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Kampf um Or: Die Abartigen, Band 4
Kampf um Or: Die Abartigen, Band 4
Kampf um Or: Die Abartigen, Band 4
eBook290 Seiten3 Stunden

Kampf um Or: Die Abartigen, Band 4

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Über dieses E-Book

Bei den Freien in Sicherheit, kommt Mikail doch nicht zur Ruhe. Die Gefahr, die seiner Heimat droht, geht ihm nicht aus dem Kopf. Für die riesigen Echsen sind auch die hohen Stadtmauern kein Hindernis. Von Sorge getrieben macht er sich auf den gefährlichen Weg durchs Gebirge, um Or zu warnen und ein Blutbad zu verhindern.
Dort wird die Lage immer ernster. Während mehr und mehr Echsen vor der Stadt auftauchen, ersinnen Loris und seine Mitstreiter ständig neue Methoden, um die Stadt gegen die unbesiegbar scheinenden Tiere zu verteidigen. Doch schon ein einziger Fehler kann in die Katastrophe führen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum1. Juni 2023
ISBN9783347938847
Kampf um Or: Die Abartigen, Band 4
Autor

Sascha Raubal

Sascha Raubal wurde 1972 in Ulm an der Donau geboren und zog mit 4 Jahren nach Bayern. Er studierte Informatik an der TU München, arbeitete danach zuerst als Software-Entwickler und ist inzwischen freiberuflich als Spezialist für elektronischen Datenaustausch (kurz EDI) unterwegs. Seine erste Geschichte schrieb er mit etwa acht bis zehn Jahren. Dieses potentielle Meisterwerk der Weltliteratur – irgendwas über eine intelligente außerirdische Fliege – kam leider nie über wenige Seiten hinaus und muss heute als unwiederbringlich verschollen gelten. Seine erste ordentliche Veröffentlichung hatte er 2015 im Machandel-Verlag, den ersten Band einer inzwischen vierteiligen Reihe über den Münchner Privatdetektiv Kurt Odensen. Die Abartigen sind eine insgesamt zwölfteilige Reihe, Band 1 erschien im September 2022, Band 12 wurde am Ostersonntag 2023 fertig geschrieben. Geplant ist, etwa alle drei Monate einen Band zu veröffentlichen.

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    Buchvorschau

    Kampf um Or - Sascha Raubal

    1

    »Willkommen im Berglager!« Jekarina breitete die mächtigen Arme aus und glich dabei mit ihren knapp drei Metern Höhe und etwa derselben Spannweite beinahe einer kleinen Windmühle.

    Mikail ging aufrecht unter ihrem gestreckten Arm hindurch und staunte. Das sah ja wirklich beeindruckend aus. Ein großes Plateau von sicher mehr als zwei Kilometern Durchmesser ragte wie ein Anbau aus einer gigantischen, grauen Felswand hervor. An drei Seiten fiel der Stein senkrecht ab, ein-, zweihundert Meter tief, an der vierten stieg er noch viel weiter empor. Von dort stürzte ein Wasserfall aus der Höhe hinab, gehüllt in eine Gischtwolke. Sie waren noch einige Kilometer entfernt, doch man konnte schon Zäune und mehrere Bauten auf dem Plateau erkennen, das außerdem von einem satten Grün überzogen war.

    Im ersten Moment war dagegen nicht auszumachen, wie man die große Ebene überhaupt erreichen sollte, dann jedoch erkannte er auf der rechten Seite eine Art breiten Sims, der anscheinend an der Steilwand entlangführte.

    Ein dünner Rauchfaden stieg an einer Stelle auf.

    »Sieh an«, sagte Laia, die mit ihnen zusammen an der Spitze marschierte, um mit ihren extrem guten Ohren rechtzeitig auf Gefahren aufmerksam zu werden, »die Meldereiter sind wohl schon da.«

    »Meldereiter?«, fragte Mikail neugierig. »Du meinst den Voraustrupp?«

    »Nein«, erwiderte sie kopfschüttelnd und ging wieder los. Jekarina und Mikail nahmen ihre Wanderung ebenfalls wieder auf. »Unser Voraustrupp ist noch nicht ganz da. Siehst du da hinten?« Laia zeigte auf einen Felsgrat weiter rechts. »Da reiten sie.« Tatsächlich, das Grüppchen von fünf Reitern bewegte sich dort auf den Strich zu, der an der Steilwand entlang zum Plateau führte und wohl den einzigen Zugang darstellte.

    »Die Meldereiter«, erklärte Laia, »reisen in jeder Trockenzeit von Lagerplatz zu Lagerplatz, um die neuesten Informationen zu sammeln und zwischen den Clans weiterzugeben. Zwar laufen die verschiedenen Clans einander auch so mal über den Weg, aber auf diese Weise ist sichergestellt, dass sich wichtige Nachrichten ausreichend schnell verbreiten. Wir müssen zum Beispiel unbedingt unsere Erfahrungen mit den Echsen mitteilen und hören, ob und wo noch andere auf diese Tiere gestoßen sind.«

    Ah, das klang sinnvoll. »Die Städte tauschen solche Informationen mit Brieftauben aus«, erklärte Mikail. »Als wir nach der Begegnung mit den neuen Wölfen nach Or zurückgekommen sind, wurden sofort Tauben mit allem, was wir über die Viecher herausbekommen haben, in diverse Nachbarstädte geschickt. Und die werden das wiederum weiterverbreitet haben.«

    »Ja, das könnt ihr in den Städten schon so machen«, antwortete Laia. »Bei uns funktioniert das nicht. Brieftauben sind ja ganz besonders standorttreu und kehren immer wieder an ihren vertrauten Schlafplatz zurück. Darauf basiert das ganze System. Wir aber wechseln ständig unsere Lagerplätze, zumindest alle zwei bis drei Monate, daher ist das für uns vollkommen unbrauchbar.«

    Auch wieder wahr. »Und woher wissen dann die Meldereiter, wo sie euch finden?«

    »Ganz einfach«, übernahm nun Jekarina die Erklärung. »Jeder Clan hat einen gewissen Reiseplan. Die Route von einer Trockenzeit bis zur nächsten ist ziemlich genau festgelegt. Diese Pläne sorgen auch dafür, dass wir uns nicht in die Quere kommen, manche Lagerplätze verkraften zum Beispiel wegen der Weidegründe nur einen Clan zur selben Zeit. Außerdem muss organisiert sein, wer bei welcher Stadt Aussetzungswache hält. Deshalb wussten wir schon vor einem Jahr, dass wir diese Dürre hier verbringen würden. Und die anderen Clans wissen das auch.«

    Je länger Mikail bei den Freien war, desto beeindruckter war er von ihnen. Die Nachfahren der Abartigen, die man vor Generationen aus den Städten vertrieben hatte, zogen zwar ständig durch die Welt, blieben nur einige Wochen an einem Ort mit ihren Zelten und Herden, doch deshalb lebten sie keinesfalls primitiv. Ihre Kinder wurden ebenso in Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet wie die der Städter, sie erlernten Berufe, trugen ihren Teil zum Gemeinwesen bei, und jeder kümmerte sich um den anderen. Dazu kam noch ihre Aufgabe, ausgesetzte Kinder aufzunehmen, die man in den Städten nicht haben wollte, weil sie als abartig galten. So wie Garik, den Siebenjährigen, den er zu ihnen gebracht hatte. Er selbst genoss bisher nur Gastrecht, aber immerhin, bis zum Ende der Dürre war er bei Jekarinas und Laias Clan in Sicherheit. Und wenn der Clanführer Connor mit seinem Antrag an diesen ominösen Großen Rat aller Freien ernst machte – und Erfolg hatte –, würde Mikail sogar endgültig aufgenommen. Eine Ehre, die wohl bislang noch keinem Erwachsenen zuteilgeworden war.

    »Eigentlich wären wir doch erst übermorgen angekommen«, fiel ihm ein. »Warum sind die jetzt schon da?«

    Die Riesin ließ ihr dröhnendes Lachen hören. »Du bist ein Witzbold! Glaubst du denn, wir wissen auf den Tag genau, wann wir wo sind? Das hängt gerade vor einer großen Dürre ganz davon ab, wann die Städte ihre Aussetzungen beenden. Du weißt doch, wir konnten erst los, als in Or das Signal für den offiziellen Beginn der Dürre gegeben wurde.«

    »Also sitzen diese Meldereiter auch manchmal tagelang da und warten auf euch?«

    Wieder lachte sie. Man bekam fast Angst, dass der Lärm irgendwo einen Steinschlag auslöste. »Als wenn sie nichts Besseres zu tun hätten. Ich denke, sie sind erst gestern angekommen, womöglich sogar heute früh. Dann machen sie erst mal Rast, und wenn wir nicht zufällig jetzt schon aufgekreuzt wären, würden sie uns einfach entgegenkommen. Sie wissen ja, welchen Weg wir von Or aus nehmen.«

    Mikail kam sich mal wieder ziemlich dumm vor. Als Städter war er viel simplere, geregeltere Abläufe gewöhnt. Es gab den Turm mit der Sonnenuhr und dem Stundengong, feste Zeiten und Orte für alles. Die Freien mussten sich ständig den äußeren Gegebenheiten anpassen, flexibel auf Veränderungen reagieren und auf Ereignisse, die sie nicht beeinflussen konnten.

    So hatten sie zum Beispiel die Reise von der Ebene bis hierher in vier Tagen hinter sich gebracht, für die eigentlich sechs geplant gewesen wären. Kurz nach dem Eintritt ins Gebirge waren sie auf die neuartigen Echsen getroffen, bis zu acht Meter lang, mit mörderischen Zähnen, messerscharfen Klauen und einer derart gepanzerten Haut, dass sie nur sehr schwer zu töten waren. Kurzerhand hatten Connor und der Clanrat die gesamte Marschordnung über den Haufen geworfen. Statt jeden Tag mit einem ordentlichen Frühstück zu beginnen und mit geselligen Abenden am Feuer ausklingen zu lassen, waren die knapp vierhundert Freien mitsamt ihren Wagen, Packtieren und Herden vom ersten Morgengrauen bis weit in die Nacht hinein marschiert. Die Nachtwachen wurden verdreifacht, konnten sich teilweise auf den Wagen ausschlafen, während sie am Tage weiterzogen. Immerhin war eine der drei Echsen entkommen. Zwar nur ein mit gerade einmal rund fünf Metern von der Schnauze bis zur Schwanzspitze noch nicht ausgewachsenes Exemplar, doch das war schon gefährlich genug. Und man wusste nicht, wie viele dieser Biester sich noch in den Tälern des Sandsteingebirges oder gar dem granitenen Zentralgebirge herumtrieben, in dem das Ziel ihrer Reise lag.

    »Jetzt komm«, rief Laia ihn. Er merkte, dass er sinnierend stehengeblieben war. »Ein letztes Stück noch, dann sind wir da.«

    Mikail war heilfroh, als er endlich das Plateau betrat. Der letzte Teil der Reise hatte auf diesem grässlichen Pfad an der Steilwand entlanggeführt. Waren schon höhere Grate eine harte Belastung für seine Nerven, der gute Kilometer auf einem manchmal kaum mehr als drei Meter breiten Sims, rechts der senkrecht aufragende Granit, links der gähnende Abgrund, hatten ihm nichts als Herzrasen und Schweißausbrüche beschert. Oft genug hatte Jekarina ihn mit ihren mächtigen Pranken sanft voranschieben müssen, als er vor Angst keinen Fuß mehr vor den anderen setzen konnte. Dicht an den grauen Fels gepresst war er mit zusammengekniffenen Augen dagestanden, zitternd wie Espenlaub und nass vom Angstschweiß. Einmal hatte die Riesin sogar Anstalten gemacht, ihn kurzerhand über die Schulter zu legen und zu tragen, aber das wäre ihm dann doch zu peinlich gewesen. So hatte er mit aller Macht seine Höhenangst niedergekämpft und war weitergegangen.

    Wenigstens hatte ihn niemand deshalb ausgelacht. »Jeder hat so seine Schwachstellen«, hatte Jekarina nur gutmütig lächelnd kommentiert und, nach kurzem Nachdenken, hinzugesetzt. »Vielleicht sogar ich.«

    Nun jedoch hatten sie diesen schlimmsten Teil des Weges hinter sich. Vor Mikail breitete sich saftiges Grün aus, beinahe hüfthoch standen die Halme, dazwischen Büsche und kleinere Bäume. Hier und da sah man die Spuren von Tieren, die sich wohl noch bis vor kurzem in diesem wahren Schlaraffenland für Grasfresser aufgehalten hatten. Doch diese waren nun offenbar verschwunden, bis auf einige große Tiere mit mächtigen, mehr als meterlangen, gebogenen Hörnern. Friedlich äsend hoben sie nur für einen Moment den Kopf, schauten eher gelangweilt zu den Neuankömmlingen und wandten sich dann wieder ihrem Festmahl zu.

    »Was ist das denn?«, fragte Mikail begeistert. »Sehen ein bisschen wie übergroße Ziegen aus.«

    »Das?« Laia lächelte. »Das sind Steinböcke. Die kennt ihr unten im Randgebirge nicht, sie leben in höheren Lagen. Ich kenne kein anderes Tier, das selbst in steilen Felswänden so trittsicher ist.«

    »Wunderschön.«

    »Oh ja«, stimmte Laia zu. »Wobei das die Tiere der Meldereiter sind. Du siehst ja, sie sind so groß wie Pferde. Wilde Steinböcke sind ein ganzes Stück kleiner.«

    »Das heißt, darauf reiten sie hier durch die Felsen?«

    »Ja sicher. Wie gesagt, es gibt kein trittsichereres Tier. So ein Steinbock könnte sogar die Felswände hinauf und hinunter klettern, an denen du dich gerade vorbeigequält hast.«

    Nun war Mikail noch mehr beeindruckt. »Selbst mit Reiter?«

    Nun lachte Laia. »Na, ich denke, das ersparen sie sich lieber. Aber die Wege der Meldereiter sind auch so schwierig genug, daher sind diese Tiere geradezu perfekt. Hier im Gebirge, natürlich. Im Flachland nehmen sie Pferde.«

    Das tat Mikails Bewunderung keinen Abbruch. Er behielt die stolzen Tiere mit den mächtigen Hörnern weiter im Blick, während er den beiden Frauen folgte, die auf die kleine Gruppe Menschen zusteuerte, die sich um ein Feuer versammelt hatte. Fünf Pferde standen ein wenig abseits und taten sich ebenfalls am hohen Gras gütlich. Der Voraustrupp war inzwischen eingetroffen.

    »Jekarina, meine Süße!«, schallte ihnen eine tiefe Männerstimme entgegen. »Hast dich wohl beeilt herzukommen. Woher wusstest du, dass ich hier bin?«

    »Ich hab dich schon heute früh beim Aufstehen gerochen«, gab sie dröhnend zurück und lachte lauthals. »Oder war das dein Bock?«

    Ein bärtiger Mann um die vierzig löste sich aus der Gruppe und kam ihnen entgegen. Die Riesin machte einfach ein paar große Schritte mit ihren überlangen Beinen, schon hatte sie einige Meter Vorsprung vor Mikail und Laia und traf auf den Fremden, der sich grinsend von ihr hochheben und an ihren gewaltigen Busen drücken ließ.

    »Twan, du Halunke! Schön, dich mal wieder zu sehen.«

    Der Mann legte seine Hände an Jekarinas Kopf und drückte ihr einen dicken Schmatz auf die Stirn. »Schön, dich zu sehen.« Dann warf er einen Blick über ihre Schulter. »Laia, hallo! Wie geht’s dir?«

    »Bestens«, antwortete diese und winkte ihm. »Das ist Twan«, erklärte sie Mikail. »Er ist bei uns aufgewachsen und vor etwa zehn Jahren zu den Meldereitern gegangen. Deshalb kennt er fast den ganzen Clan noch aus seiner Kindheit.«

    Jekarina hatte Twan inzwischen wieder auf den Boden gestellt, und nun trat er ihnen entgegen. »So ist es. Aber dich kenne ich nicht.« Fragend sah er Mikail an. »Aus welchem Clan kommst du?«

    »Lass uns das heute Abend am Feuer klären, ja?«, bremste Laia Twans Neugier. »Dann müssen wir nicht alles mehrfach erzählen. Es gibt viel zu besprechen.«

    »Oh ja«, stimmte der Meldereiter ihr zu. »Wir haben schon gehört, ihr habt nähere Bekanntschaft mit diesen neuen Riesenechsen gemacht. Und da seid ihr nicht die Einzigen.«

    Bis zum Abend war der ganze, lange Zug auf dem Plateau eingetroffen. Waren die Täler auf dem Weg hierher immer enger, die Pässe immer schmaler geworden, der Sims auf dem letzten Stück hatte die Freien endgültig dazu gezwungen, in einer langgestreckten Kolonne, ein Wagen nach dem anderen, zu reisen.

    Noch vor der Dunkelheit hatte man die Zelte errichtet, und nun saß der komplette Clanrat mit den vier Meldereitern um ein großes Feuer, um Neuigkeiten auszutauschen. Da Mikail selbst eine dieser Neuigkeiten war, hatte Connor auch ihn dazu geladen.

    »Ich sag’s euch: Einfach zurückgeprallt ist sie, meine schöne Axt«, berichtete Jekarina eben von dem Kampf mit den Echsen vor vier Tagen. »Damit hab ich schon ganze Bären auseinandergehackt, aber diesem Biest konnte ich noch nicht mal den Zeh abschlagen. Die sind unglaublich gut gepanzert.«

    »Ja, davon haben wir schon gehört«, bestätigte Twan, der wohl den Meldetrupp anführte. »Zwei andere Clans hatten auch schon Begegnungen mit den neuen Echsen, und sie haben dabei wesentlich mehr Menschen verloren. Aber keinem ist es bisher gelungen, auch nur ein einziges Tier zu erlegen. Ihr dagegen habt gleich zwei getötet. Wie habt ihr das geschafft?«

    »Das haben wir unserem neuen Freund hier zu verdanken«, erklärte Connor und deutete auf Mikail. »Er ist schon vor uns mit zweien dieser Viecher zusammengestoßen und hat das überlebt. Mikail, magst du selbst erzählen, wie es dazu kam?«

    Wieder einmal stand er im Zentrum der Aufmerksamkeit. Na schön, so langsam gewöhnte er sich daran. Mikail berichtete davon, wie er den siebenjährigen Garik nach dessen Aussetzung im Stadtwald gerettet hatte, wie sie auf dem Weg zurück in seinen Unterschlupf von den beiden Monstren verfolgt worden und gerade noch in die Höhle geflüchtet waren. Die schrecklichen Minuten, als eine der Echsen sie beinahe erwischt hätte, kürzte er lieber ab und kam zum Wesentlichen.

    »Plötzlich ist das Vieh einfach zusammengebrochen. Als ich ihm die Lanze und den Speer ins Maul gerammt hab, war es nur sauer, und dann lag es auf einmal tot da. Zum Glück hat es den Eingang versperrt, sodass sein Artgenosse nicht zu uns reinkam, und der hat sich dann irgendwann getrollt. Als wir uns am nächsten Morgen aus der Höhle getraut haben, konnte ich mir den Kadaver genauer ansehen und bin dabei auf zwei Schwachstellen gestoßen. Eine davon hatte wohl die andere Echse versehentlich erwischt und damit ihren Kumpan erledigt. Diese Stellen liegen links und rechts am Hals, direkt hinter dem Nackenschild, der sie normalerweise sehr gut abschirmt. Die übrige Haut am Hals ist zwar etwas weicher als am Rest des Körpers, damit sie den Kopf bewegen können, aber diese beiden Stellen – sie sind etwa so groß wie Jekarinas Hand – sind sehr verletzlich. Die Haut ist nur ledrig, aber nicht von Hornschuppen geschützt, ziemlich dünn, und direkt darunter befinden sich große Adern. Wir nehmen an, dass es der Kühlung dient, eine andere Erklärung haben wir nicht. Vuyo sagte ja schon, es sind Warmblüter. Aber egal, warum sie diese Stellen haben, da kann man sie jedenfalls mit einem einfachen Pfeil oder Speer verletzen, und dann spritzt das Blut unter hohem Druck heraus. Nur, diese Stellen zu treffen, das ist eine Kunst für sich. Wenn man es dann noch schafft, die Wunde noch etwas größer aufzureißen, brechen sie praktisch sofort zusammen, weil das Blut in einem riesigen Schwall herausschießt.«

    »Oh ja …«, erinnerte sich Markus grinsend. »Ich hab ausgesehen wie ein frisch gestochenes Schwein.« Nachdem die junge Kaori der Echse einen Speer in die weiche Stelle gejagt hatte, war er mit seiner enormen Geschwindigkeit gerade noch rechtzeitig heran gewesen, um Mikail davor zu retten, zwischen den Kiefern des Tieres zu enden. Markus war mit seiner außergewöhnlichen Geschwindigkeit über den Hals der Bestie gesetzt und hatte die Waffe so herumgerissen, dass er viele Blutgefäße zerfetzt und besagten Blutschwall ausgelöst hatte – um selbst davon überschüttet zu werden.

    »Ein Anblick für die Ahnen, ja«, bestätigte Jekarina lachend. »Von Kopf bis Fuß knallrot war er.«

    Für einen Moment wich die beklommene Stimmung, die die Schilderung der Kämpfe heraufbeschworen hatte, doch schon verdüsterte sich das Gesicht Twans wieder. »Das heißt, man kann sie töten, aber es ist verdammt schwer. Und sie klettern sogar Felswände hinauf?«

    »Zumindest ein paar Meter Sandstein«, stimmte Marlen zu, Mitglied des Clanrates. »Ihre Klauen sind so stark, dass sie sich darin festkrallen können. Ob sie aber auch an Granitwänden wie diesen hier hinaufkommen, ist eine ganz andere Frage.«

    »Die ich möglichst nicht so bald geklärt sehen möchte«, fügte Connor hinzu. »Wir müssen uns gründlich überlegen, wie wir uns dagegen absichern, dass sie auf dieses Plateau gelangen. Sie würden ein Blutbad anrichten.«

    »Wenigstens in diesem Punkt kann ich euch beruhigen«, erwiderte Twan. »Soweit wir wissen, halten sich die Tiere immer recht nahe am Gebirgsrand. Zwar wurden schon einige Exemplare weiter draußen in der Ebene gesichtet, dort scheinen sie aber die Mittagshitze nicht zu vertragen. Sie jagen wohl gerne dort, weil sie sehr schnelle Läufer sind, verbringen die heißesten Stunden des Tages aber lieber in kleinen Tälern, wo es schattig ist. Das passt zu eurer Vermutung, dass sie Warmblüter sind. Andere Clans haben beobachtet, dass die Tiere hauptsächlich morgens und abends jagen, während sie tagsüber den Schatten suchen. In der Nacht sind sie eher auf Wanderschaft, scheint es. Auf jeden Fall gehen sie nicht allzu weit ins Gebirge hinein, vermutlich, weil ihnen die Jagd dort zu schwer fällt. In der Ebene können sie mit ihrer erschreckenden Geschwindigkeit und Größe Wildrinder und sogar Pferde jagen, in den Bergen bekommen sie nur viel kleinere Tiere in die Fänge, die den Aufwand nicht lohnen. Zumindest deuten alle Beobachtungen darauf hin.«

    »Dann sind wir ihnen also wohl nur zufällig in die Quere gekommen«, überlegte Mikail laut, »und sie dachten, wir wären ein netter, kleiner Happen zwischendurch.«

    »Kann sein, ja.« Twan sah ihn nachdenklich an. »Nun möchte ich aber doch gerne erfahren, was es mit dir auf sich hat. Du holst einfach so ein Kind vom Übergabepunkt weg, alleine? Das macht man nicht, das solltest du doch wissen.«

    Tja, damit waren sie wieder an dem Punkt. Mikail musste erneut seine Geschichte erzählen. Er wechselte nur einen kurzen Blick mit Connor, der ihm auffordernd zunickte, und schilderte dann in möglichst kurzer Form, wie er in Or aufgewachsen war, mit der ständigen Angst, als Abartiger enttarnt zu werden. Beinahe zwanzig Jahre war es ihm gelungen, doch dann hatte nur er mit seiner immensen Kraft, die die jedes normalen Menschen um ein Mehrfaches überstieg, eine ganze Handelskarawane vor einem Rudel riesiger Wölfe retten können. Zwar hatten so die meisten Menschen der Karawane überlebt, inklusive seines besten Freundes Loris, doch das rettete Mikail nicht davor, kurz vor der anstehenden großen Dürre aus seiner Heimatstadt verbannt zu werden. Abartige, wie man all jene Menschen nannte, die mit Abweichungen zu dem, was man als gesund definierte, geboren waren, durften nicht in den Städten leben. Zu groß war die Angst vor ihnen, geschürt durch alte Geschichten von einem blutigen Kampf zwischen veränderten und normalen Menschen.

    Kaum hatte Mikail sich in einer Höhle häuslich eingerichtet, die er einem Bären abgejagt hatte, war der kleine Garik ebenfalls ausgesetzt worden. In dem Glauben, man überlasse das Kind dem sicheren Tod, hatte Mikail es zu sich geholt. Von den vielen in der Wildnis lebenden Menschen, die sich Freie nannten und aus ausgesetzten Abartigen oder deren Nachfahren bestanden, hatte er keine Ahnung gehabt. Dieses Geheimnis wurde streng gehütet, man ließ die Stadtbewohner in dem Glauben, alle ausgesetzten Kinder fielen wilden Tieren zum Opfer, während sie eigentlich von den Freien aufgenommen wurden.

    »Tja, zum Glück hatte ich kurz vorher das Lager dieses Clans hier entdeckt und habe dann natürlich beschlossen, den Jungen dorthin zu bringen, wo man sich besser um ihn kümmern kann«, schloss Mikail seinen Bericht ab.

    Twan nickte bedächtig. »Kluge Entscheidung. Nur wundert es mich, dass du immer noch bei ihnen bist.« Er sah Connor fragend an. »Die Regeln sind doch recht eindeutig, was erwachsene Ausgewiesene angeht. Keine Aufnahme mehr in dem Alter.«

    Connor brummte zustimmend. »Das hatten wir auch nicht vor. Aber der Junge, dieser Garik, hat uns praktisch dazu gezwungen. Der Bengel hat uns glattweg damit gedroht, er würde sofort hinter Mikail herlaufen, wenn der uns verlassen muss. Mikail hat sogar einmal versucht, sich heimlich wegzuschleichen, aber Garik hat es mitbekommen und

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