren NS-Nähe des Autors, liefert das Werk eine ideologiefreie und spannende Erzählung rund um den Helden Siegfried, gerichtet an junge Leser.
SIEGFRIED, DER HELD
1. Kapitel
Wie Siegfried jung war, zu Mime in die Lehre kam, den Drachen erlegte und den Nibelungenschatz gewann
Wenn ihr den Rhein hinunterwandert, immer tiefer ins niederrheinische Land hinein, seht ihr aus der schweigenden Ebene eine altertümliche Stadt sich erheben, die zu träumen scheint. Xanten¹ ist sie geheißen, und sie träumt von ihrer großen Vergangenheit. Von alten, stolzen Zeiten, da noch ein König hier herrschte weit bis nach Niederland hinein, da noch die Drachenschiffe nordischer Seeräuber vom Meer heraufkamen in den Rhein, und des Königs starke Ritter, die auf den Rheinwiesen ihre Rosse im Turnier tummelten, die Feinde erschlugen und ersäuften, dass es eine wilde Lust war. Hei, wie in den Heldentagen die Trompeten jauchzten, die Schwerter blitzten und die Schilde krachten, als kämpfte ein herrlich Gewitter rheinauf und rheinab.
Das war die Zeit, da dem König Siegmund und seiner Königin Siegelinde ein Sohn geboren wurde, und weil nach heißen Siegen Friede herrschte, so nannten sie ihn Siegfried.
Wie ein junger Baum, den die Gärtner mit Fleiß und Liebe hüten, wuchs der Knabe auf. Spielend lernte er die Aufgaben, die seine Lehrer ihm stellten, und war als Kind schon so klugen und hellen Geistes wie wenige vor ihm und nach ihm. Das tat, dass er nach den Schulstunden nicht in den Stuben hockte und sich nicht an Mutters Schürzenband hängte, sondern wie ein rechter Knabe, der ein ganzer Mann zu werden wünscht, durch Wiesen und Wälder rannte, die Stimmen aller Tiere erforschte und die Geschichten, die der Wald erzählt und die Wellen des Rheines raunen. So wurde nicht nur sein Körper stählern und biegsam wie eine gute Klinge, sondern auch sein Blick wurde scharf und sein Gehör hell und sein Denken rasch und sicher.
Mit zehn Jahren ritt er den wildesten Hengst ohne Zügel und Zaum, beschlich ihn auf der Weide, warf sich auf seinen Rücken und bändigte den rasend Dahinstürmenden mit eisernem Griff in die Mähne. Denn Furcht war ihm fremd, und wer furchtlos ist, bleibt Sieger im Leben.
Mit zwölf Jahren besiegte er alle Edelknappen und Waffenknechte seines Vaters, und mit vierzehn Jahren ritt er heimlich zum Turnier der starken Ritter, mit geschlossenem Helmvisier, damit sie nicht wüssten, dass es der Knabe Siegfried sei und sie ihn wegen seiner Jugend von der Bahn verwiesen, legte den Speer ein, den er sich aus dem Stamm einer jungen Esche geschnitzt hatte, und warf die stolzen Ritter aus dem Sattel, dass sie aus ihren Panzerstücken herausgeschält werden mussten, wie gesottene Krebse aus ihren Schalen.
Da trat er vor seinen Vater, den König, und bat ihn: »Lasst mich in die Welt, Herr Vater, überall hin, wo Feinde sind und es für eine gute Sache zu fechten gilt.«
Der König aber sprach: »Die Kraft allein tut’s nicht, um die Feinde zu bändigen, sondern ein weiser Sinn, der aus Feinden Freunde macht und dem Land die Segnungen des Friedens beschert. Werde älter, mein Sohn, und du wirst mir meine Worte danken.«
Siegfried aber dachte: »Er hat gut reden, der Herr Vater, denn sein Bart ist heute grau, und die Tage, in denen er selber mit Schwert und Speer auf die Feinde rannte, liegen hinter ihm. Wenn es Abend ist, kommen die Harfner in die Halle und singen von König Siegmunds Taten. Da ist es leicht für ihn, zu verzichten und anderen vom Verzicht zu reden.«
Und er ging bekümmert umher und wusste nicht aus noch ein mit seinem wachsenden Jugendmut.
An einem stürmischen Herbstabend hatte er sich wieder in die Halle geschlichen, in der König Siegmund, von seinen Rittern umgeben, thronte und das Trinkhorn kreisen ließ. Der Sänger saß mit der Harfe auf den Stufen des Thrones. Er sang von den Kämpfen der Götter und Menschen. Von den Helden sang er, die