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Aloha mea ola: mit dem Fahrrad in Hawaii
Aloha mea ola: mit dem Fahrrad in Hawaii
Aloha mea ola: mit dem Fahrrad in Hawaii
eBook358 Seiten5 Stunden

Aloha mea ola: mit dem Fahrrad in Hawaii

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Über dieses E-Book

Was tut eine Künstlerin, wenn sie gerade keine Kunst macht?
Sie packt für eine weite Reise, nimmt ihr Fahrrad mit und fliegt nach Hawaii auf die Inseln Maui und Oahu. In ihrer Fantasie wird sie am Pazifischen Ozean entlang radeln und in das türkisfarbene Wasser schauen. Sie freut sich auf Bewegung in der Natur und auf Kultur und Inspiration.
Doch Hawaii bot mehr als eine Überraschung...
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum9. Juni 2023
ISBN9783757839918
Aloha mea ola: mit dem Fahrrad in Hawaii
Autor

max- klaus

Max-Klaus ist eine vielseitige Künstlerin: Malerei, Zeichnungen, Collagen, Objekte, Bücher und Rauminstallationen gehören zu ihrem Schaffen. Sie arbeitet in der Wissensvermittlung. Seit ihrer Kindheit schreibt sie fast täglich in ihrem Journal. Keine einzige Zeile entstand auf dieser Reise. Es hat etliche Liter Kaffee gekostet, das Gedächtnis auszuwringen und in ihrem zweiten Buch diese Erinnerungen nachträglich aufzuschreiben.

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    Buchvorschau

    Aloha mea ola - max- klaus

    - 1 -

    Oversized. Overweight. Bulky baggage. Die Mitarbeiterin der Fluggesellschaft erklärte mir ruhig und freundlich, dass mein verpacktes Fahrrad im Karton zwar mitkommen kann, aber ich eine Gebühr bezahlen müsste. Dann zeigte sie mir den dreistelligen Betrag, der eine eigene Campingreise hätten finanzieren können und fragte, ob ich gewillt wäre, dies zu bezahlen. Ich könnte auch jemanden anrufen, der das Paket am Flughafen wieder abholt und könnte ohne das Fahrrad reisen.

    Hinter mir stauten sich so nach und nach weitere Menschen, die genau wie ich die sinnvolle Vorabfrage beantwortet hatten, ob sie gefährliche Stoffe und Gegenstände auf ihre Reise mitnehmen wollen. Jeder Terrorist oder Amokläufer würde das selbstverständlich bejahen, oder? Die Menschen hinter mir scharrten ungeduldig mit den Füßen. Ich musste jetzt etwas sehr rasch entscheiden, was ich normalerweise mit guter Überlegung entschieden hätte. Wollte ich ohne das Fahrrad nach Hawaii? Nein. Ich hatte die Reise mit meinem Fahrrad geplant und wollte auf meinem Fahrrad die Steilküste entlang radeln – ich wollte weder ein teures Leihfahrrad radeln, noch wollte ich meine Wünsche loslassen. Evet sagt der Türke und das bedeutet: Ja, ich will. Ja, habe ich gesagt, habe meine Kreditkarte gezückt und ohne weiter mit der Wimper zu zucken die Summe angewiesen. Der Karton wurde beiseitegeschoben, ein verschwitzter Mitarbeiter kam es abholen und in der Zwischenzeit wurde meine eher leichte Reisetasche gewogen, für korrekt befunden trotz etlicher Kleidungsstücke und verschwand auf dem Rollband in die Gepäckaufgabe und ich war eingecheckt.

    Der Karton war ein Karton für ein elektrisches Fahrrad gewesen und daher breiter und größer als ein genormter Fahrradkarton. Man muss das Vorderrad ausbauen, das Lenkrad verdrehen, die Pedale abbauen, die Luft aus den Reifen lassen und dann das Ganze in eben diesen Karton verstauen. Den Karton hatte ich beim meinem liebsten Fahrradladen vorab besorgt und konnte ihn nur durch eine Faltung überhaupt in mein kleines Automobil bugsieren. Die netten Mitarbeiter hatten mir geduldig gezeigt, wie das mit dem Auseinandernehmen des Fahrrads funktioniert und nun gut, zusammenbauen ist dann der ganze Ablauf wieder andersherum. Dafür reichen mein technisches Verständnis und praktisches Geschick aus. Das Gewicht hatte ich mit einer Kofferwaage gewogen und mit meiner Körpergewichts-Waage nachgeprüft und eigentlich war es nicht so viel, wie am Flughafen mir gesagt wurde. Ich wollte ausprobieren, wie das geht: Flugreise und Fahrrad-Mitnahme. Im Frühjahr hatte ich mir mein erstes (!) neues Fahrrad gekauft. In meinem Leben habe ich drei Fahrräder besessen bis jetzt: 1, das kleine Klapp-Fahrrad, auf dem ich als Kind meiner Nachbarin Birgit immer hilflos hinterher geradelt bin, weil sie schon ein normales Fahrrad und keine Geduld hatte und ich hatte dieses Klapp-Fahrrad mit den kleinen Reifen.

    2. mein 3-Gang-Fahrrad bester Güte, welches ich zum 16. Geburtstag geschenkt bekommen habe und welches ich erst emotional verlassen habe, als ich versucht habe mit meinem halbwüchsigen Sohn von einem Campingplatz in französischen Seealpen in den nächsten Ort zu radeln, um Schokolade und Bildzeitung zu kaufen. Ich habe mir heulend geschworen, dass ich mir ein Rennrad mit vielen Gängen kaufe mit dem ich die französischen Seealpen hochradeln könnte.

    3. mein Knaben-Rennrad mit vielen Gängen, mit dem ich zwar nie die französischen Seealpen hochgeradelt bin, aber doch so einige Fahrrad-Touren erlebt habe. Das sind aber ungeschriebene Bücher und was ich da erlebt habe, steht bis jetzt unveröffentlicht nur in meinen Tagebüchern.

    Ein neues Fahrrad ist also da und das Knaben-Rennrad, dass mir so vertraut von meinen Hippiebus-Reisen und Zelt-Reisen war, durfte und sollte mit nach Hawaii.

    Die Anreise zum Flughafen war stressfrei gedacht: großer Karton und kleine Frau und normales Gepäck in ein Flughafen-Transfer-Taxi und der freundliche Taxi-Fahrer schaukelt mich mitsamt meiner Fracht direkt bis zum Terminal. Der Flughafen-Transfer war mir von Freunden empfohlen worden, die wenige Wochen vorher nach Ecuador geflogen sind. Die hatten vor dieser langen Reise nach Süd-Amerika sogar ihren Nachlass geordnet, falls ihnen irgendetwas passiert. Ihnen ist nichts passiert, wohl aber dem Taxifahrer, der sie vom Flughafen abholen sollte. Er wurde von einer Wespe gestochen und bekam einen anaphylaktischen Schock, weil er allergisch war. Er musste ins Krankenhaus per Notfall-Ambulanz gefahren werden und die schockierten Freunde haben sich letztendlich mit dem Taxi selbst nach Hause gefahren. Genau dieser Taxi-Fahrer fuhr mich zum Flughafen, aber es ging ihm zum Glück wieder gut und mittlerweile hatte er ein Notfall-Set für Wespenstiche bei sich.

    Am Flughafen schob ich meinen Riesenkarton ins Terminal und wenn jemand komisch schaute, sagte ich: ich reise nie ohne meinen Flachbildschirm.

    Nur leider war ich im falschen Terminal. Meine Fluglinie flog im anderen Terminal ab. Der Taxifahrer hatte sich geirrt und ich hatte meine Abreise-Terminal nicht nachkontrolliert. ‘Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser’.

    Die Zeit läuft in Flughäfen immer anders. Wenn man glaubt, viel Zeit zu haben, rennt die Zeit und sie wird knapp. Wenn man glaubt, jetzt könnte es langsam losgehen, dann geht Zeit überhaupt nicht weiter. Überhaupt ist Zeitwahrnehmung ein sehr seltsames Phänomen und ist veränderlich je nachdem, was man gerade tut oder sich vorgenommen hat. Zwischen den Terminals gibt es einen Shuttle, aber zum Einstieg keinen Lift, sondern nur Rolltreppe. Hier zeigte sich schon der erste rote Faden, der sich durch meinen Urlaub ziehen sollte: freundliche, hilfsbereite Menschen! Menschen zogen, trugen, halfen, fragten und letztendlich war ich eben am Schalter und oversize & more musste entschieden werden. Nun, wer auch immer eine Flugreise mit seinem Fahrrad machen möchte, sollte sein Fahrrad hübsch zusammengefaltet in ein dafür designtes Gepäckstück stecken und sichergehen, dass das Fahrrad ein leichtes ist.

    Endlich saß ich im Flugzeug und die erste Welle von Freude und ja, auch Stolz überflutete mich. Ich fliege nach Hawai’i, ich fliege wirklich und wahrhaftig nach Hawai’i. Übrigens ist die Schreibweise von Hawai’i mit dem Apostroph die richtige, weil diese die Akzentuierung in der hawaiianischen Sprache korrekt wiedergibt.

    Der Flug war angenehm und mein Platznachbar so jung, dass der Vater von dem Kind mich als Einzelperson bat, mit ihm den Platz zu wechseln. Das tat ich gerne und bekam dann statt einem bequemen Randplatz einen eingezwängten Platz in der Mitte. Warum bin ich immer so nett? Warum bin ich nicht auf meinem gebuchten Platz verblieben? Meine Mama hätte gesagt: Das kann man machen, da bricht man sich doch keinen Zacken aus der Krone und die anderen freuen sich. Zur Belohnung hatte ich auf meinem ersten Flug, der erst einmal über den großen Teich nach San Francisco ging, einen ausgesprochen interessanten, attraktiven und unterhaltsamen Platznachbarn und wenn wir nicht gerade dösten und schliefen oder tranken und aßen, unterhielten wir uns über jüdische Gebräuche, westliche Geschichte, vorderasiatische Kultur, israelische Speisen und vieles mehr. War er ein syrischer Jude, der jetzt in den USA lebte oder ein jüdischer Amerikaner mit syrischen Wurzeln? Auf jeden Fall hatte er seine Eltern in Israel besucht und flog über Frankfurt aus Tel-Aviv nach Hause. Wenn ich meinen Vater besuche, dann sind es nur läppische 450 km oder etwa 283 Meilen mit dem Auto. Wenn er seine Eltern sehen möchte, sind das knapp 12.000 oder fast 7.500 Meilen als Direktflug und damit mindestens 15 Stunden Flugdauer. Masel tov!

    Der Flug selbst war ruhig und angenehm und die Landung derart sanft, dass ich dachte, das hat der Pilot aber schon mehr als einmal gemacht.

    In San Francisco musste ich umsteigen und noch einmal durch den Check-In und den generellen Check-In für Amerika durchmachen. Du liebe Güte: Das Gesicht gescannt, den Body gescannt, also meinen Körper, Fingerabdrücke von mittlerweile allen Fingern genommen, befragt und noch einmal befragt und: warum wollen sie einreisen? Die einzige richtige Antwort ist pleasure, also Vergnügen, was so viel wie ‘Ferien machen wollen’ bedeutet.

    Flughäfen sind endlos und Rollkoffer haben ihre echte Berechtigung. Wer aber Rucksäcke, Sporttaschen oder anderes zu transportieren hat, braucht einen Gepäckträger und die kosten Geld und nicht nur 1 $. Da zeigte sich schon der nächste rote Faden: USA ist teuer und Hawai’i ist exorbitant teuer.

    Mein Karton war tatsächlich angekommen, mein Gepäck auch und so schob ich mich flotten Schrittes durch den Flughafen von San Francisco zu meinem Gabelflug nach Maui. Amüsiert sah ich zu, wie mein Sperrgepäck in einen Rollgarage, die nur für mich geöffnet wurde, durchgecheckt wurde. Immerhin, für mein Geld bekam ich etwas geboten! Nein, ich habe weder frische Wurst noch Pflanzensamen dabei, nein, ich habe keine Tuberkulose oder andere ansteckende Krankheiten, ja, ich bin geimpft und ja, ich habe darüber auch Belege. Meine Covid19-QR-Code-Impfkarte aus Kunststoff hat überall auf der Reise in Amerika bewundernde Blicke geerntet. So etwas hatte man noch nicht gesehen. Das ist ja wie der QR-Code im Handy und aber wie eine Kreditkarte und nicht auf schlichtem Papier. Wow! Wenn Amerikaner begeistert sind, zeigen sie das meistens auch.

    Der zweite Flug nach Maui ging nur noch 5 ½ Stunden und den habe ich eigentlich so ziemlich verschlafen. Wer saß neben mir? Niemand. Es war ein kleineres Flugzeug und nicht ausgebucht und ich reise alleine und es reist niemand mit mir. Der Platz an meiner Seite ist noch frei - im wahrsten Sinn des Wortes, dachte ich und dann war ich schon wieder eingedöst. Manchmal denke ich, die Fluggesellschaften machen Betäubungsmittel in die Speisen und Getränke und in die Lüftung, damit die Leute hübsch ruhig bleiben bis zur Ankunft.

    Irgendwann war aus dem Nebel von Phantasien und Wünschen der Gedanke geboren Ich will nach Hawaii. Damals noch ohne Apostroph, weil ich das ja noch nicht wusste. Man kann mittlerweile fast alles in Internet finden, auch die eigenen Unkenntnisse in Geographie. Hawaii ist nicht eine Insel, Hawai’i sind 137 Inseln. Welche hätten sie denn gerne? Sechs Inseln sind touristisch erschlossen und auch da muss entschieden werden. Eine Insel? Mehrere Inseln? Wenn mehr als eine Insel, wie viele Inseln? Und bitteschön: Welche Inseln?

    Da steht dann tatsächlich die Recherche vor der Tat und vor der Entscheidung und wer weiß, was seine Wünsche sind, kann vielleicht besser entscheiden. Meine Entscheidung war ‘Maui’ (zuerst) und ‘Oahu’ (danach). Maui, weil die Natur so interessant und schön sein sollte und Oahu, weil es Natur und Kultur bieten sollte. Denn das ‘Itzi-bini-honolulustrand-bikini’ liegt auf Oahu und dort ist der weltberühmte Waikiki-Strand, an dem man Surfen lernen muss.

    Erst Natur und dann Natur und Kultur, erst Ruhe und dann High-Life in Tüten in Honolulu und zum Abschluss noch die Stadt San Francisco. Das war der Plan. Wie gut die Entscheidung für mich war, sollte sich noch zeigen.

    Hawai’i ist von Deutschland aus gesehen so weit entfernt, dass mein Vater ausrief, er müsse sich einen Globus kaufen, damit er überhaupt versteht, wohin ich reisen will. Die Zeitzonen sind derart verschieden, dass in Deutschland morgens ist, wenn man in Hawai’i ins Bett geht. Zwölf Stunden Zeitverschiebung. Ganz besonders eigen ist es, dass in Deutschland dann schon morgen ist, während Hawai’i noch gestern ist. Wer telefoniert ist gleichzeitig im morgen und gestern. Das kann durchaus verwirren und mindestens einmal habe ich in tiefster Nacht jemanden aus dem Schlaf mit einer WhatsApp gerissen, weil ich die Zeitzonen nicht beachtet habe.

    Was möchte der Mensch? Was brauchen Menschen im Urlaub? Meine Urlaube waren fast ausnahmslos Campingurlaube, also Urlaube in der Natur und immer sehr naturnah. Mutter Erde wieder begegnen, Alltag und Stadt hinter sich lassen.

    Meine Interessen sind Kunst und Kultur. Da kommt wieder die Stadt ins Spiel. Es ist immer sowohl als auch. Manchmal macht mich das traurig, weil ich nie richtig dazu passe: Die Naturliebhaber und Freiluft-Sportler verstehen nicht, dass ich mir bemalte Leinwände von toten Menschen angucken muss. Menschen, die sich für die Ästhetik des Wabi-Sabi interessieren, verstehen nicht, warum ich verschwitzt Hügel hinauf radeln muss. Es gibt viele Menschen, mit denen ich meine Interessen teilen könnte, aber in aller Regel nur einen Teil der Interessen und die anderen Bedürfnisse bleiben jeweils unbefriedigt. Das Alleine-Reisen ist ein ungemeiner Vorteil: ich darf beides tun. Ich brauche niemanden fragen, bitten, drängen. Ich tue einfach.

    Wer nach Hawai’i reist, sollte sich auch überlegen, wie lange er oder sie unterwegs sein will oder kann. Denn ein so langer Flug lohnt sich nur, wenn man auch ein gewisses Zeitfenster da ist.

    Pandemie, Klimawandel, Ukraine-Krieg und schon lernt der Reisende ein neues Wort: Flugscham. Wer fliegt hinterlässt einen ökologischen Fußabdruck, der sich gewaschen hat. Aber Wünsche wollen auch gehört und gelebt werden und vielleicht sind die schönen Erinnerungen, die wir erleben, das, was wir mitnehmen, wenn wir sterben.

    Maui. Die ‘Tal Insel’. Es leben in Maui kaum mehr Menschen als in meiner momentanen Heimatstadt Worms: Keine 120.000 Menschen (ohne Touristen) im Vergleich zu etwa 84.000 Menschen in Worms (auch ohne Touristen). In Maui leben nur etwa 77 Menschen auf einem km², in Worms sind es zehnmal so viele Menschen. Maui darf mehr als 2 Millionen Touristen im Jahr aushalten, Worms besuchen nur etwa 44.000 Touristen im Jahr.

    Das Flugzeug landet in Kahului, dem Flughafen von Maui und der Flughafen erinnert an die kleinen Flughäfen in der griechischen Ägäis. Kaum aus dem Flugzeug gelangt man schon an den Taxistand. Der Taxifahrer schaut kritisch ob des großen Kartons, aber er kutschiert mich widerspruchslos und ohne laufende Taxi-Uhr zu meiner ersten Unterkunft, einem Hostel in Wailuku. Es kostet nur 30 $ cash auf die Hand und ich war froh einfach nur noch zu meinem Bett gefahren zu werden.

    Später fand ich heraus, dass die Taxifahrt mit Uhr etwa 22 $ kostet, also ist es kein Schnäppchen, wenn der Taxifahrer die Taxi Uhr ausgeschaltet lässt.

    Von Deutschland aus konnte ich keinen Transfer buchen und vor Ort klärte sich auch auf, warum das nicht geht. Es gibt in Maui praktisch nur private Taxi-Unternehmen, die alle nicht in Buchungsoberflächen gelistet sind. Also, wer eine Telefonnummer von einem privaten Taxi-Unternehmen in Maui hat – gut aufheben für schlechte Zeiten oder späte Ankünfte.

    Im Hostel wurde mir geraten, ich solle doch Uber anrufen. Ich kann kein Uber, ich habe kein Uber, ich will kein Uber. Uber muss ich erst noch lernen. Man kann nicht alles sofort lernen. Frau auch nicht. Also, kein Uber. Irgendwann mache ich bestimmt einmal Uber.

    Kahului und Wailuku sind zwei Städte auf Maui, die so eng beieinander liegen, dass es eigentlich eine Stadt ist. Meine erste gebuchte Unterkunft war ein Hostel in Wailuku. Mein allererstes Hostel hatte ich in München nach meiner Toskana-Radtour erlebt. Übernachtung im Mehrbett-Zimmer, es war stockdunkel und ich musste mein Bett und meinen Schrank finden. Wer später nachts kommt, hat meistens das obere Bett von den zwei Stockbetten. Ich musste damals feststellen, dass auch Frauen fürchterlich schnarchen können.

    Diesmal war ich vorbereitet: Stirnlampe und Ohrstöpsel waren in Greifnähe, Pyjama und Zahnbürste waren schon im Handgepäck und nach einem Foto (zur Sicherheit) von meinem müden Gesicht, meiner hingehaltenen Kreditkarte, meiner proof of vaccination durfte ich nach oben klettern und das dünne Laken über meinen Körper und mein Gesicht ziehen. Bettdecke gab es nicht. Das klärte sich ganz rasch, warum nicht: In Maui ist es warm. Es ist auch nachts warm.

    Worms ist ja der wärmste und trockenste Ort von Deutschland, aber Maui ist eben wärmer nachts. Ich hatte im ganzen Urlaub Glück: Wenn ich mit anderen Menschen übernachtet habe, hat keiner geschnarcht. Gute Nacht, ich bin in Wailuku auf Maui, ich bin wirklich und echt und ganz wahrhaftig in Hawai’i.

    - 2 –

    Hahnengeschrei und Ventilatordröhnen weckte mich trotz Ohrenstöpsel. In der Nacht, bevor ich dankbar in mein Bett versank, sah ich noch eine Langhaarige im Hochbett gegenüber ein hi hauchen, bevor ich einschlief. Die Langhaarige tippte noch auf ihrem Handy herum und hatte sehr breite Schultern und auch Haare im Brustausschnitt. Während ich eindämmerte, fiel mir wieder ein, dass ich ja gemischtes Zimmer gebucht hatte. In Hostel schläft man im geschlechtsgleichen Mehrbett-Zimmer oder aber im gemischten Zimmer.

    Es war noch nicht einmal 7 Uhr morgens. Meine innere Zeituhr war durchgeschüttelt und sowieso hatte der Hahn mir mitgeteilt, was Sache ist: Aufstehen, gefälligst. Was mir noch nicht klar war, war, dass dieser Urlaub mein frühester Urlaub beim Aufstehen werden sollte. Ich bin fast jeden Tag um sieben Uhr herum aus dem Bett gestiegen und dass, obwohl Ausschlafen ohne Wecker definitiv mein liebstes Hobby ist!

    Der Hahnenschrei hatte mich in einen Moment der Verwirrung gestürzt. Wo war ich? Hahnenschrei verbinde ich mit Landleben und Dorf, Ackerbau und Bauernhöfen. Hahnenschrei kenne ich aus einem Dorf in Thüringen, wo ich nachts kaum Schlaf fand und morgens von Hahnenschrei, Eselsrufen und Motorsägen vom ‘Holz machen’ geweckt wurde. Hahnenschrei kenne ich aus italienischen Dörfern und winzigen provenzalischen Städten, in denen ich mein Zelt aufgeschlagen hatte oder eine rustikale Pension gebucht hatte. Der Hahn kräht auf dem Mist, dann ändert sich das Wetter, oder es bleibt, wie es ist. Hahnenschrei war für mich, bis zu diesem ersten Tag auf Maui nicht mit pazifischen Inseln in der Weite des Ozeans verbunden.

    In Maui und auch in Oahu laufen überall und wirklich überall freilebende Hühner herum. Natürlich auch die Hähne. Hähne sind Männchen und müssen ihr Revier gegen andere Hähne verteidigen, ihr Revier deutlich vokal markieren, sie müssen Weibchen heranlocken; kurzum, die Hähne krähen, die Hühner gackern und sie tun dies zu allen Nacht- und Tageszeiten. Die Hühner scheren sich weder um Verkehrsregeln, noch um Anstandsregeln. Wer einen Snack an einem der vielen Food-Trucks geholt hat, sieht sich plötzlich Auge in Auge mit einem Huhn oder Hahn, die gerne auch etwas nehmen. Die Hühner in Hawai’i sind vielleicht am ehesten unseren Tauben in Europa vergleichbar.

    Im Kreuzungspunkt der Flure der Schlafsäle des Hostels gab es eine Gemeinschaftsküche, wie in den meisten Hostels, und davor ein paar Hochstühle am Tresen und an einem zweiten Tresen und eine U-förmige Couch, in der man mitsamt Handy über Stunden versinken konnte.

    Es war früh, aber Kaffee war schon fertig oder das, was überall auf der Welt Hotels, Pensionen, Hostels, Pensionen, Gasthäuser als Kaffee anbieten. Ein dünnes, braunes, heißes Getränk, welches entfernt Assoziationen zu einem Kaffee ermöglicht. Es gab ‘pancakes’ mit Schokoladenstückchen zu dieser nachtschlafenden Zeit und eine junge Frau mit recht entspanntem Gesicht buk auf einer viereckigen Riesen-Pfanne dutzende von Pfannkuchen, die erstaunlicherweise alle rund waren und alle gleich groß waren. Auf dem Tresen stand Ahorn-Sirup in einer waschmittelgroßen Kunststoffflasche und lud zum Zuckerflash ein. Für mich ist es zutiefst beglückend, wenn der Kaffee schon fertig ist und ich nur noch eingießen muss und griffbereit warme Pancakes hingestellt zu bekommen, empfand ich ebenfalls als sehr beglückend. Ich lebe allein und wenn ich nicht den Kaffee koche, gibt es keinen Kaffee. Mein Sohn hat mir einmal eine Kaffeemaschine mit integrierter Zeitschaltuhr geschenkt; das war eines meiner schönsten Geschenke, die ich jemals bekommen habe. Aber die Zeitschaltuhr schaltete auch direkt nach der Garantiezeit die Funktion der Kaffeemaschine ab und ich war beleidigt und koche seitdem meinen Kaffee mit Handfilter morgens. Pancakes oder Pfannkuchen ist eigentlich etwas, was überhaupt nicht meine Art Frühstück darstellt. Morgens bin ich müde und faul und manchmal sogar zu faul zum Kauen. Also esse ich ein Joghurt, vielleicht trinke ich einen gesunden Obst-Smoothie oder nuckele an einer Portion Haferbrei. Außerdem beginne ich jeden Tag mit guten Vorsätzen gesunder Ernährung, die sich möglicherweise bis zum Abend dann erheblich abgeschliffen haben. Pancakes mit Ahorn-Sirup ist ein typisch amerikanisches Frühstück und Hawai’i ist seit siebzig Jahren und mehr amerikanisch. Ich nahm also den Kaffee und den Pfannkuchen und mit dem zweiten Kaffee und dem zweiten Pfannkuchen tappte ich die steile Stiege hinab, wo ich am Vortag meine knallorange Tasche hochgeschleppt hatte.

    Nur wenige Wochen vor der Reise, bevor ich immer noch die Frage der Reisetaschen geklärt hatte, habe ich diese besondere Tasche geschenkt bekommen. Es war für mich wie Zeichen, dass diese Reise nach Hawai’i stattfinden sollte, ich bin manchmal recht abergläubisch. In unserem Verein hatte ich einen ‘give-away-day’ organisiert, einen Verschenke Tag. Jeder bringt, was der Hausstand entbehren kann und gibt es ohne Entlohnung fort. Es hatten sich eine Handvoll Menschen gefunden, die auch ihren Keller oder Dachboden entleeren wollten. Die Verschenkenden beschenkten sich zunächst einmal gegenseitig, es wurde so geschaut, was der Andere hatte oder weggeben wollte. Die Tasche durfte aus dem Haushalt meiner Nachbarin fort und ich durfte sie haben; später fanden sich sogar noch die Tragegurte an und so hatte ich eine wasserdichte, robuste, Alarmfarbige, weiche, flexible Tasche, in die alles hineinpasste. Die war für Flug und Radtour geeignet, was bei ordentlichen Packtaschen ein Problem ist. Mein ganzes Equipment, welches ich mir mittlerweile für Fahrradtouren zusammengekauft hatte, war letztlich Flug-ungeeignet und so war die Rucksack-Tasche, die sogar abschließbar, ein sehr glücklicher Zufall oder eben, ein Zeichen für mich.

    Ich ging in den Garten oder besser Hof des Hostels. Das Hostel hatte im Dunkeln nach 24 Stunden Flugreise und Taxifahrt schon recht abgewrackt ausgesehen. Das Stadtviertel war eines der ärmeren Stadtviertel oder eines, welches Makler als ‘illustre Straßen’ der Stadt titulieren würden. Ein wirklich winziges Schild wies auf das Hostel hin und vielleicht ist es auch ein Prinzip in Hawai’i Hosteleingänge so unauffällig wie möglich zu gestalten. Alle anderen Hostels waren optisch genauso unauffällig und nur das falsche Hostel in San Francisco hatte auf der Lichtreklameüberfluteten Mason-Street das Wort HOSTEL in riesigen Leucht-Lettern senkrecht zur Straße befestigt.

    Der Hof sah bei warmem Morgenlicht und mit einigermaßen ausgeschlafenem Kopf ganz annehmbar aus. Sitzgelegenheiten und Pavillons, die Schatten und Liegestühle offerierten, waren umsäumt von tropischen Pflanzen. Ein Huhn mit winzigen Küken trödelte über den Hof. Es gab Internet-Verbindung sogar im Hof, was heutzutage für ein Hostel wichtiger ist, als ein gutes Bett.

    Vögel mit schnarrenden Tönen machten sich bemerkbar. Im Hof stand auch der erste, von mir bewusst wahrgenommene Banyan-Tree. Ein Laubbaum mit Fallwurzeln, die den eigentlichen Stamm unter-stützen. Fallwurzeln und Stamm können dabei zusammenwachsen und so optisch einen Baum mit sehr ungewöhnlich geformtem Stamm bilden. Der Banyan-Tree war wirklich groß und meine Eltern hatten einen Gingko-Baum im Garten, den mein Vater aus Bedenken vor Sturmbruch in etwa fünf Metern Höhe kürzen ließ. Der Banyan-Tree im Hof des Hostels war aber ungekürzt und hoch. Ich habe einmal gelesen, dass der Mensch an sich Entfernungen in der Horizontalen recht gut schätzen kann, während Höhenunterschiede in aller Regel falsch eingeschätzt werden.

    Kaffee und Pancake auf der Liege im Hof. Ich war wirklich und echt und tatsächlich in Hawai’i. Ich war von meiner Heimatstadt aus betrachtet genau auf der anderen Seite der Erdkugel. Ich hatte meine verrückte Idee umgesetzt und ich war wirklich da. Gemischte Gefühle, weil mir bewusstwurde, wie weit entfernt ich von meinem Zuhause war. So weit war ich noch nie gewesen und es war unheimlich. So weit war ich noch nie gewesen und ich war stolz, meinen Wunsch und meinen Willen umgesetzt zu haben. Unsicherheit, weil noch nicht alles geplant war und so offen war und ich nicht wirklich abschätzen konnte, wie das nun so wird. Vorfreude, weil so viele interessante Dinge auf mich warteten und das warme, sonnige Wetter mir schon jetzt die schönsten Erlebnisse versprachen. Ich atmete Frieden, Begeisterung und tief durch, um mich zu beruhigen.

    Die erste Arbeit des Tages war, meinen Karton zu öffnen und meinen silbernen Begleiter auszupacken und wieder zusammen zu bauen. Leider bekam ich die Bremsen nicht mehr funktionstüchtig angebaut. Das Rad selbst hatte den Transport gut überstanden; der Karton sah etwas verschrammt aus. Warum ließ sich das Zugseil nicht mehr einhängen? Was hatte ich vergessen oder übersehen? Ich rätselte und schwitzte. Dann erschien wie aus Zauberhand ein Radrennfahrer, der auch im Hostel übernachtet hatte. Ich bat um Hilfe und er lieh mir, wie man so schön sagt, seine Hand. Praktischerweise war er Fahrrad-Mechaniker und konnte mich sofort auf das verdrehte Kabel hinweisen, welche den Bremszug jetzt verkürzte. In wenigen Momenten war das Fahrrad abreisefertig und er selbst schwang sich im frühen Morgengrauen auf sein Rad und verschwand auf irgendeine kräftezehrende Tour ohne Gepäck. Wir sprachen später noch einmal und er reiste immer elegant mit einer Fahrrad-Tasche, die Rollen hatte und immer ohne Transport-Gepäck und fuhr seine Touren vom Hostel aus. So geht das auch. Viel entspannter, weil kein Ortswechsel und viel mehr Energie für Touren, weil kein Gepäck belastete. Ich werde es mir merken, Hawai’i lehrte mich so einiges und eine Lehre ist: Planung und Überlegung vorher ist ein guter Plan.

    Was macht man als Tourist in Wailuku oder Kahului? Nun, nach meinem Kaffee war ich zu frechen Taten bereit und tat etwas, was eigentlich eher Single-Männer tun: Ich schrieb zwei ehemalige Liebhaber an, ich sei in den USA und wenn sie mich sehen wollten, sollen sie sich melden, ich würde dann mitteilen, wo ich bin. Flausen im Kopf. Ich schrieb den identischen Text, um eine mögliche Reaktion auch vergleichen zu können. Hawai’i hat, wie so viele Inseln, umgeben vom Ozean, inmitten der Weite des Pazifiks, eine ganz besondere Stimmung. Diese Insel ermöglicht loszulassen. Wer loslässt, hat beide Hände frei, nicht wahr?

    Ich radelte den Berg hinunter zum Postamt. Wailuku liegt gewissermaßen auf dem Berg, Kahului liegt praktisch direkt am Meer, unten im Tal. Bauarbeiter wiesen mir über unbefestigte Straßen den Weg und Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft gehören für mich untrennbar zu Hawai’i. Vielleicht darf ich auch ganz eitel von mir sagen, dass ich eine nette Art zu fragen haben und als kleine Frau nie besonders bedrohlich aussehe, weil eigentlich habe ich auch in anderen Ländern immer viel Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft erfahren habe. Ich schrieb meine verpflichtenden Postkarten und meine versprochenen Postkarten. Im Zeitalter der Digitalisierung gibt es trotzdem Menschen, die sich unsäglich über buntes Papier freuen und eben weil es so umständlich geworden ist, ist eine Postkarte vom anderen Ende der Welt zu senden, ist es ein Zeichen besonderer Wertschätzung für diese Personen. Die Postkarten in den richtigen Briefkasten zu werfen ist gar nicht so einfach, weil der Mülleimer fast genauso aussieht. Ein Geschenk steckte ich in den Umschlag, schrieb ein paar Zeilen dazu, ließ es passend frankieren und sandte los. Die Nachrichten sind weg. Jetzt bin ich dran."

    Wailuku geht bergab. Der Weg nach Kahului geht bergab. Das Fahrrad rollt hinab und das nächste, was zu erledigen war, war die Frage nach dem Transport meines Fahrrads nach Oahu. Das hatte ich nämlich noch nicht geplant und konnte ich nicht richtig herausfinden von Deutschland aus, wie das geht. Maui hat sechs Fahrrad-Läden und im Laufe meiner Tage dort lernte ich alle kennen. Ich radelte also zielstrebig die Fahrrad-Läden in Kahului an. Fahrrad-Transport-Tasche, schmaler Fahrrad-Pappkarton, Idee, wie das Rad nach Oahu kommt? Die Händler in Kahului waren freundlich und hilfsbereit, aber sie hatte gar keine Fahrrad-Taschen und schlugen den bekannten Lieferservice aus dem Internet vor; ich könne doch im Internet bestellen oder sie bestellen für mich eine Tasche. Ja und die nächsten Fahrradhändler sind in Kihei an der Südküste der Insel. Die Fahrrad-Händler schicken einen ohne mit der Wimper zu zucken von einer Seite der Insel zur anderen. Die Insel ist ja auch nicht so groß und überhaupt:

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